Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 17.10.2008

OVG Koblenz: überwiegendes öffentliches interesse, vorläufiger rechtsschutz, visum, trennung, verfügung, lebensgemeinschaft, ghana, pass, aufenthaltserlaubnis, botschaft

OVG
Koblenz
17.10.2008
7 B 10830/08.OVG
Ausländerrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn A.,
- Antragsteller und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt Dr. Gerhard Grüner, Freseniusstraße 29, 65193 Wiesbaden,
gegen
die Stadt Worms, vertreten durch den Oberbürgermeister, Marktplatz 2, 67547 Worms,
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
wegen Aufenthaltserlaubnis (Ghana)
hier: vorläufiger Rechtsschutz
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
17. Oktober 2008, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch
Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden
Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 18. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet.
Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung, das der Senat allein berücksichtigen kann (§ 146 Abs. 4
Sätze 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen
Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG schon die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG
entgegensteht, wonach ein Ausländer, der - wie der Antragsteller mit bestandskräftiger Verfügung vom
7. Oktober 2004 - ausgewiesen worden ist, sich nicht im Bundesgebiet aufhalten darf und ihm auch bei
Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt wird.
Dies wird vom Antragsteller mit der Beschwerde auch nicht angegriffen.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, dass die Verweisung eines Ausländers auf
die Einholung des für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Visums vor der Einreise, wie
sie § 6 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorsieht, mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von
Ehe und Familie nach Art. 6 GG auch nach der neueren Kammerrechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich vereinbar ist. Denn das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die
allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der
Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im
Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise
einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der Aufenthalt im Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzu-
nehmen. Wenn die Weiterführung der bereits gelebten Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer und
seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist, ist eine voraussichtlich über die Länge
des normalen Visumverfahrens hinausgehende Trennung - und damit für einen nicht nur unerheblichen
Zeitraum - aber in der Regel unzumutbar (vgl. BVerfG, InfAuslR 2008, 347 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass zwischen ihm und seinem von
einer deutschen Staatsangehörigen am 22. Dezember 2007 geborenen Kind eine schützenswerte
Lebensgemeinschaft schon vorliegt. Diese Annahme wird durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten
eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und der Kindesmutter gestützt.
Das Verwaltungsgericht hat sodann angenommen, besondere Umstände, die eine vorübergehende
Trennung des Antragstellers von seinem Kind mit Blick auf Art. 6 GG als unzumutbar erscheinen ließen,
lägen nicht vor. Für ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer vorläufigen Beendigung des
Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet spreche insbesondere, dass er nicht nur gegen
aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen, sondern auch Straftaten begangen habe, um ein
Aufenthaltsrecht zu erreichen bzw. seinen Aufenthalt tatsächlich zu verlängern. Hinzu komme die lange
Dauer seines rechtswidrigen Aufenthalts in Deutschland von 2002 bis 2008. Demgegenüber beschränke
sich die Dauer des Visumverfahrens als solches auf einen überschaubaren Zeitraum. Eine Trennung von
einigen Monaten für das Visumverfahren sei für ein ca. einjähriges Kleinkind nicht unzumutbar. Auch
ansonsten sei nicht ersichtlich, was dem Antragsteller die Durchführung eines Visumverfahrens
unzumutbar machen würde. Die Betreuung seines Kindes sei durch die Mutter sichergestellt, die derzeit
arbeitslos sei.
Hiergegen macht der Antragsteller geltend, das Visumverfahren werde mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als einige Monate dauern.
Er verweist dabei zunächst auf ein Merkblatt der deutschen Botschaft in Accra (Ghana), wonach eine
Terminsvergabe zur persönlichen Vorsprache für einen Visumantrag nur mit Wartefristen von bis zu acht
Wochen möglich sei und außerdem unter anderem eine Geburtsurkunde und ein Sprachzeugnis zum
Nachweis einfacher Deutschkenntnisse vorzulegen seien.
Eine Wartefrist von bis zu acht Wochen zur persönlichen Vorsprache bei der deutschen Botschaft in
Ghana rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass das Visumverfahren nicht innerhalb einiger Monate
abgeschlossen werden kann. Hinsichtlich der geforderten Geburtsurkunde hat der Antragsteller nicht
dargelegt, weshalb er Schwierigkeiten haben sollte, diese alsbald vorzulegen, zumal er bei der
Ausländerbehörde eine Geburtsurkunde in Kopie vorlegen konnte und auch auf seinen Antrag im Mai
2008 ersichtlich mühelos innerhalb von rund einer Woche einen neuen ghanaischen Pass ausgestellt
bekam. Ebenso wenig hat er dargelegt, weshalb er Schwierigkeiten haben sollte, das geforderte
Sprachzeugnis zum Nachweis einfacher Deutschkenntnisse in absehbarer Zeit vorzulegen. Die
gegenteilige Annahme wäre im Übrigen auch fernliegend angesichts dessen, dass der Antragsteller sich
seit mehreren Jahren, wenn auch illegal, in Deutschland aufhält und seit rund zwei Jahren eigenen
Angaben zufolge mit der deutschen Mutter des gemeinsamen Kindes "ein Paar" ist, sodass er zumindest
einfache Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben haben dürfte.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird auch nicht die Prüfung des § 5 Abs. 4 AufenthV das
Verfahren der Visumerteilung verzögern. Denn diese Bestimmung betrifft die Ausstellung eines deutschen
Reiseausweises für Ausländer, die keinen Pass oder Passersatz besitzen, und ist hier nicht einschlägig,
Reiseausweises für Ausländer, die keinen Pass oder Passersatz besitzen, und ist hier nicht einschlägig,
da der Antragsteller einen ghanaischen Pass besitzt.
Soweit der Antragsteller geltend macht, eine weit mehr als einige Monate dauernde Prüfung durch die
deutsche Auslandsvertretung vor Erteilung des Visums sei "angesichts der hiesigen Vorgeschichte" zu
erwarten, ist mit diesem pauschalen Vorbringen schon nicht hinreichend dargelegt, aufgrund welcher Um-
stände der "Vorgeschichte" hier mit einem längerem Zeitraum als der üblichen Dauer des
Visumverfahrens zu rechnen sein sollte.
Sollte der Antragsteller wegen seiner wiederholten und langjährigen Täuschung über seine wahre
Identität Schwierigkeiten bei der Visumerteilung befürchten, so wäre diese Befürchtung im Übrigen auch
insofern unbegründet, als der Antragsteller seine Identität mittlerweile aufgedeckt hat und daher
diesbezüglich kein Prüfungsbedarf mehr besteht. Allerdings steht derzeit noch die Sperrwirkung der
gegen ihn wegen seiner Straftaten verfügten Ausweisung vom 7. Oktober 2004 nach § 11 Abs. 1 Sätze 1
und 2 AufenthG einer Visumerteilung entgegen. Diese Wirkung wird jedoch auf Antrag in der Regel
befristet (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Der Antragsteller hat mit der Beschwerde nicht dargelegt, dass
er auf einen solchen Antrag hin nicht mit einer der Bedeutung der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen
des Art. 6 GG entsprechenden Frist rechnen könnte. Er hat nicht einmal dargetan, bereits einen
Befristungsantrag gestellt zu haben. Es sind der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte dafür zu
entnehmen, dass die auf seinen Antrag zu setzende Frist über die übliche Dauer des Visumverfahrens
von einigen Monaten hinausgehen wird.
Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung steht auch mit der vom Antragsteller angeführten
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang, wonach das Bestehen einer
aufenthaltsrechtlich schützenswerten Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind
sich verfassungsrechtlich tragfähig nicht allein mit einem Verweis auf die Möglichkeit der Betreuung im
erforderlichen Umfang auch durch die Mutter verneinen lässt; der spezifische Erziehungsbeitrag des
Vaters wird durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter nicht entbehrlich (vgl. BVerfG, NVwZ 2000,
59). Das Verwaltungsgericht hat nämlich mit seiner Erwägung, dass die Betreuung des Kindes durch die
Mutter sichergestellt sei, die derzeit arbeitslos sei, nicht das Bestehen einer schützenswerten
Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Kind in Abrede gestellt, sondern lediglich
begründet, dass dem Antragsteller nicht aufgrund besonderer Umstände selbst die vorübergehende
Trennung zur Durchführung des Visumverfahrens unzumutbar sei.
Soweit die Kindesmutter in der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung
erklärt, sie wolle, sobald das Kind ein Jahr alt sei, wieder arbeiten gehen, der Antragsteller solle dann
zunächst das Kind tagsüber betreuen, ist damit nicht hinreichend dargelegt, dass das Kind des
Antragstellers auf dessen Betreuung wegen der Berufstätigkeit der Mutter vor Abschluss des Visum-
verfahrens angewiesen sein wird. Nach den insoweit nicht angegriffenen Ausführungen des
verwaltungsgerichtlichen Beschlusses ist die Kindesmutter derzeit arbeitslos. Mit der
Beschwerdebegründung wird schon nicht dargelegt, dass der Kindesmutter eine Arbeitsstelle zu dem von
ihr gewünschten Zeitpunkt überhaupt zur Verfügung steht.
Weshalb das rund einjährige Kind des Antragstellers - wie mit der Beschwerdebegründung geltend
gemacht - wegen seiner dunklen Hautfarbe in besonderem Maße des Schutzes durch den ebenfalls
dunkelhäutigen Antragsteller vor drohender Ausgrenzung bedürfen sollte, und zwar in einem solchen
Maß, dass selbst dessen vorübergehende Abwesenheit zur Einholung des erforderlichen Visums
unzumutbar sein sollte, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar.
Soweit der Antragsteller geltend macht, es lägen keine spezialpräventiven Gründe für eine Versagung der
Aufenthaltserlaubnis vor, mag dies zwar zutreffen. Da aber auch das Verwaltungsgericht hiervon nicht
ausgegangen ist, vermag dieser Einwand die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht
zu erschüttern.
Es liegen schließlich auch generalpräventive Gründe dafür vor, den Antragsteller auf die Einholung des
erforderlichen Visums zu verweisen. Für ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer vorläufigen
Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet spricht insbesondere, dass er nicht nur
gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, sondern auch Straftaten begangen hat, um ein
Aufenthaltsrecht zu erreichen (mittelbare Falschbeurkundung, Verschaffen von falschen amtlichen
Ausweisen und Missbrauch von Ausweispapieren), worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend
hingewiesen hat. Wegen dieser Straftaten - sowie wegen illegalen Aufenthalts und illegaler Einreise - ist
der Antragsteller zweimal rechtskräftig verurteilt worden. Seine Straftaten führten darüber hinaus zu seiner
Ausweisung mit Verfügung vom 7. Oktober 2004, die mangels Widerspruchserhebung bestandskräftig
geworden ist.
Nach alledem ergeben sich aus der Beschwerdebegründung auch keine durchgreifenden Bedenken
gegen die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass dem Antragsteller weder eine Ausreise aus
rechtlichen Gründen im Hinblick auf die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG unmöglich
i.S.v. § 25 Abs. 5 AufenthG sei, noch eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG in Betracht komme.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3
GKG.
VRinOVG Wünsch ist wegen
Teilnahme an einer mehrtägigen
Tagung an der Beifügung ihrer
Unterschrift verhindert.
gez. Wolff gez. Wolff gez. Dr. Stahnecker