Urteil des SozG Bremen vom 21.01.2009
SozG Bremen: erwerbseinkommen, erlass, hauptsache, scheidung, notlage, widerspruchsverfahren, auflage, leistungsanspruch, gerichtsakte, leistungsbezug
Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 21.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 23 AS 7/09 ER
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Eilantrag vom 5. Januar 2009 gegen die Anrechnung von Erwerbseinkommen
im Monat Dezember 2009.
Die 1971 geborene Antragstellerin zu 1) und der 1978 geborene Antragsteller zu 2) leben seit Mai 2006 zusammen; die
1992, 1998 und 2004 geborenen Antragsteller zu 3), 4) und 5) sind die mit ihnen wohnenden Kinder der Antragstellerin
zu 1). Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) sind erwerbstätig. Für den November 2008 erzielte die
Antragstellerin zu 1) 156,00 Euro Arbeitseinkommen und der Antragsteller zu 2) 776,43 Euro. Am 30. November 2008
endete das Arbeitsverhältnis des Antragstellers; ihm ist von der Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 17.
Dezember 2008 ein kalendertäglicher Arbeitslosengeld (I)-Anspruch in Höhe 17,80 Euro ab dem 1. Dezember 2008
bewilligt worden (534,00 Euro im Kalendermo-nat).
Alle Antragsteller stehen als Bedarfsgemeinschaft im laufenden ergänzenden Leistungsbezug bei der
Antragsgegnerin. Mit Bescheid vom 11. November 2008 bewilligte die Antragsgegne-rin ihnen Leistungen in Höhe von
516,00 Euro im Monat für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Mai 2009. Mit Änderungsbescheid vom 23.
Dezember 2008 änderte die Antrags-gegnerin dies nach Vorlage der Lohnabrechnungen für den Monat November 2008
insofern ab, als für Dezember 2008 nur noch Leistungen in Höhe von 290,65 Euro und für die Monate Januar bis Mai
2009 Leistungen in Höhe von 802,00 Euro im Monat bewilligt wurden. Als Grund für den Erlass des
Änderungsbescheides wurde "Anrechnung von Arbeitslosengeld" angegeben. Aus dem Berechnungsteil des
Bescheides ergibt sich, dass die Antragsgegnerin für den Monat Dezember 2008 bei dem Antragsteller zu 2) ein
monatliches Arbeitslosengeld von 534,00 Euro sowie ein bereinigtes Erwerbseinkommen in Höhe von 546,55 Euro
ange-rechnet hat. Zusammen mit dem bereinigten Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 1) in Höhe von 44,80
Euro und dem Kindergeld in Höhe von (154,00 Euro mal drei =) 462,00 Euro sowie dem an die Antragstellerin zu 5)
geleisteten Unterhalt (bzw. Unterhaltsvorschuss) von 127,00 Euro berücksichtigte die Antragsgegnerin daher im
Dezember ein Gesamteinkommen in Höhe von 1.684,35 Euro. Mit Schreiben ebenfalls vom 23. Dezember 2008 hörte
die An-tragsgegnerin den Antragsteller zu 2) wegen einer Überzahlung im Zeitraum vom 1. Dezem-ber 2008 bis zum
31. Januar 2009 in Höhe von 1.057,56 Euro an. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der Antragsteller
habe in dem genannten Zeitraum Leistungen in der genannten Höhe zu viel bezogen.
Am 6. Januar 2009 wandten sich die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) schrift-lich gegen den
Änderungsbescheid vom 23. Dezember 2008 und gegen die Rückforderung von Leistungen. Zur Begründung führten
sie aus, das Einkommen des Antragstellers zu 2) aus dem November 2008 dürfe im Dezember 2008 nicht
angerechnet werden. Das Einkom-men sei bereits im November 2008 angerechnet worden. Es handele sich damit um
eine dop-pelte Anrechnung. Über den Widerspruch ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden.
Bereits am 5. Januar 2009 haben die Antragsteller das Sozialgericht um die Gewährung einst-weiligen
Rechtsschutzes ersucht. Insofern haben sie ergänzend vorgetragen, aufgrund der doppelten Anrechnung des
Einkommens für November seien sie - die Antragsteller – nahezu mittellos.
Die Antragsgegnerin ist dem Eilantrag entgegengetreten. Sie meint, sie habe zu Recht das Novembergehalt im
Dezember angerechnet. Diese Vorgehensweise entspreche § 2 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld –
Verordnung (ALG II-V). Das Einkommen des An-tragstellers zu 2) werde nach dessen Arbeitsvertrag im Folgemonat –
also hier im Dezember 2008 – überwiesen. Nach dem Zuflussprinzip sei es dementsprechend auch in diesem Monat
zu berücksichtigen. Es treffe auch nicht zu, dass das Einkommen aus dem Monat November 2008 doppelt
angerechnet worden sei. Das Einkommen sei jeweils im Folgemonat angerech-net worden, und zwar nur einmalig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die Ver-waltungsakte der
Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist
zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7.
Auflage 2002, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen Rechts-schutzverfahren nur einer
summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der An-tragsteller glaubhaft machen, dass ihm aus dem
Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-Ladewig, aaO, Rn. 29, 36). Der
Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche belastende Auswirkungen des Ver-
waltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss die An-ordnung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet zugleich, dass nicht alle Nachteile
zur Geltendmachung vorläufigen Rechts-schutzes berechtigen. Bestimmte Nachteile müssen hingenommen werden
(Binder in Hk-SGG, 2003, § 86 b Rn. 33). Es kommt damit darauf an, ob ein Abwarten bis zu einer Ent-scheidung in
der Hauptsache hingenommen werden kann. Ob dies der Fall ist, bemisst sich an den Interessen der Antragssteller
und der öffentlichen sowie gegebenenfalls weiterer betei-ligter Dritter. Dabei reichen auch wirtschaftliche Interessen
aus (vgl. Binder, a.a.O.).
1. Vorliegend fehlt es hinsichtlich der Anrechnung des Novembergehalts im Dezember 2008 jedenfalls am
Anordnungsanspruch.
Den Antragstellern steht nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage wegen der gel-tend gemachten
Einkommensanrechnung kein über den bereits mit Änderungsbescheid vom 17. Dezember 2008 bewilligten Anspruch
hinausgehendes Recht zu. Die Antragsgegnerin hat vielmehr mit dem angegriffenen Bescheid den Leistungsanspruch
der Antragsteller zutreffend ermittelt, soweit es um die Berücksichtigung des Einkommens des Antragstellers zu 2)
geht. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen gilt nach der von der Antragsgegnerin zu Recht angeführten
Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 ALG II-V, dass laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem
sie zufließen. Diese Regelung entspricht zwei grundlegenden Prinzipien des Grundsicherungsrechts: Zum einen dem
Monatsprinzip, nach dem es für die Ermittlung des Bedarfs und des Einkommens jeweils auf den Kalendermonat
ankommt (vgl. die Begriffe "monatlich" in § 11 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 SGB II sowie Mecke, in: Eicher/Spellbrink,
SGB II, 2. Aufl. 2008, Rdn. 53 ff. zu § 11), zum anderen dem Zufluss-prinzip, wonach nicht darauf abzustellen ist,
wann ein Einkommen erzielt worden ist, sondern alleine darauf, wann es zufließt (vgl. Mecke, a.a.O.). Hieraus folgt,
dass die Antragsgegnerin das Einkommen des Antragstellers zu 2) dem Grunde nach zu Recht im Dezember 2008 –
dem Monat, in dem das Einkommen aufgrund der Lohn- und Gehaltsabrechnung vom 11. Dezember 2008 zugeflossen
sein muss – angerechnet hat.
Den Antragstellern ist auch nicht insoweit zu folgen, dass die Antragsgegnerin das Er-werbseinkommen für November
2008 doppelt – nämlich im November und im Dezember 2008 – berücksichtigt hat. Aus dem Änderungsbescheid vom
18. November 2008 folgt vielmehr, dass für den Antragsteller zu 2) für November ein Erwerbseinkommen in Höhe von
654,18 Euro berücksichtigt wurde. Damit dürfte jedenfalls nach vorläufiger Prüfung die behauptete Doppelanrechnung
nicht gegeben sein.
2. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern mit dem Bescheid vom 23. Dezember 2008 zwar in anderer Hinsicht zu
wenig Leistungen bewilligt. Sie hat nämlich die Rundungsvor-schrift des § 41 Abs. 2 SGB II nicht beachtet. Nach
dieser Vorschrift müssen Beträge, die nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abgerundet und Beträge von 0,50
Euro an aufge-rundet werden. Die Antragsgegnerin hätte daher den Betrag von 290,65 Euro auf 291,00 Euro aufrunden
müssen. Es ist allerdings nicht ersichtlich, ob die Antragsgegnerin tatsächlich nur den zu geringen Betrag von 290,65
Euro überwiesen hat oder ob sie bei der Überweisung des Betrages – anders als bei der Bewilligung – die
Rundungsvorschrift angewendet hat. Ein für die Antragsteller günstiger Eilbeschluss kann wegen der Differenz in
Höhe von 0,35 Euro un-abhängig davon jedenfalls bereits deshalb nicht ergehen, weil Eilrechtsschutz grundsätzlich
nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage und nicht rückwirkend bewilligt werden kann. Ausnahmen gelten nur
dann, wenn ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschl.
vom 28. April 2006 – L 7 AS 2875/05; Kel-ler, in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, Rdn. 35a zu § 86b). Vorliegend
werden mit dem am 5. Januar 2009 gestellten Eilantrag Leistungen für einen in der Vergangenheit abge-schlossenen
Zeitraum (Dezember 2008) geltend gemacht. Dies könnte nach den genannten Grundsätzen nur ausnahmsweise
erfolgreich sein. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben, weil ein Nachholbedarf wegen der zu
geringen Bewilligungssumme nicht er-sichtlich ist. Wegen der eventuell zu geringen Leistung für Dezember 2008 sind
die Antragsteller daher auf das laufende Widerspruchsverfahren zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung. Hinweis
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt und
wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nicht im Streit sind (§ 172 Absatz 3 Nr. 1 i.V.m. § 144
Absatz 1 SGG).