Urteil des SozG Leipzig vom 27.02.2004

SozG Leipzig: aufschiebende wirkung, gaststätte, gesellschaft mit beschränkter haftung, gesellschafter, gründung der gesellschaft, stadt, juristische person, öffentliches interesse, beitragspflicht

Sozialgericht Leipzig
Beschluss vom 27.02.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 8 KR 219/03 ER
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 25.02.2004 gegen den Bescheid vom 17.09.2003 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.02.2004 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes über die Vollziehbarkeit einer Beitragsnachforderung
zur Sozialversicherung.
Am 12.07.2000 beantragte die am ...1960 geborene Antragstellerin (Ast) bei der Stadt H ... die Erlaubnis zum Betrieb
einer Schankwirtschaft. Zur Begründung führte sie aus, dass sie seit 04.04.1998 selbstständig sei und in Leipzig ein
Textileinzelhandelsgeschäft unter der Firma ... betreibe. Sie sei vorher ein Jahr arbeitslos gewesen und habe während
dieser Zeit einen Existenzgründerlehrgang besucht. Eine entsprechende Bescheinigung über die Unterrichtung nach §
4 Abs. 1 Nr. 4 des Gaststättengesetzes der Industrie- und Handelskammer zu L ... vom 12.07.2000 war beigefügt. In
der Schankwirtschaft sollten ausschließlich Getränke aller Art, alkoholische und nichtalkoholische, an jedermann
abgegeben werden, wobei die tägliche Betriebszeit jeweils mit Eintritt der Sperrzeit enden solle. Bei einer am
19.07.2000 durchgeführten Überprüfung eines Gaststättenbetriebes wies die Erlaubnisbehörde darauf hin, dass noch
bestimmte Beanstandungen bestünden, die von ihr zu beseitigen seien.
Am 02.08.2000 erteilte die Stadt H ... der Ast die Erlaubnis zur Betreibung einer Schankwirtschaft, und zwar nur für
Getränke und ohne Speisen entsprechend der Sperrzeitverordnung des Landes Sachsen-Anhalt.
Am 02.12.2000 führte die Stadt H ... - Ordnungsamt - von 02.20 Uhr bis 02.35 Uhr eine Betriebskontrolle in dem ...
genannten Betrieb durch. Unter anderem wurde festgestellt, dass nur auf Klingeln hin der Eingang geöffnet worden
sei. Die Inha- berkennzeichnung und die Preisliste seien (zumindest in nichtlesbarer Form) nicht am Eingang bzw. der
Außenseite angebracht. Der Eingang werde kameraüberwacht. Infolgedessen erließ die Stadt H ... unter dem
29.12.2000 einen Kostenfestsetzungsbescheid in Höhe von 150,00 DM wegen nicht sicht- und lesbar angebrachter
Inhaberkennzeichnung sowie Preisliste am Eingang bzw. der Außenseite und unerlaubter Verkürzung der Sperrzeit.
Am 10.01.2001 erfolgte eine weitere Nachschau durch das Ordnungsamt H ... Nach dessen Feststellungen handelt es
sich um eine unerlaubte Nachtbar. Es sei eine kleine Bühne für Striptease und Tabledance eingerichtet worden, wobei
die Durchführung dieser "Veranstaltungen" bauordnungs- und gaststättenrechtlich genehmigungspflichtig sei. Der
Betrieb verfüge über Sicherheitsvorkehrungen, die von der Ast nicht ausreichend hätten begründet werden können.
Der Preisaushang und die Inhaberkennzeichnung seien zwischenzeitlich am Eingang angebracht worden. Die Ast
wurde von den entsprechend festgestellten Beanstandungen in Kenntnis gesetzt und zur Beseitigung der Mängel
aufgefordert.
Am 17.01.2001 beantragte die Ast die Verkürzung/Aufhebung der Sperrzeit nach § 4 der Sperrzeitverordnung des
Landes SachsenAnhalt. Zur Begründung gab sie an, dass ihre Gaststätte " ..." gerade kurz vor Beginn der
allgemeinen Sperrzeit einen hohen Besucherandrang aufweise. Die Gäste hätten den Wunsch nach Bewirtung und
Aufenthalt in ihrer Örtlichkeit, die sich auf einem alleinstehenden Eckgrundstück befinde, geäußert.
Am 19.02.2001 überprüften Mitarbeiter der Stadt H ... erneut den Betrieb. Tabledance selbst werde nicht durchgeführt.
Das "Tabledance-Podest" solle deshalb als "Blumenständer" umgerüstet werden.
Mit Bescheid vom 06.04.2001 lehnte die Stadt H ... - Ordnungsamt - eine Verkürzung der Sperrzeit ab.
Sperrzeitverkürzungen seien nur ausnahmsweise in atypischen Fällen erlaubnisfähig. Die Beweislast für einen
atypischen Fall liege bei demjenigen, der die Abweichung erstrebe. Wegen der abgeschiedenen Lage der Gaststätte
bestehe keine Bedarfslücke für die Allgemeinheit, sondern allenfalls für ein gewisses Stammpublikum. Zwar handele
es sich bei der Gaststätte um ein alleinstehendes Eckhaus; es sei aber in eine Straße mit zahlreichen Wohnungen
eingebunden, weshalb sich Geräusche wie Parkraumsuchverkehr usw. störend auf die Nachtruhe der ansässigen
Wohnbevölkerung auswirke.
Hiergegen legte die von der Ast am 05.02.2001 bevollmächtigte Rechtsanwaltskanzlei ... (vgl. Blatt 40 der
Ordnungsamtsakte) Widerspruch ein. Die große Zahl der Besucher, nicht nur Stammgäste, hätten großes Interesses
an einem Betrieb der Gaststätte " ..." auch über 01.00 Uhr hinaus. Von der Gaststätte gingen zu keiner Tages- und
Nachtzeit Ruhestörungen aus, zumal das Gaststättengebäude einzelstehend sei und die Gaststätte im besten
Einvernehmen mit der umliegenden Nachbarschaft betrieben werde. Seine Mandantin habe die Absicht, unter ...
Bürgern für eine Sperrzeitverkürzung ihrer Gaststätte " ..." Unterschriften zu sammeln. Das Ordnungsamt möge
mitteilen, wie viele Unterschriften nötig seien, um ein öffentliches Bedürfnis nach längeren Öffnungszeiten der
Gaststätte seiner Mandantin zu begründen. Mit Schriftsatz vom 31.08.2001 nahmen die beauftragten Rechtsanwälte
den Widerspruch zurück.
Unter dem 13.05.2002 war gegen die Ast Strafanzeige gestellt worden. Sie werde verdächtigt, gewerbsmäßig und
gemeinschaftlich mit anderen handelnd Ausländerinnen zum illegalen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
verholfen zu haben, welche hier der Prostitution zugeführt worden seien. Als Barfrau im Nachtclub " ..." zeichne sie
für die Organisation des illegalen Bordellbetriebes mit verantwortlich. Sie kontrolliere die Abrechnung der Prostituierten
und führe deren Einnahmen an weitere Beschuldigte ab. Durch ihr Mitwirken würde ausländischen Prostituierten die
Möglichkeit illegaler Beschäftigung gewährt.
Laut Polizeiprotokoll fungiere die Ast als Lebensgefährtin des ... B ... Gemeinsam mit ... M ... und ... S ... würden im "
..." ausländische Frauen, zum Teil ohne im Besitz einer erforderlichen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die
Bundesrepublik Deutschland zu sein, der Prostitution zugeführt. Dies geschehe vorsätzlich, planmäßig und
arbeitsteilig des finanziellen Vorteils wegen, da nach dem Ergebnis der Ermittlungen die dort tätigen Frauen ungefähr
die Hälfte ihrer Einnahmen an die Betreiber abführen müssten.
Durch Beschluss vom 03.06.2002 hat das Amtsgericht H ...-S ... die Durchsuchung der Wohnung, der Räume sowie
der Geschäftsräume, jeweils einschließlich der Nebenräume und Garagen auf einem Grundstück in Leipzig sowie der
PKW, die ihnen gehörenden Sachen und ihrer Person angeordnet, da das Auffinden von Beweismitteln bei der
Durchsuchung vermutet werde. Unter dem selben Tag erließ das Gericht gegen die Ast einen Haftbefehl. Es werde die
Untersuchungshaft angeordnet, weil die Ast dringend verdächtig sei, von Juni 2001 bis zum 29.05.2002
gemeinschaftlich handelnd jeweils durch dieselbe Handlung durch 10 Taten eine andere Person zur Aufnahme oder
Fortsetzung von Prostitution bestimmt sowie gewerbs- und bandenmäßig gegen das Ausländergesetz verstoßen zu
haben, um einen Vermögensvorteil zu erlangen. Sie sei als Lebensgefährtin von B ... und Konzessionsinhaberin der
Bar " ..." in das Geflecht aus illegalen Bordellen bzw. Bordellwohnungen und Verstößen gegen das Ausländergesetz
eingebunden.
Anlässlich einer Telefonüberwachung vom 06.06.2002 habe die Ast ... M ... unterstellt, B ... und S ... zu betrügen. Sie
habe keine Lust mehr, "ihren A. für das Ding hinzuhalten ... ". Des Weiteren habe sie geäußert, für was Legales wär s
in Ordnung. Wenn irgendwas ist, kommen sie zu mir. Ich gehe in den Knast ... Mir hängen sie dann was an. Ich kann
mich dann nicht hinstellen und sagen, der ... hat gesagt, ich soll das machen ... Irgendwann fliegt die Bude da drüben
auf und ich halte meinen A. hin". Aus dem Gespräch geht nach den polizeilichen Ermittlungen hervor, dass die Ast
und B ... wüssten, dass die geschäftlichen Abläufe im " ..." nicht legal seien. Bereits am 08.05.2002 habe sie B ...
vorgeworfen, dass die anderen ihre Einlagen von 5.000,00 DM schon herausgeholt hätten. Er selbst habe nur sehr
wenig bekommen. Des Weiteren waren vom Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt und dem Bundesgrenzschutz-Amt H
... weitere relevante Gespräche aus telefonischer Uberwachung im Zeitraum 29.08.2001 bis 03.11.2001 aufgeführt,
aus denen eine Einbeziehung der Ast in die Geschäfte hervorgeht.
Am 12.06.2001 unternahm die Polizei einen bundesweiten Einsatz zur Aufdeckung illegaler Prostitution. Hierbei wurde
für das " ..." festgestellt, dass die Inhaberkennzeichnung ordnungsgemäß angebracht worden sei, ebenso wie eine
Preisliste, wobei die Getränkepreise gegenüber anderen Gaststätten sehr hoch seien. Der Gaststätteneingang werde
kameraüberwacht. Ein "Podest mit Stange im Gastraum" sei immer noch vorhanden und nicht zum "Blumenständer"
umfunktioniert. Neben der Barfrau seien drei männliche und fünf weibliche Personen anwesend. Die Frauen arbeiteten
dort als Prostituierte und wohnten in den Zimmern über der Gaststätte. Es bestehe ein direkter Zugang von der Küche
ins Treppenhaus und damit zu den Zimmern im ersten und zweiten Obergeschoss.
In einer Vernehmung des Bundesgrenzschutzamtes H ... vom 03.07.2002 sagte ... S ... aus, dass ihr "der H ..."
(gemeint ist wohl: ... B ...) auf eine Stellenanzeige hin gesagt habe, dass "seine Frau" (gemeint ist wohl: die Ast) in H
... eine Bar habe. Er würde sie mitnehmen. Nachdem sie am Freitag miteinander gesprochen hätten, habe er sie mit
"seiner Frau" abgeholt. "Seine Frau" habe in der Bar gearbeitet und sie eingewiesen, was im Bar- und Thekenbereich
zu tun sei. Anfangs habe sie nur zwei Tage arbeiten müssen, weil die Ast noch da gearbeitet habe. Es sei noch eine
andere Bardame namens "M ..." dort gewesen. M ... habe drei Tage, sie selbst drei Tage und die Ast am
Wochenende gearbeitet. Im Dezember hätten "sie" die M ... "rausgeschmissen". Auch die Ast habe einfach irgendwie
aufgehört und sei weg gewesen, ohne dass einer nachgefragt habe. Auf ausdrückliche Nachfrage betonte sie, dass
die Ast sie in alles eingewiesen habe, auch in das was zu tun sei, wenn Mädchen auf das Zimmer gegangen seien.
Der "H ..." habe sich bei der Einweisung in der Bar aufgehalten. Er habe sich sonst aber "rausgehalten", weil er im
hinteren Büro über den Monitor den Barbereich habe einsehen können. Anschließend habe er die Ast heimgefahren.
Sie habe ihr am Anfang gesagt, dass sie darauf achten solle, nicht die Füße hoch zu legen und nicht ständig mit dem
Handy zu telefonieren. Mit der Ast und "H ..." habe sie ein vertrauensvolles Verhältnis gehabt. Sie habe gewusst,
dass die Ast die eigentliche Besitzerin gewesen sei. Mit ihr habe sie auch immer zusammen alles geklärt. Die Ast
habe nur am Wochenende gearbeitet, weil sie in der Woche einen Laden betrieben habe (gemeint ist wohl: das " ...").
Am 30.07.2002 meldete die Ast das Gewerbe rückwirkend zum 15.07.2002 ab. Am 28.08.2002 widerrief die Stadt H ...
nach Anhörung mit Schreiben vom 10.07.2002 die erteilte Gaststättenerlaubnis. Der Bescheid ist seit 04.10.2002 in
Bestandskraft erwachsen.
Unter dem 13.01.2003 unterrichtete das Hauptzollamt M ... die Antragsgegnerin (Ag) von einem Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft H ... wegen Verdachts des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt nach § 266 a Strafgesetzbuch
(StGB), sowie wegen Verdacht des Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB. Die Ast sei fÜr das Unternehmen " ..."
verantwortlich.
Daraufhin versuchte die Ag unter dem 30.01., 26.02. und 06.03.2003, bei der Ast eine Betriebsprüfung für das
Unternehmen " ..." durchzuführen. Die damals bevollmächtigte Rechtsanwaltskanzlei ..., teilte daraufhin unter dem
27.03.2003 mit, dass der Ast keine Lohn- und Gehaltsabrechnungen vorlägen. Lediglich Herr M ... sei im Zeitraum
01.07.2001 bis 31.03.2002 geringfügig zu einem monatlichen Lohn von 315,00 EUR beschäftigt gewesen. Unterlagen
hierzu lägen jedoch nicht vor. Später ergänzte er seinen Vortrag dahingehend, dass Herr M ... privat krankenversichert
sei.
Daraufhin nahm die Ag für den Prüfzeitraum 01.06.2000 bis 11.06.2002 eine Betriebsprüfung vor. Da keine
Lohnunterlagen vorgelegt werden konnten, wurden die Entgelte anhand der Unterlagen des Hauptzollamtes geschätzt
und auf ein Bruttoentgelt hochgerechnet. Im Rahmen einer Schlussbesprechung vom 20.08.2003 hörte die Ag die Ast
zur Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen an.
Unter dem 17.09.2003 erließ sie einen Nachforderungsbescheid über Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von
insgesamt 23.964,73 EUR (einschließlich 3.738,07 EUR Säumniszuschläge). Die Ast habe ihre Aufzeichnungspflicht
nach der Beitrags- und Überwachungsverordnung (BÜVO) nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die Arbeitsentgelte hätten
daher geschätzt werden müssen. Hierbei seien für das zu ermittelnde monatliche Bruttoarbeitsentgelt die vom
Hauptzollamt M ... gemachten Feststellungen über die Höhe des gezahlten Nettolohnes zu Grunde gelegt worden. Der
Beschäftigungszeitraum ergebe sich ebenfalls aus den Feststellungen des Hauptzollamtes. Eine Lohnsteuer-
Außenprüfung habe für den Prüfzeitraum nicht stattgefunden. Die gezahlten Entgelte (außer dem Entgelt für den
geringfügig Beschäftigten) seien anhand der Unterlagen des Hauptzollamtes geschätzt und auf Bruttoentgelt
hochgerechnet worden.
Bezüglich der Arbeitnehmerin ... Z ... berichtigte die Ag unter dem 10.10.2003 ihren Bescheid dahingehend, dass die
beanstandeten Beiträge entsprechend der Endziffernregelung zur Barmer-Ersatzkasse (und nicht zur
Innungskrankenkasse (IKK) Sachsen-Anhalt) abgeführt würden. Die Nachforderung zur IKK Sachsen-Anhalt reduziere
sich auf 0,00 EUR und die Nachforderung zur Barmer-Ersatzkasse erhöhe sich von 344,09 EUR auf 556,33 EUR,
zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 30,56 EUR.
Am 14.10.2003 legte die Ast hiergegen Widerspruch ein. Sie wende sich sowohl gegen ihre Inanspruchnahme als
auch gegen die Höhe der Inanspruchnahme. Sie sei nicht tatsächlich Inhaberin der Gaststätte " ..." gewesen, sondern
habe sich aus Dummheit, Liebe und Angst von ... B ... überreden lassen, die Konzession für die Bar zu beantragen.
Sie sei insoweit als "Strohfrau" missbraucht worden. Sie habe aus der Gaststätte auch keinen wirtschaftlichen
Eigennutzen gezogen und keine Beschäftigungsverhältnisse begründet. Zahlungen seien allein aus der von Herrn M
... verwalteten Tageskasse erfolgt. Des Weiteren beantragte sie, die sofortige Vollziehung des Bescheides vom
17.09.2003 auszusetzen. Im Falle einer Vollstreckung würde sie ihrer Existenzgrundlage beraubt, weil damit zu
rechnen sei, dass die Kredite für ihren Lack- und Lederwarenhandel gekündigt würden.
Durch Bescheid vom 18.11.2003 lehnte die Ag die Aussetzung der Vollziehbarkeit des Beitragsbescheides ab. Die
Ast habe den Bescheiden der Stadt H ... nicht widersprochen und damit ihre Inhabereigenschaft der Gaststätte " ..."
eingestanden.
Am 21.11.2003 hat die Ast vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Leipzig begehrt. Sie habe sich von ihrem
Freund, Herrn B ..., dazu überreden lassen, ihren Namen für das Lokal herzugeben. Ihr sei weder bekannt gewesen,
was sich dort abspielen sollte, noch habe sie irgendeinen Einfluss gehabt auf das, was sich dort abgespielt habe.
Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, wer und zu welchen Konditionen in der Gaststätte beschäftigt bzw. ggf.
entlohnt worden sei. Sie sei deshalb nicht Arbeitgeberin. Ausweislich des Inhalts der Ordnungsamtsakte habe sie nur
als "offizielle" Betreiberin fungiert, während B ..., M ... und S ... als Teilhaber am Gewinn beteiligt gewesen seien.
Wirtschafter sei M ... gewesen. Auch sei sie bei unangekündigten Besuchen nicht zugegen gewesen. Strafverteidiger
der Ast sei nicht Rechtsanwalt B ... Ihr sei im Rahmen des Strafantrages lediglich vorgeworfen worden, als Bardame
gearbeitet und bei der Weiterleitung von Geld mitgewirkt zu haben. Sie habe insoweit nur eine dienende Funktion
ausgeübt, aber nicht als Arbeitgeber fungiert, der über Einstellung, Entlohnung und Entlassung entscheide. So habe
sie auch einfach "irgendwann aufgehört" und sei weg gewesen, ohne dass jemand nachgefragt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Ast hat hiergegen am
25.02.2004 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben.
Sie beantragt in sachdienlicher Fassung,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 17.09.2003 in Gestalt des Wider- spruchsbescheides
vom 12.02.2004 anzuordnen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung festzustellen, falls das Gericht davon ausgehen
sollte, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe, weil sie sich nicht lediglich gegen die Höhe der Beitragsforderung,
sondern insgesamt gegen die Beitragspflicht der Ast an sich richte.
Des Weiteren beantragt sie am 27.11.2003,
ihr unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Ag beantragt unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 18.11.2003,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Beklagtenakte sowie zwei
Verwaltungsvorgänge der Stadt H ... - Ordnungsamt - Bezug genommen. Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
H ... konnte auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht beigezogen werden.
II.
Der statthafte Antrag ist zulässig und begründet. Auf Antrag war die aufschiebende Wirkung der Klage vom
25.02.2004 gegen den Bescheid vom 17.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2004
anzuordnen.
Da sich dem Vorbringen der Ast entnehmen lässt, dass sie sich gegen Grund und Höhe der Nachforderung von
Sozialversicherungsbeiträgen wendet, ist im Hauptsacheverfahren eine Anfechtungsklage statthaft. Antragsziel ist
somit die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes (Beitragsnachforderung).
Gem. § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG sollen zwar Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende
Wirkung haben; diese entfällt gleichwohl nach Maßgabe des Abs. 2 in den meisten Fällen. So auch hier nach der
einschlägigen Nr. 1. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags-
und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben
einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Nach § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung dann erfolgen,
wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsak- tes bestehen oder wenn die
Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte.
Voraussetzung für ein Obsiegen der Ast ist, dass ihr Interesse an der Anordnung bzw. Aussetzung der
aufschiebenden Wirkung dasjenige der Ag am sofortigen Vollzug überwiegt. Bei dieser Interessenabwägung ist zwar
grundsätzlich nicht auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes abzustellen; soweit sie allerdings nach der im
Rahmen dieses Verfahrens nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung absehbar sind, hat das Gericht sie
bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen. Erweist sich im Rahmen dieser Prüfung der angefochtene
Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, kann ein Interesse des Betroffenen an der Anordnung der
aufschiebenden Wirkung in der Regel nicht anerkannt werden. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug
rechtmäßiger Verwaltungsakte hat insofern regelmäßig Vorrang. Umgekehrt kann kein besonderes öffentliches
Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes bestehen, dessen Rechtmäßigkeit ernstlichen
Zweifeln unterliegt (LSG Berlin, Breithaupt, 1990, 78 (80)). Hierfür reicht es aus, wenn sich die für und gegen die
Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe zumindest die Waage halten (streitig; wie hier: Sächs. LSG, Beschluss vom
08.11.1999, L 3 B 39/99 AL-ER; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Rdnr. 152 ff.). Bloße Bedenken begründen noch
keine ernsthaften Zweifel.
Vorliegend bestehen indes ernstliche Zweifel. Der Bescheid vom 17.09.2003 erweist sich nach der im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Betrachtungsweise als rechtswidrig. Mithin
war die aufschiebende Wirkung der Klage vom 25.02.2004 gegen den Bescheid vom 17.09.2003 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.02.2004 anzuordnen. Denn es bestehen ernstliche Zweifel an der Beitragspflicht der
Ast zur Sozialversicherung. Nach Sachlage ist nicht davon auszugehen, dass sie tatsächlich Arbeitgeberin der im "
..." beschäftigten Personen gewesen ist. Nur als Arbeitgeberin im Verhältnis zu den im " ..." Beschäftigten wäre sie
zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages rechtlich verpflichtet (vgl. § 28 e SGB IV). Beitragsrelevante
Arbeitsverhältnisse wurden von der Ast indes nicht begründet.
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V besteht Versicherungspflicht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung für
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.
Gesetzlich rentenversichert sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind
(§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Da eine gesetzgeberische Definition des Begriffs der "Beschäftigung" im Recht der
Renten- wie auch der Krankenversicherung fehlt, ist auf § 7 SGB IV sowie zur Klärung der beitragspflichtigen
Beschäftigung im Rahmen der Arbeitslosenversicherung auf §§ 24 f Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
zurückzugreifen (wie hier: Sächsisches LSG, Urteil vom 02.03.2000, Az: L 1 KR 1/99).
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV).
Das Merkmal der "Beschäftigung" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die Gerichte auszulegen ist (Seewald,
in: Kass. Komm., Stand: 4/99, § 7 SGB IV Rdnr. 2). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der
Gesetzgeber den unselbstständig Erwerbstätigen den Schutz der Sozialversicherung zwangsweise zugute kommen
lassen will. Entscheidend ist die Abgrenzung zwischen den Merkmalen, die für eine Selbstständigkeit sprechen, zu
denen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit für eine Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken-,
Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung sprechen. Weist eine Tätigkeit sowohl Merkmale für eine Abhängigkeit
als auch für eine Selbstständigkeit auf, ist festzustellen, welche Merkmale überwiegen. Dabei sind die Umstände des
Einzelfalles zu berücksichtigen. Hierbei ist maßgebend stets das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter
Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BSG, NJW 1994, 2974; E 45, 199 (200)).
Da das Gesamtbild entscheidend ist, kann nur eine Gesamtbetrachtung der vorliegenden Merkmale in Betracht
kommen. Das heißt, es lässt - für sich betrachtet - nur ein einziges Merkmal keine sichere Abgrenzung zu.
Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund
steht. Diese tritt allerdings zurück, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (BSG, Urteil
vom 30.01.1999, Az: 10 RAr 6/95). Denn nach dem Grundsatz der "Tatsächlichkeit" (Hessisches LSG, Urteil vom
30.11.2000, Az: L 14 KR 777/97) kommt es zur Beurteilung der Frage, ob sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten
vorliegen, nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten an, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall.
Die einzelnen Merkmale sind somit im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbetrachtung zusammenzutragen und
zu gewichten (SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2001, Az: S 8 KR 59/99).
Für den Bereich der Arbeitslosenversicherung zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen hat das
Bundessozialgericht auf die Vorschriften über die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung verwendeten
Merkmale Bezug genommen (BSG SozR 4100, § 141 b Nr. 41 S. 156). Danach ist Arbeitnehmer, wer als Arbeiter oder
Angestellter gegen Entgelt beschäftigt ist (BSG, Urteil vom 30.01.1997, Az: 10 RAr 6/95). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1
und 2 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob
ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden
und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Steuerfreie
Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 des Einkommenssteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen
gelten nicht als Arbeitsentgelt. Ob Prostituierte im Rahmen eines Bordellbetriebes "Arbeitnehmer" sind und ob den
Betreiber sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen als Arbeitgeber treffen, bestimmt sich - wie bei anderen
Tätigkeiten - nach der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit, wobei etwaige zugrundeliegende Vereinbarungen zu
berücksichtigen sind. Es ist anerkannt, dass die mögliche Sittenwidrigkeit der Arbeitsverhältnisse der entsprechenden
steuerrechtlichen Beurteilung nicht entgegensteht (so bereits: BGH NJW 1985, 208).
Es muss sich danach um eine nichtselbstständige Beschäftigung, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, handeln
(BSG SozR 3-4100, § 168 Nr. 18). Die Rechtsprechung hat hierzu als weitere Abgrenzungskriterien entwickelt: Die
persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Arbeitnehmer in den
Betrieb eingegliedert ist und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der
Arbeitstätigkeiten unterworfen ist (BSG SozR 3-2400, § 7 Nr. 4). Dieses Weisungsrecht kann indes - vor allem bei
Diensten höherer Art - dergestalt eingeschränkt sein, dass es zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am
Arbeitsprozess" verfeinert ist (BSGE 16, 289 (294)). Selbstständige Tätigkeit wird demgegenüber durch das
Unternehmerrisiko und das Recht und die Möglichkeit bestimmt, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und über
Arbeitszeit frei zu verfügen (BSGE 38, 53 ff (58); 51, 164 ff (167)). Im Zweifel ist darauf abzustellen, welche Merkmale
überwiegen (Arbeitnehmereigenschaft bsw. verneinend für Amateurfußballspieler: SG Leipzig, Urteil vom 13.12.2001,
Az: S 8 KR 59/00; bejahend für Zählerableser: SG Leipzig, Urteil vom 24.01.2002 (noch nicht rechtskräftig), Az: S 8
KR 8/00).
Unter Beachtung dieser Grundsätze und in Abwägung der Umstände des Einzelfalles überwiegen hier die gegen eine
Beitragspflicht der Ast als Arbeitgeberin sprechenden Gesichtspunkte. Nur sofern man zu der Auffassung gelänge,
dass die Ast selbstständig und die beschäftigten Prostituierten und Bardamen zu ihr in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis stünden, wäre von einer Beitragspflicht auszugehen. Dies ist indes unter Beachtung der
zuvor genannten Kriterien nach Sachlage nicht der Fall. Vielmehr steht nach dem vorliegenden Ergebnis der
Ermittlungen fest, dass die Ast lediglich "Strohfrau" der BGB-Gesellschafter B ..., S ... und M ... gewesen ist.
Tatsächliche Arbeitgebereigenschaften, wie ein typisches Unternehmerrisiko oder eine Weisungsbefugnis gegenüber
den in der Gaststätte illegal und legal beschäftigten Personen, waren ihr nicht beizumessen. Im Einzelnen:
Nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Ast haben B ..., M ... und S ... eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(BGB-Gesellschaft, §§ 705 f. BÜrgerliches Gesetzbuch (BGB)) gegründet, an der die Ast als Erlaubnisinhaberin nicht
beteiligt war. Dies geht u. a. aus den Telefon-Überwachungsprotokollen hervor. Diese erweisen sich bei summarischer
Überprüfung als grundsätzlich verwertbar, da nicht substanziiert vorgetragen worden ist, dass die polizeilichen
Abhörmaßnahmen nicht von einer richterlichen Anordnung gedeckt sein könnten (zu diesem Erfordernis vgl. § 100 b
Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO)). Dass die Ast keinerlei Gesellschaftsanteile an der BGB-Gesellschaft gehalten
hat, geht aus der telefonischen Überwachung vom 08.05.2000 hervor, wobei die Ast ihren Lebenspartner B ...
vorgeworfen hat, dass die anderen Gesellschafter ihn übervorteilt und ihren Anteil "schon herausgeholt" hätten. Der
fehlende Kapital-Anteil am Gesellschaftsvermögen unterstreicht, dass ein eigenes Unternehmensrisiko der Ast zu
keinem Zeitpunkt bestanden hat.
Als Personengesellschaft verpflichten sich in der BGB-Gesellschaft wenigstens zwei Personen gegenseitig,
gemeinsam und auf die vereinbarte Weise einen bestimmten Zweck (Gesellschaftszweck) zu verfolgen.
Im Wirtschaftsleben werden BGB-Gesellschaften häufig zur gemeinsamen Durchführung einzelner Geschäfte
abgeschlossen. Die Gesellschaft selbst ist keine juristische Person; vielmehr sind Träger der Rechte und Pflichten
aus den Geschäften die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit (Gesamthandsgemeinschaft). Sie sind auch gemeinsam
Partner von Rechtsbeziehungen zu Dritten. Daraus folgt, dass die Gesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft
gemeinsam, auch nach außen hin, vertreten. Das in der Gesellschaft gebundene Vermögen gehört den
Gesellschaftern gemeinschaftlich (Gesamthandsvermögen, § 718 BGB). Seinen Gesellschaftsanteil, auf dem sein
Mitgliedschaftsrecht im Ganzen resultiert, kann der einzelne Gesellschafter grundsätzlich nicht Übertragen (§ 717
Satz 1 BGB); denn wenn ein Gesellschafter ausscheidet, wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen
Gesellschaftern im Wege der Anwachsung zu, ohne dass besondere Übertragungshandlungen erforderlich wären (vgl.
§ 738 BGB).
Anders als bei juristischen Personen, wie beispielsweise bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH),
ändert zwar ein Mitgliederwechsel nicht die Identität der Gesellschaft, hat aber wegen des Charakters der BGB-
Gesellschaft als Personengesellschaft erhebliche Außenwirkung. Mit Gründung der Gesellschaft haben die
Gesellschafter B ..., M ... und S ... den Betrieb der Gaststätte " ..." in H ... als gemeinsamen Gesellschaftszweck
verfolgt. Aus dem Ergebnis der polizeilichen Mitteilung ist zu folgern, dass in den Geschäftsräumen des Betriebes
bzw. in den "Hinterzimmern" und anderen benachbarten Räumlichkeiten vermutlich illegale Prostitution stattgefunden
hat.
Da der Betrieb danach unerlaubt und voraussichtlich illegal war, die Gesellschafter selbst aber polizeilich bekannt
gewesen sein dürften, benötigten die Gesellschafter zur Verfolgung ihres Gesellschafterzweckes nach außen hin eine
unbescholtene Person, die sich insoweit bei der IHK Leipzig für diese Aufgabe sogar fortgebildet hatte (Bescheinigung
vom 12.07.2000). Diese war damit "Strohmann" bzw. "Strohfrau", weil sie zur Verschleierung der tatsächlichen
Verhältnisse von den tatsächlichen Gaststättenbetreibern lediglich vorgeschoben war (vgl. dazu: OVG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 19.04.1993, Az: 4 A 3247/92). Zwar führt die Strohmann-Eigenschaft der Ast grundsätzlich
dazu, dass sie auf Grund dieser Eigenschaft selbst als gaststättenrechtlich unzuverlässig gilt; denn die
Unzuverlässigkeit des Strohmannes ergibt sich zwingend aus der Tatsache, dass der Hintermann selbst
unzuverlässig ist (vgl.: VG Meiningen, Beschluss vom 21.01.1998, Az: 8 E 1344/97.ME). Die gaststättenrechtliche
Unzuverlässigkeit hat indes keinen Einfluss auf sozialversicherungsrechtliche Beitragspflichten, weil es - wie
aufgezeigt - auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles ankommt. Tatsächlich hat die Geschäfte aber B ... im
rückwärts gelegenen Büro an einem Monitor überwacht. Der andere Gesellschafter, M ..., hat abgerechnet und
gemeinsam mit S ... und B ... für die "Beschäftigung" und "Einstellung" von illegalen Prostituierten Sorge getragen.
Weder war sie diesen gegenüber wenigstens gleichberechtigt, noch übte sie ein Direktionsrecht gegenüber den
Beschäftigten aus.
Eine Arbeitgeber-Stellung und damit eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung kann auch nicht in dem Umstand
gesehen werden, dass die Ast als formale Gaststätteninhaberin B ... und die anderen Gesellschaftern wesentliche
geschäftliche Entscheidungsbefugnise überließ; die Rechtsmacht soll durch tatsächliche Ohnmacht" nämlich nicht
entfallen (vgl. dazu: SächsLSG, Urteil vom 22.03.2000, Az: L 3 AL 98/98; Anm. Holstraeter SGb 2000, 137 ff.; zum
Alleingesellschafter einer GmbH, siehe auch: BSG NZS 1995, 373). Aus der Inhaberschaft allein - ohne
gesellschaftsrechtliches und damit wirtschaftliches Korrelat - folgt indes nach den tatsächlichen Gegebenheiten noch
keine Befugnis, die Geschicke der Gesellschaft und das Direktionsrecht gegenüber den Beschäftigten maßgeblich
mitzubestimmen. Das Liebesverhältnis zu einem der Gesellschafter allein reicht hierfür nicht aus. Denn für die
Eigenschaft als "Strohmann" ist es gerade wesensbestimmend, dass die aus der Inhaberschaft folgende scheinbare
Rechtsmacht und die beitragsrechtlich relevanten Verhältnisse nicht übereinstimmen.
Für eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft wie der GmbH-Gesellschaft hat das BSG in ständiger Rechtsprechung
gefolgert, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer dann regelmäßig als nicht abhängig Beschäftigter anzusehen ist,
wenn er entweder mindestens die Hälfte der Gesellschaftsanteile besitzt (vgl. BSG, SozR 3-4100 5 168 Nr. 18)
öder/und entsprechende Rechtsmacht nach außen und innen hat, wie bsw. die Befreiung vom
Selbstkontrahierungsverbot oder eine Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeitnehmern (vgl. bereits BSGE 13, 196 ff.)
Diese Grundsätze lassen sich auf die BGB-Gesellschaft insoweit übertragen: Weder hatte die Ast auf Grund fehlender
Anteile am Gesellschaftsvermögen bestimmenden wirtschaftlichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft, noch
war sie allein oder überwiegend gegenüber den im " ..." Beschäftigten weisungsbefugt. Ein arbeitnehmertypisches
Abhängigkeitsverhältnis zum "Strohmann" besteht regelmäßig nicht.
Zwar weist die Ag zu Recht darauf hin, dass die Ast - und nicht die Gesellschafter - nach außen hin als Inhaberin der
Gaststätte fungiert hat; dies ist indes - wie ausgeführt - nicht entscheidend. Vielmehr ist darauf abzustellen, wer
tatsächlich die Geschäfte der Gaststätte bestimmt hat. Nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlung ist indes
davon auszugehen, dass B ..., M ... und S ... eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) gegründet
haben und - um das " ..." überhaupt betreiben zu können - die Ast als Erlaubnisnehmerin zur Verfolgung des
Gesellschaftszwecks nur vorgeschoben haben.
Entgegen der Rechtsansicht der Ag reicht es somit nicht aus, dass die Ast rechtlich als Inhaberin die Gaststätte
betrieben und Bescheide des Ordnungsamtes hingenommen hat. Vielmehr ist entscheidend darauf abzustellen, wer
im " ..." tatsächlich "das Sagen" gehabt hat. Ausweislich des Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen war aber
davon auszugehen, dass die Gesellschafter gemeinschaftlich handelnd das " ..." wirtschaftlich unterhalten haben,
während die Ast selbst lediglich als "Strohfrau" agierte, ohne hieraus einen nachgewiesenen überwiegenden
wirtschaftlichen Eigennutz gezogen zu haben.
Wenngleich die Ast anfangs selbst die Einweisung zumindest einer Bardame in das Geschäft vorgenommen haben
sollte, war dies von einem - noch nicht geklärten Zeitpunkt an - nicht mehr der Fall. Der überwiegende Teil des
Geschäftsumsatzes dürfte im Übrigen nicht im Getränkeverkauf durch die von der Ast möglicherweise angeleiteten
Bardamen, sondern in der Prostitution liegen. Für die illegalen Geschäftspraktiken, d. h. der Einstellung und
Beschäftigung von vermutlich illegal eingereisten Prostituierten, trug grundsätzlich vielmehr einer der Gesellschafter
Sorge, ebenso für deren Unterbringung. Ein "faktisches Arbeitsverhältnis" zu den Beschäftigten wurde mithin nicht
von der Ast, sondern allenfalls von den Gesellschaftern begründet.
Von einer "Weisungsbefugnis" der Ast gegenüber den durch Beitragsbescheid in Anspruch genommenen Personen
war somit nicht auszugehen. Während die Ast anfangs nur am Wochenende tätig war, d. h. unter der Woche keinen
Einfluss auf die Einnahmen und die dort Beschäftigten ausüben konnte, weil sie selbst das Geschäft " ..." in L ...
betrieb, war sie von einem nicht mehr geklärten Zeitpunkt an nur noch sporadisch in der Gaststätte anzutreffen. Dies
geht aus der Aussage der vom BGS zeugenschaftlich einvernommenen ... S ... hervor. Dass sie die Ast aufgefordert
habe, "nicht die Füße hochzulegen und ständig mit dem Handy zu telefonieren", lässt nicht auf einen bestimmenden
Einfluss der Ast auf die Art und Weise der Berufsausübung durch die Zeugin schließen.
Bei Kontrollen durch das Ordnungsamt war sie mehrfach nicht vor Ort angetroffen worden. Hierfür bedurfte es der
Terminsabstimmung. Dies erhärtet die Aussage, dass sie anfangs nur am Wochenende, später überhaupt nicht mehr,
im Lokal anwesend war. Die fehlende Präsenz lässt jedoch auf ein tatsächlich nicht vorhandenes Weisungsrecht
gegenüber den Beschäftigten schließen. Da auch mangels Gesellschaftsanteils die mit der Arbeitgebereigenschaft
regelmäßig verbundene Wirtschaftsmacht fehlte, erweist sich der angegriffene Beitragsbescheid als voraussichtlich
rechtswidrig, so dass dem Antrag stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.