Urteil des SozG Bremen vom 05.08.2009
SozG Bremen: aufschiebende wirkung, arzneimittel, medikamentöse behandlung, verordnung, versorgung, krankenkasse, vertragsarzt, stadt, hersteller, verfügung
Sozialgericht Bremen
Urteil vom 05.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 1 KA 9/08
Die Klagen werden abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.
Tatbestand:
Diese mit Verbindungsbeschluss vom 5.8.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entschei-dung verbundenen
Verfahren betreffen die Frage der Rechtmäßigkeit der Geltendmachung eines sonstigen Schadens im Zusammenhang
mit dem Immunstimulantium LeukoNorm, ei-nerseits seitens der HKK in den Quartalen I und II/2007 (1 KA 9/08) und
andererseits seitens der AOK Bremen/Bremerhaven im Quartal II/07 (1 KA 24/08). Der Kläger war in den streitigen
Quartalen als angestellter Frauenarzt mit Schwerpunkt Re-produktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie
beim ZZ.Zentrum tätig. Er nahm im Rahmen einer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit am
18.12.2007 bei der KV B-Stadt eingegangenen Schreiben beantragte die HKK die Feststellung eines sonstigen
Schadens, den sie für Quartal I/07 für eine Versicherte mit dem Nettobetrag von 7.404,04 EUR bezifferte und für
Quartal II/07 mit dem Nettobetrag von 5.938,90 EUR, entstanden durch Verordnungen für zwei Patientinnen. Die
Verordnungen erfolgten am 21.2.2007, am 2.4.2007, am 30.4.2007 und am 15.6.2007. Mit Schreiben vom 27.6.2008
beantragte die AOK die Erstattung des Betrages von 3.711,87 EUR für die Verordnung von LeukoNorm durch den
Kläger am 13.6.2007 (S 1 KA 24/08). Die Begründungen lauteten jeweils, LeukoNorm sei ein im
Nachzulassungsverfahren befindli-ches, aber dort bereits negativ beurteiltes Arzneimittel. Für ihre Entscheidung sei
die negative Beurteilung im Nachzulassungsverfahren ausschlaggebend. Gemäß AMR (Abschnitt 13) dürf-ten
Arzneimittel, deren therapeutischer Nutzen nicht ausreichend belegt sei, in der GKV nicht verordnet werden. Der
Kläger wurde mit Schreiben vom 7.1.2008 und vom 30.6.2008 angehört und äußerte sich dahingehend, dass es mit
Schreiben des Bundesverbandes der Reproduktionsmedizinischen Zentren vom 18.7.2007 eine Information darüber
gegeben habe, wonach der BKK Bundes-verband mit Schreiben vom 2.7.2007 der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV) mitge-teilt habe, dass nach dortiger Ansicht LeukoNorm Cytochemia nicht mehr zu Lasten
der Ge-setzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden könne. Die KBV habe am 5.7.2007 allen KVen den
obigen Sachverhalt mitgeteilt. Er – der Kläger - habe danach auch kein weiteres LeukoNorm auf Kassenrezept mehr
verord-net, und die Regresse würden für Zeiträume vor diesem Schreiben geltend gemacht. Hinzu komme, dass die
Patientinnen, die dieses Präparat zur Verbesserung der Ergebnisse bei immunologisch bedingten, mehrfach
frustranen IVF- oder ICSI-Behandlungen erhalten hätten, nur eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit des
Immunsystems hatten und keine adä-quate Behandlungsalternative zur Verfügung gestanden hätte. Eine aktive
Immunmodulati-onstherapie mit den Lymphozyten des Partners – keine GKV-Leistung - hätte Kosten in ähnli-cher
Höhe verursacht und zudem deutlich höheren Aufwand bei den beteiligten Personen.
Mit Beschlüssen der Prüfungsstelle Ärzte/Krankenkassen vom 28.5.2008 (S 1 KA 9/08) und vom 10.11.2008 (S 1 KA
24/08) wurden entsprechend der Empfehlung des Fachbeirates Arz-neimittel die Widersprüche bzgl. der Quartale I und
II/07 als unbegründet zurückgewiesen. Das fiktive Fortwirken der Alt-Zulassung wegen der aufschiebenden Wirkung
der Klage des Arzneimittelherstellers bewirke keine Leistungspflicht in der GKV. Zwar habe das Paul-Ehrlich-Institut
(PEI) die Nachzulassung erst mit Bescheid vom 22.12.2006 versagt, wenige Monate vor den hier streitigen
Verordnungen, und seien die Ver-ordnungen noch vor der KBV-Mitteilung erfolgt. Jedoch sei von spezialisierten
Frauenarztpra-xen zu erwarten, dass sie sich selbständig über den aktuellen Stand im Zulassungsverfahren der für sie
relevanten Medikamente informierten. Man räume eine Toleranzfrist bis zum 15.1.2007 ein und werte Verordnungen
nach diesem Datum als sonstigen Schaden. Der Grund für die fehlende Erstattungsfähigkeit für Medikamente, deren
Nachzulassung abge-lehnt wurde, liege darin, dass die Versicherten nur einen Versorgungsanspruch auf solche
Leistungen hätten, deren Qualität dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis-se entspreche. Bei im
Nachzulassungsverfahren negativ beurteilten Medikamenten sei das gerade nicht der Fall, denn sonst wäre es nicht
zur Negativbewertung gekommen.
Mit den am 25.6.2008 (S 1 KA 9/08) und am 20.11.2008 (S 1 KA 24/08) erhobenen Klagen verfolgt der Kläger sein
Begehren weiter. Er habe erst im Juli 2007 positiv Kenntnis vom negativen Bescheid des PEI erhalten und rein
vorsorglich die Verordnung unterlassen, wenn er früher hierüber Kenntnis erhalten hätte. Die Krankenkassen hätten
die Pflicht, über Umstände im Zusammenhang mit der Verord-nungsfähigkeit eines Arzneimittels zu informieren, was
jedoch erst mit Schreiben vom 2.7.2007 erfolgt sei. Die Informationspflicht resultiere aus § 13 SGB I und aus § 73
Abs. 8 Satz 1 SGB V, wonach sie die Vertragsärzte auf den therapeutischen Nutzen von Arzneimit-teln hinweisen
Abs. 8 Satz 1 SGB V, wonach sie die Vertragsärzte auf den therapeutischen Nutzen von Arzneimit-teln hinweisen
müssten. Auch das Vorliegen eines Schadens sei zweifelhaft, weil die Kosten einer Alternativbehandlung ähnlich
hoch ausgefallen wären. Die Krankenkassen hätten einen Vorteil, wenn sie die Kosten einer Alternativbehandlung
einsparten. Weiter ist er der Ansicht, dass ein von der Beklagten in Bezug genommenes Urteil des BSG vom
27.9.2005 (Az.: B 1 KR 6/04 R = BSGE 95, 132 ff) zum Arzneimittel Wobe-Mugos E in einem wichtigen Punkt vom
hier vorliegenden Sachverhalt abweiche, und dass es deshalb hier nicht einschlägig sei. Jenes Arzneimittel (Wobe-
Mugos E) sei in seiner Darreichungsform verändert worden und hätte einer Neuzulassung bedurft, während dieses
Arzneimittel (Leu-koNorm) unverändert sei und nur einer Nachzulassung bedurfte. Hier müsse seine nach arz-
neimittelrechtlichen Grundsätzen bestehende Verkehrsfähigkeit ausreichen. Auch sei der the-rapeutische Nutzen nach
den Arzneimittel-Richtlinien (AMR) zu bejahen, da keiner der leis-tungsrechtlichen Ausschlüsse auf LeukoNorm
zutreffe. Bis zur Entscheidung des PEI hätten die Krankenkassen die Kosten für LeukoNorm auch übernommen – und
somit den therapeuti-schen Nutzen offenbar bejaht. Ferner sei der Nutzen nicht – wie von der Beklagten jetzt dar-
gestellt – in dem Umfang umstritten gewesen. Zum Beweis könne eine Studie aus dem Jahr 2001 dienen, wonach
sich bei Behandlung mit LeukoNorm die erfolgreichen Ergebnisse bei Patientinnen mit wiederholten frustranen IVF
bzw. ICSI-Behandlungszyklen signifikant erhöht hätten. Eine weitere Untersuchung sei ebenfalls zu dem Ergebnis
gekommen, dass es sich hier um eine effektive Therapiemethode handele. Im Falle der Patientin B. habe der im März
2007 durchgeführte Behandlungszyklus Erfolg gehabt; sie habe auch während der Schwan-gerschaft weiter
LeukoNorm erhalten und am 11.12.2007 ein gesundes Kind zur Welt ge-bracht. Bei beiden Patientinnen der HKK
mache er hilfsweise geltend, dass es sich jeweils um eine medizinische Notwendigkeit gehandelt habe, die nach § 31
Abs. 1 Satz 4 SGB V ausnahms-weise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung zulässig seien.
Der Kläger beantragt,
die Beschlüsse der Prüfungsstelle Ärzte/Krankenkassen vom 28.05.2008 und vom 10.11.2008 aufzuheben, soweit sie
die Regresse für die Quartale I und II/2007 betreffen und die Anträge der HKK und der AOK auf Feststellung eines
sonstigen Schadens abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Die mit Beschlüssen vom 25.5.2009 gem. § 75 Abs. 2 SGG beigeladenen Landesverbände der Krankenkassen
beantragen,
die Klagen abzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen sei unter "Verkehrsfähigkeit" ein arz-neimittelrechtlicher Status
zu verstehen, der nicht in jedem Fall mit Verordnungsfähigkeit in der GKV konform gehe. LeukoNorm habe nach der
Alt-Zulassung noch für einen Übergangszeitraum verordnet wer-den können. Der Hersteller habe einen
Nachzulassungsantrag stellen müssen und auch ge-stellt, der mit Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts vom 22.12.2006
abgelehnt wurde. Dagegen sei seitens des Herstellers Klage erhoben worden, die aufschiebende Wirkung habe. Das
sei der Grund dafür, dass das Mittel am Markt verfügbar sei. In dem erwähnten Urteil des BSG betreffend Wobe-
Mugos E sei ganz generell festgestellt, dass eine Leistungsgewährung zulasten der GKV regelmäßig ausgeschlossen
sei, wenn eine abschlägige Entscheidung der zuständigen Behörde über die Verlängerung der Arzneimittel-zulassung
vorliege, auch wenn die Verkehrsfähigkeit noch wegen verfahrensrechtlicher Be-sonderheiten bestehen bleibe. Der
Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln setze nach dem SGB V mehr als die bloße Verkehrsfähigkeit nach AMR
voraus. Über den Ausgang des Nachzulassungsverfahrens von LeukoNorm hätte der Kläger - als Frauenarzt mit
Schwerpunkt Reproduktionsmedizin - sich informieren können, da LeukoNorm für ihn kein unbekanntes Mittel
gewesen sei, dessen unsicherer Zulassungsstatus ihm hätte bewusst sein müssen. Der Beschluss des PEI habe bei
der ersten beanstandeten Verordnung knapp zwei Monate zurückgelegen. Bereits Jahre zuvor sei absehbar gewesen,
dass die realistische Möglichkeit bestand, dass die Verordnungsfähigkeit auslaufen würde. Gemäß §§ 11 und 16
BMV-Ä habe jeder Vertragsarzt die Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung und das
Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten und seine Verordnungs- und Behandlungsweise darauf einzustellen. Auch seien
die Gemeinsamen Richtlinien des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen nach § 92 SGB V für den
Vertragsarzt ver-bindlich. Daraus folge, dass er verpflichtet sei, sich regelmäßig in Eigeninitiative über die Ver-
ordnungsfähigkeit der von ihm verschriebenen Medikamente zu informieren. Erst recht, wenn die wissenschaftliche
Nutzenbewertung seit langem umstritten sei und sich langfristig eine mögliche Änderung abgezeichnet habe, weil das
Fortbestehen des Zulassungsstatus eines Altarzneimittels seit langem zweifelhaft war. Immunstimulantien dürften
generell nur verordnet werden, wenn nicht medikamentöse Maß-nahmen erfolglos blieben. Gerade bei dem
umstrittenen Mittel mit erheblichen Kosten pro Pa-tientin müsse gefordert werden, dass der Arzt sein kritisches
Bewusstsein schärfe und sich entweder bei der Krankenkasse der Patientin nach der Verordnungsfähigkeit erkundige
oder eine der in B-Stadt zur Verfügung stehenden Beratungsmöglichkeiten (z.B. das Pharmakolo-gische Institut im
Klinikum Mitte) nutze. Der Verordnungsausschluss beruhe nicht nur auf Kostenaspekten, sondern die Qualität von
LeukoNorm sei der Grund für die verweigerte Nachzulassung. Es habe in klinischen Studien kein medizinischer
Nutzen nachgewiesen werden können – wobei einzelne erfolgreiche Verläufe die Ergebnisse nicht bereits widerlegten.
Auch bei nach den AMR widrigen Verordnungen mit medizinischer Notwendigkeit werde vor-ausgesetzt, dass das
Medikament medizinisch wirksam sei und nur wegen der konkreten Ausgestaltung der Arzneimittelrichtlinien nicht
verordnungsfähig sei. Beispielsweise im Falle nicht verschreibungspflichtiger Mittel (z.B. Hustenmittel etc.) sei
grundsätzlich keine Verord-nungsfähigkeit gegeben; nur in medizinisch zwingenden Einzelfällen sei davon
abzuweichen. Dagegen sehe § 31 Abs. 1 SGB V keine Ausnahme für nicht zugelassene oder in der Nachzu-lassung
durchgefallene Arzneimittel vor; auch könne ein als medizinisch nutzlos eingestuftes Medikament nicht medizinisch
notwendig sein. Schließlich könne er mit seiner Problematisierung der Kosten für eine Alternativbehandlung nicht
durchdringen, da es keine Gegenrechnungsmöglichkeit für Alternativbehandlungen au-ßerhalb der GKV gebe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten werden die Verwaltungs- und die
Prozessakten ergänzend in Bezug genommen. Sie haben vorgele-gen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Klagen sind unbegründet, weil die Arzneikostenregresse nicht zu beanstanden sind.
Rechtsgrundlage der Arzneikostenregresse ist § 106 Abs 2 Ziffer 2 Satz 4 SGB V iVm § 48 BMV-Ä und der zwischen
den Krankenkassenverbänden und der KV B-Stadt abgeschlosse-nen Prüfvereinbarung aufgrund § 106 Abs. 3 SGB V.
Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und
einheitlich mit den Kas-senärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus (das sind die
Auffälligkeitsprüfung und die Stichprobenprüfung) Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordne-ter Leistungen nach
Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinba-ren.
Die hier einschlägige Prüfvereinbarung ermächtigt zu Einzelfallprüfungen und sieht mit den in § 7 der Prüfvereinbarung
festgelegten Prüfarten unter Abs. 1 e) und Hinweis auf Abschnitt VII die Feststellung eines sonstigen Schadens vor.
Danach hat die Prüfungsstelle auf begründete Antragstellung einer Krankenkasse bzw. der Verbände auch den
sonstigen Schaden festzu-setzen, den der Vertragsarzt der Krankenkasse infolge schuldhafter Verletzung seiner ver-
tragsärztlichen Pflichten verursacht hat. Unter den Begriff des sonstigen Schadens fallen ins-besondere Ansprüche
auf Schadensersatz im Einzelfall wegen Verordnung von Leistungen, die nicht zu Lasten der Krankenkassen
verordnet werden dürfen. Zur Zulässigkeit der hier vorgenommenen Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger oder
rechtswidriger Verordnungen an die Wirtschaftlichkeitsprüfgremien hat sich das BSG u.a. im Urteil vom 14.3.2001 – B
6 KA 19/00 R – geäußert und sie als im Einklang mit den gesetzli-chen Vorgaben des § 106 SGB V und den
Bestimmungen der §§ 48 ff BMV-Ä stehend bejaht.
Derartige Anträge können gem. § 20 Abs. 2 der Prüfvereinbarung nur innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach
Ablauf des Quartals gestellt werden, in dem die Krankenkasse von der Ent-stehung des Schadens Kenntnis erlangt
hat. Gemäß § 21 entscheidet die Prüfungsstelle, ob und in welcher Höhe den Krankenkassen durch Verschulden des
Arztes ein zu ersetzender Schaden entstanden ist. Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlage
zulässigerweise durchge-führten Prüfungen sind nicht zu beanstanden. Die von dem Kläger vorgenommenen
Verordnungen von LeukoNorm an gesetzlich kranken-versicherte Patientinnen in den Quartalen I/2007 und II/2007
waren nicht zulässig, weil dieses Arzneimittel nicht mehr im Rahmen der GKV verordnet werden durfte. Damit lag ein
"Basis-mangel" (vgl. BSG, Urt. v. 5.11.2008, - B 6 KA 63/07 R -) vor, und es bestand weder eine Leistungspflicht der
Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten. Im Rahmen der GKV sind nur solche Verordnungen
zulässig, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein
anerkannten Stan-des der medizinischen Erkenntnisse, bieten. Dafür sind zuverlässige wissenschaftlich nach-
prüfbare Aussagen über das Arzneimittel in dem Sinne erforderlich, dass der Erfolg der Be-handlung hiermit durch
eine ausreichende Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl. Urteil des BSG v. 27.9.2005, aaO). Qualität,
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind im Bereich ärztlicher Behandlungen durch das Verfahren der Zulassung von
Behandlungsmethoden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und der von ihm geschaffenen Richtlinie zur Be-
wertung der Methoden vertragsärztlicher Versorgung gewährleistet, wenn sie anhand sog. randomisierter, doppelblind
durchgeführter und placebokontrollierter Studien belegt sind. Un-ter bestimmten Voraussetzungen ist die
Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zu-lassung (= Verkehrsfähigkeit) auf die Verordnungsfähigkeit
zulässig und besteht ein Versor-gungsanspruch im Rahmen der GKV, der insoweit eine zulässige Verordnung
voraussetzt. Im Falle von LeukoNorm waren diese Voraussetzungen nicht gegeben, weil der Zulassung nur eine
unzureichende Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugrun-de lag. Solche Fälle existierten ab
dem 1.1.1978, während der Geltung des Übergangsrechts nach der Neuordnung des Arzneimittelrechts. Nach Art. 3 §
7 Abs. 1 NeuordnungsG genügte eine Anzeige mit der Mitteilung über die bisherige Anwendung des Arzneimittels,
damit es weiterhin als zugelassen galt. LeukoNorm war ein solches Arzneimittel, das zunächst kein entsprechendes
Arzneimittelzulassungsverfahren durchlaufen hatte und einer Verlängerung der Zulassung bedurfte. Mit Bescheid vom
22.12.2006 wurde die Verlängerung der Zulassung durch das PEI zwar abgelehnt, jedoch blieb zunächst die
Verkehrsfähigkeit i.S. des AMG erhalten, weil die Versagung der Verlängerung noch nicht vollzogen wurde. Der
Hersteller hatte hiergegen ein Klageverfahren anhängig gemacht, das aufschiebende Wirkung entfaltete. Diese rein
verfahrensrechtliche Position reichte als Basis für die Annahme der Verordnungsfähigkeit in der GKV nicht aus, weil
die ursprüngliche Rechtfertigung für die Gleichsetzung von Verkehrsfähigkeit und Verordnungsfähigkeit in der GKV
nicht gegeben war. Insoweit heißt es in dem bereits erwähnten Urteil des BSG vom 27.9.2005 zu Wobe-Mugos E,
dass eine nur fiktive Zulassung (Art 3 § 7 Abs. 1 NeuordnungsG "gelten als zugelassen"), die kraft aufschiebender
Wirkung gilt, keine Leistungspflicht der Krankenkassen und keinen Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit
einem solchen Arzneimittel im Rahmen der GKV begründen könne. Auch wenn in den Sachverhalten beider Verfahren
durchaus Unterschiede bestehen, auf die der Kläger zutreffend hinweist, ist der o.g. Grundsatz auf den vorliegenden
Fall der Verord-nung des Arzneimittels LeukoNorm übertragbar und folgt aus ihm, dass der Kläger dieses in den
streitigen Quartalen nicht im Rahmen der GKV verordnen durfte. LeukoNorm erfüllte je-denfalls seit der Ablehnung der
Zulassungsverlängerung durch den Bescheid des PEI vom 22.12.2006 mit einer von der Beklagten eingeräumten
Toleranzzeit bis zum 15.1.2007 nicht mehr die Anforderungen an ein im Rahmen der GKV verordnungsfähiges
Arzneimittel i.S. von §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 SGB V. Verordnungsfähigkeit ist eine Basisvoraussetzung, de-ren
Fehlen automatisch und unzweifelhaft Unwirtschaftlichkeit nach sich zieht. Die kranken-versicherungsrechtliche
Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit fehlt, wenn das verwendete Mittel der (Nach-)Zulassung bedarf, diese aber
nicht (mehr) besitzt. Gemäß § 105 Abs. 3 AMG wäre für LeukoNorm ohne einen Verlängerungsantrag die Zulassung
erloschen; durch den Beschluss des PEI vom 22.12.2006 wurde der Nachzulassungs-Status versagt und Leu-koNorm
war gem. § 21 AMG nicht mehr zugelassen. Lediglich wegen der verfahrensrechtli-chen Besonderheit durch die
aufschiebende Wirkung der Klage des Herstellers vor dem Ver-waltungsgericht war im streitigen Zeitraum die
arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit auf-recht erhalten.
Ist einem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten, so ist ein Re-gress gegen ihn berechtigt,
wobei dieser in Höhe des der Krankenkasse entstandenen Scha-dens festzusetzen ist. Dementsprechend sah die
Beklagte die Verordnungen dieses Arznei-mittels durch den Kläger in den Quartalen I und II/2007 zu Recht als
unwirtschaftlich an und setzte Regresse in Höhe der Nettobeträge von 7.404,04 EUR (HKK I/07), 5.938,90 EUR (HKK
II/07) und 3.711,87 EUR (AOK II/07) fest. Diesbezüglich sind keine Mängel ersichtlich. Ob der Kläger die
Verordnungen gutgläubig vornahm oder ob ihn ein Verschulden bei der Entstehung des Schadens trifft, ist in diesem
Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung rechtlich letzt-lich ohne Bedeutung, weil im Rahmen von Honorarkürzungen oder
Verordnungsregressen wegen Unwirtschaftlichkeit gemäß § 106 SGB V kein Verschuldenserfordernis besteht. Solche
zivilrechtlichen Maßstäbe seien auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht übertragbar, auch nicht im Falle eines
Verordnungsregresses. Diese können im Vertragsarztrecht auf der Grund-lage einer Wirtschaftlichkeitsprüfung wie auf
der Basis des Rechtsinstituts der Verursachung eines ‚sonstigen Schadens’ festgesetzt werden (vgl. z.B. BSG, Urteil
v. 6.5.2009 – B 6 KA 3/08 R). Auch wenn die Prüfvereinbarung von einem durch schuldhaftes Verhalten des Arztes
ent-standenen Schaden spricht, ist für Fälle dieser Art somit schuldhaftes Verhalten nicht aus-schlaggebend für die
Begründetheit des Regresses. Gleichwohl ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass für den Kläger im Rahmen
seiner Ermächtigung die Verpflichtung be-stand, sich über die Verordnungsfähigkeit dieses von ihm verschriebenen
Medikamentes, dessen Zulassungsstatus bekanntermaßen unsicher war, konkret zu informieren. Auf die aus § 13
SGB I resultierende allgemeine Aufklärungspflicht der Bevölkerung seitens der Leis-tungsträger kann er sich nicht
berufen, auch nicht auf § 73 Abs. 8 Satz 1 SGB V, der die Pflicht zur Information der Vertragsärzte über preisgünstige
Verordnungsmöglichkeiten betrifft und die Verordnungsfähigkeit des Arzneimittels voraussetzt. Aus der Verordnung
eines nicht verordnungsfähigen Arzneimittels resultiert automatisch ein Schaden. Die Anrechnung eines
Vorteilsausgleichs, wie ihn § 21 Abs. 2 der Prüfvereinbarung im Rahmen einer Ermessensentscheidung ermöglicht,
kam nicht in Betracht, weil die von dem Kläger angeführte Alternativtherapie (aktive Immunmodulationstherapie mit
den Lymphozyten des Partners) keine GKV-Leistung darstellt und konsequenterweise nur mit einer anderen
zulässigen Leistung hätte ausgeglichen werden können. Soweit sich der Kläger darauf beruft, er könne gem. § 31
Abs. 1 Satz 4 SGB V Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 (Arzneimittel-
Richtlinien) von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit
Begründung verordnen, so ist dazu folgendes zu sagen: Zu den in den AMR unter Kapitel F geregelten gesetzlichen
Verordnungsausschlüssen und zugelassenen Ausnahmen bei der Arzneimittelversorgung zählt LeukoNorm nicht. Bei
den in Kapitel G zusammengefassten Ver-ordnungseinschränkungen und zugelassenen Ausnahmen finden sich unter
Ziffer 20.2 f) sog. Umstimmungsmittel und Immunstimulantien und heißt es einleitend, sie dürften nur verordnet
werden unter der Voraussetzung, dass zuvor allgemeine nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt wurden, hierdurch
aber das Behandlungsziel nicht erreicht werden konnte und eine medikamentöse Behandlung mit diesen Arzneimitteln
zusätzlich erforderlich ist. Konkrete, einzelfallbezogene Belege hierfür sind nicht vorhanden. Außerdem bleibt auch
hier der Vor-behalt der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit bestehen, der nach der Rechtsprechung des BSG
jedoch einer Arzneimitteltherapie fehlt, wenn das verwendete Mittel nach dem Arzneimit-telrecht eine Zulassung
benötigt und diese nicht erteilt worden oder entfallen ist.
Somit kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Regresse rechtmäßig sind und dass den Klagen der Erfolg zu
versagen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Nie-dersachsen-
Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozial-gerichts Niedersachsen-
Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder mündlich zur Nieder-schrift des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das
angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begrün-dung der Berufung dienenden
Tatsachen und Beweismittel angeben.
Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
gez. XY. Richterin am Sozialgericht