Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 04.04.2006

OVG Koblenz: flughafen, körperliche unversehrtheit, gerichtshof für menschenrechte, zumutbarkeit, lärmschutz, kommunikation, eigentümer, mieter, nacht, gewährleistung

OVG
Koblenz
04.04.2006
8 C 10315/05.OVG
Luftverkehrsrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des
Herrn Dr. G.,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wacker & Kollegen, Bernkasteler Str. 13, 54497 Morbach,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den
Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland-
Pfalz
- Referat Luftverkehr - Außenstelle Hahn
, vertreten durch die Geschäftsführer, Gebäude
663
, 5548
Hahn - Flughafen
,
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Gronefeld, Thoma & Kollegen, Prinzregentenplatz 23,
81675 München,
beigeladen:
Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH
, vertr. d. d. Geschäftsführe
, Gebäude 667
,
5548
Hahn - Flughafen
,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Loh und Kollegen, Jägerstr. 59, 10117 Berlin,
wegen Luftverkehrsrechts
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 4. April 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
für Recht erkannt:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht
der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Der als Wohnungsmieter in M.-H. lebende Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen
Planfeststellungsbeschluss, mit dem der Beklagte der Beigeladenen die Verlängerung der Start- und
Landebahn des Flughafens Hahn erlaubt hat. Hilfsweise begehrt er dessen Ergänzung um Auflagen zum
passiven Lärmschutz.
Die Beigeladene ist aufgrund einer luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis vom 14. Juli 1993 zur zivilen
Mitbenutzung des Militärflughafens Hahn im Umfang eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs
(Verkehrsflughafen) berechtigt. Die genehmigte Startlaufstrecke beträgt 2.440 m. An den Enden der
Startbahn befinden sich sogen. „Overruns“ von jeweils 300 m Länge, die unter erschwerten meteorolo-
gischen Bedingungen von Flugzeugen der beiden höchsten Gewichtsklassen genutzt werden dürfen und
in diesem Fall die Startlaufstrecke auf 2.745 m verlängern. Mit weiterer Genehmigung vom 19. April 1994
hat der Beklagte den Nachtflug am Flughafen Hahn in Gestalt von Starts und Landungen von sog.
"lärmarmen Strahlflugzeugen und Propellerflugzeugen" (Strahlflugzeugen nach Kapitel 3 des ICAO Annex
16 sowie bestimmte lärmzertifizierte Propellerflugzeuge nach LSL) zugelassen. Das Nachtschutzgebiet
wurde auf alle Orte mit mehr als sechs nächtlichen Flugereignissen über 55 dB(A) am Ohr des Schläfers
erstreckt. Die Anordnung weiterer Betriebsregelungen und Auflagen zum Schutz der Bevölkerung blieb für
den Fall vorbehalten, dass in der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr regelmäßig mehr als 40
Flugbewegungen mit strahlgetriebenen Flugzeugen oder mehr als 12 Flugbewegungen solcher
Flugzeuge mit einem Höchstabfluggewicht von mehr als 150 t pro Durchschnittstag verzeichnet werden.
Durch Urteil des seinerzeit für das Luftverkehrsrecht zuständigen 7. Senates des erkennenden Gerichts
vom 01. Juli 1997 (– 7 C 11843/93.OVG -) ist der Beklagte im Hinblick auf einzelne der seinerzeitigen
Kläger verpflichtet worden, die Schallschutzregelung für die Nacht wegen der erstmaligen Zulassung von
Nachtflugverkehr in einem bis dahin nachtstillen Gebiet an einem Maximalpegel von 52 dB(A) am Ohr des
Schläfers zu orientieren.
Am 04. September 2003 beantragte die Beigeladene die Feststellung des Planes für eine Verlängerung
der Start- und Landebahn in südwestlicher Richtung auf insgesamt 3.800 m Länge unter Verlegung der
Bundesstraße B 327, Herstellung eines neuen Rollweges und Rodungen zur Herstellung der
Hindernisfreiheit in der Hauptbetriebsrichtung 21. Zur Begründung gab sie an, die Verlängerung der Start-
und Landebahn sei erforderlich, um die nach Maßgabe der Verkehrsprognose der IntraPlan Consult vom
01. Juli 2003 (Band C 1 der Antragsunterlagen) vorhandene bzw. zu erwartende Nachfrage nach
interkontinentalem Frachtverkehr besser befriedigen zu können. Dies sei gegenwärtig nicht möglich, weil
schwere Frachtflugzeuge nur unter unwirtschaftlichen Zuladungsbeschränkungen auf dem Flughafen
starten und landen könnten. Mit der Verlängerung solle zudem die Möglichkeit der Ansiedlung eines
Integratorsterns am Flughafen sowie eine wichtige Voraussetzung für das angestrebte Flughafensystem
Frankfurt/Main und Frankfurt-Hahn geschaffen werden. Nach einem dem Antrag beigefügten lärm-
medizinischen Gutachten (Bd. C 8 der Antragsunterlagen) ist die planungsrechtliche
Zumutbarkeitsschwelle für nächtlichen Fluglärm bei bis zu 13 Ereignissen mit einem Maximalpegel von 53
dB(A) sowie einem nächtlichen äquivalenten Dauerschallpegel bis zu 35 dB (A) anzusetzen. Bei
Einhaltung dieser Werte würden zusätzliche, lärminduzierte Aufwachreaktionen sowie die potentiell
gesundheitsschädliche Erhöhung von Cortisolwerten in der Nacht vermieden.
Nach vorangegangener Bekanntmachung am 17. Oktober 2003 u.a. in der „Morbacher Rundschau“ lag
der Antrag mit allen Unterlagen vom 27. Oktober bis 28. November 2003 unter Hinweis auf die am 12.
Dezember 2003 endende Einwendungsfrist öffentlich aus.
Mit Schreiben vom 08. Dezember 2003, beim Beklagten eingegangen am 12. Dezember 2003, erhob der
Kläger Einwendungen gegen das geplante Vorhaben: Er wende sich gegen die zusätzliche
Lärmbelästigung auch in den – in dem Entwurf nicht bewerteten – geplanten Flugrouten über M., L.,
H./D./R./E., E./L. und B.-K. mit dem Kurzentrum auf dem K. Plateau. Dies gelte vor allem für den im
Planungsfall erst möglichen Schwerlastflugverkehr mit den entsprechend langen Zeiten geringer
Flughöhe und dem 24-Stunden-Betrieb. Ferner sei er gegen den wirtschaftlichen Schaden, der den
Tourismusanbietern durch die Zerstörung der Landschaft und den zunehmenden Flug- und
Straßenverkehrslärm zugemutet werde. Diesen bringe der geplante 24-Stunden-Frachtflughafen
sicherlich keine höheren Übernachtungszahlen. Auch gingen mit der Planung massive Eingriffe in den
Naturhaushalt und in das Klima durch den Beitrag zur Steigerung des gesamten Flugaufkommens einher.
Mit dem aufgewendeten Geld könnten in der Region bessere und dauerhaftere Arbeitsplätze in anderen
Wirtschaftsbereichen geschaffen werden. Die Frage, was ein Arbeitsplatz auf dem Hahn den Steuerzahler
koste, sei bisher nicht beantwortet.
Am 31. März 2004 erörterte der Beklagte nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung die
Einwendungen der Privateinwender. Hieran nahm der Kläger nicht teil.
Am 23. Dezember 2004 erließ der Beklagte den beantragten Planfeststellungsbeschluss. Dieser lag nach
ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 24. Januar bis 07. Februar 2005 öffentlich aus.
Nach Nebenbestimmung 3.2 des Planfeststellungsbeschlusses müssen Schallschutzvorrichtungen für
den Tagschutz gewährleisten, dass durch An- und Abflüge am Flughafen im Rauminnern bei
geschlossenen Fenstern keine höheren Maximalpegel als 55 dB(A) auftreten und ein für den Tages-
zeitraum der sechs verkehrsreichsten Monate ermittelter energieäquivalenter Dauerschallpegel von
40 dB(A) nicht überschritten wird. Das Tagschutzgebiet umfasst entsprechend dem in der Anlage 1
beigefügten Plan ein Gebiet, das von der Grenzlinie eines für die Tagesstunden (6.00 bis 22.00 Uhr) der
sechs verkehrsreichsten Monate ermittelten energieäquivalenten Dauerschallpegel von 60 dB(A) außen
umschlossen wird einschließlich der Ortsgemeinde L. Der Wohnort des Klägers liegt außerhalb dieses
Schutzgebiets. Für den Nachtschutz in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr haben Schallschutzvorrichtungen
nach Ziff. 3.3 der Nebenbestimmungen zu gewährleisten, dass durch An- und Abflüge am Flughafen im
Rauminnern bei geschlossenen Fenstern unter ausreichender Belüftung keine höheren Maximalpegel als
53 dB(A) auftreten und ein für den Nachtzeitraum der sechs verkehrsreichsten Monate ermittelter
energieäquivalenter Dauerschallpegel von 35 dB(A) nicht überschritten wird. Das Nachtschutzgebiet in
der beigefügten Anlage 2 umfasst dementsprechend das Gebiet, in dem pro Nacht ein Maximalpegel von
68 dB(A) außen mindestens 13mal erreicht oder überschritten wird sowie die Ortslagen L., K., L. und H.‑L.
Der Wohnort des Klägers ist von diesem Nachtschutzgebiet nicht umfasst. Nach Ziff. 3.2.3 und 3.3.3 der
Nebenbestimmungen haben Eigentümer bebauter oder bebaubarer Grundstücke, die außerhalb des Tag-
und Nachtschutzgebietes liegen, gleichwohl einen Anspruch auf Übernahme von Kosten für passive
Lärmschutzmaßnahmen und den Nachweis der Lärmbetroffenheit, wenn sie die Überschreitung der in
den Schutzgebieten geltenden Schutzziele nachweisen können. Lärmschutz für die Tagzeit kann insoweit
beansprucht werden, wenn entweder das im Tagschutzgebiet geltende Dauerschallpegelkriterium
überschritten wird oder mehr als sechzehnmal am Tag ein Spitzenpegel innen von 55 dB(A) erreicht wird.
Ziff. 9 der Nebenbestimmungen enthält schließlich einen - nach der Erläuterung des Beklagten
drittschützenden - Vorbehalt hinsichtlich nachträglicher Lärmschutzauflagen, auch in gestalt der
Ausweisung neuer Schutzgebiete, für den Fall dauerhafter Überschreitung der Prognosezahlen für den
Flugverkehr bzw. einer nachhaltigen Änderung in der Zusammensetzung des Verkehrs.
Nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 341) liegt u.a. M.-H. zwar außerhalb der
Schutzgebiete, aber innerhalb des Gebietes, das von mehr als geringfügigem und daher
abwägungserheblichem Lärm betroffen ist.
Am 07. März 2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er bestreitet die Erforderlichkeit der planfestgestellten
Maßnahme, die als reine Angebotsplanung zu bewerten sei. Die prognostizierte, geringfügige Steigerung
der Passagierzahlen rechtfertige das Vorhaben nicht. Soweit die Verkehrsprognose von einem
steigenden Frachtaufkommen am Flughafen Hahn ausgehe, sei sie fehlerhaft. Unberücksichtigt bleibe die
mangelhafte Verkehrserschließung des Flughafens und seine Lage abseits der Quell- und Zielgebiete des
Frachtverkehrs, für den regional und überregional genügend freie Kapazitäten auf bereits als
Frachtflughäfen etablierten Flughäfen bereitstünden. Auch der Hinweis auf ein etwaiges Nachtflugverbot
in Frankfurt am Main begründe angesichts der Entfernung zum Flughafen Hahn nicht die Annahme einer
nennenswerten Verlagerung von Frachtflugverkehr, die ohnehin nur den privaten Interessen der
Beigeladenen an der Abwehr von Konkurrenz dienen könne. Insoweit sei auch der künftige Einsatz des
Airbus A 380 außer Betracht geblieben, der in Frankfurt am Main für genügend freie Kapazitäten auf den
Startbahnen sorgen werde. Die FraPort AG als Anteilseignerin der Beigeladenen habe bei einem Hearing
im Hessischen Landtag selbst eingeräumt, dass eine nennenswerte Verlagerung von Frachtflügen auf
den Hahn wegen der engen Verzahnung von Frachtflug und Beiladung im Passagierflug nicht in Betracht
komme. Zudem sei die von der Verkehrsprognose unterstellte Verbesserung der Schienen- und
Straßenanbindung des Flughafens Hahn genauso ungesichert wie die Verhängung eines
Nachtflugverbotes in Frankfurt am Main. Dieser verfüge auch nicht über eine von vielen
Luftfrachtunternehmen für unabdingbar gehaltene zweite Startbahn und weise schwierige
Witterungsbedingungen sowie eine ungünstige topographische Lage auf. Aus all diesen Gründen finde er
auch keine Berücksichtigung im „Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur“ vom Oktober
2004. Die Startbahnverlängerung werde einseitig mit – zudem völlig fehlerhaft eingeschätzten -
Beschäftigungseffekten für den Hunsrück begründet, die bei fehlendem Verkehrsbedarf nicht geeignet
seien, die Maßnahme zu rechtfertigen. Die bisherige und geplante Entwicklung des Flughafens, der noch
nie einen Gewinn erwirtschaftet habe, basiere lediglich auf „Standortvorteilen“ in Gestalt von
„Dumpingpreisen“ und der Möglichkeit, veraltetes, überlautes Fluggerät einzusetzen, das an anderen
Flughäfen längst verboten sei. Darüber hinaus sei die Lärmbelästigung bei Verwirklichung des
planfestgestellten Vorhabens fehlerhaft beurteilt worden, weil in dem prognostizierten
Verkehrsaufkommen Flugzeuge der Klassen S 6.2 und S 7 fast nicht berücksichtigt würden. Die hierfür im
Prognosenullfall in Ansatz gebrachten Zahlen lägen deutlich unter den in der Vergangenheit erfassten Ist-
Zahlen. Erst recht seien die Angaben für den Planungsfall – auch im Vergleich zu anderen
Frachtflughäfen – realitätsfremd. Daraus resultiere eine völlig unrealistische Einschätzung der
Lärmbetroffenheiten im Planungsfall. Die Bestimmung des Schutzzieles für Lärmschutz sei fehlerhaft, weil
der Beklagte von den Vorgaben im Urteil des erkennenden Gerichts vom 01. Juli 1997 abgewichen sei.
Nach diesen Vorgaben liege M.-H. innerhalb des Nachtschutzgebietes. Er selbst werde aufgrund seines
Alters, eines bereits erlittenen Schlaganfalls sowie einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionskrankheiten
durch den entstehenden nächtlichen Fluglärm in seiner Gesundheit beeinträchtigt. Gleiches gelte für
seine Grundrechte aus Art. 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG sowie die Rechte aus Art. 8 und 13
EMRK. Er habe sich im Jahr 2000 langfristig in M. eingemietet, um dort an dem Projekt „Kreativ im Alter“
teilzunehmen. Daraus und aus seinem Alter folge auch ein Anspruch auf ein strengeres Nachtschutzziel
bei der Lärmvorsorge.
Nachdem die Beigeladene sich in der mündlichen Verhandlung verpflichtet hat, an den Schlafräumen des
Klägers Schallschutzeinrichtungen nebst Lüfter anzubringen, die den Innenpegel im Verhältnis zum
Außenpegel um 30 dB(A) reduzieren, haben die Beteiligten den Rechtstreit betreffend die hilfsweise
begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um verschärfte
Nachtschutzziele übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss vom 23. Dezember 2004 aufzuheben,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss insoweit zu ergänzen, dass für die
Wohnung des Klägers auf Antrag des Eigentümers die Kosten für passive Schallschutzmaßnahmen
erstattet werden, die gewährleisten, dass bei An- und Abflügen vom Flughafen Frankfurt-Hahn bei
geschlossenen Fenstern in Aufenthaltsräumen keine höheren Einzelschallpegel als 55 dB(A) auftreten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er rügt die Zulässigkeit der Klage, da der Kläger nicht Eigentümer einer Wohnung in M. sei und ihm
ungeachtet dessen kein Anspruch auf die Aufnahme seines Wohnortes in die Schutzgebiete zustehe.
Überdies erstrebe er mit dem Hilfsantrag unzulässigerweise die Einräumung von Rechten an den
Eigentümer, die dieser nicht geltend gemacht habe. Die Klage sei auch unbegründet. Die Plan-
rechtfertigung, deren vollständige Überprüfung der Kläger mangels Enteignungsbetroffenheit ohnehin
nicht verlangen könne, sei durch die nach wissenschaftlich geeigneten Methoden durchgeführte und
schlüssige Verkehrsprognose belegt. Danach stehe fest, dass zur besseren Abschöpfung vorhandener
Frachtflugpotentiale für den langen Mittelstrecken- und den Langstreckenverkehr die Verlängerung der
Start- und Landebahn des bereits an vierter Stelle unter den großen deutschen Frachtflughäfen
rangierenden Flughafens Hahn unausweichlich sei. Dem Abwägungsgebot sei hinsichtlich der vom
Kläger geltend gemachten Lärmschutzbelange genügt. Die Lärmbelastungen seien auch im Hinblick auf
Flugbewegungen schwerer Flugzeuge der Klassen S 6.2 und S 7 korrekt prognostiziert worden. Überdies
sei durch Vorbehalt im Planfeststellungsbeschluss sichergestellt, dass etwaige Änderungen in Umfang
und Zusammensetzung des Flugverkehrs durch nachträgliche Auflagen zum Lärmschutz berücksichtigt
werden könnten. Auf dem Vorhaben widerstreitende öffentliche Belange könne sich der Kläger zur
Verstärkung der von ihm geltend gemachten Lärmschutzbelange nicht berufen. Er habe auch keinen
Anspruch auf weitergehende Schutzauflagen. Die für seinen Wohnort prognostizierten Lärmwerte lägen
deutlich unterhalb der zutreffend festgelegten Schutzziele. Deren Festlegung begegne auch im Hinblick
auf das Urteil des erkennenden Gerichts vom 01. Juli 1997 keinen Bedenken. Der lärmmedizinische
Gutachter habe in Auseinendersetzung mit dieser Entscheidung die abweichenden Schutzziele
nachvollziehbar begründet. Im Übrigen könne der Kläger bei Nachweis von deren Nichterfüllung
Lärmschutz bereits nach der Regelung des Planfeststellungsbeschlusses erlangen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Validität der Verkehrsprognose und die Bestimmung der Lärmschutzziele. Weder aus
dem Urteil vom 01. Juli 1997 noch aus dem Entwurf eines neuen Fluglärmschutzgesetzes ergäben sich
Anhaltspunkte dafür, dass die Bewertungen des lärmmedizinischen Gutachters nicht dem Stand der
Wissenschaft entsprächen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur
Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Verwaltungsakten des Beklagten
sowie die Antragsunterlagen zum Planfeststellungsantrag der Beigeladenen lagen vor und waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Soweit die Beteiligten den Rechtstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist
das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen bleibt die Klage in Haupt-
(I) und Hilfsantrag (II) ohne Erfolg.
I. Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist zulässig; insbesondere kann sich der Kläger auch
als Mieter unter Hinweis auf von der Verwirklichung des Planfeststellungsbeschlusses ausgehende
Gesundheitsbeeinträchtigungen auf eine mögliche Verletzung in seinem Recht auf körperliche
Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) berufen und ist daher gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt (s.
BVerwG, UPR 1991, 67).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Voraussetzung für die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses
ist, dass dieser sich als objektiv rechtswidrig erweist und dadurch eine Rechtsverletzung des Klägers
bewirkt, die nicht durch Planergänzung, sondern nur durch Planaufhebung beseitigt werden kann. Daran
fehlt es hier.
Die Behauptung, der planfestgestellte Ausbau der Start- und Landebahn sei angesichts ausreichend
vorhandener regionaler und überregionaler Frachtflugkapazitäten sowie fehlender Verkehrsanbindung
des Flughafens und mangelnden lokalen Frachtaufkommens überflüssig, führt nicht auf eine
Rechtsverletzung des Klägers. Soweit damit die Planrechtfertigung als rechtliche Voraussetzung der
Planfeststellung in Zweifel gezogen wird, entfaltet dieses Erfordernis keine drittschützende Wirkung
zugunsten des Klägers. Denn dieser ist von der Planfeststellung allenfalls mittelbar, nicht aber mit
enteignender Vorwirkung betroffen (s. z.B. BVerwG, NVwZ 1999, 70 [71] sowie OVG RP, BauR 2002, 677
und DVBl. 2005, 720).
Soweit der Kläger unter Hinweis auf eine Überbewertung des Ausbaubedarfs und eine Unterbewertung
der Lärmimmissionen im Planungsfall einen Verstoß gegen das in § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG normierte
Abwägungsgebot rügt, kann er sich als Mieter hierauf ebenfalls nicht berufen. Denn das Abwägungsgebot
schützt wegen der Grundstücksbezogenheit des Fachplanungsrechts grundsätzlich nur die Belange der in
ihrem Grundeigentum oder einer ähnlichen dinglichen Berechtigung am Grundstück Betroffenen; bloß
obligatorisch Berechtigte sind darauf beschränkt, ihre Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer geltend
zu machen (BVerwG, BRS 55 Nr. 163; UPR 1996, 109; NVwZ 1997, 917 sowie Hofmann/Grabherr: LuftVG,
§ 9 Rn 110, 112, 114; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs: VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 74 Rn 59c und
Stüer: Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 3. Aufl. 2005, S. 1698). Dem steht auch nicht
entgegen, dass das Besitzrecht des Mieters den Schutz des Art 14 Abs. 1 GG genießt (s. BVerfGE 89, 1 ff.).
Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, den Grundrechtsschutz der Mieter im Rahmen des Zivilrechts zu
gewährleisten, ohne ihnen durch drittschützende öffentlich-rechtliche Normen einen zusätzlichen, ihre
Rechtsverteidigungsmöglichkeiten gleichsam verdoppelnden Verwaltungsrechtsschutz zu eröffnen
(BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 22). Anderes gilt nur dann, wenn das Miet- oder
Pachtgrundstück durch die Planfeststellung unmittelbar in Anspruch genommen wird (BVerwG, BRS 59
Nr. 238). Dies ist indessen vorliegend nicht der Fall.
Der Einwand des Klägers, die im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Schutzauflagen seien nicht
geeignet, die planungs- und verfassungsrechtliche Zumutbarkeit der Lärmimmissionen für seine Person
zu gewährleisten, begründet hingegen – auch wenn insoweit eine Rechtsverletzung vorläge – keinen
Planaufhebungsanspruch. Ein derartiger Mangel könnte ohne weiteres durch die Beifügung
weitergehender Schutzauflagen zugunsten des Klägers behoben werden, ohne dass dadurch die
Ausgewogenheit der Gesamtplanung in Frage gestellt würde (s. dazu BVerwGE 56, 110 [133]). Denn der
Kläger stützt die Rüge unzureichender Schutzauflagen im Wesentlichen auf seine individuelle, durch Alter
und Krankheit bedingte Lärmempfindlichkeit. Dass die Schutzziele unabhängig davon generell in einer
Weise verschärft werden müssten, die zu einer Unwirtschaftlichkeit des planfestgestellten Betriebes führen
könnte, hat er hingegen nicht hinreichend dargelegt, sodass er auf einen Planergänzungsanspruch
verwiesen werden kann.
Schließlich enthält das Klagevorbringen auch keine Hinweise auf den Rechtskreis des Klägers
berührende Verfahrensfehler, hinsichtlich deren – als Minus zur beantragten Aufhebung – eine
Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses bis zur Fehlerbehebung in einem ergänzenden
Verfahren gemäß § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG festgestellt werden könnte.
II. Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf erweiterten passiven Schallschutz hat ebenfalls keinen
Erfolg.
1. Soweit der Klageantrag seinem Wortlaut nach lediglich den Wirkungsgrad passiver
Schallschutzmaßnahmen an Aufenthaltsräumen zum Gegenstand hat (Schutz vor Innenmaximalpegeln
über 55 dB[A]), fehlt ihm schon das Rechtsschutzinteresse. Denn dies ist bereits durch Ziff. A 3.2.1 i.V.m.
3.2.3 des Planfeststellungsbeschlusses sichergestellt.
Geht man aufgrund der Erläuterung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen
Verhandlung (s. S. 3 der Sitzungsniederschrift) davon aus, dass der Kläger mit seinem Antrag nicht eine
Nachbesserung des vorgeschriebenen Wirkungsgrades passiver Schallschutzmaßnahmen, sondern des
Tagschutzzieles (s. dazu S. 336f. des Planfeststellungsbeschlusses) erstrebt (Schutzgewährleistung
bereits bei mehr als einem Maximalpegel von 55 dB(A) pro Tag anstelle einer mehr als sechzehnmaligen
Überschreitung), erweist sich die Klage als zulässig. Der Kläger hat unter Berufung auf eine befürchtete
Gesundheitsbeeinträchtigung zumindest die Möglichkeit eines verfassungsrechtlich begründeten
Anspruchs auf Verschärfung des Tagschutzziels dargelegt. Am Rechtsschutzinteresse für die Verfolgung
eines derartigen Anspruchs fehlt es ihm entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen
nicht bereits deshalb, weil die Durchführung passiver Schallschutzmaßnahmen von einem Antrag des
Eigentümers abhängt. Denn abgesehen davon, dass ein solcher Antrag auf Anregung des
beeinträchtigten Mieters mangels Kosten für den Eigentümer in aller Regel gestellt werden dürfte,
verbessert ein verschärftes Schutzziel im Planfeststellungsbeschluss die Stellung des Mieters bei der
zivilrechtlichen Durchsetzung seiner Rechte gegen den Eigentümer (in diesem Sinne auch OVG NRW,
NVwZ 1984, 385).
2. Dem Kläger steht jedoch in der Sache kein Anspruch auf die begehrte Nachbesserung des im
Planfeststellungsbeschluss festgelegten Tagschutzzieles oder ‑ als Minus hierzu – auf erneute
Entscheidung des Beklagten über die Festlegung des Tagschutzzieles unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu.
a. Die von ihm in Bezug genommenen Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 1, 11 Abs. 1, und 14 Abs. 1 GG
scheiden als Anspruchsgrundlage aus. Da der Kläger Schutz vor gesundheitsschädlichen
Lärmbeeinträchtigungen geltend macht, werden sie durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit
gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Wege der Spezialität verdrängt.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger neben dem sich hieraus (ggf. in Verbindung mit § 9 Abs. 2 LuftVG)
ergebenden Anspruch auf Schutz vor verfassungsrechtlich unzumutbarem,
gesundheitsbeeinträchtigendem Lärm als Mieter auch die Einhaltung der sogen. fachplanungsrechtlichen
Zumutbarkeitsschwelle (Schutz vor „Nachteilen“) gemäß § 9 Abs. 2 LuftVG verlangen kann. Denn das im
Planfeststellungsbeschluss festgelegte Tagschutzziel (passiver Schallschutz bei Überschreitung eines
energieäquivalenten Dauerschallpegels von 40 dB(A) oder mehr als sechzehnmaliger Überschreitung
eines Spitzenpegels von 55 dB(A) im Innenraum) wahrt die gerichtlich voll überprüfbare, durch Abwägung
der widerstreitenden Belange nicht überwindbare (s. dazu Storost, NVwZ 2004, 257 [260, 262] m.w.N.)
Grenze der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeit und schützt den Kläger damit erst recht vor
verfassungsrechtlich unzumutbarem Lärm. Des Weiteren scheidet damit zugleich die vom Kläger geltend
gemachte Verletzung des Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 13 Abs. 1 GG aus. Zwar schützt Art. 8 EMRK nach der
Rechtsprechung des EGMR (NVwZ 2004, 1465) auch vor Beeinträchtigungen des Privatlebens durch
Fluglärm. Nach Ansicht des Gerichtshofs sollen schwerwiegende Eingriffe in die Umwelt, etwa durch Lärm
oder Gerüche, das Wohlbefinden einer Person beeinträchtigen und sie dermaßen an der Nutzung ihrer
Wohnung hindern können, dass ihr Privat- und Familienleben beeinträchtigt werden, auch wenn ihre
Gesundheit nicht wesentlich gefährdet wird (NJW 2005, 3767 [3768]). Es bedarf aber vorliegend keiner
Entscheidung, ob diese Erkenntnisse des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – wie der
Kläger meint – die nationale Rechtsprechung zu einer immissionsschutzrechtlichen „Aufladung“ des
Wohnungsgrundrechts gemäß Art. 13 Abs. 1 GG nötigen (s. dazu allgemein BVerfGE 111, 307ff.). Selbst
wenn nämlich der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte postulierte „menschenrechtliche
Immissionsschutz“ auch unterhalb der Schwelle der Gesundheitsbeeinträchtigung verfassungsrechtliche
Fluglärmabwehransprüche begründen könnte, liegt bei korrekter Bestimmung der
fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle gemäß § 9 Abs. 2 LuftVG jedenfalls keine
„schwerwiegende“ Beeinträchtigung und damit auch nach der zitierten Rechtsprechung keine Verletzung
des Art. 8 EMRK vor.
b. Ein Anspruch des Klägers auf verschärfte Lärmschutzauflagen für die Tagezeit bzw. auf erneute
Entscheidung hierüber folgt zunächst nicht schon daraus, dass sein Wohnort nicht innerhalb des aus
Anlage 1 zum Planfeststellungsbeschluss ersichtlichen Tagschutzgebietes liegt. Die
Planfeststellungsbehörde ist von Rechts wegen nicht verpflichtet, sich zur Gewährleistung des
verfassungsrechtlich und fachplanungsrechtlich gebotenen Lärmschutzes der Festsetzung von Schutz-
gebieten zu bedienen; diese dient lediglich dazu, den Lärmbetroffenen eine Beweiserleichterung zu
verschaffen (BVerwGE 87, 332 [358f.]). Maßgebend für das Bestehen eines Schutzanspruchs ist hingegen
ausschließlich das festgelegte Schutzziel (s. Ziff. 3.2.3 des Planfeststellungsbeschlusses), das die Grenze
der Zumutbarkeit markiert.
c. Mangels normativ festgelegter Grenzwerte zur fachplanungsrechtlich zumutbaren Fluglärmbelastung ist
die Zumutbarkeit jeweils nach Maßgabe des Einzelfalls situationsbedingt und damit bewertend zu
qualifizieren. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem die Schutzbedürftigkeit der jeweiligen
Grundstücksnutzung sowie eine etwaige Vorbelastung. Dabei ist es zulässig, das Schutzziel im Sinne
einer „Meistbegünstigung“ an den schutzwürdigsten und schutzbedürftigsten Grundstücken der durch
Fluglärm beeinträchtigten Umgebung zu orientieren. Bei einer Orientierung an der demnach einer
allgemeinen Aussage am ehesten zugänglichen Wohnnutzung ist bei fehlender Vorbelastung der
erforderliche Tagschutz durch Gewährleistung einer ungestörten Kommunikation im weitesten Sinne unter
Einschluss der Mediennutzung sicher zu stellen. Wann dies der Fall ist, muss als außerrechtliche Frage im
Wege gerichtlicher Sachverhaltsermittlung in der Regel unter Zuhilfenahme von Sachverständigen geklärt
werden (s. BVerwGE 56, 110 [131 ff.].). Hierbei ist auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse der
Lärmwirkungsforschung abzustellen (BVerwG, NVwZ 2004, 618).
Das vom Beklagten im Planfeststellungsbeschluss zur Wahrung der fachplanungsrechtlichen
Zumutbarkeitsgrenze festgelegte Tagschutzziel hält in Anwendung dieser Grundsätze rechtlicher
Überprüfung stand.
Der Beklagte hat sich bei der Bestimmung des Tagschutzzieles in Übereinstimmung mit der zitierten
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an den Anforderungen orientiert, die die Wohnnutzung
als empfindlichste der in Betracht kommenden Nutzungsarten stellt. Denn er hat die schutzauslösenden
Lärmwerte anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse betreffend die Vermeidung von
Kommunikationsstörungen einschließlich der Mediennutzung (s. S. 307 des
Planfeststellungsbeschlusses) bestimmt und nicht auf die deutlich höheren, auch verfassungsrechtlich
relevanten Werte zur Vermeidung von Hörschäden und unmittelbaren extraauralen Gesundheitsschäden
abgestellt. Die zum Schutz der Kommunikation herangezogenen Werte basieren auch auf gesicherten
wissenschaftlichen Erkenntnissen.
aa. Der lärmmedizinische Gutachter der Beigeladenen hat mit ins einzelne gehender Begründung, die
vom Kläger nicht angegriffen wird, als präventiven Richtwert für eine gute Sprachverständlichkeit bei
normaler, allenfalls angehobener Sprechweise einen Dauerschallpegel innen von 40 dB(A) angegeben
(s. S. 92ff. des Gutachtens C 8). Dieser Wert wird auch in der Fluglärmsynopse
(Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng, 2002) als präventiver Richtwert zur Vermeidung von
Kommunikationsstörungen empfohlen (s. auch Scheuch: Lärmmedizinisches Gutachten zum
Planfeststellungsverfahren für den Flughafen Kassel-Calden, 2005, 86 mit weiteren Literaturnachweisen;
Lärmmedizinische Stellungnahme vom 05. Juli 2004 im Planfeststellungsverfahren für den Flughafen
Berlin-Brandenburg International, S. 78 [veröffentlicht unter
http://www.dfld.de/ DFLD/index.htm
, Bereich
„downloads“]). Überdies wird der Wert auch in einer Anzahl neuerer luftverkehrsrechtlicher
Planfeststellungsbeschlüsse zur Gewährleistung zumutbarer Kommunikationsbedingungen
herangezogen (s. etwa Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen Halle-Leipzig vom 04. November
2004, S. 331; Auflage V 1.1 des Planfeststellungsbeschlusses für den Flughafen Münster-Osnabrück vom
28. Dezember 2004 [veröffentlicht unter
http://www.dfld.de/DFLD/index.htm
, Bereich „downloads“]). Auch
der Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Fluglärmschutzgesetz (BT-Drs. 16/508; s. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr.
1) geht davon aus, dass Schutzbedarf (in Gestalt einer Tagschutzzone 2) erst bei Dauerschallpegeln
außen von über 55 dB(A) (= 40 dB[A] innen bei gekippten Fenstern) besteht.
bb. Über den vom lärmmedizinischen Gutachter als einzig maßgebenden Grenzwert empfohlenen
Dauerschallpegel hinaus hat der Beklagte jedoch zusätzlich zum Schutz vor unzumutbaren
Unterbrechungen der Kommunikation ein Spitzenpegelkriterium von 55 dB(A) innen festgelegt (s. S. 307f.
des Planfeststellungsbeschlusses). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass nach den bisherigen
Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung eine 99%ige Sprachverständlichkeit und damit eine
ungestörte Kommunikation garantiert ist, wenn Kurzeitmittelungspegel den Wert von 55 dB(A) im
Rauminnern nicht überschreiten (S. 307 des Planfeststellungsbeschlusses und Scheuch:
Lärmmedizinische Stellungnahme vom 05. Juli 2004 im Planfeststellungsverfahren für den Flughafen
Berlin-Brandenburg International, S. 73, a.a.O.). Dieses Spitzenpegelkriterium ist bisher von der
Rechtsprechung nicht nur gebilligt (s. BVerwG, BVerwGE 87, 332, 362), sondern sogar als „sehr
weitgehend“ bezeichnet worden (BVerwG, NVwZ 1999, 644, [647]; s. dort auch weitere Nachweise zur
obergerichtlichen Rechtsprechung). Wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen schon geringere
Momentanpegel unzumutbare Kommunikationsstörungen hervorrufen könnten, hat weder der Kläger
benannt noch sind solche ersichtlich. So sind nach der Veröffentlichung „Fluglärm 2004“ des
Umweltbundesamtes (S. 53) bezüglich kommunikationsstörenden Momentanpegeln keine detaillierten
Untersuchungen bekannt; die dort zitierten älteren Angaben aus der DIN 33410 von 1981 und einer
Untersuchung von Rylander aus dem Jahr 1980 deuten darauf hin, dass ein Spitzenpegelkriterium von 55
dB(A), ergänzend zu einem äquivalenten Dauerschallpegel, geeignet ist, eine zumutbare
Kommunikationsqualität auch im Bereich der Mediennutzung sicherzustellen (s. dazu auch Scheuch,
Lärmmedizinisches Gutachten zum Planfeststellungsverfahren für den Flughafen Kassel-Calden, S. 84,
a.a.O. und OVG Hamburg, Urteil vom 03. September 2001 – 3 E 32/98 P -; juris).
cc. Des Weiteren ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das Spitzenpegelkriterium im Rahmen
der Schutzzielfestlegung mit einer zulässigen Pegelhäufigkeit von sechzehn kombiniert hat. Dem liegt die
Überlegung zugrunde, dass durchschnittlich eine Kommunikationsstörung pro Stunde während der 16
Tagstunden planungsrechtlich zumutbar ist (s. S. 308 des Planfeststellungsbeschlusses). Die dem
Klageantrag – unausgesprochen – zugrunde liegende Wertung, dass bereits mehr als eine durch
Überschreitung des Spitzenpegelkriteriums eintretende Kommunikationsstörung pro Tag zumindest
planungsrechtlich unzumutbar sein soll, teilt der Senat nicht. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die diese
These stützen könnten, hat der Kläger weder dargelegt noch sind sie sonst ersichtlich. In der
Rechtsprechung (s. OVG Hamburg, aaO.) ist anerkannt, dass im Hinblick auf das Ziel, die Kommunikation
vor Beeinträchtigungen zu schützen, nicht schon einzelne höhere Pegel kritisch sind, solange deren
Häufigkeit nicht dazu führt, dass ein Gespräch immer wieder unterbrochen wird, Radio- und Fern-
sehsendungen mangels Satzverständlichkeit nur noch eingeschränkt mitvollzogen werden können oder
sich die für eine Informationsaufnahme notwendige Konzentration nicht wieder einstellt. Derartige
Wirkungen dürften nach zutreffender Einschätzung des Beklagten vermieden werden, wenn auf Dauer
das Spitzenpegelkriterium gelegentlich, aber durchschnittlich nicht mehr als einmal pro Stunde
überschritten wird (s. dazu auch Dolde, in: Ziekow: „Bewertung von Fluglärm“, 2003, S. 51). Dass auch bei
Einhaltung des Häufigkeitskriteriums im Einzelfall tatsächlich mehr als eine Überschreitung pro Stunde
auftreten kann, wird durch dann notwendige längere störungsfreie Zeiten hinreichend kompensiert.
dd. Stellt daher das im Planfeststellungsbeschluss festgelegte, an den Bedürfnissen der Wohnnutzung
orientierte Tagschutzziel eine zulässige Konkretisierung der planungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle
gemäß § 9 Abs. 2 LuftVG dar, so kann der Kläger demgegenüber allein unter Hinweis auf seinen
individuellen Krankheitszustand (erhöhtes Schlafbedürfnis nach Schlaganfall und aufgrund hohen Alters;
erhöhte Infektionsanfälligkeit) weder aus planungs- noch aus verfassungsrechtlichen Gründen eine
Verschärfung des Schutzziels verlangen. Dies folgt schon daraus, dass er diese Umstände in seinem
Einwendungsschreiben während des Verwaltungsverfahrens nicht einmal andeutungsweise benannt hat
und daher mit diesem Vorbringen auch im gerichtlichen Verfahren nach § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG
ausgeschlossen ist.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich weder die planungs- noch die
verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle für Fluglärmimmissionen nach der individuellen
Lärmempfindlichkeit der Lärmbetroffenen bestimmt (s. BVerwG, BRS 52 Nr. 190 zum Gesundheitsschutz;
VGH BW, NVwZ 1999, 85 [86] zum Immissionsschutz allgemein). Dies folgt aus der oben erwähnten
Grundstücksbezogenheit des Fachplanungsrechts. Die von ihm – insoweit dem Bebauungsrecht
vergleichbar - intendierte dauerhafte Bewältigung der sich aus dem Ausbau der Verkehrsfläche und den
Auswirkungen des Luftverkehrs ergebenden Nutzungskonflikte im Hinblick auf die (in § 9 Abs. 2 LuftVG
ausdrücklich genannten) „benachbarten Grundstücke“ gebietet bei der Beurteilung der Zumutbarkeit
angesichts der wandelbaren Zusammensetzung der Gruppe der Fluglärmbetroffenen eine grundstücks-,
nicht aber eine personenbezogene Betrachtungsweise. Dies erfordert einerseits besondere
Vorkehrungen zum Schutz von Grundstücken, die dauerhaft der Nutzung durch sogen. „vulnerable
Guppen“ (Alte, Kranke, Kinder) gewidmet sind. Dem hat der Beklagte durch Festsetzung gesonderter
Schutzziele für Pflegeheime, Altenheime und Seniorenwohnzentren, Schulen und Kindergärten (s. Ziff. A
3.4 des Planfeststellungsbeschlusses) Rechnung getragen, die nach den diesbezüglichen Erörterungen
in der mündlichen Verhandlung möglicherweise in gestalt der Sonderbestimmung für
Seniorenwohnzentren auch auf die Seniorenwohngemeinschaft „Kreativ im Alter“, der der Kläger
angehört, Anwendung finden. Im Übrigen schließt die Beurteilung der Zumutbarkeit von
Fluglärmimmissionen aber die Berücksichtigung besonderer Umstände in der Person des jeweiligen
Eigentümers oder Nutzers aus. Welche Lärm- oder sonstigen Einwirkungen subjektiv als Störung
empfunden werden, ist nicht ausschlaggebend. Besondere Empfindlichkeiten, Indispositionen oder
andere persönliche Eigenheiten haben außer Betracht zu bleiben. Was der Nachbarschaft an
Beeinträchtigungen zugemutet werden kann, ist vielmehr anhand eines typisierenden und
generalisierenden Maßstabes zu bestimmen, der an das Empfinden des Durchschnittsmenschen anknüpft
(s. BVerwG, BauR 2006, 480 zum Bebauungsrecht; OVG NRW, NWVBl. 2005, 338 = juris Rn 9 und VGH
BW, Urteil vom 04. Juni 2002 - 8 S 460/01 -, juris Rn 72 zum Luftverkehrsrecht). Im übrigen deckt der als
Tagschutzziel allgemein festgelegte äquivalente Dauerschallpegel innen von 40 dB(A) den vom
Sachverständigen der Beigeladenen für Seniorenwohnzentren als präventiven Richtwert empfohlenen
Dauerschallpegel von 42 dB(A) innen (s. S. 138 des Gutachtens C 8) ohne weiteres ab und trägt daher
auch der gruppenspezifischen Empfindlichkeit des älteren Durchschnittsmenschen (s. zur Beachtlichkeit
gruppenspezifischer Empfindlichkeit im Sinne eines „differenziert-objektiven“ Maßstabes VGH BW, NVwZ
1999, 85 [86]) ausreichend Rechnung (s. dazu S. 327f. des Planfeststellungsbeschlusses).
ee. Die Eignung des festgelegten Tagschutzzieles zur Wahrung der verfassungs- und
fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeit des Fluglärms wird schließlich auch durch die – vorwiegend den
Nachtflugverkehr betreffenden - Angriffe des Klägers auf die Lärmprognose nicht in Frage gestellt.
Insbesondere führt die Rüge fehlender Maximalpegelbetrachtungen für den Tag in Anlage 10 zum
Schriftsatz vom 02. März 2006 nicht auf ein Ermittlungsdefizit des Beklagten. Da nach fachwissenschaftlich
gesicherter Einschätzung des Beklagten Spitzenpegel unterhalb 55 dB(A) innen keine unzumutbare
Kommunikationsunterbrechung bewirken, wird deren kommunikationsstörende Wirkung im Rahmen des
Dauerschallpegelkriteriums ausreichend begrenzt. Treten hingegen weniger als sechzehn Spitzenpegel
ab 55 dB(A) auf, so erweist sich dies unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten allenfalls dann als
problematisch, wenn die Höhe einzelner Spitzenpegel – ohne den Schallschutzanspruch wegen
Verletzung des Dauerschallpegelkriteriums auszulösen – die Maximalpegelkriterien für Hörschäden oder
nichtaurale unmittelbare Gesundheitsschäden verletzen kann. Es ist indessen angesichts der Höhe dieser
Werte (s. dazu S. 58 und 73 des Gutachtens C 8) ausgeschlossen, dass durch die Benutzung des
Flughafens Hahn mit zivilem Fluggerät am ca. 13 km Luftlinie davon entfernten Wohnort des Klägers
selbst bei gekippten Fenstern (Dämmwert mind. 15 dB[A]) im Gebäudeinneren die hierfür erforderlichen
Spitzenpegel (> 90 dB[A]) erreicht werden. So hat der lärmphyskalische Gutachter der Beigeladenen in
der mündlichen Verhandlung erklärt, dass in Morbach-Hinzerath etwa durch eine Boeing 747 nur
maximale Außenpegel von ca. 80 dB(A) erzielt werden (S. s. 9 f. der Anlage zur Niederschrift). Auch aus
einer Aufstellung der Bürgerinitiative „Nachtflughafen Hahn e.V.“ über die „50 lautesten Lärmereignisse
am Flugplatz Hahn in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr im Jahr 2004“
(
http://www.fluglaerm.de/hahn/laermmesswerte/2004_50 laermwerte.html
) wird deutlich, dass unter
Berücksichtigung weiterer schwerer Frachtflugzeuge (etwa An 12, An 124) selbst in erheblich größerer
Nähe zum Flughafen (Messpunkte Würrich, Bahnhof Hirschfeld; Hahn, Oberkleinich) maximale
Außenpegel erzielt werden, die im Gebäudeinneren niemals 90 dB(A) erreichen (höchster Pegel: An 12
mit 97,4 dB[A] an der Messstelle Bahnhof Hirschfeld, die allenfalls halb so weit vom Flughafen entfernt
liegt wie Morbach-Hinzerath). Gleiches gilt auch für die vom Kläger als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 02.
März 2006 vorgelegten Messwerte für Dezember 2005 und Januar 2006 an der Messstelle Oberkleinich.
An dieser ca. 8 km Luftlinie vom Flughafen entfernten Station wurde als höchster Wert der Start einer IL 76
mit 98 dB(A) registriert. Die weitaus überwiegenden Werte für Starts und Landungen dieses Flugzeugtyps
lagen allerdings deutlich unter 90 dB(A).
ff. Schließlich ergeben sich auch im Hinblick auf die Gesamtlärmbelastung am Wohnhort des Klägers (s.
dazu S. 295 des Planfeststellungsbeschlusses) weder planungs- noch verfassungsrechtliche Ansprüche
auf ein verschärftes Tagschutzziel. Der Beklagte ist insoweit zu recht – und vom Kläger unbeanstandet –
davon ausgegangen, dass keine wegen Gesundheitsbeeinträchtigung sanierungsbedürftige
Vorbelastung gegeben ist und zudem der fluglärmbedingte Dauerschallpegel deutlich unter dem vom
Straßenverkehr verursachten Dauerschallpegel liegt (vgl. S. 332 des Planfeststellungsbeschlusses).
Soweit über die Klage streitig entschieden worden ist, beruht die Kostenentscheidung auf §§ 154 Abs. 1
VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtstreit hinsichtlich des Hilfsantrages in der Hauptsache teilweise
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es gemäß § 161 Abs. 2 VwGO der Billigkeit, die
Kosten ebenfalls dem Kläger aufzuerlegen. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3
VwGO, da die von der Beigeladenen zugesagte Gewährleistung passiven Schallschutzes für das
Schlafzimmer des Klägers lediglich einen Teil des nicht streitwerterhöhenden (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG)
Hilfsantrages betrifft. Des weiteren entspricht es gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, den Kläger auch
mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten. Denn diese hat sich durch eigene
Antragstellung am Kostenrisiko des Prozesses beteiligt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167
VwGO, 708ff. ZPO.
Die Revision kann nicht zugelassen werden, da Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht
vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
...
ROVG Stamm ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
gez. Dr. Held gez. Dr. Held gez. Utsch
Beschluss
...
ROVG Stamm ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
gez. Dr. Held gez. Dr. Held gez. Utsch
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