Urteil des SozG Leipzig vom 21.12.2006

SozG Leipzig: stationäre behandlung, patient, krankenkasse, versorgung, ärztliche behandlung, krankenversicherung, aufenthalt, notfall, herzinfarkt, krankheit

Sozialgericht Leipzig
Urteil vom 21.12.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 8 KR 310/05
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 987,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 v. H. über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Streitwert
wird auf 987,52 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über stationäre Behandlungskosten.
Nachdem der am 30.03.1933 geborene Rentner G ... P ... seit einer Woche unter Herzschmerzen litt, wurde am
04.02.2000 der Notarzt verständigt. Nach einstündiger Reanimation wurde er noch am selben Tag in das Krankenhaus
der Klägerin um 22.40 Uhr eingeliefert. Beim Eintreffen zeigte er weite und entrundete Pupillen ohne Lichtreaktion und
Reak-tion auf starke Schmerzreize. Im EKG zeigte sich zum Teil eine geringe pulslose elektri-sche Aktivität, dann
Asystolie. Mangels ausreichender Aussicht auf eine erfolgreiche Wiederbelebung brachen die Ärzte der Klägerin die
Reanimation ab. Sie diagnostizierten einen Herz-Kreislauf-Stillstand bei elektromechanischer Entkoppelung, am
ehesten auf Grund eines akuten Myokardinfarktes. In der Todesbescheinigung vom 05.02.2000 gab die Klä-gerin als
unmittelbare Todesursache einen akuten Myokardinfarkt auf Grund einer korona-ren Herzerkrankung an.
Laut Aufnahmeanzeige der Klägerin vom 17.02.2000 erfolgte die Aufnahme am 04.02.2000 um 22.45 Uhr, der Tod trat
nach der Todesbescheinigung am selben Tag um 22.50 Uhr ein. Sie habe die Entlassung am 19.02.2000 um 22.35
Uhr geplant.
Mit Endrechnung für den stationären Aufenthalt machte die Klägerin geltend: Basis allge-mein in Höhe von 116,01
DM, Abteilungspflegesatz intensiv 1.804,41 DM und Zuschlag 11,00 DM, zusammen 1.931,42 DM.
Daraufhin holte die Beklagte zur Überprüfung ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
(MDK) von Dr. S ... vom 21.11.2000 ein. Danach entsprächen die jeweils durchgeführten Maßnahmen der EBM-Nr.
332. Zusätzliche Maßnahmen, die nicht im EBM-Katalog definiert seien und über eine Notfallbehandlung
hinausgingen, d. h. ausschließlich im Rahmen einer vollstationären Behandlung erbracht werden könnten, sei-en nicht
ersichtlich.
Die Beklagte teilte daraufhin unter dem 18.12.2000 mit, dass sie die geltend gemachten Kosten nicht übernehmen
werde.
Die Klägerin hat deshalb am 09.12.2002 Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben. Sie sei berechtigt, stationäre
Behandlungskosten geltend zu machen, da G ... P ... in den Stati-onsbetrieb und das Versorgungssystem der Klinik
eingegliedert worden sei. Entscheidend für den stationären Aufenthalt sei der wirtschaftliche, technische und
personelle Aufwand, den sie habe betreiben müssen. Die für die Wiederbelebungsmaßnahmen erbrachten vorbe-
reitenden Maßnahmen wären ambulant nicht erbringbar gewesen, wie die Bereitstellung und Aufrüstung eines
Bettenplatzes mit Monitor, Vorbereitung eines Beatmungsgerätes, Bereitstellung des Notfallwagens mit Defibrillator,
Bereitstellung von Material für die An-lage von Kathetern und Perfusoren zur Verabreichung von Medikamenten. Noch
vor der Ankunft des Patienten habe sie die Notfallversorgungsapparaturen in Gang gesetzt. Entscheidend sei der
Aufnahmezeitpunkt. Der Patient sei als vollstationärer Notfall aufge-nommen worden. Der vorangegangene Notdienst
solle lediglich helfen, den Patienten bis zur normalen Versorgung im Krankenhaus lebenserhaltend zu überbrücken.
Eine nur "not-fallmäßige" Behandlung des Patienten hätte der ärztlichen Sorgfaltspflicht widersprochen, zumal nicht
absehbar gewesen sei, ob eine Herzoperation hätte eingeleitet werden können und müssen. Sie habe auch
Nachbereitungsaufwand betreiben müssen. Der Patient habe ein normales Klinikbett belegt und sei nicht nur im Wege
des Notdienstes versorgt worden. Die Länge der stationären Betreuung sei hierfür unmaßgeblich. Der
Leistungsumfang sei nicht entscheidend. Nach ihrem Behandlungsplan hätte der Aufenthalt des Patienten mehr als
einen Tag angedauert. Auch vom wirtschaftlichen Standpunkt her sei ein tagesgleicher Pflegesatz nicht überzogen,
weil kein Aufenthalt ohne jegliche ärztliche Behandlung statt-gefunden habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 987,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 v. H. über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängig-keit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es habe sich um eine ambulante Notfallbehandlung gehandelt. Bereits bei Eintreffen habe der Patient weite,
entrundete Pupillen ohne Lichtreaktion und Reaktionen auf Schmerzrei-ze aufgewiesen. Die Schwelle zu einer
eindeutig stationären Behandlung sei nicht über-schritten worden. Maßgeblich seien die tatsächlichen Leistungen, die
die Klägerin erbracht habe; die Prognoseentscheidung des Krankenhausarztes werde insoweit korrigiert. Der Patient
sei verstorben, bevor das Krankenhaus in Qualität und Umfang – über ambulante Notfallmaßnahmen hinausgehende –
Maßnahmen hätte anwenden können. Die 10-minütige Aufenthaltsdauer begründe keinen Bedarf wie bei einem
stationären Aufenthalt hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung. Sie habe nicht ausschließlich Maßnahmen ange-
wendet, die nur von der Klägerin mit ihren Mitteln als Krankenhaus erbringbar gewesen wären. Vielmehr habe sie sich
auf die Feststellung des Todes beschränkt. Da der Patient "bereits tot eingetroffen" sei, sei er nicht mehr stationär
aufnahmefähig gewesen. Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sei keine Kostenübernahme wie für eine stationäre
Be-handlung geboten.
Nach dem Scheitern von Vergleichsverhandlungen hat das Sozialgericht Dresden den Rechtsstreit mit Beschluss
vom 10.05.2005 an das Sozialgericht Leipzig verwiesen. Durch Beweisanordnung vom 20.07.2005 hat es Prof. Dr. H
... mit der Erstellung eines kardiolo-gischen Gutachtens nach Aktenlage betraut. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte, eine Verwaltungsakte der Beklagten und
Krankenhausunterlagen der Klägerin, verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als echte Leistungsklage statthaft und zulässig (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsge-setz (SGG)), weil es sich
um eine Zahlungsklage im Gleichordnungsverhältnis handelt. Es bedarf mithin weder eines Vorverfahrens noch der
Einhaltung einer Klagefrist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R).
Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine
stationäre Behandlung des bei der Beklagten versicherten G ... P ... in Höhe von 987,52 EUR zuzüglich Zinsen zu
übernehmen. Denn während der Notfall-behandlung wurde eine als stationäre Behandlung abzurechnende
Krankenhausleistung erbracht, die nach der BPflV zu vergüten ist.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu
heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbe-schwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst
u. a. die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)). Gemäß
§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung voll-stationär, teil-stationär, vor- und nach-stationär (§
115 a) sowie ambulant (§ 115 b) erbracht. Nach Satz 2 der Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf voll-stationäre
Behandlung in einem zugelassenen Kran-kenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme durch Prüfung durch das Krankenhaus
erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teil-stationäre, vor- und nach-stationäre oder am-bulante
Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Die Klägerin ist unstreitig ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 2 SGB V, weil das Krankenhaus in
den Krankenhausplan des Landes aufgenommen ist (Plankran-kenhaus). Das zugelassene Krankenhaus ist im
Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung (§ 39) der Versicherten verpflichtet.
Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs mit dem
Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfi-nanzierungsgesetzes, des
Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverord-nung zu führen (§ 109 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB V).
Nach der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) werden die voll-stationären und teil-stationären Leistungen der
Krankenhäuser vergütet (§ 1 Abs. 1 BPflV). Krankenhausleistungen nach § 1 Abs. 1 sind insbesondere ärztliche
Behandlungen, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus
notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpfle-gung; sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und
Wahlleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BPflV). Allgemeine Krankenhausleistungen sind nach Maßgabe des § 2 Abs. 2
BPflV die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall
nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten
notwendig sind. Die Pflegesätze für allgemeine Krankenhausleistungen sind für alle Benutzer des Krankenhauses
einheit-lich zu berechnen und dürfen nur im Rahmen des Versorgungsauftrags (ausgenommen: die Behandlung von
Notfallpatienten) berechnet werden (§ 14 Abs. 1 BPflV). Die Abteilungs-pflegesätze und der Basispflegesatz sowie die
entsprechenden teil-stationären Pflegesätze werden für den Aufnahmetag und jeden weiteren Tag des
Krankenhausaufenthalts berech-net (Berechnungstag); der Entlassungs- oder Verlegungstag, der nicht zugleich
Aufnahme-tag ist, wird nur bei teil-stationärer Behandlung berechnet (§ 14 Abs. 2 BPflV).
Im Unterschied zur ambulanten Behandlung ist der Patient bei stationärer Versorgung phy-sisch und organisatorisch
in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ein-gegliedert (wie hier: Wagner, Soziale
Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 39 Rdnr. 4 EL 33). Hierbei resultiert die grundsätzliche
Zahlungsverpflichtung der Beklagten - un-abhängig von einer etwaigen Kostenzusage – bereits aus dem
Sachleistungsprinzip. Nach § 2 Abs. 2 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und
Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Nach Satz 3 der Be-stimmung
schließen die Krankenkassen über die Erbringung der Sach- und Dienstleistun-gen nach den Vorschriften des Vierten
Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.
Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht damit ein
Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzli-chen Ermächtigung in §§ 16 f
Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der BPflV in der Pflegesatzvereinbarung zwischen
Krankenhausträgern und Krankenkasse festgelegt wird (BSG, Urteil vom 23.07.2002, Az: B 3 KR 64/01 R). Mit der
Kranken-hausbehandlung durch einen zugelassenen Leistungserbringer wird somit der Sachleis-tungsanspruch des
Versicherten realisiert (vgl. § 2 Abs. 2 SGB V). Zugleich wird konklu-dent über dessen konkreten Leistungsanspruch
entschieden. Solange die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten schweigt, muss diese die Entscheidung gegen
sich gelten las-sen. Nachträgliche Einwendungen gegen ihre Leistungspflicht kann sie, ausgenommen im Falle des
Missbrauchs durch den Versicherten, nur im Verhältnis zum Leistungserbringer geltend machen (BSG, in: Breithaupt
1997, 16). Eine – in Form einer stationären Behand-lung zu vergütende – Sachleistung (Krankenhausleistung) im
Sinne des § 1 Abs. 1 BPflV hat die Klägerin im streitigen Zeitraum erbracht.
Wenngleich die Verordnung durch einen Vertragsarzt, ausgenommen Notfälle, Vorausset-zung für die von der
Krankenkasse geschuldete Krankenhausbehandlung ist, ist die Thera-piefreiheit des Krankenhausarztes dadurch
grundsätzlich nicht eingeschränkt. Vielmehr bleibt es diesem überlassen, über Art und Erforderlichkeit der
Krankenhausbehandlung selbst zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R). Hierbei hat das
Krankenhaus eigenverantwortlich zu prüfen, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. Dies geht insbesondere
aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V hervor. Es darf sich insoweit ggf. auch nicht auf die Beurteilung des Vertragsarztes
verlassen, weil die Therapiefreiheit des Krankenhausarztes, auch nicht durch Verordnung des Vertragsarztes,
eingeschränkt ist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R). Das bedeutet, dass sich die
erforderliche Behandlung nach der Art der Erkrankung mit Aussicht auf Erfolg nur in ei-nem Krankenhaus mit dessen
besonderen Mitteln durchführen lässt. Ähnlich wie bei der Prüfung der Erforderlichkeit von Rehabilitationsleistungen
gilt damit auch insoweit ein "gestuftes System" (vgl. dazu auch: SG Leipzig, Urteil vom 04.07.2006, Az: S 8 KR
6/05). Für die stationäre Behandlung ist damit entscheidend, dass sich eine Behandlung mit den spezifischen Mitteln
des Krankenhauses als erforderlich erweist. Ob die Krankenhausbe-handlung tatsächlich erforderlich ist, entscheidet
zunächst deshalb der verantwortliche Krankenhausarzt.
Die stationäre Aufnahme des Versicherten war hier im Wege der Notfall-Aufnahme medi-zinisch geboten gewesen.
Anders als von der Beklagten zuletzt mit Schriftsatz vom 26.09.2005 angegeben, war, nach sämtlichen
medizinischen Unterlagen und auch nach dem eingeholten Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. H ..., der Patient
nicht tot bei der Klägerin eingetroffen, sodass eine stationäre Aufnahme grundsätzlich möglich war.
Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V iVm der Pflegesatzvereinbarung ist die Krankenkasse jedoch nur verpflichtet, die
vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn die Versorgung im Krankenhaus erforderlich ist (§ 39 SGB V). Als Teil der
Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V muss sie notwendig sein, um eine Krankheit zu
erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Für den Fall, dass
kostengünstigere Behandlungsformen ausgereicht hätten, hätte ein Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung
nicht bestanden. Nur dann, wenn sich die Entschei-dung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen
Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt, entfällt die Zahlungspflicht der Krankenkasse für die
stationäre Versorgung eines Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, Az: B 3 KR 11/01 R; Schleswig-
Holsteinisches LSG, Urteil vom 22.03.2006, Az: L 5 KR 160/04).
Der Krankenkasse ist dafür ein eigenständiges Überprüfungsrecht eingeräumt. Zwar ergibt sich aus § 275 Abs. 1 Nr. 1
SGB V, dass die Krankenkassen lediglich in gesetzlich be-stimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer
oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, die Verpflichtung trifft, zur Einleitung
von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen und Zusam-menarbeit der
Rehabilitationsträger nach den §§ 10 bis 12 des Neunten Buches, im Be-nehmen mit dem behandelnden Arzt, eine
gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Gleichwohl ist
die Krankenkasse trotz des engen Wortlautes der Bestimmung berechtigt, alle Leistungsarten des § 11 SGB V zu
überprüfen. Die Überprüfung der Leistungen erfasst hierbei alle im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung
relevanten medizinischen Fragen. Insbesondere ist neben den beispielhaft angesprochenen (medizinischen)
Leistungsvoraussetzungen auch zu prüfen, unter welchen Gesichtspunkten welche Leistung dem Grunde und der
Höhe nach angezeigt ist. Hierbei soll die gutachterliche Stellungnahme des MDK dazu beitragen, aus der breiten
Palette der Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung dem Versicherten die aus medizinischer Sicht
optimale und zugleich wirtschaftlichste Leistung bereitzustellen (eben-so: Baier, in: Krauskopf, a.a.O., § 275 Rdnr. 6
EL 47).
In erweiternder Auslegung des Gesetzeswortlautes des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist damit den
Krankenkassen das Recht zuzubilligen, eine Krankenhausabrechnung auch rechnerisch bzw. sachlich zu überprüfen,
selbst wenn ihrem Wortlaut nach die Vorschrift lediglich die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen
beinhaltet. Denn die Ab-rechnungsüberprüfung wird vom Regelungsgehalt der Vorschrift mit umfasst, weil sie der dort
geregelten Wirtschaftlichkeitsprüfung notwendigerweise vorgeschaltet ist (wie hier: BSG, Urteil vom 23.07.2002,
a.a.O.; vgl. auch: SG Leipzig, Urteil vom 26.01.2006, Az: S 8 KR 277/05, veröff. in "juris").
Hiergegen spricht auch nicht die zuvor genannte "Einschätzungsprärogative" des Kran-kenhausarztes. Denn die
Krankenkasse ist berechtigt, nach der Krankenhausaufnahme die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu
überprüfen und davon eine Kostenübernah-meerklärung abhängig zu machen (vgl.: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B
3 KR 33/99 R). Andernfalls hätte es der gesetzlichen Einschränkung, wonach eine vollstationäre Kran-
kenhausbehandlung nur bei medizinischer Erforderlichkeit gerechtfertigt ist (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und der
Krankenkasse in Zweifelsfällen über den MDK das Recht der Ü-berprüfung zusteht (§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), nicht
bedurft. Bei Zweifeln an der Erfor-derlichkeit der Krankenhausbehandlung ist der MDK einzuschalten (vgl. auch: § 276
Abs. 4 SGB V, sowie SG Leipzig, Urteil vom 26.01.2006, Az: S 8 KR 539/04, veröff. in "ju-ris").
Nach den Kriterien der gesetzlichen Krankenversicherung ist für die Notwendigkeit statio-närer Unterbringung und
Behandlung darauf abzustellen, ob – wie aufgezeigt – die spezifi-schen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind,
um das Behandlungsziel zu erreichen. So lag der Fall hier: Der Klägerin steht während des geltend gemachten
Zeitraums ein Ver-gütungsanspruch zu; denn der betroffene Patient war in das spezifische Versorgungssystem des
Krankenhauses integriert. Nach erlittenem Herzinfarkt und vergeblichen Bemühungen des Notarztes bedurfte es des
Einsatzes der spezifischen Mittel des Krankenhauses, um in lebensgefährdender Lage die Möglichkeiten zur
Wiederbelebung aufrecht zu erhalten. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass nur noch durch eine stationäre
Aufnahme bei der Klägerin die – allerdings geringe und sich nicht mehr verwirklichende – Chance auf Le-bensrettung
aufrecht zu erhalten war. Hierfür waren die speziellen (technischen und perso-nellen) Mittel des Krankenhauses der
Klägerin erforderlich, um die noch möglichen Maß-nahmen einzuleiten. Diese Maßnahmen hat die Klägerin auch
tatsächlich eingeleitet. Eine Versorgung "im Krankenhaus" selbst fand insofern statt (vgl. § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1
BPflV).
Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt (vgl.
BSG, Urteil vom 04.03.2004, Az: B 3 KR 4/03 R), kann bei beste-henden Abgrenzungsschwierigkeiten von voll-
stationärer, teil-stationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung nur vom Merkmal der Aufenthaltsdauer
ausgegangen werden. Demzufolge liegt eine stationäre Behandlung vor, wenn eine physische und organisatori-sche
Eingliederung des Patienten das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses gegeben ist, die sich zeitlich
über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Hierbei ist von der geplanten Krankenhausaufenthaltsdauer
auszugehen.
Ausweislich der - nachträglich erstellten – Aufnahmeanzeige vom 07.02.2000 war eine Entlassung am 19.02.2000
geplant. Dies ist auch wirklichkeitsnah, da regelmäßig bei er-folgreicher Wiederbelebung nach Herzinfarkt bzw. nach
Operation eine längere stationäre Verweildauer erforderlich ist.
Der Patient war während der Aufnahme planmäßig in das Versorgungssystem des Kran-kenhauses integriert. Dass
der Patient bereits nach wenigen Minuten Aufenthaltsdauer im Krankenhaus der Klägerin verstarb, spricht nicht gegen
eine stationäre Aufnahme; denn es ist – wie aufgezeigt – nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die
erken-nende Kammer folgt, grundsätzlich von der geplanten Aufenthaltsdauer auszugehen.
Die Beklagte kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass lediglich auf die tatsächli-chen Maßnahmen abzustellen
sei; zum einen hat die Klägerin – unstreitig – das zur Le-bensrettung des Patienten Erforderliche getan; zum anderen
hätte sie sich bzw. ihr Personal im Falle des Unterlassens weiterer Maßnahmen in strafrechtlich relevanter Weise
schuldig machen können, wenn sie – trotz geringer Chancen – das ihr noch Mögliche zur Lebensret-tung des
Patienten unterlassen hätte. Eine "Kosten-Nutzen-Analyse" ist der gesetzlichen Krankenversicherung insoweit fremd.
Wenn sich rückblickend betrachtet der "Einsatz der spezifischen Mittel des Krankenhauses nicht lohnte", kann dies
nicht zu Lasten des Leis-tungserbringers gehen (im Ergebnis ebenso: SG Dresden, Urteil vom 24.02.2005, Az.: S 18
KR 181/02). Auch für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum von wenigen Minuten war eine stationäre Unterbringung
mithin im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V "erforder-lich". Die Notwendigkeit/Erforderlichkeit der
Krankenhausbehandlung ist indes ein objek-tives Tatbestandsmerkmal (BSG, Beschluss vom 03.08.2006, Az: B 3
KR 1/06 S).
Hierbei war ferner zu berücksichtigen, dass bei Herzerkrankungen grundsätzlich der Ein-satz krankenhausspezifischer
Geräte im Vordergrund steht und der Einsatz von Ärzten, Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Medikation die
Notwendigkeit einer stationären Behandlung rechtfertigt (anders als bei psychiatrischen Erkrankungen, vgl. BSGE 94,
161 (164 f)), wenngleich dieser allein noch nicht die Notwendigkeit stationärer Behandlung begründet; denn für die
Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung wird weder eine apparative Mindestausstattung, noch geschultes
Pflegepersonal oder ein jederzeit präsenter bzw. rufbereiter Arzt verlangt, da für die Notwendigkeit einer
Krankenhausbehandlung weder der Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen wird.
Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 03.08.2006, Az: B 3 KR 1/06 S), die hier
auf Grund des von der Klägerin betriebenen personellen und ap-parativen Aufwands die stationäre Aufnahme des
Versicherten rechtfertigt. Die Grundvor-aussetzung für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses
für eine statio-näre Behandlung nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe der Vorschriften des KHG und der
BPflV, eine voll- oder teilstationäre Behandlung, hat somit tatsächlich vor-gelegen.
Demgegenüber lässt sich auch nicht auf eine "finale Betrachtungsweise" abstellen, und zwar dergestalt, dass im
Nachhinein der Erfolg des klinischen Mitteleinsatzes für die Ver-gütung von Krankenhausleistungen herangezogen
wird. Vielmehr erfordert die Rechtspre-chung des BSG zur Abgrenzung von stationärer zu ambulanter Behandlung
wegen des Kriteriums der "geplanten Aufenthaltsdauer" eine vorausschauende, in die Zukunft gerich-tete,
Betrachtung, keine nachträgliche ökonomische Bewertung von Krankenhausleistun-gen. Im Übrigen hat das
Bundessozialgericht eine finale Betrachtung im anderen Zusam-menhang und auf einem anderen Rechtsgebiet
angestellt (vgl.: Urteil vom 14.12.1994, Az: 4 RK 1/93), d. h. hinsichtlich der Versicherungspflicht von Beschäftigten in
Behinderten-werkstätten, sodass diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist.
Wenngleich der Sachverständige im Ergebnis zu einer anderen Bewertung kommt, betont er in seinem Gutachten vom
09.08.2005, dass der Patient stationär aufgenommen worden war. Nach stationärer Einlieferung und Aufnahme hat es
wegen fehlender Pupillenreaktion und geringer pulsloser elektrischer Aktivität im EKG mit anschließender Asystolie
die Reanimation nach 5 Minuten eingestellt, sodass eine weiterführende zusätzliche Behand-lung nicht mehr möglich
war. Die notwendigen Sofortmaßnahmen der Notfalltherapie sei-en ambulant erbracht und stationär nach 5 Minuten
wegen zu erwartender Erfolglosigkeit eingestellt worden.
Dass die "Schwelle einer eindeutig stationären Behandlung" nicht überschritten worden sei, spricht nicht gegen den
Kostenübernahmeanspruch der Klägerin; denn die "Schwelle" ist insoweit kein juristisches Kriterium. Der
Sachverständige betont zwar, dass eine voll-stationäre "Behandlung" sich wegen Versterbens nicht mehr
verwirklichen konnte und sich die Tätigkeit der Klägerin insoweit im Wesentlichen auf die Feststellung des Todes be-
schränkt habe. Entscheidend ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17.03.2005,
Az: B 3 KR 11/04 R) nicht die tatsächlich erbrachte Maßnahme, sondern die stationäre Aufnahme nach der geplanten
Aufenthaltsdauer. Insoweit ist erfor-derlich, dass sich nach dem "Behandlungsplan" des Krankenhausarztes die
Aufenthalts-dauer über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt.
Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass es bei Notfallpatienten in der Regel nicht so ist, dass der Patient erst
untersucht und dann von den Ärzten ein Behandlungsplan erstellt wird. Vielmehr wird er sofort stationär behandelt;
denn in einem reanimationspflichtigen Notfall wird im Rahmen einer Eingangsuntersuchung von den Ärzten nicht vorab
festge-stellt, ob eine stationäre Behandlung erforderlich ist. Für reanimationspflichtige Notfallpa-tienten steht von
vornherein fest, dass nur eine stationäre Behandlung in Frage kommt. Die Alternative, nur ambulant zu behandeln,
stellt sich in diesen Fällen nicht. Wegen des Zeit-drucks ist in lebensgefährlichen Situationen, wie bei der des
Versicherten, umgehend zu lebenserhaltenden Maßnahmen zu greifen. Bei Herzinfarkt-Patienten, die nach vergebli-
chen Bemühungen des Notarztes in das Krankenhaus eingeliefert werden, ist die stationäre Weiter-Behandlung im
Krankenhaus regelmäßig noch die letzte Möglichkeit zur Lebens-erhaltung.
Dem steht auch nicht das eingeholte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H ... entge-gen. Nach der
vorgenannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann bei Abbruch einer begonnenen stationären
Krankenhausbehandlung diese nicht nachträglich in eine bloß "vorstationäre Maßnahme" verändert werden. Unter
bestimmten Voraussetzungen kann lediglich aus einer als ambulant oder vorstationär geplanten Maßnahme eine
stationä-re Krankenhausbehandlung werden, nicht aber – wie hier - im umgekehrten Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Da die nicht zum privilegierten
Personenkreis nach § 183 SGG gehörende Klägerin im Rechtsstreit obsiegt hat, hat die Beklagte die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Festzusetzen war der Streitwert der Hauptsache, wie er sich letztlich aus dem Antrag der Klägerin ergibt.