Urteil des SozG Hamburg vom 09.08.2001

SozG Hamburg: stationäre behandlung, gerichtliche zuständigkeit, krankenversicherung, vergütung, krankenkasse, öffentlich, aufspaltung, kündigung, verwaltungsgerichtsbarkeit, schiedsverfahren

Sozialgericht Hamburg
Beschluss vom 09.08.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 21 KR 1301/98
Landessozialgericht Hamburg L 1 B 107/01 KR
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 9. August 2001 aufgehoben
und der Rechtsstreit zur Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Die gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und §§
172 Abs. 1, 173 SGG zulässige Beschwerde ist begründet. Für den Rechtsstreit sind die Sozialgerichte zuständig.
Der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts vom 9. August 2001 ist deswegen aufzuheben und die Sache zur
Entscheidung zurückzuverweisen.
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG i. d. F. des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl.I S.
2144) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit u. a. über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in
Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen
werden; nicht jedoch über Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Sie
entscheiden ebenfalls über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung,
auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden (§ 51 Abs. 2 Satz 1 SGG).
§ 51 SGG ist in der genannten Fassung auf diesen Rechtsstreit anwendbar. Obwohl die Änderung erst mit Wirkung
vom 2. Januar 2002 in Kraft trat (vgl. Art. 19 Sechstes SGG-Änderungsgesetz) und die Klage bereits im September
1998 erhoben wurde, gilt für das Prozessrecht die im Zeitpunkt der Entscheidung aktuelle Gesetzesfassung. Das folgt
aus den Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts, nach denen eine Änderung des Prozessrechts
grundsätzlich alle im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Verfahren erfasst, sofern Übergangsvorschriften nicht
etwas anderes vorschreiben (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Großer Senat, Beschluss vom 19. Februar 1992 - GS
1/89, BSGE 70, 133). Eine dem entgegenstehende Übergangsregelung wurde im Sechsten SGG-Änderungsgesetz
nicht getroffen.
Die Höhe der Vergütung, die ein Krankenhaus für die stationäre Behandlung eines Versicherten einer
Krankenversicherung in Rechnung stellen kann, ist eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung. Das
folgt zum einen daraus, dass die Krankenhausbehandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V zu den Leistungen
der Krankenversicherung gehört. Zum anderen resultiert dies daraus, dass auch die Beziehungen der Krankenkassen
zu den Krankenhäusern gemäß §§ 107 ff SGB V Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung sind. In den §§
107 ff SGB V ist nämlich die Teilnahme der Krankenhäuser an der Versorgung Versicherter geregelt. Hierzu sind
gemäß § 112 SGB V zweiseitige Verträge und Rahmenempfehlungen über die Krankenhausbehandlung
abzuschließen, die unter anderem die Kostenübernahme und die Abrechnung der Entgelte zu regeln haben (§ 112
Abs. 2 Nr. 1 Buchst.b SGB V). Ein solcher Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung ist
zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e. V. und der AOK Hamburg sowie weiterer Krankenkassen
am 4. Juni 1991 zustande gekommen. In § 5 Abs. 1 dieses Vertrages ist geregelt, dass die Rechtsbeziehungen
zwischen Krankenhaus und Krankenkasse vertraglicher Natur sind, wenn die Krankenkasse eine
Kostenübernahmeerklärung abgibt und der Inhalt des Vertrages durch die gesetzlichen Vorgaben konkretisiert und
begrenzt wird. Dadurch werden u. a. die Pflegesatzverordnung und deren Sonderentgeltkatalog Vertragsinhalt. Weil die
Auslegung dieses Vertrages in einem Rechtsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse über die Vergütung
einer stationären Behandlung eines bestimmten Versicherten eine Angelegenheit der gesetzlichen
Krankenversicherung ist, ergibt sich die Zuständigkeit der Sozialgerichte für die daraus resultierenden Streitigkeiten.
Das gilt auch dann, wenn durch die Bezugnahme im Vertrag gesetzliche Regelungen außerhalb des
Sozialversicherungsrechts anzuwenden sind.
Unentschieden bleiben kann, ob der Vertrag gemäß § 112 SGB V ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist, weil es wegen
der Regelung des § 51 Abs. 2 SGG nicht darauf ankommt, ob der Rechtsstreit öffentlich-rechtlicher Natur ist.
Zwar wurde der genannte Vertrag zum 30. Juni 1997 gekündigt und trat der Folgevertrag erst am 1. Januar 2003 in
Kraft, sodass die hier streitige stationäre Behandlung im September und Oktober 1997 in die Zeit eines vertragslosen
Zustandes fällt. Hiervon ist jedoch die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung von Streitigkeiten nicht
abhängig, zumal auch die Kündigungsmöglichkeit eine in § 112 Abs. 4 SGB V geregelte Angelegenheit der
gesetzlichen Krankenversicherung darstellt und die Wirksamkeit der Kündigung möglicherweise wegen
Nichteinhaltung der Jahresfrist gemäß § 112 Abs. 4 Satz 1 SGB V fraglich ist.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts führt die Annahme der Zuständigkeit der Sozialgerichte nicht zur
Aufspaltung des Rechtswegs. Die Vereinbarung von Pflegesätzen wie auch die allgemeine Festlegung, für welche
Leistungen Sonderentgelte zu berechnen sind, ist nicht davon abhängig, welche Vergütung für einen konkreten
Krankenhausaufenthalt eines Versicherten zu zahlen ist. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit entscheidet unabhängig von
der Vergütung im Einzelfall über Streitigkeiten auf Grund der Bundespflegesatzverordnung oder des Gesetzes zur
wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze nach dem
Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Dabei geht es um die Festlegung der allgemeinen Finanzierungsgrundlagen
aller Krankenhäuser. Das gilt auch für die Vereinbarung der Pflegesätze mit dem einzelnen Krankenhaus gemäß § 18
KHG (und dem im dortigen Abs. 4 vorgesehenen Schiedsverfahren), über deren Genehmigung bei Streitigkeiten
gemäß § 18 Abs. 5 KHG ebenfalls die Verwaltungsgerichte entscheiden.
Demgegenüber käme es jedoch zu einer Aufspaltung des Rechtsweges, falls nach einer stationären
Krankenhausbehandlung die Vergütung nicht - wie hier - allein wegen der neben den Pflegesätzen anzurechnenden
Sonderentgelte streitig wäre, sondern z. B. von dem Krankenversicherungsträger außerdem geltend gemacht würde,
dass auch eine bestimmte Behandlung nicht erforderlich oder der Krankenhausaufenthalt zu lang gewesen sei.
Der Senat hat den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverwiesen, weil dieses - seiner Rechtsansicht folgend -
nicht in der Sache selbst entschieden hat.
Dieses Gericht wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Der Senat hat die Beschwerde an das BSG nicht zugelassen, weil
die Voraussetzungen des § 202 SGG i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.