Urteil des SozG Würzburg vom 08.02.2010

SozG Würzburg: vergleich, beendigung, behinderung, richterrecht, gesetzeslücke, form, akte, aufwand

Sozialgericht Würzburg
Kostenbeschluss vom 08.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 2 SF 54/09 E
Die Erinnerung vom 05.06.2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.05.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Streitig ist, ob der Klägerin eine "fiktive" Terminsgebühr nach Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs zusteht.
I. Der Klägerbevollmächtigte vertrat die Klägerin im Klageverfahren S 9 SB 144/07. In dem Verfahren war streitig, ob
der Klägerin ein Grad der Behinderung von 60 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" zustehen. Im
Hinblick auf das gerichtsärztliche Sachverständigengutachten des Dr. X erklärte sich der Beklagte am 05.03.2008
bereit, einen Grad der Behinderung von 30 festzustellen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
entstandenen notwendigen Aufwendungen des Klageverfahrens zu 3/10 zu übernehmen. Dabei werde die sogenannte
Mittelgebühr zugrunde gelegt. Dieses Vergleichsangebot nahm die Klägerin am 02.04.2008 an.
Mit Kostenausgleichsantrag vom 13.10.2008 machte der Bevollmächtigte seine Gebühren in Höhe von insgesamt
261,80 Euro (1/3 von 785,40 Euro) geltend, u. a. eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr
von 200,00 Euro.
Zur Begründung der Terminsgebühr berief er sich auf einen Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.05.2008.
Danach sei in Rechtsstreitigkeiten, in denen Betragsrahmengebühren entstünden, bei Beendigung des Verfahrens vor
Durchführung der mündlichen Verhandlung durch Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs in entsprechender
Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG eine Terminsgebühr angefallen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.05.209 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von der Klägerin
geltend gemachten Gebühren ohne die Terminsgebühr fest. Er berief sich dabei auf die Rechtsprechung des
Kostenrichters beim Sozialgericht Würzburg.
Dagegen legte die Klägerin am 05.06.2009 Erinnerung ein. Sie berief sich dabei erneut auf die Rechtsprechung des
Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.05.2008. Es lasse sich kein Grund ersehen, warum in Nr. 3104 VV RVG und in Nr.
3106 VV RVG jeweils eine abweichende Regelung gelten solle, so dass hier eine Regelungslücke zu bejahen sei, die
offenbar auf einem Versehen bzw. ein Übersehen des Gesetzgebers beruhe.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und diese der erkennenden Kammer zur Entscheidung
vorgelegt.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogene Akte S 9 SB 144/07 und die Kostenakte Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Erinnerung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Bezüglich der
Entscheidungsgründe wird in vollem Umfang auf die Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.05.2009
Bezug genommen.
Ergänzend wird ausgeführt: Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG fällt für ein durch Vergleich beendetet
sozialgerichtliches Verfahren nur an, wenn dieser Vergleich in einem Verhandlung-, Erörterungs- oder
Beweisaufnahmetermin geschlossen wurde bzw. die gerichtlichen Erörterungen zu einer sonstigen
Verfahrensbeendigung geführt haben. Unerheblich ist dabei, ob der dem Rechtsanwalt entstandene Aufwand höher ist
als bei oder vor der Annahme eines außergerichtlichen Anerkenntnisses (vgl. LSG Nordrhein Westfalen vom
30.03.2009, L 2 B 20/08 KN P).
Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Versehen des
Gesetzgebers im Sinne einer planwidrigen Regelungslücke vorliegen könnte. Dem Gesetzgeber war bekannt, dass bei
der Entwicklung der neuen Vergütungsstruktur zu bedenken und entscheiden war, ob bei Beendigung eines
sozialgerichtlichen Verfahrens durch schriftlichen Vergleich eine Terminsgebühr anfällt. Dies zeigt die Regelung in den
Nummern 3202 VV RVG und 3104 VV RVG. Vor diesem Hintergrund liegt es fern, bei der unterschiedlichen Regelung
für Vertragsrahmengebühren einerseits und Wertgebühren andererseits von einem Redaktionsversehen des
Gesetzgebers zu sprechen. Lässt sich aber nicht feststellen, dass eine planwidrige Gesetzeslücke gegeben ist,
fehlen die speziellen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Nrn. 3102 und 3104 VV RVG. Eine
Rechtsfortbildung durch Richterrecht ist daher auch unter verfas-sungsrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. Ein Rechtsmittel ist nicht zulässig
(§ 197 Abs. 2, Halbsatz 2 SGG).