Urteil des OVG Saarland vom 26.01.2007
OVG Saarlouis: standort der anlage, nicht störender gewerbebetrieb, einstellung der bauarbeiten, aufschiebende wirkung, umwelt, auflage, verbrennung, gerichtsakte, abgas, hauptsache
OVG Saarlouis Beschluß vom 26.1.2007, 2 W 27/06
Vorläufiger Nachbarrechtsschutz gegen Blockheizkraftwerk im allgemeinen Wohngebiet
Leitsätze
1. In Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO
betreffend baurechtlichen Nachbarschutz ist die Frage des Vorliegens einer für den Erfolg
des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage
unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts
durch die Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) entscheidend. Lassen sich die
Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs im Aussetzungsverfahren aufgrund der
verfahrensformbedingt eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht abschließend positiv
beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs des Nachbarn gegen eine Baugenehmigung nur Raum, wenn die
überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen
Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung ergibt.
2. Das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene
Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme wird hinsichtlich der Zumutbarkeitsgrenzen durch die
Vorgaben für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen
konkretisiert (§ 22 Abs. 1 BImSchG). Die Einhaltung dieser Anforderungen ist bei
baugenehmigungsbedürftigen Anlagen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens
sicherzustellen.
3. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es hinsichtlich der mit dem Betrieb einer
hier ausnahmsweise zulässigen, „nicht störenden“ gewerblichen Anlage in einem
allgemeinen Wohngebiet einhergehenden Lärmbeeinträchtigungen entscheidend darauf an,
ob die Anlage von ihrer Art her generell geeignet ist, das Wohnen beziehungsweise die
Wohnruhe in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Eine diese Qualität aufweisende
gewerbliche Nutzung lässt sich dann nicht „auf dem Papier“ durch Auflagen in eine nicht
störende Nutzung „verwandeln“, die von den Nachbarn in einem Wohngebiet
hingenommen werden muss.
4. Lärmschutzauflagen, deren Einhaltung weitgehend vom „Wohlverhalten“ des
Anlagenbetreibers oder gar Dritter abhängt, wie etwa das „strikte“ Gebot, alle kippbaren
Lichtbandelemente in den Fassaden eines Gebäudes und die Türen geschlossen zu halten,
sind aus Sicht Beschwerde führender Nachbarn als problematisch anzusehen. Die
Verhinderung unzumutbarer Beeinträchtigungen und damit letztlich die Herstellung der
Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens (Nutzung) durch Schutzauflagen zugunsten
der Nachbarschaft ist nur dann in Betracht zu ziehen, wenn diese Maßnahmen unter
wirtschaftlichen Aspekten „machbar“ und hinsichtlich des angestrebten Erfolges auch
hinreichend „sicher“ erscheinen.
5. Im auf die Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörden zum sofortigen Einschreiten
gerichtete Eilrechtsschutzbegehren (§§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 123 Abs. 1 VwGO) als
auch für die im Falle des Vorliegens einer die Nutzung legitimierenden
bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsentscheidung im Einzelfall notwendig
„vorgeschalteten“ Aussetzungsanträge von Nachbarn ist ein überwiegendes
Nachbarinteresse an der in beiden Fällen letztlich verlangten sofortigen Unterbindung von
Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung einer bereits vorhandenen baulichen Anlage
verursacht werden, nur anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf den Nachbarn ganz
wesentlich über das im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen, so
dass ihm die Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der
Hauptsache in zumutbarer Weise angesonnen werden kann. Das gilt auch für negative
Auswirkungen der Abgase der Anlage, hier konkret eines mit Palmöl als Brennstoff
betriebenen Blockheizkraftwerks.
6. Die landesrechtliche, inhaltlich ausfüllungsbedürftige Bestimmung zum Schutz vor
schädlichen Einwirkungen (§ 14 Satz 1 LBO 2004) wird ebenfalls durch die jeweils
einschlägigen immissionsschutzrechtlichen Vorgaben konkretisiert und hat daher insoweit
keine über das bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB)
hinausgehende eigenständige Bedeutung.
7. Für eine einstweilige Anordnung zur vorläufigen Unterbindung von Bauarbeiten besteht
im Übrigen zumindest keine Dringlichkeit (Anordnungsgrund) mehr, wenn die Anlage in für
die Betroffenheit des vorläufigen Rechtsschutz begehrenden Nachbarn wesentlicher
Hinsicht fertig gestellt ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass gerade ohne die
erstrebte vorläufige Regelung bis zur Entscheidung in einem etwaigen
Hauptsacheverfahren die unzumutbare Erschwerung oder Vereitelung der
Rechtsverfolgung des Nachbarn infolge weiteren Baufortschritts droht.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 13.9.2006 – 5 F 19/06 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen tragen die Antragsteller zu 1) und 2) zu je einem Viertel und die
Antragstellerin zu 3) zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Eigentümer der jeweils mit einem Wohnhaus bebauten Anwesen
Dstraße Nr. 15 (Parzellen Nr. 606/3 und 607/3 in Flur 03 der Gemarkung R, Antragsteller
zu 1) und 2)) und Dstraße Nr. 14 (Parzelle Nr. 644/10, Antragstellerin zu 3) im Stadtteil R
der Antragsgegnerin. Sie haben gegen eine den Beigeladenen unter dem 5.5.2006 im
vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung (Bauschein Nr.
63/01/30/2006) der Antragsgegnerin für die „Nutzungsänderung: Errichtung eines
Blockheizkraftwerkes“ auf dem Anwesen Dstraße 9a (Parzellen Nr. 600/4 und 603/6)
Widerspruch erhoben und begehren im vorliegenden Verfahren die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe sowie eine Verpflichtung der
Antragsgegnerin zur Einstellung der Bauarbeiten mit sofortiger Wirkung. Das eine
Bebauung mit mehreren Gebäuden aufweisende Baugrundstück liegt – von der Dstraße
aus gesehen – hinter dem Wohnhaus Nr. 9 (Nachbaranwesen Parzelle Nr. 600/3). Ein
Bebauungsplan für den Bereich existiert nicht.
Die genehmigten Planunterlagen weisen den Standort des Blockheizkraftwerkes in einem
im rückwärtigen, Teil des Anwesens befindlichen Gebäude aus. Nach einer dem Bauantrag
beigefügten Beschreibung der Feuerungsanlage (Vordruck) sollen 2 Blockheizkraftwerke
mit einer Feuerungswärmeleistung von 550 KW in eine „bestehende Montagehalle“
eingebracht und mit in zwei jeweils 30.0000 l fassenden, beheizten Stahltanks
vorgehaltenem Palmöl befeuert werden. Die Abgase der Anlagen sollen durch zwei je 10 m
über Gelände geführte Abgasrohre abgeführt werden, die in den Plänen südwestlich hinter
dem genannten Gebäude dargestellt sind. In einer „Funktionsbeschreibung“ heißt es unter
anderem, die beiden Heizkraftwerke mit je 16,1 L, 6 Zylinder Dieselmotoren (Leistung 485
KW) würden in schallgedämmten gemauerten Boxen (Geräuschpegel dauerhaft unter 40
dB(A)) betrieben. Der Generator liefere 400 KW/h Strom bei einer Nennlast von 75 %. Die
anfallenden 550 KW Abwärme sollten über Wärmetauscher, externe Pumpen und ein
Nahwärmenetz als Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Wirkungsgrad von über 80 % zur
Heizung des Wohnhauses und der Hallen auf dem Baugrundstück, der in der Nähe
befindlichen Schule und eines Kindergartens sowie zur Deckung des Brauchwasserbedarfs
genutzt werden. Die zweite Anlage werde zur Gewährleistung einer reibungslosen
Versorgung der Schule als redundante Anlage installiert, auf die bei jedem
Wartungsintervall umgeschaltet werde. Zu den von der Anlage erzeugten
Geräuschimmissionen der Gesamtanlage wurde dem Bauantrag ein im Auftrag des
Beigeladenen zu 1) erstelltes Gutachten des SGS/TÜV Saarland GmbH vom 11.4.2006
beigefügt. Die von einem Standort der Anlage in der südlichen Ecke der Halle (gegenüber
dem Stahltor) ausgehenden Prognosen weisen hinsichtlich verschiedener untersuchter
Immissionsorte für die Nachtwerte Beurteilungspegel zwischen 38 dB(A) unter anderem
am Anwesen der Antragsteller zu 1) und 2), 39 dB(A) bei dem Mehrfamilienhaus Dstraße
Nr. 17 (Parzelle Nr. 608/2) und 40 dB(A) im Bereich der südwestlich der Halle liegenden
Bebauung entlang der Bstraße aus.
In den Bauschein wurden eine Vielzahl von Auflagen des Landesamtes für Umwelt und
Arbeitsschutz (LUA) für den Betrieb der Anlage übernommen. Gleichzeitig wurde den
Beigeladenen aufgegeben (Seite 3 des Bauscheins, Nr. 9 und Nr. 11), die Einhaltung der
darin bezeichneten Grenzwerte für staubförmige Emissionen im Abgas der
Verbrennungsmotoranlage (Massenkonzentration max. 20 mg/m
3
) sowie für Emissionen
an Kohlenmonoxid (Massenkonzentration/Abgas max. 0,30 g/m
3
) und an
Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid (Massenkonzentration/Abgas, angegeben als
Stickstoffoxid, max. 1,0 g/m
3
) jeweils bezogen auf einen Volumengehalt an Sauerstoff im
Abgas von 5 %, mindestens alle 6 Monate durch einen unabhängigen Prüfer kontrollieren
zu lassen, die Prüfprotokolle der Antragsgegnerin vorzulegen, und bei
Grenzwertüberschreitungen die Anlage umgehend stillzulegen. Hinsichtlich der
Geruchsimmissionen heißt es in den Auflagen (Nr. 5.), sofern insoweit erhebliche
Belästigungen aufträten, hätten die Betreiber die Ursache zu ermitteln und in Abstimmung
mit dem LUA Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Geruchsemissionen minimiert
werden könnten.
Durch gesonderten Bescheid ebenfalls vom 5.5.2006 wurde den Beigeladenen ferner eine
ausdrücklich mit Widerrufsvorbehalt hinsichtlich der Einhaltung der Auflagen im Bauschein
versehene Ausnahme für den Betrieb eines nicht störenden Gewerbes in Form des
Blockheizkraftwerkes im allgemeinen Wohngebiet erteilt. Schließlich erhielten die
Beigeladenen unter dem 17.5.2006 von der Antragsgegnerin eine wasserrechtliche
Ausnahmegenehmigung.
Am 11.5.2006 erhoben die Antragsteller zu 1) und 2) Widerspruch gegen die
Baugenehmigung. Der Widerspruch der Antragstellerin zu 3) ging am 29.5.2006 ein.
Einem gleichzeitig gestellten Antrag auf Vollzugsaussetzung wurde von der
Antragsgegnerin nicht entsprochen. Über die Widersprüche ist nach Aktenlage noch nicht
entschieden.
Mit Eingang ebenfalls am 29.5.2006 legten auch die Beigeladenen Widerspruch gegen die
Auflage Nr. 11 (Kontrollpflichten) und verschiedene andere Nebenbestimmungen in der
Genehmigung, unter anderem die festgelegten Lärmgrenzwerte (Beurteilungspegel) für
allgemeine Wohngebiete (Nr. 9, Nachtwert: 40 dB(A)) ein. Nachdem die Beigeladenen den
Widerspruch gegen die Gebietseinstufung (Lärmgrenzwerte) zurückgenommen hatten,
wurde ihrem Widerspruch mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.8.2006 insoweit
abgeholfen, als die Kontrolluntersuchungen in größeren Abständen vorgeschrieben wurden
und eine Stilllegung erst nach negativem Ausgang einer Wiederholungsprüfung binnen 6
Wochen erfolgen sollte. Ferner wurden verschiedene Auflagen zum Grundwasserschutz
modifiziert beziehungsweise mit Blick auf die Einordnung des Brennstoffes (Palmöl) als nicht
Wasser gefährdend gestrichen.
Am 17.8.2006 ist der vorliegende Antrag beim Verwaltungsgericht eingegangen. Die
Antragsteller haben auf die Begründung ihrer Widersprüche verwiesen. Darin heißt es, die
maßgebliche Umgebungsbebauung sei als reines Wohngebiet einzustufen, in dem auch der
vorhandene Kindergarten (ausnahmsweise) zulässig sei. Eine im Anwesen Nr. 11
befindliche, nach außen nicht in Erscheinung tretende „Telefonvermittlung“ sei als
Fremdkörper einzustufen. Sie sei einer „wohnartigen Aktivität vergleichbar“, die einen nicht
störenden Gewerbebetrieb darstelle. Gleichwohl sei sie in der Umgebung ein „Unikat“. Eine
nachwirkende Gebietsprägung durch den früher auf dem Vorhabengrundstück
unterhaltenen, von seiner Art her allenfalls in einem Industriegebiet anzusiedelnden,
ohnedies vor langer Zeit endgültig aufgegebenen Gewerbebetrieb scheide aus. Auch dabei
habe es sich um einen „typischen Fremdkörper“ gehandelt. Ein Blockheizkraftwerk der
genehmigten Art sei in Wohngebieten, auch in allgemeinen Wohngebieten, unzulässig und
könne allenfalls ab einem Mischgebiet zugelassen werden. Die zu erwartenden
Luftverunreinigungen und Geruchsbelästigungen seien nicht untersucht worden. Bei den
zugelassenen Lärmgrenzwerten von nachts (Beurteilungspegel) 40 dB(A) mit
Spitzenwerten bis 70 dB(A) unterstelle das vorgelegte Lärmgutachten, dass der Bauherr
die Fenster geschlossen halte. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, inwieweit das
Vorhaben die Auflagen erfüllen könne. Die Vorsorgepflicht begründe einen Anspruch darauf,
dass sichergestellt sei, dass die Immissionen der Anlage die Grenzwerte nicht
überschritten. Es genüge nicht, dass der Immissionsgrenzwert als Auflage einzuhalten sei.
Vielmehr müsse dies unter den Betriebsbedingungen von vorneherein gewährleistet sein.
Dafür gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
Die Antragsteller haben beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die den Beigeladenen
erteilte Baugenehmigung vom 5.5.2006 anzuordnen, und den Antragsgegner zu
verpflichten, die Bauarbeiten unter Anordnung des Sofortvollzugs einzustellen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung entspricht die maßgebliche nähere Umgebung des Baugrundstücks
einem allgemeinen Wohngebiet. Außer Wohnbebauung fänden sich hier der Kindergarten
als Anlage für soziale Zwecke (Dstraße Nr. 20a), die Verwaltung der Stadtwerke im
früheren Rer Rathaus (Ecke Dstraße/Bstraße), das Vorhabengrundstück und die
Telefonvermittlungsstelle der Telekom im Anwesen Dstraße Nr. 11. Diese sei als
fernmeldetechnische Nebenanlage oder als nicht störendes Gewerbe anzusehen und kein
Unikat. Es handele sich um ein „klassisches WA“ im Sinne der Baunutzungsverordnung, in
dem das Blockheizkraftwerk als Ausnahme zulässig sei. Störungen beziehungsweise
Beeinträchtigungen der Nachbarschaft seien aufgrund der zur Genehmigung gehörenden
Auflagen nicht zu erwarten. Um dies auch für die Zukunft sicherzustellen, sei der
Ausnahmebescheid ausdrücklich mit Widerrufsvorbehalt erteilt worden.
Die Beigeladenen haben ebenfalls beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Auch sie haben die Ansicht vertreten, dass die Umgebung „geradezu klassisch“ einem
allgemeinen Wohngebiet entspreche. Neben den von der Antragsgegnerin genannten
Nutzungen seien noch eine Gipsfirma und ein Modegeschäft in der „kreuzenden Bstraße“
zu berücksichtigen. Auf dem Baugrundstück habe sich seit 1945 eine baurechtlich
zugelassene Gießerei befunden, die ihren Betrieb ungefähr im Jahre 2002 eingestellt habe.
Sie hätten das Gelände 2004 gekauft und setzten jetzt die gewerbliche Nutzung durch das
mit Palmöl umweltfreundlich betriebene Kraftwerk fort. Auf dem Grundstück befänden sich
noch eine große und eine kleine Gewerbehalle sowie ein ebenfalls teilgewerblich genutztes
Wohnhaus, in dem eine Dreherei mit Lager und Büro betrieben werde. Mit der Fortsetzung
einer gewerblichen Nutzung in den erhaltenen Gebäuden auf dem nach der
Betriebsaufgabe „recht schnell versteigerten“ Grundstück habe gerechnet werden
müssen. Von einem reinen Wohngebiet könne jedenfalls nicht die Rede sein. Die
Antragsteller behaupteten unsubstantiiert „Belästigungen“ und „mögliche
Gesundheitsstörungen“, ohne sich mit den zu deren Vermeidung in den Bauschein
aufgenommenen Auflagen auseinander zu setzen. Das Geschlossenhalten der Fenster sei
ausdrücklich vorgeschrieben und daher kein „Willensakt“ des Bauherrn. Bei der
Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Suspensiveffekt
von Nachbarwidersprüchen gegen eine Baugenehmigung ausdrücklich ausgeschlossen
habe. Da auch durch weitere Einzelanweisungen bis hin zur Anordnung der Stilllegung der
Anlage etwaige schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden könnten, würden die
Antragsteller auch durch eine Fortsetzung der Bauarbeiten nicht in unumkehrbarer Weise
beeinträchtigt.
Das Verwaltungsgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 13.9.2006 – 5 F 19/06 –
zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, unter den eingeschränkten
Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens könne nicht festgestellt
werden, dass die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zumindest auch dem Schutz
der Antragsteller dienende Rechtsvorschriften verletze. Ein Verstoß gegen die nach der
Grundstückszuordnung insoweit allein in Betracht kommenden planungsrechtlichen
Bestimmungen könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Das
genehmigte Blockheizkraftwerk sei aufgrund seiner Größe und wegen der zahlreichen
„strikten“ Auflagen als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO im
allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig. Obwohl eine abschließende Festlegung
der Gebietsart nicht möglich sei, sprächen erhebliche Anhaltspunkte gegen ein reines
Wohngebiet. Neben Wohngebäuden seien mehrere Grundstücke vorhanden, auf denen
gewerbliche Nutzung stattfinde. Stehe den Antragstellern kein
Gebietsgewährleistungsanspruch zu, so könne sich eine Nachbarrechtsverletzung nur unter
dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots ergeben. Ein offensichtlicher Verstoß könne
wegen der Auflagen nicht festgestellt werden, zumal die Antragsteller nicht unmittelbare
Nachbarn seien. Derzeit spreche wenig dafür, dass von der genehmigten Anlage für die
Antragsteller unzumutbare Immissionen ausgingen. Vorliegend würden auch keine
irreversiblen Fakten geschaffen.
Mit der fristgerecht erhobenen und begründeten Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr
Begehren uneingeschränkt weiter. Sie machen einen Gebietsgewährleistungsanspruch in
einem faktisch reinen, aber auch in einem allgemeinen Wohngebiet geltend. Von einer
fortwirkenden Prägung der früheren gewerblichen Nutzung auf dem Baugrundstück sei
nicht auszugehen. Eine solche sei seit etwa 10 Jahren nicht mehr wahrgenommen worden.
Gewerbeanmeldungen seien nicht geeignet, eine bodenrechtliche Nutzung nachzuweisen.
Die Entscheidung über den Gebietscharakter dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten,
verstoße gegen das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Gegebenenfalls sei
im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Ortsbesichtigung anzuberaumen. Lege man
ein allgemeines Wohngebiet zugrunde, so könne das Heizkraftwerk aufgrund seiner
typischen, die allgemeine Zweckbestimmung des Gebiets gefährdenden Nutzungsweise
nicht einem nicht störenden Gewerbebetrieb gleichgestellt werden. Bei der Beurteilung des
Störgrades sei auf die typische Betriebsform und die sich daraus erfahrungsgemäß
ergebenden Auswirkungen abzustellen. Bei der Verwendung von Ölen als Brennstoff seien
das veränderte Verbrennungsverhalten und die hieraus resultierenden höheren
Abgasimmissionen sowie der größere Aufwand bei der Kraftstofflogistik aufgrund des
Stockpunktes von Palmöl bei 34
C problematisch. Zur Unbedenklichkeit müssten
verbesserte Systeme zur Reduzierung der Abgasimmission entwickelt werden, die noch
nicht zur Verfügung stünden. Bei einem Brennstoffverbrauch von täglich 2.000 l seien die
Nachbarn erheblichen Abgasimmissionen ausgesetzt. Gleiches gelte für die
Betriebsgeräusche und die Beeinträchtigungen durch den zu erwartenden Zu- und
Abgangsverkehr. Abgesehen davon, dass die Produktion von Palmöl zu immensen
Umweltschäden in den produzierenden Ländern führe, sei die erbgutverändernde Wirkung
und damit das Krebsrisiko bei Rapsöl zehnmal höher als bei Dieselkraftstoff. Nicht
umgerüstete Motoren zeigten nach 50-stündigem Betrieb Verkrustungen an den
Einspritzdüsen, was das Emissionsverhalten nachteilig beeinflusse. Die Rußpartikel könnten
Gesundheitsschäden hervorrufen, da sie sehr klein und damit lungengängig seien. Das
Vorhaben sei damit als eine den Gebietscharakter eines Wohngebiets erheblich störende
gewerbliche Nutzung zu qualifizieren. Ein von den Beigeladenen angesprochenes
Modegeschäft sei seit 18 Jahren geschlossen. Die „Gipsfirma“, bei der es sich um ein
Stuckateurgeschäft handele, befinde sich in der unteren Bstraße und könne schon von
daher das Vorhabengrundstück nicht prägen. Die Anlage sei am 5.11.2006 unter
erheblicher Rauch- und Geruchsentwicklung und mit einer deutlich hörbaren
„Geräuschkulisse“ in Betrieb genommen worden. Lärm- und Geruchsimmissionen lägen
über den zulässigen Grenzwerten, was die Gebietsunverträglichkeit belege und bereits zu
einer Vielzahl von Beschwerden Anlass gegeben habe. Es sei nicht auszuschließen, dass bei
dem Betrieb die stark giftige und krebserregende chemische Substanz Acrolein freigesetzt
werde. Die Antragsteller haben zur Bekräftigung ihres Vortrags verschiedene
Veröffentlichungen sowie zwei nach ihren Angaben am 5.11.2006 gefertigte
Fotoaufnahmen zur Akte gereicht.
Die Antragsgegnerin bekräftigt ihr Vorbringen, wonach die gewerbliche Nutzung der
Gebäude auf dem Baugrundstück durch eine Elektro-pyrotechnische Metallgießerei und eine
industrielle Montage von Lüftungsanlagen („Raumlufttechnik“) bis zur Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens im Januar 2003 betrieben worden sei. Dies ergebe sich aus Gewerbe-
und Handelsregister. Der Hinweis der Antragsteller auf negative Wirkungen einer
Verbrennung von Rapsöl („Biodiesel“) greife schon deswegen nicht durch, weil das zur
Verbrennung genehmigte Palmöl sich chemisch davon unterscheide und vergleichbare
Auswirkungen bei Palmöl nicht belegt seien.
Die Beigeladenen, die ebenfalls eine Zurückweisung der Beschwerde beantragt haben,
verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung. Was die Gebietseinstufung anbelange, so
ignorierten die Antragsteller weiterhin das Verwaltungsgebäude der Stadtwerke, die durch
mehrmals täglich stattfindenden Lieferverkehr gekennzeichnete Nutzung des
Telekomgebäudes sowie die im unmittelbaren Einmündungsbereich der Dstraße in der
Bstraße befindliche „Gipserfirma“. Hieraus ergebe sich der Charakter eines allgemeinen
Wohngebiets. Nach Aufgabe der Vorläufernutzung Anfang des Jahres 2003 und Kauf durch
sie – die Beigeladenen – sei das Anwesen bereits 2004 teilweise wieder gewerblich vom
Beigeladenen zu 1) genutzt worden. Wenn sogar eine Tankstelle mit ungleich mehr
Verkehrsaufkommen in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sei, müsse das erst Recht
für das deutlich geringe Verkehrsaufkommen im vorliegenden Fall gelten. Der Motor der
Anlage sei selbstverständlich auf die Verbrennung von Palmöl, bei dem es sich um ein
ungefährliches Lebensmittel handele, umgerüstet. Forschungsergebnisse, die wie beim
Rapsöl eine erhöhte Krebsgefahr möglich erscheinen ließen, gebe es ersichtlich nicht. Auch
sei es nicht richtig, dass es keine Abnehmer für die Abwärme der Anlage gebe. Die
Leitungen zum Nachbargrundstück seien verlegt. Mehrere weitere Anwohner hätten
ebenfalls lebhaftes Interesse bekundet, so dass auch die funktionale Zuordnung zum
Wohngebiet gewahrt bleibe. Die Schilderungen hinsichtlich der Inbetriebnahme seien falsch.
Bei mehreren kurzfristigen Probestarts am 5.11.2006 habe die Abgasanlage infolge einer
Ansammlung von Kondens- und Regenwasser „zunächst für kurze Zeit genebelt“. Der
eigentliche Betrieb sei zu dem im Einspeisungsvertrag mit den Stadtwerken vereinbarten
Termin am 1.12.2006 aufgenommen worden. Am 6.12.2006 sei die Anlage durch
Mitarbeiter des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz inspiziert worden.
Beanstandungen hätten sich dabei nicht ergeben. Ein anfänglich zu bemerkender „leichter
Geruch“ sei nach Ergänzung der Abgasanlage und wegen der besseren Verbrennung im
zwischenzeitlichen Dauerbetrieb nicht mehr feststellbar. Angesicht der hohen
Verbrennungstemperaturen verbrenne das Öl ohne Rückstände, so dass keine thermische
Zersetzung stattfinde und auch kein Acrolein entstehe.
II.
Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 13.9.2006 – 5 F 19/06 – ist zulässig, aber unbegründet. Die
nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im
Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung gebietet keine abweichende
Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens der Antragsteller nach §§ 80a, 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO. Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag zu Recht zurückgewiesen.
Dies gilt zunächst, soweit sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer
Widersprüche gegen die den Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach
§ 64 LBO 2004 mit Bauschein vom 5.5.2006 erteilten Baugenehmigung für die
„Nutzungsänderung: Errichtung eines Blockheizkraftwerks“ auf dem Anwesen Dstraße Nr.
9a in S begehren.
In derartigen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den
Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des jeweils
in der Hauptsache eingelegten Nachbarrechtsbehelfs. Entscheidend ist daher die Frage des
Vorliegens einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer
anschließenden Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung ihrem
Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts (vgl. etwa OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der
Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene
Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, im Einzelfall
keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen
Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ebenso etwa Beschlüsse vom 16.12.2003 – 1 W
42/03 -, vom 24.6.2004 – 1 W 18/04 –, SKZ 2005, 71, Leitsatz Nr. 26, und vom
6.9.2004 – 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94, Leitsatz Nr. 35) durch die Baugenehmigung (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei ist die vom Gesetzgeber für das vereinfachte
Genehmigungsverfahren vorgenommene Einschränkung des materiellrechtlichen
Prüfungsprogramms zu beachten, so dass hierbei im Wesentlichen nur die Vorschriften des
Bauplanungsrechts in den Blick zu nehmen sind (§ 64 Abs. 2 Nr. 1 LBO 2004) (vgl. dazu
etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 20.12.2005 – 2 W 33/05 -, SKZ 2006, 157,
noch zu § 67 Abs. 2 LBO 1996). Lassen sich die Erfolgsaussichten im
Aussetzungsverfahren aufgrund der verfahrensformbedingt eingeschränkten
Erkenntnismöglichkeiten nicht abschließend positiv beurteilen, so ist für eine Anordnung der
kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1
BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine
Baugenehmigung nur Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest
gewichtige Zweifel
Genehmigung ergibt (vgl. hierzu im Einzelnen etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom
27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, st.
Rechtsprechung).
Unter bodenrechtlichen Gesichtspunkten könnten vorliegend, da sich das
Vorhabengrundstück in der nicht beplanten Ortslage von R befindet, Abwehrrechte der
Antragsteller im Falle des Vorliegens eines faktischen Baugebiets nach den §§ 2 ff. BauGB,
insbesondere eines Wohngebiets (§§ 3 oder 4 BauNVO), unter dem Aspekt eines sog.
Gebietserhaltungsanspruchs hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (§ 34 Abs. 2
BauGB) oder aber mit Blick auf das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1
Satz 1 BauGB enthaltenen Gebotes nachbarlicher Rücksichtnahme ergeben, das
hinsichtlich der Zumutbarkeitsgrenzen durch die Vorgaben für immissionsschutzrechtlich
nicht genehmigungsbedürftige Anlagen konkretisiert wird (§ 22 Abs. 1 BImSchG). Die
Einhaltung dieser Anforderungen ist bei baugenehmigungsbedürftigen Anlagen im Rahmen
des Baugenehmigungsverfahrens sicherzustellen.
Wegen des hinsichtlich der in der maßgeblichen Umgebungsbebauung vorhandenen
Nutzungen abweichenden Vortrags der Beteiligten und insbesondere der im Hinblick auf die
Frage einer fortprägenden Wirkung der auf dem Baugrundstück vormals betriebenen
gewerblichen Nutzungen lässt sich eine Gebietsreinheit nicht feststellen und eine
verlässliche Einordnung des Gebietscharakters im Sinne der genannten Vorschriften nicht
vornehmen. Unter Zugrundelegung des unstreitigen Kerns des Sachvortrags und der
vorliegenden Akten kann der Senat jedenfalls nicht davon ausgehen, dass hier ein reines
Wohngebiet (§ 3 BauNVO) vorliegt. Aber auch wenn man, wie – wie von Beigeladener und
Antragsgegnerin vorgetragen – von einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) ausgeht,
ist den Antragstellern auch insoweit zuzugestehen, dass die Gebietsverträglichkeit des mit
Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) genehmigten Blockheizkraftwerks zumindest rechtlich
nicht unbedenklich erscheint.
Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der mit dem Betrieb der
Anlage einhergehenden Lärmbeeinträchtigungen entscheidend darauf an, ob die von der
Antragsgegnerin in Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als „nicht störend“ und daher
ausnahmsweise in der Umgebung als zulässig angesehene gewerbliche Anlage von ihrer
Art her generell geeignet ist, das Wohnen beziehungsweise die Wohnruhe in einem
allgemeinen Wohngebiet zu stören. Eine diese Qualität aufweisende gewerbliche Nutzung
lässt sich dann nicht „auf dem Papier“ durch Auflagen in eine nicht störende Nutzung
„verwandeln“, die von den Nachbarn in einem Wohngebiet hingenommen werden muss.
Die hier im Wege von Nebenbestimmungen getroffene Vielzahl von Auflagen mit
unterschiedlichen Schutzrichtungen deutet darauf hin, dass die Anlage vom Typ her
hinsichtlich ihrer Wohngebietsverträglichkeit nicht unbedenklich ist.
Darüber hinaus hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere
Lärmschutzauflagen, deren Einhaltung weitgehend vom „Wohlverhalten“ des
Anlagenbetreibers oder gar Dritter abhängt, wie hier etwa das unter Nr. 14 in den Auflagen
des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) enthaltene strikte Gebot, alle
kippbaren Lichtbandelemente in den Fassaden des Gebäudes und die Türen geschlossen zu
halten, aus Sicht Beschwerde führender Nachbarn als problematisch angesehen. Grund
dafür ist die oft unmögliche Überwachbarkeit der Befolgung solcher Auflagen, die einen
Nachbarn in die Rolle des „Kontrolleurs“ zwingt, der sich dann bei jedem Pflichtverstoß an
die Behörde wenden muss und der dann – zumindest mit der Zeit – Gefahr läuft, als
lästiger Querulant „abgewimmelt“ zu werden (vgl. beispielsweise OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 13.8.2001 – 2 W 2/01 -, SKZ 2002, 160, Leitsatz Nr. 37
(Kunststoffrecycling/Nachtschichtbetrieb)). Solche Konflikte zeichnen sich auch im
konkreten Fall ab, wie die schriftsätzlichen Äußerungen und Bewertungen der
Privatbeteiligten hinsichtlich der Folgen des „Anfahrens“ und des zwischenzeitlichen
Betriebs des Kraftwerks deutlich machen. Aus diesem Grund ist die Verhinderung
unzumutbarer Beeinträchtigungen und damit letztlich die Herstellung der
Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens (Nutzung) durch Schutzauflagen zugunsten
der Nachbarschaft nach der Rechtsprechung des Senats nur dann in Betracht zu ziehen,
wenn diese Maßnahmen unter wirtschaftlichen Aspekten „machbar“ und hinsichtlich des
angestrebten Erfolges auch hinreichend „sicher“ erscheinen.
Das bedarf indes für die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keiner
Vertiefung. Sowohl für auf die Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörden zum sofortigen
Einschreiten gerichtete Eilrechtsschutzbegehren (§§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 123 Abs. 1
VwGO) als auch für die im Falle des Vorliegens einer die Nutzung legitimierenden
bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsentscheidung im Einzelfall notwendig
„vorgeschalteten“ Aussetzungsanträge von Nachbarn ist ein überwiegendes
Nachbarinteresse an der in beiden Fällen letztlich verlangten sofortigen Unterbindung von
Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung einer bereits vorhandenen baulichen Anlage
verursacht werden, nur dann anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf den Nachbarn
ganz wesentlich über das im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen,
so dass ihm die Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der
Hauptsache in zumutbarer Weise angesonnen werden kann, da in diesen Fällen nicht die
Schaffung „vollendeter Tatsachen“ droht wie etwa bei der Errichtung von Gebäuden (vgl.
dazu OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 10.11.2006 – 3 W 5/06, 3 W 6/06, 3 W 7/06
und 3 W 8/06 – (Windkraftanlagen), wonach unter Lärmschutzgesichtspunkten jedenfalls
die in der TA-Lärm enthaltenen Beurteilungspegel für Kern-, Dorf- und Mischgebiete
vorübergehend hinnehmbar sind, vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94 Leitsatz Nr.
35 (PKW-Lackiererei mit Karosseriebauwerkstatt, Aussetzungsantrag), vom 21.8.1997 – 2
W 2/97 -, SKZ 1998, 18, NVwZ-RR 1998, 636 (Selbstbedienungswaschanlage für
Kraftfahrzeuge, Aussetzungsbegehren), vom 12.9.2003 – 1 W 22/03 -, SKZ 2004, 84,
Leitsatz Nr. 35 (Einschreitensbegehren), vom 26.3.1996 – 2 W 4/96 – (Kindertagesstätte
im Reihenhaus), n.v., vom 4.5.1995 – 2 W 9/95 – (landwirtschaftliches Stallgebäude), n.v.,
und vom 7.2.1994 – 2 W 41/93 – (Bankettsaal eines Hotels), n.v.). Davon kann nicht
ausgegangen werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die
Ausnahmeerteilung (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) mit einem Widerrufsvorbehalt versehen und
in den Auflagen Regelungen getroffen hat, um im Falle erheblicher Belästigungen der
Wohnnachbarschaft gegebenenfalls kurzfristig eine Stilllegung zu verfügen. Der
Widerrufsvorbehalt, der für den Fall des Widerrufs eine Frist von 4 Wochen für die
Nutzungsaufgabe vorsieht, bezieht sich auf die Auflage Nr. 11 zum Bauschein vom
5.5.2006, die bestimmte Kontrollen und Überwachungen der Anlage hinsichtlich der
Einhaltung der Auflagen Nr. 1 bis Nr. 4 des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz
(LUA) durch unabhängige Prüfer vorsieht (vgl. hierzu den einem Widerspruch der
Beigeladenen gegen die ursprüngliche (strengere) Fassung der Auflage Nr. 11 im
Bauschein abhelfenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.8.2006, wobei die
Bauschein abhelfenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.8.2006, wobei die
genannten Auflagen des LUA Emissionsgrenzwerte für die Abgase des Blockheizkraftwerks
enthalten). Der Vorbehalt wie auch die zahlreichen Nebenbestimmungen zur
Baugenehmigung lassen insgesamt erkennen, das die Antragsgegnerin der Anlage
durchaus „kritisch“ begegnet und bemüht ist, deren Betrieb „unter Kontrolle“ zu halten.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Hinnahme des Betriebs des Kraftwerks durch die
Antragsteller jedenfalls bis zum Abschluss der von ihnen eingeleiteten
Rechtsbehelfsverfahren zumutbar.
Das gilt auch für die von den Antragstellern befürchteten negativen Auswirkungen der
Abluft der Anlage. In dem Hauptsacheverfahren wird auch der Frage nachzugehen sein, ob
– wie die Antragsteller unter Vorlage einer Reihe sich freilich auf andere biologische
Brennstoffe, insbesondere das mit staatlicher Förderung zunehmend beim Antrieb von
Kraftfahrzeugen zu Einsatz kommende Rapsöl (vgl. den von den Antragstellern vorgelegten
Textauszug aus „Panorama“ vom 29.6.2006, „Gefährlicher Ökosprit – Untersuchung zeigt
Krebsrisiko bei Rapsöl“, Blätter 200 ff. der Gerichtsakte, sowie die von den Antragstellern
zu 1) und 2) erstellte „Quellensammlung“ zum Thema „Folgen des verstärkten Einsatzes
von Pflanzenöl als Energieträger“ (Stand: 20.8.2006), Abschnitt zum Thema „Emissionen
und Gesundheitsschädlichkeit“, dort zu den Fußnoten 12 ff., Blätter 213 ff., hier 217 der
Gerichtsakte), geltend machen – die Abgase negative Auswirkungen auf die Gesundheit der
Anwohner haben. Durchgreifende Anhaltspunkte oder sogar wissenschaftliche Belege für
konkret gesundheitsschädliche Auswirkungen der von der konkreten Anlage erzeugten
Abluft, die eine Hinnahme als schlechthin unzumutbar erscheinen lassen könnten, liegen
gegenwärtig jedenfalls nicht vor (vgl. die von den Antragstellern zu 1) und 2) erstellte
„Quellensammlung“ zum Thema „Folgen des verstärkten Einsatzes von Pflanzenöl als
Energieträger“ (Stand: 20.8.2006), Abschnitt zum Thema „Emissionen und
Gesundheitsschädlichkeit“, dort zu den Fußnoten 11, Blätter 213 ff. der Gerichtsakte, wo
die Verwendung auch von Palmöl u.a. wegen eines „veränderten Verbrennungsverhaltens“
vornehmlich bei mittleren und großen Leistungsbereichen lediglich allgemein als
„problematisch“ bezeichnet wird). Soweit die Antragsteller darauf hinweisen, dass nach
dem von den Beigeladenen zu den Akten gereichten „EG-Sicherheitsdatenblatt: Raffiniertes
Palmöl“ (vgl. das entsprechende Dokument (Ablichtung) nach der EGV 2001/58/EG, Stand
Januar 2006, Blätter 255/256 der Gerichtsakte) mit der Entstehung und Freisetzung der
„stark giftigen und Krebs erzeugenden“ chemischen Substanz Acrolein (C
3
H
4
O) zu
rechnen sei, bleibt festzuhalten, dass der Hinweis in dem Sicherheitsdatenblatt im
Abschnitt 5 enthalten ist, der speziell „Maßnahmen zur Brandbekämpfung“, nicht aber
generell den Betrieb eines Blockheizkraftwerks betrifft. Hieraus kann nicht ohne weiteres
geschlossen werden, dass bei dem im Betriebsablauf üblichen Verbrennungsvorgang
entsprechend der Angabe für eine unkontrollierte Verbrennung im Fall eines offenen
Brandes die Bildung von Acrolein infolge thermischer Zersetzung und seine Freisetzung in
die Umwelt erfolgt. Das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz hat auch hinsichtlich der
Abgase des Kraftwerks der Beigeladenen – bei Einhaltung der Auflagen unter anderem
betreffend die Abgasführung und die Abluftbehandlung – erklärt, dass gegen die Ausführung
des Vorhabens, mithin den Betrieb der Anlage, „keine grundsätzlichen Bedenken“
bestünden (vgl. das undatierte Schreiben des LUA an die Antragsgegnerin, Blatt 27 der
Bauakte). Die von den Antragstellern angesprochenen negativen ökologischen
Auswirkungen der Produktion des Palmöls in den Herkunftsländern sind sicher als solche
nicht von der Hand zu weisen, können aber für den Gegenstand des vorliegenden
Nachbarstreits keine Bedeutung erlangen.
Die abschließende planungsrechtliche Beurteilung der genehmigten Anlage unter
Nachbarrechtsaspekten ist daher dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten, in dessen
Rahmen gegebenenfalls eine weitere Sachverhaltsaufklärung mit Besichtigung der
Örtlichkeit zur Bestimmung der in dem Zusammenhang nach § 34 BauGB anzulegenden
Maßstäbe geboten ist. Ein aus dem von den Antragstellern angeführten
verfassungsgerichtlichen Effektivitätsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG ableitbares Erfordernis
der verfahrensmäßigen „Vorwegnahme“ des Hauptsacheverfahrens, insbesondere
hinsichtlich der Tatsachenermittlung besteht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
in aller Regel – so auch hier - nicht. Die Fertigstellung des Bauvorhabens als Ergebnis der
(legalen) Ausnutzung der Baugenehmigungen unter Inanspruchnahme ihrer vorläufigen
Vollziehbarkeit ist nach dem Gesagten weder irreversibel noch mit Auswirkungen auf den
Nachbarn verbunden, deren Hinnahme – selbst bei unterstellter Nachbarrechtswidrigkeit -
für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens als schlechthin unzumutbar angesehen werden
könnte. Die sich aus § 212a Abs. 1 BauGB ergebenden Nachteile für den Nachbarn, aber
auch die damit einhergehenden wirtschaftlichen Risiken für den Bauherrn angesichts der
Möglichkeit eines späteren Erfolgs des Nachbarn in der Hauptsache hat der Gesetzgeber in
Kauf genommen.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich gleichzeitig, dass den Antragstellern kein
Anordnungsanspruch (§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO) zusteht, soweit es das
Bauplanungsrecht und damit den Entscheidungsrahmen des § 64 Abs. 2 LBO 2004 betrifft.
Weitergehende Abwehransprüche der Antragsteller aufgrund nicht zu diesem behördlichen
Prüfprogramm gehörender Vorschriften, insbesondere des Bauordnungsrechts, werden mit
der Beschwerde nicht geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich. Die
landesrechtliche, inhaltlich ausfüllungsbedürftige Bestimmung zum Schutz vor schädlichen
Einwirkungen (§ 14 Satz 1 LBO 2004) wird ebenfalls durch die jeweils einschlägigen
immissionsschutzrechtlichen Vorgaben konkretisiert und hat daher insoweit keine über das
bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) hinausgehende
eigenständige Bedeutung (vgl. dazu etwa Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht
Saarland, 2. Auflage 2005, Kap. XI RNrn. 124-126).
Daher mag dahinstehen, ob das auf den Erlass einer Baueinstellung (§ 81 LBO 2004)
gerichtete Anordnungsbegehren der Antragsteller überhaupt noch Erfolg haben kann. Die
entsprechende Einschreitensbefugnis der Antragsgegnerin setzt voraus, dass noch
„Arbeiten“ stattfinden, die einem entsprechenden Verbot zugänglich wären. Das erscheint
nach derzeitigem Stand zumindest sehr fraglich. Die Anlage wurde im November
beziehungsweise im Dezember 2006 in Betrieb genommen. Für eine einstweilige
Anordnung zur vorläufigen Unterbindung von Bauarbeiten besteht im Übrigen zumindest
keine Dringlichkeit (Anordnungsgrund) mehr, wenn die Anlage in für die Betroffenheit des
vorläufigen Rechtsschutz begehrenden Nachbarn wesentlicher Hinsicht fertig gestellt ist
und kein Grund zu der Annahme besteht, dass gerade ohne die erstrebte vorläufige
Regelung bis zur Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die unzumutbare
Erschwerung oder Vereitelung der Rechtsverfolgung des Nachbarn infolge weiteren
Baufortschritts droht (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.6.2003 – 1 W
12/03 -, SKZ 2003, 202, Leitsatz Nr. 52).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159, 162 Abs. 3 VwGO, 100 ZPO.
Der Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen entspricht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO; sie haben auch im
Rechtsmittelverfahren eigene Anträge gestellt und damit Kostenrisiken übernommen (§
154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1,
47 GKG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.