Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 10.05.2006

OVG Koblenz: notlage, entwendung, bedrohung, wirt, beamter, disziplinarverfahren, wiederholung, amtsführung, zukunft, versetzung

OVG
Koblenz
10.05.2006
11 A 11702/05.OVG
Disziplinarrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In der Disziplinarsache
wegen Dienstvergehens (Disziplinarklage)
hat der 11. Senat - Senat für Bundesdisziplinarsachen - des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in
Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Mildner
Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski
Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen
ehrenamtliche Richterin Postbetriebsinspektorin Malezki
ehrenamtlicher Richter Amtsinspektor Brack
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2005
ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen und der hilfsweise gestellte Antrag,
die Gewährung des Unterhaltsbeitrages über sechs Monate hinaus zu verlängern, abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin betreibt die Entfernung der Beklagten aus dem Dienst.
Die im Jahre 1948 geborene Beklagte ist geschiedenen und hat zwei erwachsene Kinder. Im Jahre 1966
trat sie als Angestellte in den Fernmeldedienst des Landes Rheinland-Pfalz ein. Ihre Ernennung zur
Beamtin auf Lebenszeit erfolgte im Februar 1975. In ihr derzeitiges Laufbahnamt als
Fernmeldehauptsekretärin (Besoldungsgruppe A 8) wurde sie im März 1995 berufen. Zum 1. April 2002
wurde sie zur T-Punkt Zentrale G. versetzt und im T-Punkt Consumer als Verkäuferin mit Dienstort K.
beschäftigt. Zum 1. Dezember 2002 erfolgte ihre Versetzung zur Personalservice-Agentur der DTAG (jetzt:
Vivento) unter Beibehaltung ihres bisherigen Dienstortes. Zum 1. Oktober 2005 wurde sie von dort zum
Betrieb Konzernsicherheit mit Dienstort W. umgesetzt. Ihre letzte dienstliche Beurteilung vom
18. Dezember 2002 schloss mit dem Gesamtergebnis „erfüllt die Anforderungen weitgehend“. Die
Beklagte ist disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastet.
Im Zeitraum von Juli bis Oktober 2002 entwendete die Beklagte nach und nach insgesamt acht der von
der Deutschen Telekom AG in den Räumen des T-Punkt Consumer in K. vorgehaltenen Handys mit einem
Nettogesamtwert von 949,40 €, die sie an Dritte weitergab. Diese Handys buchte sie ohne die insoweit
erforderlichen Verträge als Upgrade, um deren Fehlen im Bestand zu verdecken. Nach Entdeckung der
Tat gab die Beklagte im Dezember 2002 drei Handys zurück und glich den danach noch verleibenden
Nettowert in Höhe von 577,70 € aus.
Mit Verfügung vom 26. Mai 2003 hob der Vorstand der Deutschen Telekom AG die ursprüngliche
Einleitungsverfügung des Leiters der T-Punkt Zentrale G. vom 8. November 2002 unter Hinweis auf die
zwischenzeitliche Versetzung der Beklagten zur Personalservice-Agentur und den damit verbundenen
Zuständigkeitswechsel auf und leitete erneut das Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des
Verstoßes gegen die Gehorsamspflicht sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten
gegen die Beklagte ein.
Die vorbezeichneten Anschuldigungsgründe hat die Klägerin auch zum Gegenstand der am 24. März
2005 erhobenen Disziplinarklage gemacht und beantragt,
die Beklagte aus dem Dienst zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ihre Entfernung aus dem Dienst sei angesichts der zu
ihren Gunsten sprechenden Milderungsgründe unverhältnismäßig. Sie habe sich zum Zeitpunkt des
Dienstvergehens wegen der ständig wiederkehrenden Probleme ihres volljährigen Sohnes mit Drogen
sowohl in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage als auch in einer psychischen
Ausnahmesituation befunden. Ferner habe sie ein umfassendes Geständnis abgelegt und den Schaden
wieder gutgemacht. Auch könne ihr eine günstige Verhaltensprognose erteilt werden. Sie habe über 35
Jahre ihren Dienst unbeanstandet verrichtet. Ihre Leistungen seien immer durchschnittlich bis über-
durchschnittlich gewesen. Sie sei disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastet. Insbesondere habe sie
sich in der Zeit nach der Pflichtverletzung nichts zu Schulden kommen lassen.
Das Verwaltungsgericht hat auf die Entfernung der Beklagten aus dem Dienst erkannt. Die Beklagte habe
durch die Entwendung von acht Handys und deren Veräußerung an Dritte die ihr obliegende Pflicht zu
gewissenhafter und uneigennütziger Amtsführung sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten
innerhalb des Dienstes erheblich verletzt. Ein Beamter, der unberechtigt ihm dienstlich anvertrautes,
dienstlich zugängliches oder amtlich erlangtes Gut und sei es auch nur vorübergehend für private Zwecke
verwende, versage im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Eine solche Dienstpflichtverletzung führe
verwende, versage im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Eine solche Dienstpflichtverletzung führe
grundsätzlich zum endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn. Dies gelte vorliegend umso mehr, als
die Beklagte nachfolgend durch Falschbuchungen versucht habe, ihr Fehlverhalten zu verschleiern. Es
liege auch kein anerkannter Milderungsgrund vor, der ein Absehen von der danach gebotenen
disziplinaren Höchstmaßnahme rechtfertige. Unabhängig davon, ob die finanziellen Probleme des
Sohnes der Beklagten überhaupt den Tatbestand einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen
Notlage der Beklagten erfüllten, sei der unberechtigte Zugriff auf die Handys, was erforderlich gewesen
wäre, nicht allein zur Sicherung des notwendigen Lebensbedarfs für sie und ihre Familie erfolgt. Der
Verkaufserlös habe sich nach den eigenen Angaben der Beklagten auf höchstens 120,00 € belaufen. Sie
habe - auch unter Berücksichtigung ihres monatlichen Gehalts - nicht nachvollziehbar dargelegt, dieses
Geld zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts benötigt zu haben. Vielmehr räume sie selbst ein, das aus
der Weiterveräußerung erlangte Geld zur Bezahlung von Schulden ihres Sohnes bei Dealern verwandt zu
haben. Ebenso wenig sei das Dienstvergehen als Folge einer schockartig ausgelösten psychischen
Ausnahmesituation zu werten. Insoweit fehle es an dem erforderlichen plötzlichen und un-
vorhergesehenen Ereignis. Die Beklagte berufe sich vielmehr auf eine seelische Dauerbelastung. Die
Lebensverhältnisse ihres Sohnes gestalteten sich bereits über einen Zeitraum von 8 Jahren als überaus
problematisch, sodass die Beklagte jederzeit mit einem weiteren Fehltritt ihres Sohnes habe rechnen
müssen. Daher seien weder der Abbruch der Drogenentziehungskur im Jahre 2002 noch die angeblichen
Drohanrufe von Dealern bei ihrem Sohn im Juli 2002 geeignet gewesen, bei der Beklagten einen
seelischen Schock auszulösen oder eine lähmende Wirkung auf den Vollzug sittlicher Wertvorstellungen
auszuüben. Außerdem fehle die notwendige kausale Verknüpfung zwischen einem - hier unterstellten -
Schock und der Dienstpflichtverletzung. Ein zeitlicher Zusammenhang zum Abbruch der Entziehungskur
sei nicht dargetan. Die von der Beklagten ausschließlich für den Monat Juli 2002 geltend gemachten
Drohanrufe stünden in keinem zeitlichen Zusammenhang mit den im September und Oktober 2002 be-
gangenen Zugriffshandlungen. Auch könne die Entwendung von Handys nicht als schocktypische oder
zumindest schockbedingte Verfehlung angesehen werden. Ein etwaiger von der Beklagten erlittener
Schock durch den Abbruch der Entziehungskur ihres Sohnes oder die behaupteten Drohanrufe bei
diesem führe nicht typischerweise zum Zugriff auf amtlich anvertraute Güter. Zudem sei das Fehlverhalten
der Beklagten nach deren eigenen Angaben durch das Ansinnen eines ehemaligen Mitarbeiters im Juli
2002, ihm ein Handy zu besorgen, veranlasst worden. Anhaltspunkte für weitere Milderungsgründe
(einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat; Geringwertigkeit; Ausgleich des Schadens oder Offen-
barung vor Entdeckungen) seien nicht gegeben. Schließlich verstoße die Entfernung aus dem Dienst auch
nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sie bei einem endgültigen Vertrauensverlust die
einzige Möglichkeit sei, dass sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden und die darin
liegende Härte auf dem der Beklagten zurechenbaren Verhalten beruhe.
Mit ihrer auf das Disziplinarmaß beschränkten Berufung verfolgt die Beklagte ihren bisherigen
Rechtsstandpunkt weiter. Sie hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens
insbesondere daran fest, sich im Zeitpunkt des Dienstvergehens aufgrund familiärer Probleme mit ihrem
Sohn in einer außergewöhnlichen Ausnahmesituation befunden zu haben, die die Verhängung einer mil-
deren Disziplinarmaßnahme als ausreichend erscheinen lasse. Ergänzend führt sie aus, der Entwendung
der Handys sei in allen acht Fällen, also auch September und Oktober 2002, in unmittelbarem zeitlichem
Zusammenhang ein Drohanruf von Dealern vorausgegangen. Allein diese Drohanrufe hätten den Anlass
für ihr Fehlverhalten dargestellt. Sie habe damit die Gesundheit und das Leben ihres Sohnes schützen
wollen. Denn ihr hätten im Zeitpunkt des Dienstvergehens keine anderen finanziellen Mittel mehr zur Ver-
fügung gestanden, um die Drogendealer wenigstens durch unregelmäßige Ratenzahlungen zur
beschwichtigen. Sie habe erfolglos versucht, einen Kredit aufzunehmen. Darüber hinaus beruft sich die
Klägerin auf einen rechtfertigenden bzw. entschuldigenden Notstand im Sinne des Strafgesetzbuches.
Außerdem macht sie geltend, ihre Weiterbeschäftigung nach Aufdeckung des Dienstvergehens, vor allem
ihre Umsetzung zum Betrieb Konzernsicherheit zeige, dass die Klägerin ihr nach wie vor vertraue.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2005 ergangenen
Urteils des Verwaltungsgerichts Trier auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen,
hilfsweise
ihr für die Dauer von 12 Monaten nach Rechtskraft des Urteils einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 50 v.H.
der Dienstbezüge zu gewähren.
Die Klägerin beantragt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens,
die Berufung zurückzuweisen.
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den von den Beteiligten
vorgelegten Schriftsätzen sowie den beigezogenen Disziplinar- und Personalakten (jeweils 1 Band).
Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Das Rechtsmittel ist auf das Disziplinarmaß beschränkt. Der Senat ist daher an die Tat- und
Schuldfeststellungen des Verwaltungsgerichts sowie an die disziplinarrechtliche Würdigung als
Dienstvergehen gebunden. Zugleich ist er an der Feststellung möglicher Rechtfertigungs- oder
Schuldausschließungsgründe gehindert. Er hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu
befinden.
Aufgrund des von der Vorinstanz rechtskräftig festgestellten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft
begangenen Dienstvergehens ist die Beklagte aus dem Dienst zu entfernen. Eine solche Rechtsfolge ist
nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 Satz 1 Bundesdisziplinargesetz - BDG - zwingend auszusprechen, wenn
ein Beamter nach der Schwere des Dienstvergehens und dem Gesamteindruck seiner Persönlichkeit das
für ein Verbleiben im Amt notwendige Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in eine
pflichtgemäße Amtsführung endgültig und unwiederbringlich verloren hat. Anders als bei den übrigen
Disziplinarmaßnahmen besteht bei einer solchen negativen Prognose hinsichtlich der weiteren Ver-
trauenswürdigkeit des Beamten kein Ermessen bezüglich der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme.
Vorliegend hat sich die Beklagte durch ihr pflichtwidriges Verhalten in so hohem Maße disqualifiziert, dass
der Klägerin eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies steht nach dem
Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest. Gewichtige und durchgreifende
Milderungsgründe, die das Vertrauen in die Beklagte noch nicht als vollständig zerstört erscheinen lassen
und es demzufolge rechtfertigen würden, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme abzusehen,
sind nicht feststellbar.
Von entscheidender Bedeutung für die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ist das objektive Gewicht
des festgestellten Dienstvergehens. Bereits dadurch erreicht die Beklagte den Grenzbereich ihrer
weiteren dienstlichen Tragbarkeit. Der wiederholte Zugriff auf die ihr zu Verkaufszwecken dienstlich
anvertrauten Handys und deren ungerechtfertigte Buchung als Upgrade wiegt bereits seiner Art nach
außerordentlich schwer, weil er eine Verletzung im Kernbereich der Dienstpflichten der Beklagten als
Verkäuferin in einem T-Punkt Consumer beinhaltet (stRspr., z.B. BVerwG, NVwZ 2006, 469 betreffend
Zugriff eines Postbeamten auf dienstlich anvertraute Gelder). Zu diesen gehört neben der Beratung der
Kunden insbesondere die ordnungsgemäße Veräußerung, Buchung und Abrechnung der dem
Gewahrsam der Beklagten unterliegenden Handys und sonstigen in den Verkaufsräumen zur Ver-
marktung vorgehaltenen Produkte der Deutschen Telekom AG. Die im wirtschaftlichen Wettbewerb mit
konkurrierenden Anbietern im Bereich der Telekommunikation stehende Deutsche Telekom AG ist auf die
Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten im Umgang mit ihnen anvertrauten Wirtschaftsgütern in
hohem Maße angewiesen. Eine lückenlose Kontrolle aller Bediensteten ist in aller Regel nicht möglich
und muss weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Auch die Allgemeinheit erwartet von den
Bediensteten der Deutschen Telekom AG, dass sie nicht die ihnen im Dienst anvertrauten Sachen und
Wertgegenständen an sich bringen. Indem die Beklagte gleichwohl die Handys aus eigennützigen
Beweggründen zum Zwecke der privaten Weitergabe und Veräußerung an Dritte an sich nahm, störte sie
das für einen geordneten Dienstbetrieb und ein ordnungsgemäßes Funktionieren des öffentlichen
Dienstes unabdingbare Vertrauensverhältnis zu ihrem Dienstherrn und der Allgemeinheit nachhaltig.
Zugleich begründete sie damit ernsthaft Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit, Integrität und Treuebereitschaft.
Erschwerend fällt die erhebliche kriminelle Energie der Beklagten ins Gewicht, die sich nicht auf den
Zugriff als solches beschränkte. Vielmehr versuchte sie unter Ausnutzung dienstlichen Sonderwissens
über betriebsinterne Abläufe, die Entwendung der Handys durch nachfolgende Falschbuchungen zu
verdecken. Des Weiteren wirken Dauer und Häufigkeit der Pflichtverletzungen zu Lasten der Beklagten.
Nach den rechtskräftigen Feststellungen der Vorinstanz erstreckte sich das Fehlverhalten der Beklagten
über vier Monaten. In diesem Zeitraum griff die Beklagte aufgrund eines jeweils gesonderten
Tatentschlusses fünfmal auf die ihr dienstlich anvertrauten Handys zu und eignete sich auf diese Weise
insgesamt acht Handys an. Es handelt sich mithin um eine Wiederholungs- und nicht um eine unbedachte
einmalige Gelegenheitstat oder ein Augenblicksversagen. Auch die Höhe des dadurch verursachten
Schadens von insgesamt 949,40 € ist als nicht unerheblich einzustufen. Dem steht nicht entgegen, dass
die Beklagte nach Entdeckung der Tat im Dezember 2002 drei Handys zurückgab und den verbleibenden
Nettowert in Höhe von 577,70 € ausglich. Hierzu war sie zivilrechtlich ohnehin verpflichtet. Außerdem
kommt belastend hinzu, dass die Beklagte aus eigennützigen Motiven handelte, um ihr Vermögen zu
mehren. Denn sie räumte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich ein, in dem Zugriff
auf die Handys zunächst eine Möglichkeit gesehen zu haben, sich Geld zu beschaffen. Nach allem ist
nicht erwarten, die Beklagte werde in Zukunft ihrer Verpflichtung aus §
54 Satz 2 und 3 Bundes-
beamtengesetz - BBG
- nachkommen, sich bei der Ausübung ihrer Dienstgeschäfte uneigennützig zu
zeigen sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die ihr Beruf erfordert. Der durch das
Kernpflichten verletzende Dienstvergehen bewirkte Verlust des für die Berufsausübung benötigten Ver-
trauens der Öffentlichkeit und ihrer Vorgesetzten ist vielmehr tiefgreifend und endgültig.
Eine mildere Bewertung des disziplinarrechtlich zu würdigenden Fehlverhaltens ist insbesondere nicht
wegen der fehlenden Suspendierung der Beklagten angezeigt. Die vorübergehende Weiterbeschäftigung
eines Beamten nach Aufdeckung des Dienstvergehens sagt nichts über den eingetretenen
Vertrauensverlust aus und wirkt sich damit nicht maßnahmemildernd aus. Die Frage der weiteren
Tragbarkeit des Beamten ist von den Disziplinargerichten nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen.
Maßgeblich ist, ob dem Beamten bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens und Abwägung aller
festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch vertraut werden kann, seinen Dienst
zukünftig pflichtgemäß zu verrichten. Der Dienstvorgesetzte besitzt insoweit keinen
Beurteilungsspielraum. Es ist nicht entscheidend, wie dieser den Umfang der Beeinträchtigung des Ver-
trauens einschätzt. Die Weiterbeschäftigung durch ihn kann vielmehr auf Gründen beruhen, die
disziplinarrechtlich nicht von Bedeutung sind. Der eingetretene Vertrauensverlust wird dadurch nicht
nachträglich beseitigt (stRspr., vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2002, BVerwG 1 D 5.02, Juris-
dokument). So ist es auch hier. Denn die Weiterbeschäftigung erfolgte nach den unwiderlegten Angaben
der Klägerin allein aus wirtschaftlichen Gründen, um zu verhindern, dass die Beklagte ansonsten volle
Bezüge ohne Arbeitsleistung bekommt.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte zu ihrer Entlastung auch auf die Umsetzung zum Betrieb
Konzernsicherheit. Diese Maßnahme erlaubt nicht den Rückschluss, die Beklagte hätte das Vertrauen der
Klägerin noch nicht endgültig verloren. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, da die Klägerin nach ihren
Angaben auf diese Weise gerade sicherstellen wollte, dass die Beklagte keinen Zugriff mehr auf ihre
Wirtschaftsgüter hat.
Darüber hinaus sind auch im Persönlichkeitsbild der Beklagten begründete Umstände im Sinne des § 13
Abs. 1 Satz 3 BDG, an denen ein neues dienstliches Vertrauen anknüpfen könnte, nicht erkennbar.
Die anerkannten Milderungsgründe des Handelns in einer unverschuldeten, ausweglos erscheinenden
finanziellen Notlage sowie einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation liegen nicht
vor. Insoweit wird auf die zutreffenden und erschöpfenden Gründe im Urteil des Verwaltungsgerichts ver-
wiesen (§ 3 BDG i.V.m. § 130 b Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Darüber hinaus ist ein Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme bei einer über diese anerkannten
Milderungsgründe hinausgehenden Würdigung des Persönlichkeitsbildes der Beklagten (vgl. BVerwG,
a.a.O.) auch nicht gerechtfertigt, soweit diese auf den fehlenden abschließenden Charakter dieser
Milderungsgründe bei Zugriffsdelikten verweist und geltend macht, es müsse im konkreten Fall
berücksichtigt werden, sie habe sich im Zeitpunkt des Dienstvergehens aufgrund familiärer Probleme mit
ihrem Sohn in einer vergleichbaren außergewöhnlichen Ausnahmesituation befunden. Zwar werden die
von der Beklagten geschilderten Probleme ihres volljährigen Sohnes nicht in Abrede gestellt. Ebenso
wenig wird bezweifelt, dass die Beklagte ihren Sohn jahrelang vor allem auch finanziell unterstützt und
sich gerade dadurch zum Zeitpunkt des Dienstvergehens, wenn auch nicht in einer existentiellen Notlage,
so doch in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befunden hat. Allerdings kann der Beklagten nach
der Überzeugung des Senats - bei allem Verständnis für ihre familiären Probleme - nicht geglaubt werden,
ihr pflichtwidriges Handeln sei ausschließlich auf die Probleme ihres Sohnes ursächlich zurückzuführen
oder durch die Lösung dieser Probleme motiviert. Vielmehr steht nach der Einlassung der Beklagten in
der mündlichen Verhandlung für den Senat fest, dass sie in dem Zugriff auf die Handys und deren
Weitergabe an Dritte generell eine Möglichkeit sah, sich bei ihrer angespannten finanziellen Lage
zusätzlich Geld zu beschaffen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten unterhalb der Schwelle der existentiellen
Notlage reichen angesichts der objektiven Schwere des Zugriffs auf dienstlich anvertraute Güter indessen
nicht aus, das Vertrauen in die Beklagte als noch nicht endgültig zerstört erscheinen zu lassen.
Gegen die Annahme, die Probleme des Sohnes hätten das Handeln der Beklagten bestimmt, spricht vor
allem der sich aus der Einlassung der Beklagten ergebende Ablauf der Geschehnisse. Danach kam der
Anstoß für den Zugriff auf die Handys von einem ehemaligen Mitarbeiter der Deutschen Telekom AG, der
die Beklagte im Juli 2002 fragte, ob sie ihm ein Handy besorgen könne, und darauf hinwies, dass bei
einer Buchung als Upgrade auch keine Nachfragen erfolgten. Dies gab die Beklagte nicht nur bei ihrer
ersten Befragung im Anschluss an die Entdeckung der Tat im Oktober 2002 und wiederholt im Rahmen
ihrer abschließenden schriftlichen Stellungnahme gemäß § 30 Satz 1 BDG vom 7. Mai 2004 an. Vielmehr
beschränkte sie auch ihre spontane Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die
Frage nach ihren damaligen Beweggründen ausschließlich auf diese Aussage. Auf die Probleme mit
ihrem Sohn, insbesondere dessen behauptete Bedrohung durch Dealer als angeblich auslösendes Motiv
für ihre Vorgehensweise, kam sie erst auf entsprechenden Vorhalt ihres Prozessbevollmächtigten zu
sprechen. Hätte die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich in der (alleinigen oder zumindest
überwiegenden) Vorstellung gehandelt, durch den Zugriff auf die Handys die angebliche Bedrohung ihres
Sohnes durch Dealer abwenden zu können, hätte es nahe gelegen, dies von sich aus in der mündlichen
Verhandlung anzugeben. Dies gilt umso mehr, als aufgrund der zwischenzeitlichen Offenbarung dieser
Umstände durch die Beklagte - anders als gegebenenfalls noch im behördlichen Disziplinarverfahren -
kein nachvollziehbarer Grund mehr bestand, diese Umstände aus Scham zu verschweigen. Hinzu kommt,
dass sich die Beklagte erstmals in der Klageerwiderung vom 30. Mai 2005 und damit annähernd drei
Jahre nach Entdeckung der Tat, auf die angebliche Bedrohung ihres Sohnes durch Dealer im Vorfeld
einer Zugriffshandlung berufen hat. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten in Rechnung stellt, dies sei
aus Scham geschehen, kann ihr nicht geglaubt werden, es sei im Vorfeld jeder Zugriffshandlung zu einem
entsprechenden Anruf gekommen. Denn insoweit liegt eine nicht unerhebliche Steigerung des
Vorbringens vor. Nachdem das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich darauf
hingewiesen hatte, die Beklagte habe gerade nicht geltend gemacht, es habe nach Juli 2002 weitere
Drohanrufe gegeben, weshalb Bedenken an der Kausalität bestünden, wurde in der
Berufungsbegründung vom 7. Februar 2006 ergänzend behauptet, auch den Zugriffshandlungen im
September und Oktober 2002 sei in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang jeweils ein entsprechender
Anruf vorausgegangen.
In dieses Erscheinungsbild fügt sich ein, dass die Beklagte noch in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat ihr Fehlverhalten zu relativieren versuchte, indem sie im Rahmen ihrer abschließenden Erklärung
erneut pauschal darauf hinwies, das ihr zur Last gelegte Verhalten sei nicht unüblich und gegen andere
Beamte, denen ein vergleichbarer Vorwurf gemacht worden sei, seien mildere Disziplinarmaßnahmen
verhängt worden. Dies zeigt, dass sie die Tragweite ihres Fehlverhaltens nicht erfasst und im Kern auch
nicht bereut. Ihre zuvor in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung, sie sehe die
Pflichtwidrigkeit ihrer Handlungsweise ein und werde in Zukunft ihren dienstlichen Pflichten nachkommen,
erweckt vor diesem Hintergrund vielmehr den Eindruck eines zweckgerichteten Lippenbekenntnisses, um
der Entfernung aus dem Dienst zu entgehen.
Angesichts dessen kommen der bisherigen disziplinar- und strafrechtlichen Unbescholtenheit der
Beklagten sowie ihren früheren Leistungen, die möglicherweise für ihre Person sprechen könnten, keine
entscheidende Bedeutung für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bei, zumal sich eine
ordnungsgemäße, straffreie Dienstverrichtung für jeden Bediensteten von selbst versteht.
Ferner erweist sich die Entfernung der Beklagten aus dem Dienst nicht als unverhältnismäßig. Auch
insoweit ist auf die zutreffenden und erschöpfenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu verweisen.
In Abwägung aller vorstehenden Aspekte ist daher, entsprechend dem Unrechtsgehalt des
Dienstvergehens, die Entfernung der Beklagten aus dem Dienst unausweichlich.
Die geltend gemachten Gründe für eine gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 BDG von dem gesetzlichen Regelfall
abweichende Entscheidung über die Gewährung des Unterhaltsbeitrages greifen nicht durch. Die
Beklagte wohnt aufgrund eines lebenslangen Wohnrechts mietfrei und hat lediglich für die Nebenkosten
aufzukommen. Zudem fallen künftig keine Fahrtkosten zu Dienststelle nach W. mehr an. Des Weiteren ist
zu beachten, dass eine etwaige gesetzliche Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber ihrem 26jährigen
Sohn grundsätzlich nur nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit, also ohne Gefährdung eines eigenen
angemessenen Unterhalts besteht (§1603 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Die übrigen
Zahlungsverpflichtungen lassen keine außergewöhnliche Belastung erkennen, sodass derzeit unter dem
Aspekt der wirtschaftlichen Bedürftigkeit keine Abweichung von der gesetzlichen Regeltypik geboten
erscheint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 4 BDG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben (§ 78 Abs. 1 Satz 1 BDG).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 3 BDG in
Verbindung mit § 167 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 69 BDG in Verbindung mit § 132 Abs. 2 VwGO liegen
nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Dr. Mildner gez. Bonikowski gez. Stengelhofen