Urteil des SozG Frankfurt am Main vom 18.04.2007

SozG Frankfurt: chronisches leiden, behinderung, depression, vorschlag, gerichtsakte, verwertung, gesundheit, aufenthalt, betrug, anhörung

Sozialgericht Frankfurt (Oder)
Urteil vom 18.04.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt (Oder) S 5 SB 59/06
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 13 SB 188/07
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frank-furt (Oder) vom 18. April 2007 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu er-statten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren über die Höhe des bei der Klägerin festzustel-lenden Grades der
Behinderung (GdB) ab Januar 2005.
Bei der 1961 geborenen Klägerin hatte der Beklagte zuletzt mit bestandskräftigem Abhilfebe-scheid vom 11. Februar
2002 wegen eines "chronischen Schmerzsyndroms bei depressiver Störung" einen GdB von 50 festgesetzt. Im
Nachprüfungsverfahren holte er den Befundbericht der Landesklinik E vom 14. August 2003 ein. Auf dessen
Grundlage setzte er, dem versor-gungsärztlichen Vorschlag folgend, nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom
27. Januar 2004 den GdB auf 30 (ab Bescheiddatum) mit der Begründung herab, dass eine deutliche Bes-serung der
Depressionen eingetreten sei. Auf den Widerspruch der Klägerin stellte er mit Wi-derspruchsbescheid vom 23. März
2006 folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klam-merzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete)
Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Ge-samt-GdB von 40 für die Zeit ab 24. Juni 2003 fest:
a) Depression (30), b) Funktionsbehinderung der Kiefergelenke, Gesichtsneuralgie (20).
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Kläger sich gegen die Herab-setzung des GdB gewandt.
Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der behandelnden Ärzte das Gutachten des Ner-venarztes Dr. B vom
16. Februar 2007 eingeholt. Mit Urteil vom 18. April 2007 hat es den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin bis zum 31.
Dezember 2004 einen GdB von 50 festzu-stellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das
Sozialgericht insbe-sondere ausgeführt:
Die Klägerin leide zum einen seit 1998 an einem chronischen rechtsseitigen Gesichtsschmerz. Den somatischen
Hintergrund bildeten die in den Jahren 1999 bis 2005 beschriebenen Funkti-onsstörungen im Mund-/Kieferbereich, die
nach den überzeugenden Darlegungen des Sachver-ständigen Dr. B inzwischen eine vergleichsweise geringe Rolle
spielten. Dementsprechend habe die Behandlungsintensität in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Zuletzt sei
die Klägerin im Jahre 2001 in stationärer Behandlung gewesen. Schmerzmittel würden kaum noch eingenommen
werden. Auch werde kein spezieller Schmerztherapeut mehr aufgesucht. Des-halb sei der Einzel-GdB für diese
Gesundheitsstörung für die Zeit ab September 2002 mit 40 zu bemessen. Angesichts der eingetretenen Besserung
sei der Einzel-GdB entsprechend dem Vorschlag des Gutachters seit 2005 lediglich mit 30 einzuschätzen.
Zum anderen leide die Klägerin an einer wiederkehrenden depressiven Störung. Diese werde bereits für das Jahr 2000
dokumentiert. Im Jahre 2003 sei es nach den vorliegenden Arztberich-ten zu einer schweren depressiven Episode
gekommen, die jedoch habe überwunden werden können. Rückwirkend für die letzten zwei Jahre könne eine
weitgehende Remission der de-pressiven Störung angenommen werden, wobei allerdings zu berücksichtigen sei, dass
es sich um ein chronisches Leiden mit dem Risiko des Wiederaufflammens zumindest leichterer mani-fester
Störungen handele. Für die Jahre 2003 und 2004 sei hinsichtlich der Depression ein Ein-zel-GdB von 30 zu
veranschlagen; seit 2005 betrage der Einzel-GdB 20. Der schlüssigen und nachvollziehbaren Bewertung des
Sachverständigen sei zu folgen.
Für den Zeitraum bis Ende 2004 sei aus den Einzel-GdB von 40 und 30 ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden, für den
Zeitraum ab 2005 aus den Einzel-GdB von 30 und 20 ein Gesamt-GdB von 40.
Der Beklagte hat mit Ausführungsbescheid vom 30. Juli 2007, berichtigt unter dem 15. Okto-ber 2007, festgestellt,
dass bei der Klägerin der GdB bis zum 31. Dezember 2004 50 betrug.
Mit der Berufung gegen das Urteil verfolgt die Klägerin ihr Begehren für den Zeitraum ab Ja-nuar 2005 weiter: Ihre auf
dem chronischen Gesichtsschmerz und dem depressiven Syndrom beruhende Behinderung sei mit einem GdB von 40
zu niedrig bemessen. Die Gesundheitsstö-rungen seien in unveränderter Form weiter vorhanden. Die gutachterliche
Feststellung, dass die Funktionsbeeinträchtigungen inzwischen eine vergleichsweise geringe Rolle spielten, habe
lediglich eine Momentaufnahme wiedergegeben. Bereits kurz nach der Erstellung des Gutach-tens seien ihre
Schmerzen wieder vorhanden gewesen und nur durch die Einnahme erheblicher Mengen an Medikamenten ertragbar.
Auch hätten sich der Rhythmus und die Intensität der Depression wieder erhöht. Hierzu hat sie u.a. den Bericht des M
Krankenhauses vom 16. Juni 2008 über ihren stationären Aufenthalt von Mitte Januar bis Mitte April 2008 vorgelegt.
Nachdem sie den mit der Berufung gestellten Hilfsantrag, sie ab dem 1. Januar 2005 einem Behinderten mit einem
GdB von 50 gleichzustellen, zurückgenommen hat, beantragt sie,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. April 2007 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 27.
Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbeschei-des vom 23. März 2006 insoweit aufzuheben, als der Grad der
Behinderung ab 1. Januar 2005 auf 40 herabgesetzt wurde.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der
Beteiligten, den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die vorgelegen haben
und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage hinsichtlich des mit der Berufung angegriffenen Zeitraums ab Januar 2005 zu Recht
abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 23. März 2006 ist nicht zu beanstanden.
Nach den am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind
die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstö-rungen nach Zehnergraden abgestuft
entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversor-gungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit
und Soziale Sicherung herausge-gebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP), und zwar in der
Fassung von 2005, zu bewerten.
Entsprechend dem Ergebnis der von dem Beklagten und dem Sozialgericht durchgeführten medizinischen
Ermittlungen ist der Klägerin wegen der bei ihr vorliegenden Funktionsbeein-trächtigungen ab 1. Januar 2005 ein GdB
von mehr als 40 nicht zuzuerkennen. Dies hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) unter Verwertung des neurologischen
und schmerztherapeuti-schen Gutachtens vom 16. Februar 2007 ausführlich dargelegt. Der Senat folgt den zutreffen-
den Gründen des angefochtenen Urteils vom 18. April 2007 und sieht nach § 153 Abs. 2 Sozi-algerichtsgesetz (SGG)
von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Be-wertung der bei der Klägerin vorliegenden
Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht zu beanstan-den. Auch entspricht die Bildung des Gesamt-GdB den Vorgaben
in Nr. 19 der AHP.
Das Vorbringen der Klägerin mit der Berufung, zwischenzeitlich hätten sich ihre Leiden ver-schlimmert, rechtfertigt
keine andere Entscheidung. Bei der hier vorliegenden Anfechtungskla-ge gegen die Herabsetzung der Höhe eines
festgestellten GdB kommt es ausschließlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung an, hier des Wider-spruchsbescheides vom 23. März 2006, so dass spätere
Verschlechterungen des Gesundheits-zustandes durch die Sozialgerichte nicht zu berücksichtigen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.