Urteil des SozG Aachen vom 28.09.2010
SozG Aachen (musiktherapie, kläger, medizinische rehabilitation, rehabilitation, behinderung, heilmittel, leistung, krankenversicherung, leben, behandlung)
Sozialgericht Aachen, S 20 (10) SO 40/09
Datum:
28.09.2010
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 20 (10) SO 40/09
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht
zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form von
Musiktherapie und die Erstattung der dafür in der Zeit von Oktober 2008 bis Juli 2010
aufgewendeten Kosten in Höhe von 2.680,00 EUR.
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger leidet (u.a.) an einer überaktiven
(psychomotorischen) Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien. Er
besucht seit Sommer 2006 die "Regenbogenschule" T. (Förderschule für geistige
Entwicklung). Er ist bei der Novitas BKK gesetzlich krankenversichert. Bis zum 3.
Lebensjahr erhielt der Kläger ergotherapeutische Behandlung; seit Jahren und bis heute
erhält er laufend logopädische und physiotherapeutische Behandlung; diese Therapien
wurden und werden von der gesetzlichen Krankenkasse gewährt. Seit dem 4.
Lebensjahr erhält der Kläger auch Reittherapie. Deren Kosten wurden ein Jahr lang
vom Sozialhilfeträger aus Mitteln der Eingliederungshilfe übernommen, danach jedoch
abgelehnt; seitdem tragen die Eltern des Klägers die Kosten der Reittherapie.
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Am 13.10.2006 beantragte der Kläger erstmals Eingliederungshilfe in Form von
Musiktherapie. Er legte dazu befürwortende Bescheinigungen des Bethlehem-
Krankenhauses Stolberg und der Regenbogenschule vor. Nach Einholung einer
Stellungnahme des Gesundheitsamtes bewilligte der Beklagte durch Bescheid vom
08.06.2007 die Eingliederungshilfe für ein Jahr mit der Begründung, die Musiktherapie
sei geeignet und erforderlich, die Folgen der Behinderung zu beseitigen oder zumindest
zu mindern. Von August 2007 bis Juni 2008 (= Schuljahr 2007/08) rechnete die
Musiktherapeutin 43 Sitzungen à 40,00 EUR, insgesamt 1.720,00 EUR mit dem
Beklagten ab.
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Am 08.07.2008 beantragte der Kläger weitere Musiktherapie. Er legte hierzu einen
Verlaufsbericht seiner Musiktherapeutin vor. In einer Stellungnahme des
Gesundheitsamtes vom 04.09.2008 kam Dr. Michels zum Ergebnis, es bestehe keine
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Notwendigkeit für die Fortführung der Musiktherapie.
Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 22.09.2008 ab.
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Dagegen legte der Kläger am 13.10.2008 Widerspruch ein. Er trug vor, die
Musiktherapie diene nach wie vor dazu, die schwerwiegenden Folgen der Behinderung
zumindest zu mildern; sie helfe auch, elementare Dinge des Lebens zu erlernen,
Kontakt zu Mitmenschen aufzunehmen, Ausdauer zu fördern und Aggressionen
abzubauen.
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Durch Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009 wies der Beklagte den Widerspruch
zurück. Zur Begründung führte er aus, beim Kläger bestehe eine ausgeprägte
medizinische Grundproblematik; aufgrund der eindeutigen Stellungnahme des
Gesundheitsamtes könne aber Eingliederungshilfe nicht weiter gewährt werden.
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Dagegen hat der Kläger am 19.05.2009 Klage erhoben. Er trägt vor, in
schwerwiegender Form in seiner geistigen Entwicklung behindert zu sein; die
Musiktherapie diene der Herbeiführung und Unterstützung einer angemessenen
Schulbildung; die Notwendigkeit der Musiktherapie habe der Beklagte selbst für ein Jahr
bejaht; dass jetzt keine Notwendigkeit mehr bestehe, sei nicht nachvollziehbar. Auch
diene die Musiktherapie der Sprachentwicklung, Kommunikation und sozialen
Interaktion, um ihn zu einer späteren Teilhabe am öffentlichen Leben zu befähigen.
Wenn es sich um eine Leistung der Krankenkasse handele, sei der Beklagte auch
insoweit - gemäß § 14 Abs. 1 und 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - für die
Entscheidung zuständig. Unabhängig davon könne der Anspruch aber auch darauf
gestützt werden, dass sich die Musiktherapie in ihrer konkreten Ausprägung als Hilfe zu
einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen
Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung
hierzu darstelle. Sie trage im konkreten Fall zu einer Besserung der verbalen und
kommunikativen Fähigkeit des Klägers bei, welche die Grundvoraussetzung für einen
Schulbesuch biete. Durch die Musiktherapie habe er das Zählen erlernt, die Bedeutung
der Wochentage und der Monate sowie der Jahreszeiten, indem er diese
"nachgesungen" habe. Erst durch den Erwerb dieser Fähigkeiten sei er in die Lage
versetzt worden, die grundlegenden Voraussetzungen für eine adäquate
Kommunikation im Schulalltag zu erwerben.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 28.04.2009 zu verurteilen, ihm die Kosten der von
Oktober 2008 bis Juni 2010 erhaltenen Musiktherapie in Höhe von 2.680,00 EUR zu
erstatten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, Musiktherapie sei medizinische Rehabilitation, für die die
Krankenkasse zuständig sei, analog dem sog. therapeutischen Reiten. Mangels
Weiterleitung des Antrags berufe er sich nicht auf fehlende Zuständigkeit, halte aber die
Ablehnungsentscheidung auch insofern für zutreffend.
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Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten von der Kinder- und
Jugendpsychiaterin Prof. Dr. I. eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das
Gutachten vom 23.04.2010 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten nicht im Sinne des
§ 54 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er
hatte für den streitgegenständlichen Zeitraum unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
gegen keinen in Betracht kommenden Rehabilitationsträger Anspruch auf Musiktherapie
und dementsprechend auch nicht auf Erstattung der durch die selbstbeschaffte
Musiktherapie entstandenen Kosten von 2.680,00 EUR. Die Zuständigkeit des
Beklagten für die Entscheidung über den Antrag des Klägers auf weitere Musiktherapie
(als Leistung der Rehabilitation) ergibt sich aus § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX, da der
Beklagte als erst- angegangener Reha-Träger den Antrag nicht (an einen nach seiner
Auffassung eventuell zuständigen Rehabilitationsträger) weitergeleitet hat. Wird der
Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf
unverzüglich fest. Diese Zuständigkeitsbestimmung in § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX
erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Kläger als Antragsteller und dem
Beklagten als erstangegangenem Reha-Träger auf alle Rechtsgrundlagen, die
überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (BSG,
Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R; Urteil vom 25.06.2009 - B 3 KR 4/08 R). Als
Reha-Träger für die beantragte Musiktherapie kommen die gesetzliche Krankenkasse
(Leistungen der medizinischen Rehabilitation; Heilmittel) und der Träger der Sozialhilfe
(Eingliederungshilfe) in Betracht (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 7 SGB IX). Denkbar wäre
zwar auch die Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen der
Eingliederungshilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Diese
Leistung ist jedoch aufgrund der Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII
gegenüber Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XII) für junge Menschen, die körperlich oder - wie der Kläger -
geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, nachrangig.
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Der Kläger hatte für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf die
Musiktherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar leidet er an
einer überaktiven Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungstereotypien zu
deren Behandlung die Musiktherapie geeignet, zweckmäßig und hilfreich ist. Dies ergibt
sich nicht nur aus der Bescheinigung des Bethlehem-Krankenhauses vom 20.06.2006,
sondern zuletzt auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. I. vom 23.04.2010. Nach
Auffassung der vom Gericht bestellten Sachverständigen ist die Frage, ob die
Musiktherapie für den Kläger geeignet war bzw. ist, eine festgestellte Behinderung zu
beheben oder zu mindern oder eine drohende Behinderung zu vermeiden, eindeutig zu
bejahen. Eine solcher Therapie leistet Hilfe bei der Krankheits- und
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Behinderungsverarbeitung. Ebenso wie die Ergo- Physio- und logopädische
Behandlung ist auch die musiktherapeutische Behandlung geeignet, die Defizite des
Klägers abzubauen. Bei der Musiktherapie handelt es sich um eine therapeutische
Dienstleistung, die auf Verordnung eines Arztes durch besonders ausgebildete,
nichtärztliche Fachkräfte erbracht wird. Sie ist im Rahmen des Leistungsrechts der
gesetzlichen Krankenversicherung als Heilmittel im Sinne des § 32 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) einzustufen. Neue Heilmittel dürfen nur verordnet werden,
wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zuvor ihren therapeutischen Nutzen
anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Empfehlungen für
die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Neue Heilmittel
können damit grundsätzlich nicht beansprucht werden, solange die geforderte
Entscheidung des Bundesausschusses nicht ergangen ist. Bei der Musiktherapie fehlt
es nicht etwa nur an einer entsprechenden Entscheidung des G-BA; vielmehr ist die
Musiktherapie in der Anlage zu den Heilmittel-Richtlinien des G-BA ausdrücklich als
nichtverordnungsfähiges Heilmittel eingestuft worden (vgl. Anlage
"Nichtverordnungsfähige Heilmittel", a) Ziff. 4). Damit gehört die Musiktherapie nicht zu
den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ein Anspruch auf die Musiktherapie besteht auch nicht als Leistung der
Eingliederungshilfe gegenüber dem Beklagten als Träger der Sozialhilfe auf der
Grundlage der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 SGB XII. Zwar gehört der Kläger zum Kreis der
Personen im Sinne von § 53 Abs. 1 SGB XII die grundsätzlich Leistungen der
Eingliederungshilfe beanspruchen können. Jedoch erfüllt er nicht die konkreten
Leistungsvoraussetzungen für Eingliederungshilfe. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII
sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach §§ 26, 33, 41 und
55 SGB IX insbesondere die in den Nrn. 1 bis 5 aufgeführten Leistungen. Dass keiner
der durch § 54 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5 SGB XII hervorgehobenen Leistungsfälle
vorliegt, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Erläuterung. Bei der Musiktherapie
handelt es sich aber auch - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht um eine Hilfe
im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII. Diese Norm bezieht sich nur auf
spezielle Ausbildungshilfen, die gerade auf den Schulbesuch ausgerichtet sind. Allein
der Umstand, dass die Musiktherapie neben ihrem im Vordergrund stehenden Zweck
der medizinischen Rehabilitation auch die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft
und im weiteren Sinne auch den Schulbesuch fördert, rechtfertigt nicht bereits, sie als
Leistung der Eingliederungshilfe zu qualifizieren. Nur bei einem überwiegend direkten
Bezug zur schulischen Ausbildung ist die Maßnahme dem Geltungsbereich des § 54
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII und des § 12 der Eingliederungshilfeverordnung
zuzurechnen (Grube/Wahrendorf, SGB XII-Kommentar, 3. Auflage 2010, § 54 Rn. 30).
Ein solcher überwiegend direkter Bezug zur schulischen Ausbildung besteht nach
Auffassung der Kammer bei der Musiktherapie nicht. Denn bei dieser steht die
medizinische Rehabilitation und der Behinderungsausgleich ganz im Vordergrund.
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Ein Anspruch auf die Musiktherapie als Eingliederungshilfe ergibt sich auch aus keiner
der durch § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Bezug genommenen Normen des SGB IX. Dies
ist für die §§ 33 und 41 SGB IX offensichtlich, da diese sich auf Werkstätten für
behinderte Menschen sowie auf Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben beziehen und
damit für den Kläger nicht einschlägig sind.
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Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 26 Abs. 1
Nr. 1 SGB IX. Nach dieser Vorschrift werden zur medizinischen Rehabilitation
behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen die erforderlichen Leistungen
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erbracht, um Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu
beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Nach §
26 Abs. 2 SGB IX umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insbesondere
neben der Behandlung durch Ärzte auch Heilmittel. Bestandteil der Leistungen der
medizinischen Rehabilitation sind insbesondere auch Hilfen zur Unterstützung bei der
Krankheits- und Behinderungsverarbeitung, die Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, u.a.
durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit
Krisensituationen sowie das Training lebenspraktischer Fähigkeiten (vgl. § 26 Abs. 3
Nrn. 1, 2, 5 und 6 SGB IX). Die medizinische Sachverständige Prof. Dr. I. hat in ihrem
Gutachten dargelegt, dass die Musiktherapie am Krankheitsbild des Klägers, seiner
überaktiven Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien, ansetzt und
dazu dient, die Behinderung zu beheben oder zu mildern und Hilfe bei der Krankheits-
und Behinderungsverarbeitung zu liefern. Soweit sie auch soziale Kompetenz fördert,
lebenspraktische Fähigkeiten trainiert und Selbsthilfepotentiale aktiviert, ist dies, wie
sich aus § 26 Abs. 3 SGB IX ergibt, Bestandteil der medizinischen Rehabilitation.
Eine Übernahme der Kosten für die Musiktherapie als medizinische
Rehabilitationsleistung im Rahmen der Eingliederungshilfe scheitert aber an § 54 Abs. 1
Satz 2 SGB XII. Nach dieser Vorschrift entsprechen Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation den Reha-Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Rahmen
der Eingliederungshilfe sind also keine geringeren, aber auch keine weitergehenden
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen als in der gesetzlichen
Krankenversicherung (LSG, NRW, Urteil vom 27.08.2009 - L 9 SO 5/08). Wie bereits
dargelegt, entspricht die Musiktherapie nicht dem Leistungsumfang der gesetzlichen
Krankenversicherung. Als Heilmittel ist sie durch die vom G-BA beschlossenen
Heilmittel-Richtlinien und der dazu gehörenden Anlage ausdrücklich als
verordnungsfähige Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
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Ein Anspruch auf die Musiktherapie und sukzessive ein Anspruch auf Kostenerstattung
ergibt zuletzt auch nicht aus § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und 2 SGB IX.
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Nach § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilnahme
am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich
unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden.
Ziel der Leistungen nach § 55 Abs. 1 SGB IX ist es, einerseits den Menschen, die
aufgrund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens
ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch
den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, den Zugang zur Gesellschaft zu
sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und
Bezügen abgeschnitten werden (vgl. BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 32/07 R). §
55 Abs. 2 SGB IX beschreibt einen Katalog von Leistungen, die insbesondere im Sinne
von Abs. 1 solche zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind. Dieser Katalog
macht deutlich, dass es bei den Leistungen durchaus Überschneidungen zu anderen
Leistungen, hier insbesondere solchen der medizinischen Rehabilitation gibt und geben
kann. Die Abgrenzung zwischen Leistungen im Sinne der medizinischen Rehabilitation
(§ 26 SGB IX) und der sozialen Rehabilitation (§ 55 Abs. 2 SGB IX) ist danach
vorzunehmen, welche Bedürfnisse mit der Leistung befriedigt werden sollen, also
welchen Zwecken und Zielen die Leistung dienen soll. Entscheidend ist, wo der
Schwerpunkt des Leistungsziels liegt. Die Musiktherapie setzt an der Behinderung an,
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indem sie ihre Ursachen beseitigen oder jedenfalls ihre Auswirkungen mildern will; die
behinderungsbedingte Entwicklungsverzögerung soll aufgeholt werden. In diesem
Sinne beschreibt auch die Sachverständige Prof. Dr. I. die therapeutische Zielsetzung
der Musiktherapie. Die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gemeinschaft wird durch
die Musiktherapie hingegen allenfalls indirekt positiv beeinflusst. Denn es ist nicht von
der Hand zu weisen, dass die Fähigkeit des Klägers, in der Gemeinschaft zu leben,
durch die positive Entwicklung seiner Kommunikationsfähigkeit, seiner sozialen
Kompetenz und seiner lebenspraktischen Fähigkeiten ebenfalls verbessert wird.
Erkennbar im Vordergrund steht allerdings die Beseitigung der Behinderung bzw. die
Minderung der Behinderungsfolgen.
Weitere Anspruchsgrundlagen für das vom Kläger geltend gemachte Begehren sind
nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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