Urteil des SozG Aachen vom 21.06.2005
SozG Aachen: ermessen, kommunikation, arbeitslosenversicherung, aufwand, abstimmung, gebühr, vergütung, klagerücknahme, verwaltungsverfahren, datum
Sozialgericht Aachen, S 11 AL 111/04
Datum:
21.06.2005
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 11 AL 111/04
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1.Auf die Erinnerung des Klägers vom 06.06.2005 wird der
Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
vom 27.05.2005 abgeändert. 2.Die Gebühren und Auslagen des Klägers
werden mit insgesamt 592,76 Euro festgesetzt.
Gründe:
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I. Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung der Verfahrensgebühr.
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In dem durch Klagerücknahme erledigten Hauptsacheverfahren war streitig, ob die
beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) oder die gesondert im Verfahren S 13 RJ 163/04
beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz zuständiger Träger einer
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben war.
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Am 22.04.2005 beantragte die im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete
Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung von insgesamt 592,76 Euro als
notwendige Auslagen des Klägers, wobei sie von einer Verfahrensgebühr in Höhe von
250.- Euro ausging. Mit Beschluss vom 27.05.2005 setzte der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle (UdG) die Kosten mit insgesamt 499,96 Euro fest. Zur Begründung
führte er aus, die geltend gemachte Verfahrensgebühr sei unbillig, denn die
Prozessbevollmächtigte des Klägers sei bereits im Verwaltungsverfahren tätig
geworden, so dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 Vergütungsverzeichnis zum
RVG (VV RVG) auf 170.- Euro zu kürzen sei.
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Der Kläger legte hiergegen am 00.00.2005 Erinnerung ein und führte zur Begründung
aus, es sei auch bei der Verfahrensgebühr wenigstens die Mittelgebühr angemessen:
Die Sach- und Rechtslage sei gerade angesichts der parallelen Geltendmachung des
Anspruchs gegenüber zwei Leistungsträgern nicht einfach gewesen; auch habe sich die
Kommunikation zwischen dem stark sehbehinderten Kläger und seiner
Prozessbevollmächtigten schwierig gestaltet.
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Der UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
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II. Die nach § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist
begründet. Die Höhe der Gebühren der Prozessbevollmächtigten des Klägers bestimmt
sich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 4 des Gesetzes über die Vergütung der
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG) sowie
nach dem Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zum RVG, VV RVG), § 2 Abs. 2 Satz 1
RVG. Nach § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die
Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs
und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit
sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem
Ermessen.
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Zwar verkennt der Kläger den hier einschlägigen Kürzungstatbestand aus Nr. 3103 VV
RVG, dies ist jedoch unschädlich, denn das Gericht überprüft die Festsetzung in vollem
Umfang und entscheidet nach eigenem Ermessen (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/
Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 197, Rn. 10). Die in Ansatz gebrachte
Verfahrensgebühr von 250.- Euro ist auch im Hinblick auf Nr. 3103 VV RVG nicht
unbillig im Sinne von § 14 RVG, denn der Rechtsstreit war jedenfalls von erheblichem
Schwierigkeitsgrad und mit außergewöhnlichem Aufwand verbunden: Erstens musste
eine sinnvolle Abstimmung mit dem Parallelverfahren gegen die LVA Rheinprovinz
erfolgen, zweitens musste sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht mit der ausgesprochen problemträchtigten Vorschrift des § 14
SGB IX befassen. Diese Vorschrift war während des Jahres 2004 Gegenstand einer
weitreichenden Kontroverse in Rechtsprechung und Literatur; die hierzu ergangene
Entscheidung des BSG vom 26.10.2004 (B 7 AL 16/04 R) wird von den Leistungsträgern
bislang nur zögerlich umgesetzt und bisweilen völlig ignoriert. Nachvollziehbar
erscheint auch der Vortrag der Prozessbevollmächtigten, wonach sich die
Kommunikation mit dem stark sehbehinderten Kläger, dem der gesamte Schriftverkehr
vorgelesen werden musste, außergewöhnlich aufwändig gestaltet hat.
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Die Entscheidung ist endgültig, § 197 Abs. 2 SGG.
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