Urteil des SozG Dortmund vom 25.06.2008

SozG Dortmund: altersgrenze, lex specialis derogat legi generali, lex posterior derogat legi priori, versorgung, allgemeine lebenserfahrung, schutz der gesundheit, schutz der versicherten, eugh

Sozialgericht Dortmund, S 16 KA 117/07
Datum:
25.06.2008
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 16 KA 117/07
Sachgebiet:
Sonstige Angelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird gemäß Art. 234 EGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaft zu folgenden Fragen eingeholt:
1. Kann die gesetzliche Regelung einer Höchstaltersgrenze für die
Zulassung zur Berufsausübung (hier: für die Tätigkeit als
Vertragszahnärztin) im Sinne des Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG eine
objektive und angemessene Maßnahme zum Schutz eines legitimen
Zieles (hier: der Gesundheit der gesetzlich krankenversicherten
Patienten) und ein zur Erreichung dieses Zieles angemessenes und
erforderliches Mittel sein, wenn sie ausschließlich aus einer auf
"allgemeine Lebenserfahrung" gestützten Annahme eines ab einem
bestimmten Lebensalter eintretenden generellen Leistungsabfalls
hergeleitet wird, ohne dass dabei dem individuellen Leistungsvermögen
des konkret Betroffenen in irgendeiner Weise Rechnung getragen
werden kann?
2. Falls die Frage zu 1. zu bejahen ist: Kann ein im Sinne des Art. 6 der
Richtlinie 2000/78/EG legitimes (Gesetzes-)Ziel (hier: der
Gesundheitsschutz der gesetzlich krankenversicherten Patienten) auch
dann angenommen werden, wenn dieses Ziel für den nationalen
Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums selbst überhaupt keine Rolle gespielt hat?
3. Falls Frage Nr. 1. oder 2. zu verneinen ist: Darf ein vor Erlass der
Richtlinie 2000/78/EG ergangenes Gesetz, das mit dieser Richtlinie
unvereinbar ist, kraft Vorrangs des europäischen Rechts auch dann nicht
angewandt werden, wenn das die Richtlinie umsetzende nationale
Recht (hier: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) eine solche
Rechtsfolge im Falle eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot
nicht vorsieht?
Gründe:
1
I.
2
Die Beteiligten streiten über eine weitere Zulassung der Klägerin als Vertragszahnärztin
nach Vollendung ihres 68. Lebensjahres.
3
Die am xxx1939 geborene Klägerin, die im xxx 2007 ihr 68. Lebensjahr vollendet hat,
war seit xxx1974 in xxx als selbständige Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen
Versorgung zugelassen.
4
Mit Beschluss vom 25.4.2007 stellte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte für den
Bezirk Westfalen-Lippe fest, dass die Zulassung der Klägerin gemäß § 95 Abs. 7 SGB V
in Verbindung mit § 28 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte am
30.6.2007 ende. Die Vorschrift des § 95 Abs. 7 SGB V gehe den Regelungen des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, mit dem die u.a. gegen Altersdiskriminierung
gerichtete EU-Richtlinie 2000/78/EG umgesetzt worden sei, vor.
5
Hiergegen legte die Klägerin am 2.5.2007 Widerspruch ein und beantragte, sie über den
1.7.2007 hinaus zur kassenzahnärztlichen Versorgung zuzulassen. Sie trug vor, dass es
sich bei der Richtlinie 2000/78/EG und demgemäß bei dem hierauf beruhenden
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz um höherrangiges Recht handele, das dem
nationalen Recht vorgehe und nach der Entscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaft vom 20.11.2005 (Mangold) zur Unanwendbarkeit
diskriminierender Normen führe. Im Übrigen verstoße § 95 Abs. 7 SGB V aber auch
gegen Art. 14 des Grundgesetzes: Da die Krankenversicherung bei etwa 90 % der
Bevölkerung über die gesetzliche Krankenversicherung laufe, seien die
niedergelassenen Zahn-/Ärzte zur Ausübung ihres Berufs regelmäßig auf die Zulassung
zur vertragsärztlichen Versorgung angewiesen, so dass die Zulassung als geschütztes
Eigentum anzusehen sei.
6
Am 7.5.2007 stellte die Klägerin bei Gericht den Antrag, den Beklagten im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, sie zumindest für zwei weitere Jahre zur
kassenzahnärztlichen Versorgung zuzulassen. Diesen Antrag wies das erkennende
Gericht mit Beschluss vom 6.6.2007, Az: S 16 KA 77/07 ER, zurück. Die hiergegen
eingelegte Beschwerde der Klägerin wurde vom Landessozialgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 18.9.2007, Az: L 11 B 17/07 KA ER, mit
folgender Begründung zurückgewiesen: Auf der Grundlage der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts sei davon auszugehen, dass nach allgemeiner
Lebenserfahrung in höherem Alter die Leistungsfähigkeit nachlasse. Die in § 95 Abs. 7
SGB V normierte Altersgrenze rechtfertige sich deshalb aus dem Ziel,
Gesundheitsgefährdungen für die Patienten einzudämmen. Außerdem habe das
Bundessozialgericht diese Altersgrenze zu Recht auch unter dem Gesichtspunkt einer
gerechten Lastenverteilung zwischen den bereits zugelassenen Ärzten und der jungen,
an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration gebilligt. Auch nach Wegfall der
Zulassungsbeschränkungen im Bereich des Vertragszahnarztrechts sei die
Altersgrenze als verteilungspolitisches Instrument zur Erhaltung der Berufschancen der
nachrückenden Generation gerechtfertigt. Eine Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3
SGB V lasse sich auch nicht aus einem Verstoß gegen das Verbot der
Altersdiskriminierung herleiten. Ein evtl. Normwiderspruch zu den Vorschriften des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes lasse sich nach nationalem Recht nicht
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lösen. Die Annahme einer europarechtlich begründeten Unanwendbarkeit scheitere
jedenfalls daran, dass die in Streit stehende Regelung einer Altersgrenze für
Vertrags(zahn)ärzte sich im Rahmen des Ermessensspielraumes halte, den das
Europarecht dem nationalen Gesetzgeber insoweit einräume.
Zuvor hatte der Beklagte mit Beschluss vom 30.5.2007 den Widerspruch der Klägerin
zurückgewiesen: Selbst wenn § 95 Abs.7 SGB V gegen das europarechtliche Verbot
einer Diskriminierung wegen Alters verstoßen sollte, müsse der Beklagte diese
Vorschrift anwenden, weil er keine Verwerfungskompetenz habe und nur Gerichte eine
Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft richten könnten. Im
Übrigen habe das Bundessozialgericht aber auch schon entschieden, dass die
Altersgrenze des § 95 Abs.7 SGB V europarechtskonform sei. Dieser Beschluss wurde
der Klägerin am 30.6.2007 zugestellt.
8
Am 20.7.2007 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren
weiterverfolgt. Sie führt aus, dass § 95 Abs. 7 Satz 3 gegen Verfassungsrecht und
Europarecht verstoße.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beschluss des Beklagten vom 30.5.2007 aufzuheben und sie bis auf weiteres zur
zahnärztlichen Versorgung zuzulassen.
11
Der Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Er vertritt die Auffassung, dass in Übereinstimmung mit der hierzu ergangenen
Rechtsprechung die Regelung der Altersgrenze als rechtmäßig anzusehen sei.
14
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
15
II.
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Das Gericht setzt den Rechtsstreit aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) zur Klärung der im Tenor aufgeführten Fragen
herbeizuführen. Da es insoweit um die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG und damit
um Gemeinschaftsrecht geht, ist der EuGH gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zuständig. Die vorgelegten Fragen sind
entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den EuGH.
17
A) Nach nationalem Recht ist der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30.5.2007
rechtmäßig und hat die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Teilnahme an der
vertragszahnärztlichen Versorgung:
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Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 95 Abs. 7 Satz 3 des
Sozialgesetzbuches Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach
endet die Zulassung eines Vertragsarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68.
Lebensjahr vollendet hat. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt diese Vorschrift für
Zahnärzte entsprechend. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 95 Abs. 7
19
Satz 4 SGB V (weniger als 20-jährige vertragsärztliche Tätigkeit und Zulassung vor dem
1.1.1993) liegen nicht vor. Bei Anwendung der Altersgrenze nach § 95 Abs. 7 Satz 3
SGB V wäre die Zulassung der im xxx1939 geborenen Klägerin also mit Ablauf des
30.6.2007 kraft Gesetzes erloschen; die entsprechende Feststellung in dem
angefochtenen Beschluss des Beklagten, die insoweit lediglich deklaratorische Wirkung
entfaltet (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6.2.2008, Az: B 6 KA 41/06 R), wäre
nicht zu beanstanden.
Die Höchstaltersgrenze ist durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung
der gesetzlichen Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz (GSG 1993) - vom
21.12.1992 (BGBl I, S. 2266 ff.) eingeführt worden, und zwar zunächst als Satz 2 des §
95 Abs. 7 SGB V, das vorher noch keine Regelung über eine Altersbegrenzung für die
vertragsärztliche Tätigkeit kannte. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung
der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I, S. 2190 ff.) findet sie
sich - mit identischem Inhalt - in Satz 3 der Vorschrift.
20
Mit dem GSG 1993 wollte der Gesetzgeber die Finanzierbarkeit der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) durch Änderungen bei den Versorgungsstrukturen und der
Organisation der GKV sichern. In diesem Rahmen führte er u.a. Neuerungen im Bereich
der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung ein, die insbesondere auch
eine Begrenzung der Zahl der zugelassenen Ärzte und Zahnärzte umfassten.
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Ausgangspunkt war dabei die auf eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen
gestützte Annahme einer "angebotsinduzierten Nachfrage" in dem Sinn, dass Ärzte in
überversorgten Gebieten sich veranlasst sehen könnten, die infolge geringerer
Patientenzahlen je Arzt drohenden Einkommenseinbußen durch eine Ausweitung ihres
Leistungsvolumens je Patient auszugleichen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG),
Beschluss vom 27.4.2001, Az: 1 BvR 1282/99, unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/3608,
S. 98). Das GSG 1993 gestaltete deshalb die Bedarfsplanung neu: So regelte es ab
1.2.1993 wesentlich verschärfte Zulassungsbeschränkungen (§§ 101, 103 SGB V iVm
Art. 33 § 3 GSG 1993) und setzte ab 1.1.1999 eine Bedarfszulassung in Kraft (§ 102
SGB V). Als verfassungsrechtlich erforderliche flankierende Maßnahme zur
Bedarfszulassung normierte das GSG 1993 - ebenfalls für die Zeit ab 1.1.1999 - die
vorliegend in Streit stehende Altersgrenze (Art. 33 § 1 GSG 1993). Hierdurch sollte im
Interesse einer ausgewogenen Lastenverteilung zwischen den Generationen vermieden
werden, dass die für notwendig erachtete Begrenzung der Zahl von
Vertrags(zahn)ärzten nur durch Zulassungsbeschränkungen zu Lasten der jungen
Generation erfolge.
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In der Gesetzesbegründung zur Einführung der Altersgrenze in § 95 Abs. 7 SGB V (vgl.
BT-Drucks. 12/3608, S.93) heißt es: "Die Entwicklung der Vertragsarztzahl stellt eine
wesentliche Ursache für überhöhte Ausgabenzuwächse in der gesetzlichen
Krankenversicherung dar. Angesichts einer ständig steigenden Zahl von Vertragsärzten
besteht die Notwendigkeit, die Anzahl der Vertragsärzte zu begrenzen. Die
Überversorgung kann nicht nur durch Zulassungsbeschränkungen und damit zu Lasten
der jungen Ärztegeneration eingedämmt werden. Hierzu ist auch die Einführung einer
obligatorischen Altersgrenze für Vertragsärzte erforderlich."
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In der Folgezeit nahm der Gesetzgeber aber die zulassungsbeschränkenden
Regelungen für Vertragszahnärzte insgesamt (und für Vertragsärzte teilweise) wieder
zurück: So hob er § 102 SGB V durch Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und
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anderer Gesetze - Vertragsarztänderungsgesetz- vom 22.12.2006 (BGBl I, S. 3439 ff.)
mit Wirkung zum 1.1.2007 auf und strich damit die - ohnehin nie umgesetzte -
Bedarfszulassung; gleichzeitig hob er die Vorschrift des § 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V auf,
auf deren Grundlage die Zulassungsverordnungen für Ärzte und Zahnärzte solche
Ärzte/Zahnärzte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, von der Zulassung zur
Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung grundsätzlich ausschlossen.
Des Weiteren fügte der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung des
Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetz - vom 26.3.2007 (BGBl I, S. 378 ff.) mit Wirkung vom
1.4.2007 in § 101 SGB V einen Absatz 6, in § 103 SGB V einen Absatz 8 sowie in § 104
SGB V einen Absatz 3 ein und normierte darin, dass die Regeln über die in diesen
Paragraphen jeweils festgeschriebenen Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte nicht
gelten. Zu dieser Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen wird in der
Gesetzesbegründung ausgeführt, dass für den Bereich der vertragszahnärztlichen
Versorgung auf die Steuerung durch zwingende Zulassungsbeschränkungen verzichtet
werden könne, weil - zum Einen - in diesem Leistungsbereich das Problem der
Überversorgung sich nicht in der gleichen Weise wie im Bereich der vertragsärztlichen
Versorgung stelle und weil - zum Anderen - auch die Gefahr von
Leistungsausweitungen und angebotsinduzierter Versorgung nicht in der Weise
gegeben sei wie im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (BT-Drucks. 16/3100, S.
135).
Bei dieser Sachlage lässt sich die Altersgrenze im zahnärztlichen Bereich für die Zeit ab
1.4.2007 nicht mehr im Zusammenhang mit der Beschränkung des Zugangs zum
System der GKV als flankierende Maßnahme zur Entlastung jüngerer Zahnärzte
rechtfertigen (vgl. Arnold, Die Auswirkungen des GKV-WSG-Gesetzentwurfs, des VÄG
und des AGG auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Altersgrenze im
Vertrags(zahn)arztrecht, Medizinrecht, 2007, S. 143 ff., 144). Der Auffassung, die
Altersgrenze für Zahnärzte sei trotzdem noch als verteilungspolitisches Instrument zur
Erhaltung von Berufschancen der nachrückenden Generation gerechtfertigt, weil sich
sonst die wirtschaftlichen Bedingungen für "Newcomer" wegen der hohen
Versorgungsdichte verschlechtern würden, mit der vor allem in den für eine
Niederlassung als attraktiv angesehenen Gebieten zu rechnen wäre (so das
Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (NW) in seinem im
Eilverfahren der Klägerin ergangenen Beschluss vom 18.9.2007), vermag die Kammer
nicht zu folgen. Angesichts der (vorstehend wiedergegebenen) Gesetzesbegründung
zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist nämlich davon auszugehen ist, dass im
Leistungsbereich der Vertragszahnärzte offenbar keine gesetzliche
Zugangsbeschränkungen erfordernde Überversorgung (mehr) besteht und jeder
Berufsanfänger in der Regel ausreichende Möglichkeiten zum Aufbau einer eigenen
wirtschaftlichen Existenz haben dürfte (vgl. Arnold, S. 144 f.). Das bedeutet gleichzeitig
außerdem auch, dass dem öffentlichen Interesse daran, dass die Jüngeren neuere
zahnmedizinische Erkenntnisse in das System der vertragszahnärztlichen Versorgung
einbringen, Genüge getan ist. Diese Einschätzung wird offenbar auch von dem
Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Präsidenten der
Bundeszahnärztekammer getragen, die sich u.a. Anfang dieses Jahres im Rahmen
einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages beide
gegen die Beibehaltung der Altersgrenze für Vertragszahnärzte ausgesprochen haben
(vgl. Protokoll Nr. 16/80).
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Tatsächlich hat auch das BVerfG in seinem - einen Vertragszahnarzt betreffenden -
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Beschluss vom 7.8.2007, Az: 1 BvR 1941/07, die von ihm auch für die Zeit nach Wegfall
der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte zum 1.4.2007 weiterhin bejahte
Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze weder auf den Gesichtspunkt der
Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Generationen noch auf das öffentliche Interesse
an der Verbreitung aktuellerer wissenschaftlicher Erkenntnisse gestützt. Es hat
stattdessen ausschließlich darauf abgestellt, dass der Schutz der Versicherten vor den
Gefährdungen durch ältere, nicht mehr voll leistungsfähige Vertrags(zahn)ärzte als
besonders wichtiger Belang des Gemeinwohls diese Altersgrenze rechtfertige. Es
entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeintächtigung
der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer werde. Damit hat das Gericht
ausdrücklich an seiner ständigen Rechtsprechung zu Altersgrenzen, die die
Berufsausübung in höherem Alter einschränken (vgl. Beschlüsse vom 31.3.1998, Az: 1
BvR 2167/93 und 1 BvR 2198/93; 4.10.2001, Az: 1 BvR 1435/01; 4.10.2001, Az: 1 BvR
1418/01), festgehalten.
In diesen Beschlüssen hatte das BVerfG seinerzeit gerade auch zu der Altersgrenze im
Bereich des Vertrags(zahn)arztrechts ausgeführt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des
ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums nicht darauf beschränkt sei, jeweils im
Einzelfall ab Vollendung des 68. Lebensjahres eine individuelle Prüfung zur
Sicherstellung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des Vertragsarztes
vorzunehmen. Er dürfe vielmehr auf der Grundlage von Erfahrungswerten eine
generalisierende Regelung erlassen. Gleichzeitig hatte das BVerfG die Frage, ob der
Belang der gleichmäßigen Altersstruktur und Lastenverteilung die Altersgrenze
überhaupt hätte rechtfertigen können, offen gelassen. Dass der Gesichtspunkt des
Gesundheitsschutzes der Versicherten in der Gesetzesbegründung zur Einführung der
Altersgrenze in § 95 Abs. 7 SGB V keinen Niederschlag gefunden habe, hat das BVerfG
ausdrücklich als unerheblich angesehen: Das BVerfG prüfe die Verfassungsmäßigkeit
einer gesetzlichen Regelung unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, auch wenn
sie in der Gesezesbegründung keinen Niederschlag gefunden hätten (Beschluss vom
31.3.1998, Az: 1 BvR 2167/93 und 1 BvR 2198/93).
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Dieser Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze des § 95 Abs. 7
Satz 3 SGB V schließt sich das erkennende Gericht an, nicht zuletzt aus Gründen der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
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Eine Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V lässt sich auch nicht aus einem
etwaigen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom
14.8.2006 (BGBl I, S. 1897 ff.) herleiten. Auch wenn man aufgrund des § 6 Abs. 3 AGG
von einer Anwendbarkeit des in §§ 1, 7 AGG geregelten Verbots der
Altersdiskriminierung auf die vorliegende Fallkonstellation ausgeht, würde ein Verstoß
gegen dieses Verbot nach nationalem Recht nicht zur Unwirksamkeit des § 95 Abs. 7
Satz 3 SGB V führen. Denn zum Einen trifft das AGG keine Regelung, die die
Unanwendbarkeit entgegenstehenden "diskriminierenden" nationalen Rechts anordnet
(vgl. LSG NW, Beschluss vom 18.9.2007, Az: L 11 B 17/07 KA ER). Zum Anderen ließe
sich ein Normwiderspruch zwischen dem Diskriminierungsverbot des AGG und § 95
Abs. 7 Satz 3 SGB V auf nationaler Ebene auch nicht im Sinne eines
Anwendungsvorrangs des AGG lösen. Als gleichermaßen durch Parlamentsgesetz des
Bundes in Kraft getretene Normen sind die Vorschriften des AGG und des SGB V
gleichrangig. Da der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Erlass des AGG durch
Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.8.2006 (BGBl I, S. 11897) zwecks
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Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben bestimmte Änderungen sozialrechtlicher
Vorschriften vorgenommen, im Übrigen aber keinen Handlungsbedarf gesehen hat, ist
davon auszugehen, dass alle anderen bei Inkrafttreten des AGG bestehenden und vom
Gesetzgeber nicht geänderten (Sozialrechts-)Normen im Einklang mit dem AGG stehen
und deshalb weiterhin anwendbar sind. Der Grundsatz, dass im Fall eines
Normwiderspruchs das jüngere Gesetz dem älteren vorgeht ("lex posterior derogat legi
priori") greift deshalb vorliegend nicht. Das AGG kann im Verhältnis zu § 95 Abs. 7 Satz
3 SGB V auch nicht als die speziellere Vorschrift angesehen werden, so dass sich ein
Vorrang des AGG auch nicht aus dem Grundsatz "lex specialis derogat legi generali"
ergibt (vgl. Husmann, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und seine
Auswirkungen auf das Sozialrecht, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht
(ZESAR) 2007, S. 13 ff. (Teil I) und S. 58 ff: (Teil II), 61 f.).
B) Das erkennende Gericht zieht jedoch durchaus in Betracht, dass sich eine
Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V aus einem Verstoß gegen vorrangiges
Gemeinschaftsrecht ergeben könnte. Nach Auffassung des Gerichts bestehen ernsthafte
Zweifel an der - vom BVerfG wegen dessen insoweit fehlender Zuständigkeit in dem
Beschluss vom 7.8.2007 ausdrücklich nicht geprüften - Vereinbarkeit dieser Vorschrift
mit der insbesondere auf der Grundlage von Art. 13 EGV erlassenen Richtlinie
2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für
die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie
2000/78/EG), die in Deutschland durch das 2006 in Kraft getretene AGG umgesetzt
worden ist und die u.a. die gemeinschaftsweite Bekämpfung einer Diskriminierung
wegen Alters bezweckt (vgl. Art. 1 der Richtlinie).
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Aufgrund des Urteils des EuGH im Verfahren Palacios vom 16.10.2007, Az: C-411/05,
ist in Übereinstimmung mit dem BSG (Urteil vom 6.2.2008, Az: B 6 KA 41/06 R) davon
auszugehen, dass die Richtlinie 2000/78/EG alleiniger europarechtlicher Maßstab für
das Verbot von Altersdiskriminierungen ist (vgl. Blöcher, Vom vorläufigen Ende der
juristischen Auseinandersetzung um die gesetzliche Altersgrenze für Vertragsärzte, SGb
2008, S. 337 ff, 338).
31
1) Nach Auffassung des erkennenden Gerichts greifen Bedenken, ob die Regelung des
§ 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V überhaupt dem Geltungsbereich der Richtlinie unterfallen
kann, im Ergebnis nicht.
32
1.1) Dass es vorliegend um einen reinen Inlandsfall ohne grenzüberschreitenden Bezug
geht, steht seiner gemeinschaftsrechtlichen Relevanz nicht entgegen (für die Zeit vor
Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG vgl. jedoch BSG, Beschluss vom 27.4.2005, Az: B
6 KA 38/04 B, Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 31.1.2006, Az: L 4 KA 3/04).
Ausweilich ihrer Erwägungsgründe leistet die Richlinie mit der Bekämpfung der
Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf einen Beitrag zur Schaffung einer
einheitlichen Wirtschafts- und Sozialverfassung, um die Gleichheit aller Menschen vor
dem Gesetz als allgemeines Menschenrecht zu stärken. Sie zielt also anders als die
Grundfreiheiten nicht auf die Regelung grenzüberschreitender Austauschvorgänge,
sondern dient der Vereinheitlichung des materiellen Wirtschafts-, Berufs- und
Arbeitsrechts (vgl. Eichenhofer, Gesetzliche Altersgrenze im Vertrags(zahn)arztrecht:
Kann nach dem AGG alles beim Alten bleiben? Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2007,
S. 580 ff.). Jedenfalls seit Ablauf der Umsetzungsfrist im Dezember 2006 findet die
Richtlinie als Prüfungsmaßstab deshalb auch auf reine Inlandsfälle ohne
grenzüberschreitenden Bezug Anwendung.
33
1.2) Der Erwägungsgrund Nr. 14 der Richtlinie steht deren Anwendbarkeit ebenfalls
nicht entgegen (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 15.3.2006, Az: L 4 KA 32/05). Wie
der EuGH in dem Urteil Palacios (Rdnr. 44) entschieden hat, beschränkt sich dieser
Erwägungsgrund auf die Klarstellung, dass die Richtlinie nicht die Zuständigkeit der
Mitgliedsstaaten berühre, das Alter für den Eintritt in den Ruhestand zu bestimmen, und
steht in keiner Weise der Anwendung der Richtlinie auf nationale Maßnahmen
entgegen, unter denen ein Arbeitsvertrag endet, wenn das auf diese Weise festgesetzte
Ruhestandsalter erreicht wird. In diesem Urteil ist der EuGH dem Schlussantrag des
Generalanwalts Mazák vom 15.2.2007, der unter Berufung auf den Erwägungsgrund Nr.
14 die Auffassung vertreten hatte, dass Altersgrenzen dem sachlichen Geltungsbereich
der Richtlinie gar nicht unterfielen, nicht gefolgt. In der Konsequenz dieser
Rechtsprechung liegt es, die Maßgeblichkeit der Richtlinie auch für die vorliegend in
Streit stehende Altersgrenze nicht mit Rücksicht auf den Erwägungsgrund Nr. 14 zu
verneinen (vgl. Eichenhofer, Gutachterliche Stellungnahme zu der Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofes vom 16.10.2007 - C-411/05 (Palacios de la Villa),
(Stellungnahme), S. 4; ders., SGb, S. 583; im Ergebnis ebenso Hessisches LSG,
Beschluss vom 15.12.2004, Az: L 7 KA 412/03 ER): Der Erwägungsgrund Nr. 14 der
Richtlinie betrifft nicht Altersgrenzen für die Beendigung selbständiger oder
unselbständiger Erwerbstätigkeit, sondern nur Altersgrenzen für die Inanspruchname
von Renten- bzw. Ruhestandsleistungen in Sozialleistungs- bzw. Versorgungssystemen
(vgl. Boecken, Die Altersgrenze von 68 Jahren für Vertragsärzte aus EG-rechtlicher
Sicht, Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2005, 393 ff., 394), worum es im Fall der
Klägerin aber nicht geht.
34
1.3) Die Maßgeblichkeit der Richtlinie erscheint dem Gericht auch nicht insoweit
zweifelhaft, als diese gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 (nur) "im Rahmen der auf die
Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten" gilt. Allerdings bestimmt Art 152 Abs. 5
EGV, dass bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der
Bevölkerung die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des
Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt bleibt;
auch handelt es sich bei dem Vertrags(zahn)arztrecht um eine Bestandteil des SGB V,
das die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung der
Bevölkerung regelt. Hieraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass das
Vertrags(zahn)arztrecht, weil außerhalb der Zuständigkeit der EG liegend, damit auch
vom Geltungsbereich der Richtlinie nicht erfasst werde (zur Problematik vgl. Rixen,
Rettung für den altersdiskriminierten Vertragsarzt durch den EuGH? ZESAR 2007, S.
345ff., 350). Als Ausdruck des in Art. 3 Buchst. b EGV enthaltenen Susidiaritätsprinzips
lässt Art. 152 Abs. 5 EGV insoweit zwar die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in der
Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt. Unabhängig davon
müssen jedoch die Mitgliedstaaten auch in diesem Bereich das bestehende
Gemeinschaftsrecht, hier: das europarechtliche Diskriminierungsverbot, beachten (vgl.
Hess. LSG, Urteil vom 15.12.2004, Az: L 7 KA 412/03 ER mit Hinweisen auf die
diesbzgl. Rechtsprechung des EuGH; Eichenhofer, SGb, S. 581).
35
1.4) Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78/EG greifen nach
Auffassung des Gerichts des Weiteren auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass Art. 3
Abs. 3 der Richtlinie "Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der
damit gleichgestellten Systeme einschließlich der Systeme der sozialen Sicherheit oder
des sozialen Schutzes" ausdrücklich vom Geltungsbereich der Richtlinie ausnimmt und
in ihrem 13. Erwägungsgrund klargestellt wird, dass die Richtlinie "auf die
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Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem
Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die
Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde," keine Anwendung
findet (zweifelnd insoweit Rixen, a.a.O., S. 345 ff.; vgl. auch Rust in Rust/Falke, AGG,
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Kommentar, 2007, S. 102, Rdnr. 244, die - ohne
eine Einschränkung auf "Leistungen" - davon ausgeht, dass die Systeme der sozialen
Sicherheit oder des sozialen Schutzes nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie
gehören). Angesichts der Tatsache, dass sich insoweit sowohl in der englischen als
auch in der französischen Textfassung ein nicht mit "Leistungen", sondern -
eingeschränkter - mit "Geldleistungen" zu übersetzender Begriff ("payments of any kind"
bzw. "versements de toute nature") findet (vgl. Husmann, a.a.O., S. 15), ist davon
auszugehen, dass die Fortführung einer Vertragsarztpraxis keine Leistung im Sinne des
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG darstellt (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom
15.12.2004, Az: L 7 KA 412/03 ER, bzw. Hess. LSG, Urteil vom 15.3.2006, Az: L 4 KA
32/05; Boecken, NZS, S. 394) und eine Anwendbarkeit der Richtlinie nicht deshalb
ausgeschlossen ist.
2.) Ist demnach gemäß der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts die Richtlinie
2000/78/EG vorliegend anwendbar, so unterfällt die Regelung der Altersgrenze in § 95
Abs. 7 Satz 3 SGB V der Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie. Denn sie betrifft
die Dauer der Berufsausübung des jeweiligen Vertrags(zahn)arztes, indem sie ihn
daran hindert, künftig am Erwerbsleben teilzunehmen. Bei den Vertrags(zahn)ärzten
handelt es sich um Personen, die im öffentlich-rechtlich geregelten Bereich der
Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung tätig sind und in diesem
Rahmen freiberuflich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben (Boecken, NZS, S.
394). Da eine Regelung über die Beendigung einer Tätigkeit ab einem bestimmten
Lebensalter zugleich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie eine Bedingung für
den Berufszugang zu selbständiger Tätigkeit enthält, weil nach Erreichen der jeweiligen
Altersgrenze der Berufszugang verschlossen ist (vgl. Boecken, Stellungnahme zur
verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Altersgrenze von
68 Jahren für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte für die öffentliche Anhörung des
Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 12. März 2008
(Stellungnahme), S. 5; Hessisches LSG, Urteil vom 15.3.2006, Az: L 4 KA 32/05), kann
dahinstehen, ob die Regelung einer Höchstaltersgrenze bei Selbständigen darüber
hinaus auch als Arbeitsbedingung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie zu
verstehen ist.
37
Die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V stellt eine Benachteiligung wegen Alters
im Sinne der Art. 1, 2 Abs. 1 der Richtlinie dar (vgl. BSG, Urteil vom 6.2.2008, Az: B 6
KA 41/06 R), wobei es sich um eine unmittelbare Diskriminierung handelt (vgl. Art. 2
Abs. 2 lit. a der Richtlinie), da die Beendigung der Zulassung zur Teilnahme an der
vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung unmittelbar an das Erreichen eines bestimmten
Alters geknüpft wird (Eichenhofer, SGb, S. 582; Boecken, NZS, S. 395).
38
2.1) Der Annahme einer Diskriminierung steht nicht Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie
entgegen, wonach die Richtlinie solche im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen
Maßnahmen nicht berührt, die in einer demokratischen Gesellschaft u.a. zum Schutz der
Gesundheit notwendig sind. Nach dem systematischen Zusammenhang mit Art. 6 der
Richtlinie kann es sich dabei nämlich nur um Maßnahmen handeln, die aus Gründen
des Gesundheitsschutzes derart zwingend sind, dass der Gesetzgeber auf sie
schlechterdings nicht verzichten kann. Davon kann aber bei der Altersgrenze des § 95
39
Abs. 7 Satz 3 SGB V schon deshalb nicht die Rede sein, weil diese Regelung, wie die
Gesetzesbegründung zeigt, vom Gesetzgeber gar nicht aus Gründen des
Gesundheitsschutzes normiert worden ist.
2.2) Die Annahme einer Diskriminierung entfällt auch nicht im Hinblick auf die Regelung
des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie. Hiernach können die Mitgliedstaaten ungeachtet der
Definitionen des Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie vorsehen, dass eine
Ungleichbehandlung wegen eines unter das Diskriminierungsverbot des Art. 1 der
Richtlinie fallenden Merkmals dann keine Diskriminierung darstellt, wenn das
betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der
Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine
angemessene Anforderung handelt. Eine unterschiedliche Behandlung setzt danach
voraus, dass das in Rede stehende Merkmal für die Tätigkeit prägend ist (vgl. Falke in
Rust/Falke, S. 470, Rdnr. 11; Eichenhofer, SGb, S. 582, S. ), so z.B. das Geschlecht für
Tätigkeit eines Opernsängers im Fach Bariton. Die Einhaltung einer Altersgrenze für die
vetrags(zahn)ärzte Tätigkeit ist aber nicht in vergleichbarer Weise aus dem Wesen
dieser Tätigkeit herzuleiten. Das zeigt sich schon daran, dass der Gesetzgeber insoweit
Ausnahmen zulässt: War der betroffene Arzt zum Zeitpunkt der Vollendung seines 68.
Lebensjahres weniger als zwanzig Jahre als Vertags(zahn)arzt tätig und vor dem 1.
Januar 1993 bereits als Vertags(zahn)arzt zugelassen, verlängert der
Zulassungsausschuss die Zulassung längstens bis zum Ablauf dieser Frist (§ 95 Abs. 7
Satz 4 SGB V). Hat das zuständige Gremium nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V
festgestellt, dass in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks eine ärztliche
Unterversorgung eingetreten ist oder unmittelbar droht, gilt die Altersgrenze nicht (§ 95
Abs. 7 Satz 8 SGB V). Des weiteren darf sich ein Vertrags(zahn)arzt bei Krankheit,
Urlaub und Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen durch einen(Zahn)arzt vertreten
lassen, der wegen Erreichens der Altersgrenze nach § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V selbst
nicht mehr als Vertrags(zahn)arzt zugelassen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.6.2004, Az: B
6 KA 11/04 R). Da er mit dem altersbedingten Ende der Zulassung nicht auch seine
Approbation verliert, kann ein (Zahn)arzt weiterhin Privatpatienten behandeln. Nach
alledem lässt sich die Altersgrenze nicht mit wesentlichen und entscheidenden
Anforderungen vertrags(zahn)ärztlicher Tätigkeit begründen (Eichenhofer, SGb, S. 582;
Boecken, NZS, S. 397).
40
2.3) Eine europarechtliche Unbedenklichkeit der Altersgrenze nach § 95 Abs.7 Satz 3
SGB V könnte sich mithin nur noch aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie ergeben. Ob die
Regelung der Altersgrenze danach als gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen
Alters angesehen werden kann, erscheint dem erkennenden Gericht jedoch fraglich und
hängt von der Auslegung der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie verwandten Begriffe
"legitimes Ziel", "angemessen" und "erforderlich" ab.
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Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie gestattet es den Mitgliedstaaten, ungeachtet (der
Diskriminierungsdefinitionen) des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie vorzusehen, dass
Ungleichbehandlungen wegen Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie
objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein
legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen
und erforderlich sind.
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Als Rechtfertigungserwägungen nennt die Richtlinie ausdrücklich Ziele der
Beschäftigungspoltitik und des Arbeitsmarktes. Der EuGH hat dies in seinem Urteil in
43
dem Verfahren Palacios dahingehend ergänzt, dass auch für wirtschaftliche, soziale,
demographische und haushaltsbezogene Erwägungen Raum ist und dass der nationale
Gesetzgeber bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel er verfolgt, sowie bei der
Festlegung der Mittel zur Errreichung dieser Ziele einen weiten Ermessensspielraum
hat (RdNr.68 f.).
2.3.1) Die vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V verfolgten
Ziele, nämlich die Finanzierbarkeit der GKV zu sichern und eine ausgewogene
Lastenverteilung zwischen den Generationen zu gewährleisten, sind zweifellos
rechtmäßige Ziele im Sinne des Art 6 Abs. 1 der Richtlinie. Im vertragszahnärztlichen
Bereich ist die Altersgrenze zur Erreichung diese Ziels jedoch nicht (mehr) erforderlich.
Denn - wie ausgeführt - sind durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz die
Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte zum 1.4.2007 generell entfallen, weil
der Gesetzgeber für sie keine Steuerungsfunktion mehr sah (vgl. Eichenhofer, SGb, S.
584).
44
2.3.2) Selbstverständlich handelt es sich auch bei dem Gesundheitsschutz der
Versicherten, auf den das BVerfG ausschließlich abstellt, grundsätzlich um ein legitimes
Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie. Tatsächlich hat der Gesundheitsschutz der
Versicherten bei der Einführung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V, wie dessen
Entstehungsgeschichte zeigt, für den Gesetzgeber aber gar keine Rolle gespielt.
Offenbar hätte es also ohne die defizitäre Finanzlage der GKV und die damit in
Zusammenhang stehende Notwendigkeit von Zulassungsbeschränkungen, wie in der
gesamten Zeit vor dem 1.1.1999, auch weiterhin kein altersbedingtes Zulassungsende
gegeben. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Gesichtspunkt
des Gesundheitsschutzes der Versicherten im Zusammenhang mit der Altergrenze des
§ 95 Abs. 7 SGB V später in seinen gestalterischen Willen aufgenommen hätte. So wird
in der Gesetzesbegründung zum Vertragsarztänderungsgesetz vom 22.12.2006, durch
das die Sätze 8 bis 10 in § 95 Abs. 7 SGB V eingefügt worden sind, nur auf die
seinerzeit für die Einführung der Altersgrenze maßgeblichen Erwägungen abgestellt,
wenn es dort in der BT-Drucks 16/2474, S. 22 heißt: "Diese Regelung (scil. § 95 Abs. 7
Satz 3 SGB V) sollte ursprünglich dazu dienen, in überversorgten und deshalb für die
Neuzulassung gesperrten Planungsbereichen Niederlassungschancen für jüngere Ärzte
zu schaffen. Soweit aber ältere Ärzte gegen ihren Willen zur Aufgabe ihrer Praxis
gezwungen werden, obwohl bei ihnen die nach der Zulassungsverordnung
erforderlichen persönlichen Voraussetzungen für die Ausübung vertragsärtzlicher
Tätigkeit nach wie vor vorliegen, ist es angezeigt, an der strengen Altersgrenze dann
nicht mehr festzuhalten, wenn dies anderenfalls zu Versorgungsproblemen führt, weil
jüngere Ärzte gerade nicht als Nachfolger bereitstehen."
45
Da das gestalterische Ermessen, das Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie dem nationalen
Gesetzgeber einräumt, auch einen gewissen Spielraum bei der Entscheidung, welche
Ziele er verfolgen will, umfasst, erscheint es nicht unproblematisch, wenn ein vom
Gesetzgeber im konkreten Fall gar nicht in dessen Erwägungen einbezogenes Ziel von
der Rechtsprechung "nachgeschoben " wird. In diesem Zusammenhang ist auf das in
dem Verfahren Palacios ergangene Urteil zu verweisen, in dem der EuGH zwar nicht
verlangt, dass das Gesetz selbst einen ausdrücklichen Hinweis auf ein legitimes Ziel
enthält, wohl aber darauf besteht, "dass andere - aus dem allgemeinen Kontext der
betreffenden Maßnahme abgeleitete - Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser
Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die
Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel
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gerichtlich überprüft werden können" (vgl. RdNr. 57). In der Konsequenz dieser
Ausführungen könnte es liegen, vorliegend den Gesundheitsschutz der Versicherten nur
dann als legitimes Ziel zu akzeptieren, wenn es Hinweise dafür gäbe, dass der
Gesetzgeber dieses Ziel auch konkret im Zusammenhang mit der Regelung des § 95
Abs. 7 Satz 3 SGB V in seinen Gestaltungswillen aufgenommen hat. Das ist aber
gerade nicht der Fall.
Damit stellt sich die Frage, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie so auszulegen ist, dass ein
legitimes (Gesetzes-)Ziel auch dann angenommen werden kann, wenn dieses Ziel für
den nationalen Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums selbst überhaupt keine Rolle gespielt hat.
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2.3.3) Darüber hält das Gericht auch die in der Literatur (vgl. Boecken, NZS, S. 396;
ders. Stellungnahme, S. 6; Eichenhofer, SGb, S.585; Arnold, S. 145; ferner Bertelsmann
in Rust/Falke, S. 629 ff., Rdnr. 250ff.) geltend gemachten Zweifel, ob die Altersgrenze im
Interesse des Gesundheitsschutzes der Versicherten erforderlich und angemessen ist,
für durchaus nachvollziehbar. Diese Zweifel beruhen zum Einen darauf, dass mildere
Mittel zur Verfügung stehen dürften, und zwar in Gestalt einer individuellen Überprüfung
der Leistungsfähigkeit (vgl.Arnold, S. 146). Den Einwänden des BSG (Urteil vom
6.2.2008, Az: B 6 KA 41/06 R), dass eine solche Überprüfung regelmäßig erst später als
die Verschlechterung der Leistungsfähigkeit stattfände und dass die Fortführung der
Praxis im Hinblick auf anschließende Rechtsschutzverfahren möglicherweise dann
noch jahrelang hingenommen werden müsste, ließe sich durch eine Regelung
Rechnung tragen, die zwar von einer Altersgrenze ausgeht, aber auf Antrag - nach
individueller Prüfung der Leistungsfähigkeit - eine befristete Verlängerung der
Zulassung ermöglicht. Soweit geltend gemacht wird, dass ohne die generalisierende
Altersgrenze umfangreiche Verwaltungsstrukturen und Maßstäbe zur Prüfung des
individuellen Leistungsvermögens entwickelt werden müssten (Hessisches LSG vom
15.3.2006, Az: L 4 KA 32/05), ist darauf zu verweisen, dass das Vertrags(zahn)arztrecht
mit der in § 95 d SGB V geregelten Verpflichtung zur Fortbildung durch Erwerb
entsprechender Fortbildungszertifikate durchaus schon ein System kennt, das
individuell die Leistungsfähigkeit von Vertrags(zahn)ärzten überprüft. Die entstehenden
Kosten könnten dem Vertrags(zahn)arzt auferlegt werden. Mit einer solchen Prüfung
wäre auch kein übermäßiger Aufwand verbunden, und zwar um so weniger, als
erwartungsgemäß durchaus nicht alle Zahnärzte nach Vollendung des 68.
Lebensjahres überhaupt noch tätig sein wollen (vgl. Boecken, NZS 2005, S.396).
48
Zum Anderen erscheint die Regelung des § 95 Abs.7 Satz 3 SGB V, die das individuelle
Leistungsvermögen gänzlich außer Betracht lässt, aber auch im Sinne einer
Unverhältnismäßigkeit deshalb problematisch, weil sich aus den oben aufgeführten
Ausnahmeregelungen des § 95 Abs. 7 Satz 7 und 8 SGB V ergibt, dass einerseits der
Gesetzgeber das von Vertrags(zahn)ärzten jenseits der Altergrenze ausgehende
Gesundheitsrisiko offenbar selbst so nicht sieht und es für seine Entscheidung zur
Einführung der Altersgrenze nicht einmal überhaupt eine Rolle gespielt hat, andererseits
die Einführung der Altersgrenze für die betroffenen Zahn-/Ärzte aber eine durchaus
schwerwiegende Belastung darstellt, die ab Erreichen der Altersgrenze regelmäßig eine
völlige Entwertung ihrer Berufsfreiheit bedeutet. Da etwa 90 % der Bevölkerung in der
GKV versichert sind, kann der niedergelassene Arzt ohne Zulassung zur Teilnahme an
der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung und allein angewiesen auf die Behandlung von
Privatpatienten seine Praxis nicht rentabel führen (Boecken, Stellungnahme, S. 2;
Blöcher, S. 337).
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Im Übrigen und vor allem erscheint es durchaus fraglich, ob die Richtlinie, nach deren
Konzept das Verbot der Ungleichbehandlung als Regel gilt und der Dispens hiervon die
Ausnahme bleibt (vgl.Boecken, Stellungnahme, S. 7; ders., NZS, S. 396), einer
Auslegung zugänglich ist, die eine auf die allgemeine Lebenserfahrung abstellende
Typisierung bei der Beurteilung des Leistungsvermögens älterer Zahn-/Ärzte zulässt.
Auch nach der Auffassung des erkennenden Gerichts ist es - entsprechend der
allgemeinen Lebenserfahrung - zweifellos Tatsache, dass das Leistungsvermögen
eines Menschen u.a. von dessen Alter abhängt und dass, soweit der Betreffende nicht
vorher stirbt, ein Zeitpunkt kommt, ab dem das körperliche und/oder geistige
Leistungsvermögen mit fortschreitendem Alter nicht mehr ausreicht, um beispielsweise
die (zahn-)ärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben. Es entspricht aber ebenfalls
der Lebenserfahrung und ist auch wissenschaftlich abgesichert (vgl. Bertelsmann, in
Rust/Falke, S 202 f., Rdnr. 92ff.), dass der Alterungsprozess und der damit verbundene
Leistungsabfall individuell sehr unterschiedlich verlaufen. Eine Lebenserfahrung,
geschweige denn eine wissenschaftliche Erkenntnis, dass die in § 95 Abs. 7 Satz 3
SGB V festgelegte Altersgrenze in jedem konkreten Einzelfall wegen Leistungsabbaus
geboten wäre, gibt es nicht. Da ein Gesundheitsrisiko für die Versicherten aber nur von
der Leistungseinschränkung des Zahn-/Arztes als solcher ausgeht, dürfte der der
Gesetzgeber den Verlust der Zulassung eigentlich nur daran knüpfen. Stattdessen
generell auf das Erreichen eines bestimmten Alters abzustellen, ohne dem ggfls. noch
ausreichend vorhandenen individuellen Leistungsvermögen zumindest durch
Ausnahmeregelungen Rechnung zu tragen, könnte deshalb - entgegen der Auffassung,
die die mit dem Eilverfahren der Klägerin verfassten Gerichte vertreten haben -
möglicherweise doch eine unzulässige Diskriminierung darstellen.
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Wäre aus den dargelegten Erwägungen die Richtlinie 2000/78/EG so auszulegen, dass
die Frage Nr. 1 oder 2 zu verneinen wäre, ist außerdem klärungsbedürftig, ob § 95 Abs.
7 Satz 3 SGB V mittels unmittelbarer Anwendung der Richtlinie suspendiert werden
kann (so wohl Husmann, a.a.O. S. 66) oder ob ein Umsetzungsdefizit vorliegt, das sich
nur durch ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers kompensieren lässt (zu dieser
Fragestellung vgl. Rixen, a.a.O., S. 353).
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Vor diesem Hintergrund hat das Gericht beschlossen, den EuGH um Klärung der
aufgeworfenen Fragen zu bitten.
52
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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