Urteil des SozG Bremen vom 04.08.2009
SozG Bremen: wiedereinsetzung in den vorigen stand, umkehr der beweislast, dienstliche tätigkeit, radargerät, anerkennung, techniker, bindungswirkung, widerspruchsverfahren, niedersachsen
Sozialgericht Bremen
Urteil vom 04.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 20 VS 39/05
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Anerkennung einer Prostatakarzinom-Erkrankung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung (WDB)
nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) und die Gewährung von Versorgungsleistungen.
Der 1938 geborene Kläger ist ehemaliger Berufssoldat im Range eines Fregattenkapitäns a.D. Er leistete seinen
aktiven Dienst bei der Marine in der Zeit vom 01. Oktober 1965 bis zum 31. Juli 1994, wobei er auf mehreren
Schnellboottendern als Schiffsoperationsoffizier, Schiffswaffenoffizier und Kommandant eingesetzt war. Seine
hauptsächliche Aufgabe war die Leitung des operativen Einsatzes des Schiffes mit Diensten auf der Brücke und in
der Operationszentrale, in der die Bildschirme und Bedienungselemente der Radargeräte eingerichtet waren. Die
Sendeanteile der Radargeräte waren räumlich davon unabhängig in speziell dafür eingerichteten Radarsenderäumen
untergebracht.
Im August 1995 wurde bei dem Kläger nach verdächtigem Tastbefund eine Prostatabiopsie durchgeführt, die das
Bestehen eines malignen Prostatatumors ergab. Am 10. Mai 1995 erfolgte eine Total-OP der Prostata.
Am 24. Juli 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem
SVG. Die Beklagte gab indes das Verfahren zunächst an die Beigeladene ab.
Im dortigen Verwaltungsverfahren machte der Kläger zunächst geltend, er habe sich während der Seefahrt
ausschließlich im Brückenbereich aufgehalten. Die Abstände zu den strahlenden Antennen hätten 4 m bzw. 7-8 m
betragen. Bei Ausfällen und Störungen am Radargerät SGR 103 habe er auch im Radarsenderaum die Techniker
überwacht und unterstützt.
Hierzu äußerte sich ein FregKapt E. vom Bundesministerium der Verteidigung in einer Mail vom 9.3.2004
dahingehend, es gehöre grundsätzlich nicht zu den Aufgaben eines Ortungsoffiziers oder gar des Kommandanten, an
spezifischen Reparaturen an Radargeräten selbst aktiv teilzuhaben. Reparaturen direkt an Anlagen seien von speziell
ausgebildetem Personal durchgeführt worden. Ein kurzfristiger Aufenthalt im Radarraum sei im Sinne der
Dienstaufsicht durchaus möglich gewesen; eine Gefährdung ließe sich daraus aber nicht ableiten. Die Sendeanteile
der Radargeräte seien räumlich völlig unabhängig und zumeist weit entfernt von der Operationszentrale in speziell
eingerichteten Räumen untergebracht gewesen. Bei den Radarantennen über der Brücke am Mast handele es sich
nicht um Röntgenstrahlung, sondern um HF-Strahlen, die wegen der hohen Anbringung keine Gefährdung dargestellt
hätten.
Hierzu trug der Kläger vor, die Tender hätten nicht über Hilfspersonal verfügt. Die personelle Besetzung sei gering
gewesen. Daher sei es verständlich, wenn der Kommandant selbst "Hand angelegt" habe, zumal er selbst als
Ortungsoffizier ausgebildet gewesen sei.
In einem Vermerk der Beigeladenen vom 12. April 2005 ist festgehalten, eine Sichtung der Schiffstagebücher habe
ergeben, dass zum Stammpersonal der verschiedenen Tender auch immer mindestens zwei Radarmechaniker gehört
hätten.
Durch Bescheid vom 27. Mai 2005 stellte die Beigeladene fest, die geltend gemachte Gesundheitsstörung
"Prostatakrebs" sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung i.S.d. § 81 SVG. Ein Anspruch auf Ausgleich gem. §
85 SVG bestehe somit nicht. Die Beigeladene begründete dies im Wesentlichen mit folgenden Argumenten: • Der
Kläger habe keine qualifizierende Tätigkeit ausgeübt. Daher sei ein Ursachenzusammenhang zwischen
Röntgenstörstrahleneinwirkung und Erkrankung auszuschließen. • Die Erkrankung sei auch nicht auf schädigende
Einwirkungen von radiumhaltiger Leuchtfarbe durch Inkorporation zurückzuführen. Nur bestimmte Formen
AXY.enkrebs und Lungenkrebs seien diesbezüglich als spezifisch qualifizierende Erkrankung anzusehen. • Auch eine
Verursachung durch externe Strahlenexposition auf Grund radiumhaltiger Leuchtfarbe sei nicht anzunehmen. Ein
Kontakt damit sei wenig wahrscheinlich. Ferner seien die Emissionen so gering, dass keine hohen Belastungswerte
erreicht würden.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid verspätet, nämlich am 26. Juli 2005, Widerspruch ein und beantragte
gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da er wegen eines Auslandsurlaubs den Bescheid nicht
rechtzeitig habe zur Kenntnis nehmen können. Zur inhaltlichen Begründung führte er an, man habe öfter den
"Ernstfall" geprobt und an geöffneten Geräten im Radarsenderaum gearbeitet. Er erinnere sich an das bläuliche
Flackern des Thyratrons (= gasgefüllter Röhrengleichtrichter mit Glühkathode), das bei geöffneter Schranktür mit
einem Schraubenzieher habe behoben werden müssen.
Die Beigeladene lehnte zwar durch Bescheid vom 20. Dezember 2005 den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers ab,
wertete aber den verspäteten Widerspruch als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 2005 gem. § 44
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Sie trat erneut in eine Prüfung ein.
Die Arbeitsgruppe "Aufklärung der Arbeitsverhältnisse Radar" vermerkte unter dem 22. November 2005, an den
relevanten Radargeräten (SGR 103, SGR 105, M4 und KH 14) habe es keine Möglichkeit gegeben, mit einer
Schraubenziehereinstellung die Arbeit des Thyratrons zu beeinflussen.
Dagegen gab der Sonderbeauftragte "Radar", MinDirig A., eine Stellungnahme vom 12. Januar 2006 dahingehend ab,
dass die Schilderungen des Klägers glaubwürdig seien angesichts der damaligen Personalausstattung der Schiffe und
Boote. Der ständige Umgang des Klägers mit dem SGR 103 müsse nun dazu führen, ihn so zu behandeln wie
Operatoren oder Techniker. Relevant hierfür dürfte allerdings nur die Zeit seiner Einweisung sein, da er später selbst
unterstellte Ortungsoffiziere angewiesen habe.
Durch Bescheid vom 02. Oktober 2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers gem. § 44 SGB X ab. Messungen
hätten durchgeführt werden können, ohne den Senderschrank zu öffnen. Die Arbeit des Thyratrons habe nicht mit dem
Schraubenzieher beeinflusst werden können. Ansonsten ließen sich keine konkreten technischen Arbeiten an oder in
der Nähe von Röntgenstörstrahlern feststellen, die zu einer Exposition hätten führen können.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 10. Oktober 2006 Widerspruch ein. Die Beigeladene setzte das
Widerspruchsverfahren bis zum Abschluss des Verfahrens gegen die Beklagte aus.
Die Beklagte ihrerseits lehnte durch Bescheid vom 21. Juni 2005 den Antrag des Klägers auf Gewährung von
Beschädigtenversorgung ab. Die Entscheidung der Bundeswehrverwaltung sei für sie gem. § 88 Abs. 3 SVG
verbindlich. Anhaltspunkte für eine abweichende Entscheidung lägen auch nicht vor.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er habe regelmäßig an offenen Geräteschränken gearbeitet.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24. November 2005 zurück.
Dagegen richtet sich die am 20. Dezember 2005 erhobene Klage, mit welcher der Kläger die Feststellung seiner
Prostatakrebserkrankung als Schädigungsfolge und die Gewährung von Beschädigtenversorgung begehrt und zu der
das Gericht durch Beschluss vom 19. Oktober 2006 die Beigeladene gem. § 75 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) beigeladen hat.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, schon in der Marineortungsschule sei an
den Radargeräten SGR 103 und SGR 105 das Beheben von simulierten Fehlern geprobt worden. In der Zeit zwischen
1967 und 1979 habe er bei Überwachung von Reparaturarbeiten und den häufig durchzuführenden Frequenzwechseln
je nach Abstand zu dem Überwachten die einst geforderte Strahlendosis für einen soliden Tumor sicherlich schon
nach wenigen Tagen oder Wochen aufgenommen. Er sei aber bis zur Umrüstung des Radargerätes SGR 103
mindestens fünf Jahre lang im Umfeld der Strahlenmonster tätig gewesen. Nicht er müsse deshalb nachweisen, dass
seine Erkrankung durch Strahlenexposition verursacht worden sei, sondern wegen einer Beweislastumkehr müsse die
Beklagte nachweisen, dass er ohne die Strahlenexposition gesund geblieben wäre. Im Übrigen sei auch Kontakt zu
radiumhaltiger Leuchtfarbe durchaus möglich gewesen, da diese an den Radarsichtgeräten angebracht gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung am 04. August 2009 hat der Kläger geschildert, man habe seinerzeit grundsätzlich zu
zweit an den Radargeräten gearbeitet. Dies habe zum einen den Grund gehabt, in einem Notfall Hilfe in der Nähe
haben zu wollen. Zum anderen habe man erreichen wollen, dass im Ernstfall nicht nur "Fachidioten", sondern alles
greifbare Personal hätten eingesetzt werden können. Die auf den Schiffen fahrenden Elektroniker hätten überdies vom
Ortungsoffizier bei geöffneten Schränken in die Bedienung des Magnetrons (=Vakuum-Laufzeitröhre zur
Schwingungserzeugung im Mikrowellenbereich), Thyratrons u.ä. eingewiesen werden müssen, da sie nicht hinreichend
ausgebildet gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Juni 2005 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 24.
November 2005 zu verurteilen, seine Prostatakrebserkrankung als Schädigungsfolge i.S.d. § 81 SVG festzustellen
und ihm Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Schädigungsfolge (GdS) von mindestens 25 seit dem 24. Juli
2001 zu gewähren.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, es fehle an einem – vom Kläger zu erbringenden – Nachweis eines schädigenden
Ereignisses. Nach dem Radarbericht werde für die sog. Phase 1, in der die Dosisverhältnisse auf Grund lückenhafter
Daten nicht vollständig rekonstruierbar seien, für einen bestimmten Personenkreis (Radartechniker und Personal, das
diese nicht nur gelegentlich unterstützt hat) eine für die Verursachung einer sog. qualifizierenen Erkrankung
hinreichende Exposition durch Röntgenstörstrahlen bei Ausübung qualifizierender Tätigkeiten unterstellt. Diese
qualifizierende Tätigkeit aber bedürfe des Nachweises. Der Kläger sei weder Radarmechaniker gewesen noch habe er
Unterstützungstätigkeiten unmittelbar vor dem geöffneten, im Betrieb befindlichen Radargerät durchgeführt. Ein
substantiierter Sachvortrag sei hierzu nicht erfolgt. Als einzige qualifizierende Tätigkeit sei die Frequenzänderung
anzusehen, die der Kläger aber nur im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Dienstaufsicht angesprochen habe.
Was den Vortrag des Klägers zur Behebung simulierter Fehler im Rahmen seiner Ausbildung betreffe, so sei es sehr
unwahrscheinlich, dass der Kläger als nicht-technisches Personal zu Ausbildungszwecken bei eingeschalteter
Hochspannung (absolut tödliche Werte über 20.000 V) und geöffneten Türen an den Röhren gearbeitet habe; sogar
Techniker hätten solche Arbeiten an Bord bei Seefahrt vermieden, weil die Einhaltung des Sicherheitsabstandes zu
den unter offener Hochspannung stehenden Komponenten nicht sicherzustellen gewesen sei. Messungen schließlich
hätten ausschließlich am geschlossenen Radargerät vorgenommen werden können, da sich die erforderlichen Mess-
und Anschlusspunkte an der Vorderfront der Sendeschränke befunden hätten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte sowie auf die
Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Prostatakarzinom-
Erkrankung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung und auf Gewährung von Beschädigtenversorgung.
Allerdings hat sich die Beklagte bei Ablehnung des Antrages des Klägers zu Unrecht auf eine Bindungswirkung der
Bescheide der Beigeladenen gem. § 88 Abs. 3 SVG berufen. Die Bescheide der Beigeladenen können eine solche
Bindungswirkung schon deswegen nicht entfalten, weil sie nicht rechtmäßig sind, da die Beigeladene zu ihrem Erlass
nicht befugt war. Sie war nicht befugt, über einen Ausgleich nach § 85 SVG zu entscheiden, den der Kläger nie
beantragt hat und der auch deswegen schon nicht in Betracht kommen konnte, weil die geltend gemachte WDB erst
nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses aufgetreten ist. Sie war aber auch nicht zu einer auf das Vorliegen
einer WDB beschränkten Feststellung befugt. Denn feststellende Verwaltungsakte zu Zusammenhangsfragen darf
eine Behörde nur erlassen, wenn sie für die betreffende Leistungsbewilligung selbst zuständig ist (vgl. LSG Sachsen-
Anhalt, Urteil vom 07.08.2008 – L 7 VS 3/07 -, zitiert nach Juris). Gerade das aber ist hier nicht der Fall. Vorliegend
konnten lediglich Versorgungsleistungen gem. § 81 SVG in Betracht kommen, für die die Beklagte zuständig ist.
Dennoch hat die Beklagte zu Recht die Feststellung der Prostatakarzinom-Erkrankung als WDB-Folge und die
Gewährung von Versorgungsleistungen abgelehnt:
Ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, erhält nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der
Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 80 Satz 1
SVG). WDB ist dabei eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während
der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse
herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG). Dabei müssen das schädigende Ereignis, die dadurch eingetretene
gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) erwiesen sein,
während nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit
ausreichend, aber auch erforderlich ist (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG,
Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Der ursächliche Zusammenhang ist vor allem nicht schon
dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der
nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches
Übergewicht zukommt, d. h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen
Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang spricht. Ist ein Sachverhalt nicht
beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen
Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der
aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich
herleitet (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU
40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110).
Die Fälle, in denen als Schädigungsfolge eine durch allmähliche Einwirkungen des
Wehrdienstes/wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse verursachte Erkrankung geltend gemacht wird, teilt das BSG in
drei Gruppen ein: a) Die angebliche Schädigungsfolge ist in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) als
Berufskrankheit anerkannt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -); b) die angebliche
Schädigungsfolge müsste in der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt werden können (§ 9
Abs. 2 SGB VII); c) die angebliche Schädigungsfolge fällt weder unter a) noch unter b), die angeschuldigten
wehrdiensttypischen Belastungen gehen aber auf kriegsähnliche Belastungen zurück, wie sie in Zivilberufen
typischerweise nicht vorkommen.
Diese Regelung erklärt sich daraus, dass Krankheiten regelmäßig nicht auf ein äußeres Ereignis zurückgeführt werden
können, sondern sich aufgrund vielfältiger Einflüsse entwickeln. Als Mitursachen kommen persönliche Lebensweise,
Erbanlagen, Störungen während der Entwicklungsphase, private Unfälle, Umwelteinflüsse und anderes in Frage. Ob
eine Krankheit auf bestimmte Einwirkungen zurückzuführen ist, denen ein Wehrpflichtiger oder Wehrdienstleistender
ausgesetzt war, ist daher in der Regel nicht allein mit Hilfe medizinischer Sachverständiger im Einzelfall feststellbar.
Vielmehr kann nur nach statistischen Grundsätzen festgestellt werden, ob die Erkrankungsgefahr durch solche
Einflüsse erhöht worden ist. Wegen der Vielfalt möglicher Ursachen und der nicht uneingeschränkten
Leistungsfähigkeit auch der medizinischen Wissenschaft kann dies nur allgemein entschieden werden. Eine solche
allgemeine Antwort hat der Gesetzgeber für das Gebiet des Berufskrankheitenrechts mit der BKV gegeben. Darin sind
die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich der Berufskrankheiten eingeflossen, wonach
bestimmte Tätigkeiten im Arbeitsleben in auffallender Weise mit Erkrankungen verbunden sind (vgl. Bayerisches
LSG, Urteil vom 27. Juni 2006, L 15 VS 12/98, zitiert nach Juris; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 3).
Für die von dem Kläger geltend gemachten Strahlenschäden ist vorliegend die BK 2402 "Erkrankungen durch
ionisierende Strahlen" einschlägig. Eine Erkrankung durch ionisierende Strahlen ist indes zur Überzeugung der
Kammer nicht festzustellen. Die Anerkennung der BK 2402 setzt den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis
durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation voraus. Eine konkrete Strahlenbelastung
des Klägers ist nicht nachgewiesen. Es kann nicht einmal festgestellt werden, dass er durch seine dienstliche
Tätigkeit in einem relevanten Umfange dem Risiko einer Strahlenexposition ausgesetzt war.
Allerdings hat das Bundesministerium der Verteidigung eine aus unabhängigen Experten bestehende
Radarkommission eingesetzt, die in ihrem Bericht vom 02. Juli 2003 (Bericht der Radarkommission – BdR -)
überzeugend ausgeführt hat, dass für die Zeit vor 1976 (sog. Phase 1) wegen unzureichender Messwerte eine
sinnvolle obere Dosisabschätzung nicht möglich erscheint (BdR S. 31) und weitere wissenschaftliche Untersuchungen
auf diesem Gebiet nicht für erfolgversprechend zu erachten seien (BdR S. 140). Gerade für diesen Zeitraum, für den
keine ausreichende Datenlage hinsichtlich der Strahlenbelastung vorliegt, werden im BdR Empfehlungen abgegeben,
in welchen Fällen eine Schädigung anerkannt werden sollte. Der BdR verwendet hierzu die Begriffe "qualifizierende
Krankheiten" und "qualifizierende Tätigkeiten". Indes stellt der Umstand, dass gerade in der Phase 1 die Bundeswehr
Beobachtungen und Dokumentationen der Strahlenbelastung unterlassen hat, keine Rechtfertigung für eine Umkehr
der Beweislast dar (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.07.2008 – L 6 VS 2599/06 - ). Auch kann der
BdR nicht so verstanden werden, dass bei Vorliegen einer qualifizierenden Krankheit, wie sie das Prostata-Karzinom
des Klägers darstellt, stets eine Anerkennung auszusprechen wäre. Im vorliegenden Fall fehlt es an dem Nachweis
einer qualifizierenden Tätigkeit des Klägers in dem Sinne, dass er Tätigkeiten am Radargerät ausgeübt hätte, bei
denen technisch für ihn auch die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung möglich gewesen ist:
Die dem Kläger übertragenen Schiffsleitungsaufgaben gehören nicht per se zu den qualifizierenden Tätigkeiten im
Sinne des BdR. Der Kläger war unstreitig kein Radarmechaniker. Zwar wäre es denkbar, dass der Kläger ungeachtet
seiner dienstlichen Stellung und seines Ranges auch direkt vor den geöffneten und im Betrieb befindlichen
Radargeräten Tätigkeiten durchgeführt hat. Hierfür fehlt jedoch jeglicher konkrete Nachweis, den der Kläger zu
erbringen hat. Ein solcher Nachweis ist auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 15 des Gesetzes über das
Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) entbehrlich, wonach die Angaben des Antragstellers, die
sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, dann, wenn Unterlagen nicht
vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen
verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen sind, soweit sie nach den Umständen des Falles
glaubhaft erscheinen. Zum einen liegt ein Fall der nach dieser Vorschrift erforderlichen Beweisnot nicht vor. Es ist
gerade angesichts der Leitungsfunktion des Klägers davon auszugehen, dass es ihm möglich sein müsste, ganz
konkrete eigene Verrichtungen vor den geöffneten und im Betrieb befindlichen Radargeräten nicht nur zu beschreiben,
sondern auch zu benennen, welche Marineangehörigen dieses Tätigwerden miterlebt haben und als Zeugen benannt
werden können. Dies hat der Kläger aber – bis auf die Benennung des bedauerlicherweise verstorbenen damaligen
Lt.z.S. J. – nicht getan. Zum anderen hat die Kammer gegenüber dem Vorbringen des Klägers Anfragen, die dazu
führen, dass eine Zugrundelegung als glaubhaft nicht möglich erscheint. Es fällt auf, dass der Kläger, der bei der
Antragstellung besonders betont hat, "ausschließlich im Brückenbereich" tätig gewesen zu sein, seine eigenen
Tätigkeiten eher unkonkret und undetailliert darlegt und auch dort, wo die Beigeladene – aus Sicht der Kammer
nachvollziehbare – Zweifel angemeldet hat (z.B. hinsichtlich der Möglichkeit oder Unmöglichkeit, die Arbeit des
Thyratrons mit einem Schraubenzieher zu beeinflussen oder hinsichtlich der Frage, ob der Kläger tatsächlich zu
Ausbildungszwecken bei eingeschalteter Hochspannung und geöffneten Türen an den Röhren gearbeitet hat), keine
plausiblen und stichhaltigen Gegenargumente gebracht hat. Dass nicht alle Behauptungen des Klägers als erweislich
wahr angesehen werden können, ergibt auch der Umstand, dass nach dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz
vom 02. März 2005 die Tender über kein für die Arbeiten an Sendeschränken der Radargeräte geschultes
Fachpersonal verfügt hätten, während die von der Beigeladenen herangezogenen Schiffstagebücher eine Besatzung
immer mit mindestens zwei Radarmechanikern ergeben haben. Schließlich konnte die Kammer auch gewisse
Steigerungen im Vorbringen des Klägers nicht verkennen. Insbesondere das in der mündlichen Verhandlung
vorgetragene Erfordernis, auch die eigens ausgebildeten Elektroniker erst noch an Bord bei geöffneten Schranktüren
in die Bedienung von Magnetron und Thyratron haben einweisen zu müssen, erscheint denn doch eher fragwürdig.
Die Klage musste daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Niedersachsen-
Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-
Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das
angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden
Tatsachen und Beweismittel angeben.
Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.