Urteil des SozG Augsburg vom 07.08.2006
SozG Augsburg: wider besseres wissen, teilweise abweisung, heilbehandlung, krankenversicherung, unfallversicherung, unterlassen, anwendungsbereich, geeignetheit, rechtskraft, erheblichkeit
Sozialgericht Augsburg
Urteil vom 07.08.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 5 U 5036/06 L
I. Der Bescheid vom 10. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2006 wird aufgehoben. II.
Die Beklagte wird verurteilt, nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts über die Frage der Kostenübernahme für die
vom Kläger in Anspruch genommene motorbetriebene Bewegungsschiene erneut zu entscheiden. III. Die Beklagte hat
dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger die Kosten für eine motorbetriebene Bewegungsschiene zu erstatten
sind.
Der am 1938 geborene Kläger zog sich bei einer als Nutzungsrechtler versicherten Tätigkeit (Waldarbeiten) am
31.01.2006 eine Tibiakopf-Mehrfragment-Trümmerfraktur links zu.
Im Rahmen der Behandlung wurde vom Arzt Dr. W., Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Krankenhaus K., die
Benützung einer Bewegungsschiene im häuslichen Bereich wegen der auftretenden Peronäuslähmung für medizinisch
notwenig erachtet (Verordnung vom 20.02.2006, Attest vom 01.03.2006).
Am 22.02.2006 erstellte ein medizinischer Fachhandel und Betrieb der Reha-Technik einen Kostenvoranschlag für die
verordnete Bewegungsschiene, wobei von einem Wochenmietzins von 148,00 EUR ausgegangen wurde.
Mit Bescheid vom 10.03.2006 lehnte es die Beklagte ab, Kosten für eine motorbetriebene Bewegungsschiene zu
übernehmen. Im Zuge der Fortschreibung der Produktgruppe 32 "Therapeutische Bewegungsgeräte" des
Hilfsmittelverzeichnisses habe sich gezeigt, dass keine indikationsbezogenen, wissenschaftlich gesicherten
Erkenntnisse unter Berücksichtigung der medizinisch relevanten Kriterien vorlägen, die den Einsatz von
Bewegungsschienen im häuslichen Bereich aus medizinischer Sicht rechtfertigen würden. Der therapeutische Nutzen
im häuslichen Bereich sei damit nicht nachgewiesen.
Gegen diesen Bescheid legten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 24.03.2006 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2006 wurde der Widerspruch aus den bereits im Bescheid genannten Gründen
als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen erhoben die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 01.06.2006 Klage.
Im Rahmen des Klageverfahrens legten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 29.06.2006 die
Rechnung des medizinischen Fachhandels und Betriebs der Reha-Technik vom 12.04.2006 über die Vermietung einer
motorbetriebenen Bewegungsschiene für den Zeitraum vom 24.02.2006 bis zum 03.04.2006 in Höhe von 742,00 EUR
vor.
Nachdem das Gericht auf die Regelung des § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und zur Sitzung
geladen hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 10.07.2006 mit, dass Grund für die Ablehnung der
Kostenerstattung nicht lediglich die Herausnahme der motorbetriebenen Bewegungsschiene aus dem
Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen gewesen sei, sondern die hinter dieser Herausnahme stehenden
Beweggründe. Auch sei in dem zu entscheidenden Fall parallel zur Zurverfügungstellung der Bewegungsschiene
Krankengymnastik verordnet worden. Mit weiterem Schreiben vom 25.07.2006 äußerte sich die Beklagte
dahingehend, dass eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG ihrer Ansicht nach nicht in Betracht komme, da der
Anwendungsbereich dieser Regelung auf reine Anfechtungsklagen beschränkt sei. Zudem seien keine weiteren
Sachverhaltsermittlungen erforderlich, da lediglich eine Rechtsfrage zu entscheiden sei. Diese Frage, nämlich ob eine
motorbetriebene Bewegungsschiene ein im Rahmen der Heilbehandlung geeignetes Mittel sei, sei durch die
Auswertungen der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Hilfsmittel und Medizinprodukte" - SEG 5 des SDK/MDS
eindeutig beantwortet. Schließlich seien, auch wenn das Gericht noch ein Sachverständigengutachten einholen wolle,
darin keine erheblichen Ermittlungen zu sehen, die eine Zurückverweisung an die Behörde rechtfertigen könnten.
In der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2006 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers,
den Bescheid vom 10.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchs bescheids vom 03.05.2006 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die vom Kläger in Anspruch genommene motorbetriebene Bewegungsschiene
zu erstatten.
Der Vertreter der Beklagten beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten des Gerichts und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide war nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts gemäß § 131 Abs. 5
Satz 1 SGG geboten.
I. Anwendbarkeit des § 131 Abs. 5 SGG:
Gemäß § 131 Abs. 5 Sätze 1 und 4 SGG kann das Gericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten
bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen
erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die
Anwendung dieser Vorschrift führt in diesen Fällen zu einer vollständigen Zurückverweisung des Rechtsstreits an die
Behörde zum Zweck erneuter Ermittlungen und neuer Bescheiderteilung.
§ 131 Abs. 5 SGG wurde durch Artikel 8 Nr. 1 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.08.2004 (BGBl. I S.
2198 ff., 2205) mit Wirkung vom 01.09.2004 dem bisherigen § 131 SGG angefügt. Diese Vorschrift lehnt sich nach
den Motiven des Gesetzgebers unmittelbar an die bereits vorhandenen und fast wortgleichen Vorschriften des § 113
Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an und soll
dem Gericht eine zeit- und kostenintensive Ermittlung ersparen, die eigentlich der Behörde obliegt, weil nach
Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil
unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe (BT-Drs. 15/1508 S. 29,
BR- Drs. 378/03, S. 67).
In Übereinstimmung mit der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung (z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 11.05.2005, Az.: L 8 RJ 141/04; Sächs. LSG, mehrere Urteile vom 26.10.2005, z.B. Az.: L 6 SB 36/05, und
Urteil vom 04.01.2006, Az.: L 6 U 150/05; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.06.2006, Az.: L 4 SB 24/06) geht das
Gericht von der Anwendbarkeit des § 131 Abs. 5 SGG auch auf Leistungs- und Verpflichtungsklagen aus. Der in der
Literatur teilweise vertretenen anderen Ansicht der Nichtanwendbarkeit (vgl. z.B. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Auflage, § 131 RdNr. 18; Bienert, SGb 2005, S. 84 ff) kann das Gericht nicht folgen.
Anders als § 113 Abs. 3 VwGO, dessen Anwendung bereits nach dem Willen des Gesetzgebers auf
Anfechtungsklagen beschränkt ist (vgl. BT-Drs. 11/7030, S. 21), enthalten die Gesetzesbegründungen zu § 131 Abs.
5 SGG keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber dessen Anwendung auf reine Anfechtungsklagen beschränken
wollte. Vielmehr spricht der Umstand, dass § 131 Abs. 5 SGG hinter den Regelungen des § 131 Absätze 1 bis 4 SGG
über die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eingefügt wurde, dafür, dass von § 131 Abs. 5 SGG beide Klagearten,
also auch die Verpflichtungsklage, erfasst werden sollen.
Die der Einführung des § 131 Abs. 5 SGG zugrunde liegenden Erwägungen sprechen für eine Anwendung auch für
Anfechtungsklagen kombiniert mit der Leistungs- oder Verpflichtungsklage. Denn mit der Regelung des § 131 Abs. 5
SGG soll sicher gestellt werden, dass auch im sozialgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit besteht, dem Gericht
eine eigentlich der Behörde obliegende zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärung zu ersparen, wenn die
Verwaltungsbehörde die erforderliche Sachverhaltsaufklärung unterlassen hat. Anderenfalls wäre eine sachwidrige
Aufwandsverlagerung auf die Gerichte das Ergebnis. Die typische Sachverhaltsaufklärung, gerade was medizinische
Ermittlungen angeht, fällt aber typischerweise hauptsächlich bei den im Sozialrecht üblichen Verpflichtungsklagen an,
wie insbesondere bei Klagen auf Gewährung von Sozialleistungen wie u.a. Rente, Arbeitslosengeld, Krankengeld,
Teilhabeleistungen und Maßnahmen der Heilbehandlung. Gerade diese Fälle muss der Gesetzgeber bei der
Einführung von § 131 Abs. 5 SGG im Auge gehabt haben (vgl. SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 20.06.2006,
Az.: S 26 R 107/06).
Auch der Umstand, dass - anders als in der Verwaltungsgerichtsbarkeit - in der Sozialgerichtsbarkeit überwiegend
Anfechtungsklagen kombiniert mit der Leistungs- oder Verpflichtungsklage erhoben werden, bei denen durch die in der
Regel vorliegenden medizinischen Fragestellungen aufwändige und kostenintensive medizinische Ermittlungen
erforderlich sind, spricht dafür, dass § 131 Abs. 5 SGG auch auf diese Klagen anzuwenden ist. Anderenfalls, d.h. bei
der Beschränkung auf isolierte Anfechtungsklagen, verbliebe kaum ein relevanter Anwendungsbereich. Das
verwaltungsgerichtliche Verfahren ist demgegenüber - ganz anders als das sozialgerichtliche Verfahren - wesentlich
stärker geprägt von Anfechtungsklagen als Klagen gegen Akte der klassischen Eingriffsverwaltung. Die ganz
überwiegende Anzahl der sozialgerichtlichen Verfahren dagegen sind typischerweise Klagen auf Erbringung von
Sozialleistungen durch die Leistungsverwaltung. Würde man auch für das sozialgerichtliche Verfahren die
Anwendbarkeit von § 131 Abs. 5 SGG, also die Zurückverweisung an die Verwaltung, auf Anfechtungsklagen
beschränken, so würde damit die Sozialgerichtsbarkeit eines wichtigen Verfahrensinstruments für die überwiegende
Anzahl von Verfahren beraubt und § 131 Abs. 5 SGG nur noch einen überaus geringen Anwendungsbereich haben.
§ 131 Abs. 5 SGG kommt daher vorliegend zur Anwendung.
II. Tatbestandsvoraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG:
Um eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG im Rahmen des gerichtlichen Ermessens aussprechen zu
können, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. Noch erforderliche Ermittlungen 2. Erheblichkeit der Ermittlungen 3. Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch
unter Berück sichtigung der Belange der Beteiligten 4. Entscheidung des Gerichts binnen sechs Monaten ab Eingang
der Beklagtenakte
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Zu 1.: Noch erforderliche Ermittlungen:
Die Frage, ob die Anwendung einer motorbetriebenen Bewegungsschiene beim Kläger eine geeignete Maßnahme der
Heilbehandlung darstellt, ist von der Beklagten nicht ausreichend aufgeklärt worden.
Gemäß § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) hat der Unfallversicherungsträger im Rahmen der
Heilbehandlung alle geeigneten Mittel einzusetzen. Die Heilbehandlung umfasst auch die Versorgung mit Hilfsmitteln
(§ 27 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII).
Die Beklagte kann die Ablehnung der Kostenerstattung für eine motorbetriebene Bewegungsschiene nicht auf den
formalen Gesichtspunkt stützen, dass die fremdkraftbetriebenen Bewegungsschienen im Zuge der Fortschreibung des
Hilfsmittelverzeichnisses aus diesem gestrichen worden sind (zur Streichung vgl. Veröffentlichung im Bundesanzeiger
Nr. 147 vom 07.08.2004). Denn das Hilfsmittelverzeichnis im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß §
128 SGB V ist für die Gerichte nur eine unverbindliche Auslegungshilfe, ohne dass daraus eine Bindungswirkung
resultieren würde (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 16; BSG, Urteil vom 30.01.2001, Az.: B 3 KR 10/00 R).
Weiter verkennt die Beklagte, wenn sie sich auf die im Klageverfahren nachgeschobene Begründung bezieht, dass
Grundlage ihrer Entscheidung die der Änderung des Hilfsmittelverzeichnisses zugrunde liegenden medizinischen
Erkenntnisse seien, dass der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankversicherung nicht so weit geht wie der
Leistungsumfang der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies belegt schon der Wortlaut des Gesetzes. Gemäß § 12
Abs. 1 Satz 1 SGB V hat die gesetzliche Krankenversicherung die ausreichenden, zweckmäßigen und
wirtschaftlichen Leistungen zu erbringen. Demgegenüber umfasst die Leistungspflicht der gesetzlichen
Unfallversicherung gemäß § 26 Abs. 2 SGB VII alle geeigneten Mittel, also mehr. Angesichts der täglichen Praxis der
Leistungserbringung der genannten Versicherungsträger erübrigen sich weitere Erläuterungen zum größeren
Leistungsumfang der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nicht ohne Grund besteht daher auch keine gesetzliche Regelung, die es erlauben würde, den Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenversicherung eins zu eins auf den Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung zu
übertragen.
Wenn sich die Beklagte auf die der Herausnahme von motorbetriebenen Bewegungsschienen aus dem
Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde liegenden Erkenntnisse beruft, so hat sie diese
Gründe fehlgedeutet. Denn aus der Herausnahme ergibt sich nicht, dass Bewegungsschienen in keinem Fall von
therapeutischem Nutzen sein können. Vielmehr ist es nach der Herausnahme im Einzelfall zu klären, ob es sich um
ein im Einzelfall geeignetes Mittel der Heilbehandlung handelt. Dies ergibt sich zum einen aus der fehlenden
Bindungswirkung des Hilfsmittelverzeichnisses. Zum anderen wird es deutlich durch zahlreiche
Einzelfallentscheidungen, die auch der gerichtlichen Klärung zugeführt worden sind (vgl. beispielhaft das Urteil des
SG Augsburg vom 14.11.2005, Az.: S 10 KR 428/04), wobei der therapeutische Nutzen von Bewegungsschienen auch
nach dem Bekanntwerden der von der Beklagten vorgetragenen neuen Erkenntnisse zum Nutzen von
Bewegungsschienen aufgrund medizinischer Gutachten bejaht worden ist. Schließlich belegt auch die Praxis der
gesetzlichen Krankenversicherung, dass der therapeutische Nutzen von Bewegungsschienen nicht grundsätzlich
verneint werden kann. So hat beispielsweise die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns auf ihrer Internetseite für
jedermann zugänglich "Hinweise zur Verordnung von Motorbewegungsschienen (CPM-Schienen) bis zum 01.09.2005"
eingestellt. Daraus ergibt sich, dass auch nach der Änderung des Hilfsmittelverzeichnisses der Einsatz von
motorbetriebenen Bewegungsschienen im begründeten Einzelfall im Rahmen der Leistungserbringung der gesetzlichen
Krankenversicherung erfolgt.
Eine Prüfung der im Rahmen der Beurteilung der medizinischen Geeignetheit einer motorbetriebenen
Bewegungsschiene abzuwägenden Gesichtspunkte hat die Beklagte nicht vorgenommen. Zwar hat sie im Schreiben
vom 10.07.2006, das erst nach dem gerichtlichen Hinweis auf § 131 Abs. 5 SGG ergangen ist, Ausführungen getätigt,
die den Eindruck erwecken könnten, sie habe sich vor der Ablehnung der Kostenübernahme auch mit den
medizinischen Aspekten der konkreten Einzelfalls auseinander gesetzt (vgl. S. 2 des genannten Schreibens).
Tatsächlich ist aber aus den Verwaltungsakten nicht erkennbar, dass die Beklagte die medizinischen Gesichtspunkte
des hier zu entscheidenden Falls geprüft hätte. Mit Schreiben vom 25.07.2006 an das Gericht bestätigt die Beklagte
auch die vorgenannte Einschätzung, dass eine Prüfung der Geeignetheit im Einzelfall nicht erfolgt ist. Denn in diesem
Schreiben äußert sich die Beklagte eindeutig dahingehend, dass eine Entscheidung gemäß § 131 Abs. 5 SGG aus
ihrer Sicht deshalb nicht in Betracht komme, da vom Gericht lediglich eine Rechtsfrage, nämlich die Frage, ob durch
die Herausnahme der Bewegungsschienen aus dem Hilfsmittelverzeichnis aufgrund neuerer medizinischer
Erkenntnisse auch eine Kostenerstattung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ausscheide, zu entscheiden
sei und keinerlei weitere Ermittlungen erforderlich seien. Damit bestätigt die Beklagte deutlich die Einschätzung des
Gerichts, dass eine Beurteilung der medizinischen Geeignetheit einer motorbetriebenen Bewegungsschiene anhand
der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht durchgeführt worden ist.
Nach alledem hat es die Beklagte unterlassen, der Frage der Geeignetheit einer motorbetriebenen Bewegungsschiene
mit den erforderlichen Mitteln, nämlich beispielsweise im Wege der Einholung eines medizinischen Gutachtens,
nachzugehen.
Zu 2.: Erheblichkeit der Ermittlungen:
Erheblich nach Art und Umfang sind die noch erforderlichen Ermittlungen in der Regel dann, wenn wegen der
ausgefallenen Ermittlung nicht nur ein Befundbericht, sondern ein medizinisches Sachverständigengutachten
eingeholt werden muss (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 26.10.2005, Az.: L 6 SB 34/05). Dies ist bei den medizinischen
Sachfragen regelmäßig der Fall, weil das Gericht weder über einen ärztlichen Dienst noch selbst über ausreichende
medizinische Sachkunde verfügt (Sächs. LSG, Urteil vom 26.10.2005. Az.: L 6 SB 54/05).
In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die Notwendigkeit eines
externen Sachverständigengutachtens den Ermittlungsaufwand nicht erheblich mache, weil sich der zusätzliche
Aufwand des Gerichts auf die Gutachterauswahl und einen Beweisbeschluss beschränke, während die Auswertung
des Gutachtens, die Anhörung der Beteiligten dazu und ggf. die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen
Verhandlung auch bei einem Gutachten der Behörde anfalle (vgl. BFH, Urteil vom 22.04.1997, Az.: IX R 74/95, BFHE
182, 300 ff.).
Diese Ansicht ist aber nicht auf sozialgerichtliche Streitigkeiten übertragbar (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 26.10.2005,
Az.: L 6 SB 34/05). Denn in der Sozialgerichtsbarkeit tritt der Umstand hinzu, dass die Kosten des
Sachverständigengutachtens nicht den Beteiligten auferlegt werden können, so dass die Kosten stets bei der
Staatskasse anfallen und den Justizetat belasten. Angesichts der Tatsache, dass medizinische Gutachten in der
Regel kostenintensiv sind, ist der noch erforderliche Ermittlungsaufwand jedenfalls dann erheblich, wenn das
Sozialgericht ein externes Sachverständigengutachten einholen müsste.
Wegen der Rechtskraft der Entscheidung gemäß § 131 Abs. 5 SGG ist die Behörde an die Rechtsauffassung des
Gerichts gebunden (vgl. BT-Drs. 12/1061 S. 19; BT-Drs. 11/7030 S. 30; Kopp/ Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113
Rn. 169; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 RdNr. 21) und zwar auch bezüglich Art und Umfang der noch
durchzuführenden Beweisaufnahme. Es ist daher Aufgabe des Gerichts, in den Urteilsgründen darzulegen, welche
Ermittlungen es noch für erforderlich hält, während die Behörde anschließend die geforderte Sachaufklärung betreiben
muss (vgl. Tipke/Kruse, AO und FGO, § 100 FGO RdNr. 46). Hält das Gericht bei einem festgestellten, die
Zurückverweisung rechtfertigenden Ermittlungsausfall daher z.B. die Einholung von fehlenden Befundberichten und
ein darauf aufbauendes Sachverständigengutachten mit eigener Untersuchung des Sachverständigen für erforderlich,
muss die Behörde zuerst die fehlenden Befundberichte und danach auch ein solches Gutachten einholen. Sie kann
sich wegen der aus der Rechtskraft des Urteils folgenden Bindung nicht auf die Befundberichte beschränken und
allein darauf gestützt einen neuen Bescheid erlassen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 26.10.2005, Az.: L 6 SB 43/05).
Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen und der Tatsache, dass letztlich nur eine eingehende medizinische
Stellungnahme in Form einer ausführlichen beratungsärztlichen Stellungnahme oder eines medizinischen Gutachtens
zur Klärung der Frage beitragen kann, ob die Verordnung der Bewegungsschiene im zu entscheidenden Fall aufgrund
der konkreten Umstände eine geeignete Maßnahme der Heilbehandlung ist, ist damit die Erheblichkeit der
Ermittlungen zu bejahen.
Zu 3.: Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch unter Berück sichtigung der Belange der Beteiligten:
Eine Zurückweisung nach § 131 Abs. 5 SGG ist nach der überzeugenden Rechtsprechung des Sächs. LSG (vgl. z.B.
Urteil vom 26.10.2005, Az.: L 6 SB 34/05) nur dann möglich, wenn dies sachdienlich ist. Dies bedeutet, dass die
begründete Möglichkeit bestehen muss, dass die noch erforderlichen, erheblichen Ermittlungen wegen der personellen
und sachlichen Ausstattung der Behörde schneller vor sich gehen werden als bei Gericht. Dies wird in der Regel nur
zu bejahen sein, wenn die Behörde über einen eigenen ärztlichen Dienst oder bei ihr unter Vertrag stehende
Beratungsärzte verfügt, bei denen es zwar nicht sicher, aber zumindest möglich ist, dass die Begutachtung mit
eigener Untersuchung schneller und kostengünstiger vor sich geht als bei einem externen
Sachverständigengutachten. Dieser Gesichtspunkt wird allenfalls dann keine Rolle spielen können, wenn die Behörde
aus Kostengründen systematisch eine sachwidrige Aufwandsverlagerung auf die Gerichte vornimmt (vgl. Zeihe, SGG,
Stand:07/2005, § 131 RdNr. 31), was jedoch eher die Ausnahme sein dürfte.
Das LSG Rheinland-Pfalz vertritt demgegenüber eine engere Auffassung (vgl. Urteil vom 14.06.2006, Az.: L 4 SB
24/06). Das LSG stützt sich in der genannten Entscheidung wesentlich auf die Gesetzesbegründung zu 113 Abs. 3
VwGO und die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. So weist das LSG auf den ausdrücklich geäußerten Willen
des Gesetzgebers zu § 113 Abs. 3 VwGO hin. Danach sei sachdienlich eine Zurückverweisung an die Behörde nur
dann, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung eine Sachverhaltsermittlung besser
durchführen könne als das Gericht und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und
sachgerechter sei, die Behörde tätig werden zu lassen (vgl. BT-Drs. 11/7030, S. 30, BT-Drs. 12/1061, S. 19;
BVerwGE 117, 200 ff). Dieser Grundsatz unter Beachtung des Zwecks des § 131 Abs. 5 SGG - so das LSG - müsse
auch hier Berücksichtigung finden. Denn ebenso wie bei § 113 Abs. 3 VwGO bestehe bei Anwendung des § 131 Abs.
5 SGG ein Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Entlastung der Gerichte von
umfangreichen, eigentlich der Behörde obliegenden Sachverhaltsermittlungen und dem Bedürfnis der Beteiligten nach
einer abschließenden und verbindlichen gerichtlichen Beurteilung des Rechtsstreits.
In Fällen einer Verpflichtungs- oder Leistungsklage werde - so das LSG - der Verpflichtungs- oder Leistungskläger
durch die Zurückverweisung gerade nicht begünstigt, sondern typischerweise belastet, weil er damit rechnen müsse,
dass sich für ihn der Rechtsstreit verzögere, ohne dass er die Leistung erhalte. Denn die Zurückverweisung führe
dazu, dass die Verwaltung die erforderlichen Ermittlungen zwar durchzuführen habe, dass aber nach neuer
Bescheiderteilung der Versicherte erneut fristgerecht Widerspruch und Klage erheben müsste und damit unter
Umständen erst zu einem viel späteren Zeitpunkt eine gerichtliche Entscheidung ergehen könnte, als sie ergangen
wäre, wenn das Sozialgericht von einer Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG abgesehen hätte. Insoweit sehe das
LSG aus objektiver Sicht Hinderungsgründe gegen eine Zurückverweisung an die Verwaltung. Zudem stehe selbst bei
ordnungsgemäßer Ermittlung nicht fest, ob die dann von der Behörde durch weitere Ermittlungen geschaffene
Tatsachenbasis, selbst wenn sie positiv sei, auch von der Behörde rechtlich zutreffend gewürdigt werde. Insgesamt
sei der Leistungs- bzw. Verpflichtungskläger bei einer Zurückverweisung seinem eigentlichen Ziel, die begehrte
Leistung zu erhalten, nicht näher, sondern in der Regel weiter entfernt davon als zuvor. Dies gelte erst recht, wenn die
Behörde von dem ihr zustehenden Rechtsmittel gegen die Zurückverweisung Gebrauch mache.
Nach Ansicht des LSG Rheinland-Pfalz müssten bei einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage für eine
Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG darüber hinaus besondere, übergeordnete Gesichtspunkte hinzukommen,
welche es rechtfertigen würden, dass der Verpflichtungs- oder Leistungskläger mit der Gefahr einer Verzögerung des
Rechtsstreits und der Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung über die begehrte Vergünstigung belastet werde.
Diese lägen nur dann vor, wenn die von der Behörde unterlassene Ermittlung wegen des Interesses der Allgemeinheit
an einer funktionierenden Verwaltung (Anmerkung des Gerichts: gemeint kann nur ein funktionierender Gerichtsbetrieb
sein) nicht mehr hinzunehmen sei, d.h. wenn die Verwaltung ihre Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu
ermitteln, nicht wahrgenommen, sondern unterlassen habe, wenn also keine für die Beurteilung des
Streitgegenstandes verwertbare Ermittlung vorliege und die Sachverhaltsaufklärung der Behörde daher ausgefallen
sei. Dies sei nicht nur gegeben, wenn überhaupt keine Sachverhaltsaufklärung erfolgt sei, sondern auch dann, wenn
das Ermittlungsergebnis für die Beurteilung des Streitgegenstandes nicht verwertbar sei, weil das Gericht die
erforderliche Ermittlung zumindest zum Teil erstmals selbst durchführen müsse.
Nach der aufgezeigten Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz müsste daher davon ausgegangen werden, dass in
der Praxis in den Fällen von Verpflichtungs- und Leistungsklagen regelmäßig kein Raum für die Anwendung des § 131
Abs. 5 SGG verbleibt.
Dieser Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz, die - soweit aus den juristischen Datenbanken ersichtlich - in später
ergehenden Entscheidungen nicht mehr in dieser Form aufgegriffen worden ist, kann das Gericht nicht folgen. Die
vom LSG Rheinland-Pfalz getroffene Auslegung ist zu eng und aus folgenden Gründen nicht haltbar:
- Die auf die Gesetzesmaterialien zu § 113 Abs. 3 VwGO gestützte Auslegung des § 131 Abs. 5 SGG kann nicht
überzeugen. Bereits oben unter den Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 131 Abs. 5 SGG wurde eingehend
erläutert, dass aufgrund der Verschiedenheit der zugrunde liegenden Rechtsmaterien eine Übertragung von
Auslegungsgrundsätzen zu § 113 Abs. 3 VwGO auf § 131 Abs. 5 SGG nicht pauschal möglich ist, sondern die
Übertragbarkeit genauer zu hinterfragen ist.
- Aus der Gesetzesbegründung zu § 131 Abs. 5 SGG ergeben sich keinerlei Hinweise auf eine so strenge Auslegung
der genannten Norm, wie sie durch die Gesetzesmaterialien zu § 113 Abs. 3 VwGO dokumentiert sind. Dies ist ein
Beleg dafür, dass entgegen der Ansicht des LSG Rheinland-Pfalz die zu § 113 Abs. 3 VwGO entwickelten
Auslegungsgrundsätze, soweit die Sachdienlichkeit der Zurückverweisung betroffen ist, nicht auf § 131 Abs. 5 SGG
übertragbar sind. Hätte der Gesetzgeber einen ähnlich eingeschränkten Anwendungsbereich wie bei § 113 Abs. 3
VwGO auch bei § 131 Abs. 5 SGG gewollt, hätte dies in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommen müssen.
- Eine so einschränkende Auslegung, wie sie das LSG Rheinland-Pfalz vorgenommen hat, würde faktisch zu einem
Leerlaufen der Regelung des § 131 Abs. 5 SGG führen. Denn im sozialgerichtlichen Verfahren stehen - im Gegensatz
zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren - nicht die Anfechtungsklagen zahlenmäßig im Vordergrund, sondern ganz
eindeutig Verpflichtungsklagen.
- Auch unter dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung begegnet die Auslegung des LSG Rheinland-
Pfalz Bedenken. Denn es ist nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch ein Recht der Behörde, eine inhaltliche
Entscheidung nach entsprechender Sachprüfung zu treffen. Diese Entscheidung der Verwaltung würde aber faktisch
entfallen, wenn auch bei völlig unzureichender Sachprüfung der Behörde die Entscheidung der vollen gerichtlichen
Überprüfung zugänglich wäre. Auch aus Sicht des Versicherten wäre dies mit einem Verlust des Rechtsschutzes
verbunden, da ihm neben einer Entscheidung der Verwaltung nach Sachprüfung auch die Möglichkeit genommen
würde, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seine inhaltlich begründeten Einwendungen geltend zu machen.
Insofern muss auch bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung, aber auch
des umfassenden Rechtsschutzes eine Zurückverweisung an die Behörde möglich sein.
- Aus einer Zurückverweisung resultieren weder für die Behörde noch für den Versicherten Nachteile, die einer
Anwendbarkeit des § 131 Abs. 5 SGG entgegenstehen würden. Das Interesse der Beteiligten an einer
rechtsverbindlichen Entscheidung, insbesondere des Versicherten am Erhalt der bei einer Verpflichtungs- oder
Leistungsklage im Raum stehenden Leistung, steht einer Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG auf Verpflichtungs- oder
Leistungsklagen entgegen der Ansicht des LSG Rheinland-Pfalz nicht entgegen. Denn das LSG hat dabei übersehen,
dass im Rahmen einer Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG auch eine einstweilige Regelung des strittigen
Sachverhalts möglich ist (vgl. § 131 Abs. 5 Satz 2 SGG). Sollte im Interesse des Versicherten daher eine
baldmögliche Regelung geboten sein, kann das Gericht auf Antrag des Versicherten diesem Anliegen über eine
einstweilige Regelung im Sinne des § 131 Abs. 5 Satz 2 SGG Rechnung tragen. In einem derartigen Fall würde eine
Zurückverweisung gemäß § 131 Abs. 5 SGG sogar im objektiven Interesse des Versicherten liegen, da er auf diese
Art schneller - zumindest vorläufig - in den Genuss der beantragten Leistung kommen würde, als dies der Fall wäre,
wenn keine Zurückverweisung erfolgen würde und stattdessen das Gericht selbst die noch erforderlichen und
unzweifelhaft mit einem entsprechend größeren zeitlichen Aufwand verbundenen Ermittlungen vornehmen würde.
- Auch wenn keine einstweilige Regelung getroffen wird, ist dem Interesse der Beteiligten an einer zügigen Regelung
des strittigen Sachverhalts bei einer Zurückverweisung dadurch Rechnung getragen, dass eine derartige
Zurückverweisung nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Eingang der Behördenakten bei Gericht möglich ist.
Da nach den Erfahrungen des Gerichts zudem die Erstellung von Gutachten im Auftrag der Beklagten aufgrund der
zugrunde liegenden Vereinbarungen regelmäßig schneller vonstatten geht, als dies bei einem Gutachtensauftrag durch
das Gericht der Fall ist, relativiert sich der Gesichtspunkt des Zeitraums bis zum bestands- bzw. rechtskräftigen
Abschluss noch weiter.
- Sofern das LSG Rheinland-Pfalz Gründe gegen eine Zurückverweisung darin zu erkennen glaubt, dass bei einer
Zurückverweisung auch im Falle einer durch die weiteren Ermittlungen geschaffenen positiven Tatsachenbasis
fraglich sei, ob die Behörde die positiven Tatsachen auch rechtlich so werte, so ist diese Argumentation höchst
fragwürdig. Denn damit würde der Verwaltung unterstellt, dass sie Fakten über die Maßen oft rechtlich unzutreffend
würdigen würde, sei es aus Unkenntnis, Unfähigkeit oder wider besseres Wissen. Eine derartige Unterstellung
verbietet sich aber als sachfremde Überlegung.
- Auch der Hinweis des LSG Rheinland-Pfalz darauf, dass sich bei einer Entscheidung gemäß § 131 Abs. 5 SGG
gerade bei der Einlegung von Rechtsmitteln durch den beklagten Versicherungsträger eine weitere Verzögerung
ergebe, was den objektiven Interessen des Versicherten widerspreche, kann nicht überzeugen. Denn faktisch würde
dies dazu führen, dass eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen
ausgeschlossen sein müsste, wenn das Rechtsmittel der Berufung eröffnet wäre. Dies ist aber nach den oben
gemachten Ausführungen und auch nach der ausdrücklich geäußerten Ansicht des LSG Rheinland-Pfalz nicht der
Fall. Wenn jedoch Rechtsmittel nicht eröffnet wären, müsste dagegen - sofern man der Argumentation des LSG
Rheinland-Pfalz folgen würde - eine Entscheidung gemäß § 131 Abs. 5 SGG (eher) möglich sein. Das daraus
resultierende Ergebnis, dass die Anwendbarkeit des § 131 Abs. 5 SGG nur in den Fällen gegeben wäre, in denen die
Berufungssumme nicht erreicht ist, kann aber mit Sicherheit nicht überzeugen. Zudem ist zu bedenken, dass der
Gesetzgeber, wenn er denn die Befürchtungen des LSG Rheinland-Pfalz zur Verzögerung der Entscheidung im Falle
der Einlegung von Rechtsmitteln geteilt hätte, diesem Umstand dadurch hätte 5 SGG einen Rechtsmittelausschluss
festgeschrieben hätte. Dies wäre zwar möglich gewesen, da damit ein nicht mehr mit dem Rechtsstaatsprinzip zu
vereinbarender Verlust an Rechtsschutz nicht verbunden wäre, weil die streitige Frage bei einer Zurückverweisung
nochmals zu entscheiden ist und damit gerade kein Verlust an Rechtsschutz entsteht, ist aber nach der Entscheidung
des Gesetzgebers gerade nicht erfolgt.
Auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen bedeutet dies Folgendes:
Nach den Erfahrungen des Gerichts erfolgt die Erstellung von medizinischen Sachverständigengutachten im Auftrag
von Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung regelmäßig sowohl schneller als auch kostengünstiger, als dies bei
einem gerichtlichen Gutachten der Fall wäre. Zudem verfügt die Beklagte auch über unter Vertrag stehende
Beratungsärzte, die, sollte sich dies als für die Aufklärung ausreichend erweisen, was derzeit nicht abschließend
beurteilt werden kann, ggf. im Rahmen einer ausführlichen beratungsärztlichen Stellungnahme sich zu den inmitten
stehenden medizinischen Fragen äußern könnten. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Frage der
Kostenübernahme für eine motorbetriebene Bewegungsschiene auch Gegenstand eines erst vor kurzem zur
Entscheidung anstehenden Rechtsstreits dieser Kammer war. Auch in diesem Fall hatte sich die Beklagte, die mit der
Beklagten in diesem Verfahren identisch ist, auf die formale Argumentation zurückgezogen, dass motorbetriebene
Bewegungsschienen aufgrund der Herausnahme aus dem Hilfsmittelverzeichnis nicht mehr erstattungsfähig seien.
Insofern wäre ggf. auch der von Zeihe (vgl. Zeihe, a.a.O., § 131 RdNr. 31) erörterte Gesichtspunkt, dass die Behörde
aus Kostengründen systematisch eine sachwidrige Aufwandsverlagerung auf die Gerichte vornehmen könnte und dies
für eine Zurückverweisung spreche, weiter in die Überlegungen einzubeziehen.
Zu 4.: Entscheidung des Gerichts binnen sechs Monaten ab Eingang der Behördenakte:
Der Eingang der Beklagtenakte bei Gericht erfolgte am 14.06.2006. Damit entscheidet das Gericht mit Urteil vom
07.08.2006 innerhalb der gesetzlichen Frist.
III. Ergebnis:
Der Klage ist damit insofern stattzugeben, als der Bescheid vom 10.03.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 03.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen ist, nach weiterer Aufklärung des
Sachverhalts über die Frage der Kostenübernahme für die vom Kläger in Anspruch genommene motorbetriebene
Bewegungsschiene erneut zu entscheiden. Eine inhaltliche Regelung zur Kostenerstattung kann aufgrund der
Zurückverweisung nicht erfolgen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Klage teilweise zurückzuweisen wäre. Denn
die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG führt in der Situation einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage ohne Rücksicht
auf den Willen des Klägers zu einer Reduzierung des Streitgegenstandes, nämlich auf den Anfechtungsteil seines
Antrags. Auch wenn streng genommen eine teilweise Klageabweisung auszusprechen wäre, ist diese nicht zu
tenorieren, damit diese teilweise Abweisung nicht in Rechtskraft erwächst (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 26.10.2005,
Az.: L 6 SB 43/05).
IV. Kostenentscheidung:
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Auch wenn das klägerische Ziel der Kostenerstattung nicht
erreicht wird, so hat doch die Beklagte dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten voll zu erstatten. Die
Tatsache, dass nicht auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Kosten der Bewegungsschiene
ausgesprochen worden ist, kann im Rahmen der Kostenentscheidung des Gerichts nicht dem Kläger zur Last gelegt
werden, da über diese Frage wegen der Regelung des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG und der sich daraus ergebenden
Reduzierung des Streitgegenstandes, auf die der Kläger keinen Einfluss hat, nicht zu entscheiden ist. Dem steht auch
nicht entgegen, dass sein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag über den Ausspruch des Gerichts in der
Sache hinausgegangen ist. Denn bei einer Entscheidung im Sinne des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG handelt es sich um
eine Entscheidung, die im Ermessen des Gerichts steht. Insofern wäre es mit der anwaltlichen Sorgfaltspflicht nicht
vereinbar, den Klageantrag allein in der Hoffnung darauf, dass das Gericht gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG
entscheiden wird, auf die bloße Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu beschränken. Dies bedeutet selbstredend
auch, dass daraus eine teilweise Kostentragung des Klägers nicht abgeleitet werden kann.