Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2010
OVG Koblenz: beförderung, neubeurteilung, unabhängigkeit, leiter, beurteilungsspielraum, beamter, gewährleistung, mitbewerber, bindungswirkung, transparenz
OVG
Koblenz
19.11.2010
2 A 10983/10.OVG
Beamtenrecht
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
…,
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Berberich und Kollegen, Hetzelgalerie 2, 67433 Neustadt,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Westpfalz,
Logenstraße 5, 67655 Kaiserslautern,
- Beklagter und Berufungskläger -
wegen Beförderung
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 19. November 2010, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer
Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schumacher
ehrenamtliche Richterin Schönheitspflegerin Stoffel
ehrenamtliche Richterin pharm.-techn. Assistentin Balthasar-Schäfer
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom
19. Juli 2010 im Kostenpunkt dahingehend abgeändert, dass die Beteiligten die Kosten des ersten
Rechtszuges jeweils zur Hälfte zu tragen haben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
In dem Berufungsverfahren streiten die Beteiligten um die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung.
Der Kläger steht im Polizeidienst des beklagten Landes. Am 28. Oktober 2008 bewarb er sich – noch im
Amt eines Kriminaloberkommissars stehend – um eine Beförderungsstelle zum Kriminalhauptkommissar
(A 11 BBesG).
Aus diesem Anlass war er für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 30. November 2008 dienstlich
zu beurteilen. Als Erstbeurteiler war nach den einschlägigen Beurteilungsrichtlinien der Leiter der
Polizeiinspektion Zweibrücken B vorgesehen, als Zweitbeurteiler der Leiter der Polizeidirektion P ….
Im Vorfeld der Beurteilung fanden mehrere Abstimmungsgespräche statt. Am 26. Januar 2009 trat das
Beratungsteam – bestehend aus dem Erstbeurteiler und dem unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers –
zusammen. Am 29. Januar 2009 trafen sich sämtliche Erstbeurteiler der Polizeidirektion P mit dem
Zweitbeurteiler. Am 25. Februar 2009 schließlich fand eine Beratungsrunde der Zweitbeurteiler statt. Dort
wurde ein Quervergleich zwischen den zu beurteilenden Beamten vorgenommen und eine
Leistungsreihung aller Bewerber für ein Amt der Besoldungsgruppe A 11 erstellt. In dieser Reihung nahm
der Kläger – bei vier zu vergebenden Beförderungsstellen – den fünften Rang ein. Zur Umsetzung dieser
Reihung wurde für jeden der betroffenen Beamten ein so genannter „Punktekorridor“ festgelegt, innerhalb
dessen die noch zu erstellende dienstliche Beurteilung schließen sollte. Im Falle des Klägers lag dieser
Punktekorridor bei 186 bis 190 Beförderungspunkten. Dieser wurde dem Erstbeurteiler B bekannt
gegeben.
Mit Schreiben vom 28. April 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er aufgrund seiner dienstlichen
Beurteilung – die bei 186,364 Punkten liege – nicht befördert werden könne. Die Beurteilung selbst lag zu
diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Sie wurde von den Beurteilern erst am 11. Mai 2009 unterzeichnet und
schloss mit der Gesamtbewertung B bei Leistungsmerkmalen zweimal B, einmal A und
Befähigungsbewertungen in den Ausprägungsgraden II bei einmal I. In Beförderungspunkte umgerechnet
entsprach die Beurteilung damit genau dem zuvor mitgeteilten Beurteilungsergebnis von 186,364
Punkten.
Der Kläger erhob Widerspruch gegen die Beförderungsentscheidung und seine dienstliche Beurteilung.
Außerdem beantragte er bei dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße den Erlass einer
einstweiligen Anordnung. Im Rahmen des Eilverfahrens (6 L 447/09.NW) wurden ergänzende
Stellungnahmen der Beurteiler vorgelegt.
Der Erstbeurteiler führte in einer E-Mail vom 12. Mai 2009 aus, der Kläger sei bereits vor der Beurteilung
mehrfach über den Werdegang des Beurteilungsverfahrens informiert worden, auch darüber, dass je nach
Ranglistenplatz ein Punktekorridor für die Erstbeurteiler zur Verfügung stehe, der zwingend eingehalten
werden müsse, um die ermittelte Rangfolge zu gewährleisten.
In einer weiteren Stellungnahme vom 9. Juni 2009 legte der Erstbeurteiler dar, ihm sei durch den
Zweitbeurteiler mitgeteilt worden, in welchem Punktebereich der Kläger im Vergleich zu den anderen
Mitkonkurrenten angesehen werde. Es sei klar gewesen, dass diese Aussage im Hinblick auf die
Beurteilungsmaßstäbe im Quervergleich wie auch auf die vorgesehenen Richtwerte erfolge, die
verbindlich seien. Allerdings seien durch den Zweitbeurteiler keine verbindlichen Vorgaben oder eine
Festlegung einzelner Leistungs- und Befähigungsmerkmale erfolgt. Unter Beachtung der
Beurteilungsmaßstäbe habe er schließlich die Beurteilung erstellt, die nach seiner Auffassung eine gute
B-Beurteilung widerspiegele. Eine bessere Beurteilung sei aus den dargestellten Gründen nicht möglich.
Der Zweitbeurteiler äußerte sich unter dem 5. Juni 2009: Im Rahmen von Beförderungsreihungen seien
niemals einzelne Leistungs- oder Befähigungsmerkmale oder Aussagen zur Leistungsbewertung
gemacht worden. Erst- und Zweitbeurteiler orientierten sich an dem Rankingplatz des zu Beurteilenden.
Sie stuften dessen Beurteilungsergebnis orientiert am vergebenen Spitzenplatz in der
Konkurrentengruppe entsprechend ein (z. B. gutes B, mittleres B oder schwaches B). Der Erstbeurteiler sei
bei der Vergabe der Einzelbewertungen in seiner Entscheidung völlig frei.
Der Widerspruch des Klägers und sein Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz blieben ohne Erfolg.
Am 26. August 2009 hat er Klage auf Neubeurteilung und Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe
A 11 erhoben. Am 18. Mai 2010 ist er zum Kriminalhauptkommissar befördert worden. Dies hat der
Beklagte dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 21. Mai 2010 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 4. Juni
2010 – eingegangen bei Gericht am 7. Juni 2010 – hat der Kläger seinen auf Beförderung gerichteten
Klageantrag auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt.
Er hat zuletzt beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2009 zu verurteilen, ihn für
den Beurteilungszeitraum 1. Dezember 2005 bis 30. November 2008 erneut unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu beurteilen sowie festzustellen, dass er zum 18. Mai 2009 in ein Amt der
Besoldungsgruppe A 11 zu befördern gewesen wäre.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 19. Juli 2010 hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße den Beklagten – unter
Klageabweisung im Übrigen - verurteilt, den Kläger erneut dienstlich zu beurteilen. Die Kosten des
Verfahrens hat das Gericht dem Kläger zu 3/8 und dem Beklagten zu 5/8 auferlegt. Der Kläger habe einen
Anspruch auf Neubeurteilung durch den Beklagten. Die angegriffene dienstliche Beurteilung sei
fehlerhaft. Die im Vorfeld der Beurteilung auf Zweitbeurteilerebene erstellte Leistungreihung und deren
Umsetzung durch „Punktekorridore“ seien mit den Beurteilungsrichtlinien nicht vereinbar. Die
Fortsetzungsfeststellungsklage könne hingegen derzeit keinen Erfolg haben.
Den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. Juli
2010 zunächst auf 8.000 € festgesetzt. Hiergegen haben die Bevollmächtigten des Klägers – in eigenem
und im Namen des Klägers – Beschwerde erhoben. Sie haben beantragt, den Streitwert bis zur
Erledigungserklärung hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags auf Beförderung auf 22.720 €, für die
Zeit danach auf 13.600 € festzusetzen. Mit Beschluss vom 19. August 2010 hat das Verwaltungsgericht
dieser Beschwerde teilweise abgeholfen und den Streitwert für die Zeit bis zur Umstellung der Klage am 7.
Juni 2010 auf 27.720,56 € festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom
18. November 2010 zurückgewiesen.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, das
Verwaltungsgericht habe die auf Zweitbeurteilerebene durchgeführte Reihung im Rahmen der
Abstimmungsgespräche zu Unrecht beanstandet. Das Verfahren verstoße nicht gegen die
Beurteilungsrichtlinien. Zwar hätten die Zweitbeurteiler für jeden zu beurteilenden Beamten einen
sogenannten Punktekorridor festgelegt, innerhalb dessen sie den jeweiligen Beamten beurteilen wollten.
Auch sei dieser Korridor den Erstbeurteilern zur Kenntnis gegeben worden. Eine verbindliche Weisung an
die Erstbeurteiler, den Korridor einzuhalten, sei indes nicht erfolgt. Das Oberverwaltungsgericht habe
bereits in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 2006 (2 A 11167/06.OVG) entschieden, dass gegen
eine derartige Leistungsreihung durch die Zweitbeurteiler keine Bedenken bestünden, weil die
Zusammenführung der Beurteilungsvorschläge auf Direktionsebene gleichsam automatisch zu einer
entsprechenden Übersicht der für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten führe. Die auf
Zweitbeurteilerebene durchgeführten Abstimmungsgespräche und die Reihung könnten eine
gleichmäßige Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe gewährleisten. Ohne die Festlegung konkreter
Punktekorridore würde eine erneute Abstimmung auf Ebene der Zweitbeurteiler erforderlich. Die
Unabhängigkeit der Erstbeurteiler werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Die Praxis zeige, dass die
Erstbeurteiler sich ihrer Unabhängigkeit bewusst seien und von den vorgegebenen Korridoren teilweise
abwichen. Abstimmungsgespräche zwischen Erst- und Zweitbeurteilern müssten nur noch in
Ausnahmefällen durchgeführt werden. Dies sei wichtig, da es aus Zeitgründen und wegen der Vielzahl
der zu fertigenden dienstlichen Beurteilungen nicht immer möglich sei, Gespräche mit den Erstbeurteilern
zu führen. Der Erstbeurteiler habe zudem ausdrücklich angegeben, dass der Kläger richtig beurteilt
gewesen sei und er eine bessere Beurteilung auch ohne den Korridor nicht erstellt hätte. Auch bei einer
Neubeurteilung sei daher mit einem besseren Beurteilungsergebnis nicht zu rechnen.
Außerdem wendet sich der Beklagte gegen die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts. Die
Kostenentscheidung beruhe auf § 155 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sei davon ausgegangen, dass der
Klageantrag in Bezug auf die dienstliche Beurteilung mit 5.000 € und der Feststellungsantrag mit 3.000 €
zu bewerten sein. Mittlerweile habe jedoch das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde des Klägers den
Streitwert auf 27.720,56 € festgesetzt. In diesem Betrag seien 5.000 € für den auf die dienstliche
Beurteilung bezogenen Klageantrag und 22.720,56 € für den ursprünglichen Antrag auf Beförderung
enthalten. Die Kostenaufteilung müsse daher 1/6 zulasten des Beklagten und 5/6 zulasten des Klägers
lauten.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 19. Juli 2010 die
Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts an den abgeänderten Streitwert anzupassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten
Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (1 Ordner und 3 Hefte) und die
Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße 6 L 447/09.NW verwiesen. Diese
Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat nur teilweise Erfolg.
Im Hauptantrag ist sie unbegründet (1.). Auf den Hilfsantrag war die Kostenentscheidung des
Verwaltungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern (2.).
1. Dem Kläger steht – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – ein Anspruch gegen den
Beklagten auf Neubeurteilung zu. Die dienstliche Beurteilung vom 11. Mai 2009 leidet unter einem
Rechtsfehler (a), der sich auf das Beurteilungsergebnis ausgewirkt haben kann (b).
a) aa) Dienstliche Beurteilungen sind nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nur
eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Die Einschätzung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
eines Beamten ist ein dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die
verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob die Beurteiler den gesetzlichen
Rahmen der Beurteilungermächtigung verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt,
allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt haben. Hat der
Dienstherr – wie hier – allgemeine Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen,
sind die Beurteiler aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes an diese gebunden. Das
Gericht kann überprüfen, ob die Richtlinien mit höherrangigem Recht vereinbar sind und ob die Beurteiler
sich an deren Vorgaben gehalten haben (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.
Dezember 2006 – 2 A 11167/06.OVG –).
bb) Hiervon ausgehend erweist sich die angegriffene dienstliche Beurteilung als fehlerhaft. Sie ist unter
Verstoß gegen die für den Polizeibereich geltenden Beurteilungsrichtlinien (Verwaltungsvorschrift des
Ministeriums des Innern und für Sport vom 15. Oktober 2005, MinBl. S. 470 – BeurteilungsVV –) zu Stande
gekommen.
Die Beurteilungsrichtlinien sehen – in Ziffer 5 – ein gestuftes Beurteilungsverfahren mit Erst- und
Zweitbeurteiler vor. Aufgabe des Erstbeurteilers ist es hierbei, seine bessere Kenntnis von der Person und
den Arbeitsergebnissen des Beamten in den Beurteilungsvorgang einzubringen und dem Zweitbeurteiler
so eine sachgerechte Grundlage für die abschließende Beurteilung zu liefern. Der Zweitbeurteiler soll
hingegen vor allem für die Anwendung gleicher Beurteilungsmaßstäbe sorgen. Nach Ziffer 5.2.3
BeurteilungsVV kann und muss er zu diesem Zweck bereits im Vorfeld der Beurteilung mit den
Erstbeurteilern Gespräche führen. Die Beurteilungen einzelner Beamter dürfen im Rahmen solcher
Gespräche indes nicht erörtert – geschweige denn festgelegt – werden. Vielmehr hat der Erstbeurteiler
zunächst seinen Beurteilungsvorschlag zu fertigen, wobei er – gemäß Ziffer 5.1 Satz 1 BeurteilungsVV –
unabhängig und frei von Weisungen ist. Diesen Beurteilungsvorschlag kann der Zweitbeurteiler später
insbesondere zur Gewährleistung gleicher Beurteilungsmaßstäbe abändern.
Abstimmungsgespräche zwischen den Beurteilern und statusamtsbezogene Leistungsreihungen, wie sie
im vorliegenden Fall auf Zweitbeurteilerebene erstellt wurden, begegnen im Hinblick auf diese Vorgaben
keinen grundsätzlichen Bedenken (vgl. hierzu schon OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember
2006 – 2 A 11167/06.OVG –). Derartige Maßnahmen, die letztlich der Durchsetzung einheitlicher
Beurteilungsmaßstäbe dienen, stellen sich als folgerichtige Weiterentwicklung des in den Richtlinien
geregelten Verfahrens dar. Erörterungsgespräche zwischen den am Beurteilungsvorgang beteiligten
Personen sind in Ziffer 5.2.1 und Ziffer 5.2.3 BeurteilungsVV ausdrücklich vorgeschrieben. Auch
statusamtsbezogene Leistungsreihungen kennt die Beurteilungsrichtlinie, wenn auch nur auf Ebene des
Beratungsteams (vgl. Ziffer 5.2.1 BeurteilungsVV).
Mit den Vorgaben der Richtlinie nicht vereinbar ist hingegen die – hier in Rede stehende – zielgenaue
Vorwegnahme der Beurteilungsergebnisse durch dieFestlegung von „Punktekorridoren“ auf
Zweitbeurteilerebene und deren Weitergabe an die Erstbeurteiler (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 16. April 2002 – 1 B 1469/01 –; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.
Juni 2008 – 5 LA 168/05 –, beide juris). Das in den Beurteilungsrichtlinien vorgesehene
Beurteilungsverfahren „von unten nach oben“ wird hierdurch gleichsam „auf den Kopf gestellt“. Für die
betroffenen Beamten entsteht der Eindruck, nicht mehr die dienstliche Beurteilung sei Grundlage der
Beförderungsentscheidung, sondern – im Gegenteil – eine von den Zweitbeurteilern vorab getroffene
Beförderungsentscheidung sei ausschlaggebend für die dienstliche Beurteilung. Dies gilt insbesondere
dann, wenn dem Beamten – wie hier – die Beförderungsentscheidung samt Beurteilungsergebnis noch
vor der Fertigstellung und Eröffnung der dienstlichen Beurteilung mitgeteilt wird. Durch die in Rede
stehende Praxis verliert das Beurteilungsverfahren jegliche Transparenz. Der Zweck der
Beurteilungsrichtlinien – dem Beurteilungsvorgang einen überprüfbaren Rahmen zu geben und damit
einen verfahrensmäßigen Ausgleich für die weitgehende inhaltliche Unangreifbarkeit der Beurteilung zu
schaffen – wird hierdurch untergraben.
Die zielgenaue Vorwegnahme der Beurteilungsergebnisse durch dieFestlegung von „Punktekorridoren“
auf Zweitbeurteilerebene und deren Weitergabe an die Erstbeurteiler steht zudem in Widerspruch zum
Grundsatz der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Erstbeurteiler aus Ziffer 5.1 Satz 1
BeurteilungsVV. Dabei kann offen bleiben, ob den Erstbeurteilern die „Punktekorridore“ ausdrücklich als
verbindlich vorgegeben wurden. Denn jedenfalls tatsächlich war die beschriebene Vorgehensweise
geeignet, die Erstbeurteiler in ihrem Urteil zu binden. Diesen war bekannt, dass die Korridore unter den
Zweitbeurteilern (fest) vereinbart worden waren. Eine Abweichung hiervon musste daher – angesichts der
Abänderungskompetenz der Zweitbeurteiler – von vornherein als wenig sinnvoll erscheinen. Die
Stellungnahmen des Erstbeurteilers des Klägers machen diese faktische Bindungswirkung der
„Punktekorridore“ sehr deutlich. Wenn der Beklagte demgegenüber vorträgt, es gebe durchaus Fälle, in
denen von den Korridoren abgewichen werde, so dürfte es sich hierbei um seltene Ausnahmen handeln,
welche der Annahme einer unzulässigen Einflussnahme auf die Erstbeurteiler nicht entgegen stehen.
Der Beklagte kann mit Erfolg auch nicht geltend machen, die Punktekorridore ließen den Erstbeurteilern
noch ausreichend Freiraum, insbesondere seien sie in der Vergabe der Einzelbewertungen frei. Den
Erstbeurteilern wurde hier nicht nur eine Beurteilungsrichtung (beispielweise: „eine gute B-Beurteilung“
oder „eine C-Beurteilung im oberen Bereich“) vorgegeben. Vielmehr wurden die beförderungsrelevanten
Beurteilungsergebnisse zielgenau vorweggenommen und dem Beurteilungsspielraum der Erstbeurteiler
damit von vornherein enge tatsächliche Grenzen gesetzt. Dies lässt sich aus der vom Beklagten
vorgelegten Beförderungsrangliste leicht ablesen. Danach liegt nicht nur der Kläger im Bereich einer
„guten B-Beurteilung“, sondern auch sämtliche vor ihm platzierten Mitbewerber. Die Unterschiede in den
Beurteilungen sind – trotz verschiedener Punktekorridore – nur gering.
b) Der somit vorliegende Verfahrensfehler kann sich auch auf das Beurteilungsergebnis ausgewirkt
haben. Zwar hat der Erstbeurteiler in seiner Stellungnahme vom 6. Juli 2010 versichert, ihm sei eine
bessere Beurteilung ohne Verkennung der Leistungen des Klägers schlechterdings nicht möglich. Aus
dem Zusammenhang der Stellungnahme ergibt sich jedoch, dass diese Einschätzung durch „die
verbindliche Festlegung“ des Erstbeurteilers im Zuge der „sehr intensiven Abstimmungsgespräche“ mit
dem Zweitbeurteiler maßgeblich beeinflusst ist. Dem Senat ist es vor diesem Hintergrund verwehrt,
Mutmaßungen über den Inhalt und das voraussichtliche Ergebnis einer erneuten Beurteilung des Klägers
anzustellen. Die erneute Beurteilung ist in dem formalisierten Verfahren nach den Beurteilungsrichtlinien
des Beklagten – ohne Rücksicht auf den Punktekorridor – zu erstellen. Dabei wird auch ein
Beurteilungsbeitrag des unmittelbaren Vorgesetzten über die Zeit des Klägers bei der Kriminalinspektion
P einzuholen sein. Das so zu ermittelnde Beurteilungsergebnis kann durch den Senat im
Beurteilungsrechtsstreit nicht vorweg genommen werden.
2. Auf den Hilfsantrag des Klägers war die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts in dem aus dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.
Nachdem die Beteiligten bei verständiger Würdigung ihrer Schreiben vom 21. Mai und 4. Juni 2010 den
Rechtsstreit mit Wirkung vom 7. Juni 2010 teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war in
dem angegriffenen Urteil eine Kostenentscheidung „nach Stationen“ zu treffen. Die bis zur
übereinstimmenden Teilerledigungserklärung angefallenen Kosten (ca. 2.200,- €) waren hinsichtlich des
erledigten Teils (Streitwert: 19.720,56 €) nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, hinsichtlich des anhängig
gebliebenen Teils (Streitwert: 8.000,- €) gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu verteilen. Dabei entsprach
es im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Billigkeit, dem Kläger die
Kosten zu 2/3 und dem Beklagten zu 1/3 aufzuerlegen. Zwar wäre der Kläger mit dem für erledigt erklärten
Antrag auf Beförderung aller Voraussicht nach unterlegen gewesen. Dies ändert jedoch nichts daran,
dass die Auswahlentscheidung des Beklagten wegen des soeben festgestellten Beurteilungsfehlers
rechtswidrig war und der Kläger daher unter Umständen einen Anspruch auf Neubescheidung seines
Beförderungsbegehrens hätte haben können. Hinsichtlich des anhängig gebliebenen Teils waren die
Kosten dem Kläger zu 3/8 und dem Beklagten zu 5/8 aufzuerlegen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dasselbe
gilt für die nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung angefallenen Kosten (ca. 600,- €).
Insgesamt haben die Beteiligten danach die Kosten des ersten Rechtszuges – bei zulässiger Rundung –
jeweils zur Hälfte zu tragen (vgl. zum Rechenweg im Einzelnen: Anders/Gehle, Das Assessorexamen im
Zivilrecht, 9. Aufl. 2008, Kapitel P, Rdn. 29).
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO –.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
…
gez. Prof. Dr. Meyer
gez. Bonikowski
gez. Dr. Schumacher
B e s c h l u s s
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG in
Verbindung mit Ziffer II. 10.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [NVwZ 2004,
1327]).
gez. Prof. Dr. Meyer
gez. Bonikowski
gez. Dr. Schumacher