Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.01.2005

OVG Koblenz: stand der technik, lärm, windkraftanlage, umweltverträglichkeitsprüfung, bier, vorprüfung, vermessung, bebauungsplan, behörde, vorverfahren

OVG
Koblenz
21.01.2005
8 A 11488/04.OVG
Baurecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
1. ...
2. ...
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
beigeladen:
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen baurechtlicher Nachbarklage
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 21. Januar 2005, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier
Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
ehrenamtliche Richterin Bankangestellte Benninghoven
ehrenamtlicher Richter Pensionär Bertram
für Recht erkannt:
Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2004 ergangenen Urteils des
Verwaltungsgerichts Trier wird die Baugenehmigung des Beklagten vom 28. November 2002 aufgehoben.
Die Gerichtskosten beider Rechtszüge sowie die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen der
Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner können die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine Baugenehmigung, die der Beklagte dem Beigeladenen für eine
Windkraftanlage erteilt hat.
Die Firma W. GmbH beantragte mit Bauanträgen vom 10.Mai.2001/26.Juni.2001 die Genehmigung für drei
Windkraftanlagen Typ Nordex und eine Windkraftanlage Typ Südwind. Aufgrund einer
Übernahmevereinbarung vom 6. Februar 2002 trat der Beigeladene für zwei Windkraftanlagen Typ
Nordex in das Genehmigungsverfahren ein. Ihm wurde zunächst mit Ablehnungsbescheid vom 10. April
2002 die Baugenehmigung für beide Windkraftanlagen versagt. Auf seinen Widerspruch hin erteilte ihm
der Beklagte mit Bauschein vom 28. November 2002 die Baugenehmigung für eine Windkraftanlage Typ
Nordex (2.500 kW, Rotordurchmesser 80 m, Nabenhöhe 100 m) auf den Flurstücken Gemarkung Z. Flur ...
Nrn. ..., ... und ... .
Bereits mit Baugenehmigung vom 10. Juni 2002 hatte der Beklagte der Fa. W. GmbH die Errichtung einer
weiteren Windkraftanlage Typ Nordex und einer Windkraftanlage Typ Südwind (1.500 kW,
Rotordurchmesser 70 m, Nabenhöhe 85 m) auf den Flurstücken Gemarkung Z. Flur ... Nrn. ... und ...
genehmigt.
Die Kläger legten entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung gegen beide Baugenehmigungen
Widerspruch ein und machten geltend, eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sei
erforderlich. Im Übrigen seien die erteilten Baugenehmigungen auch deshalb rechtswidrig, weil sie zu
einer Lärmbelästigung für die Wohnbebauung führten. Dabei handele es sich faktisch um ein reines
Wohngebiet. Aber selbst wenn man die Werte für ein allgemeines Wohngebiet zugrunde lege, könnten
diese nicht eingehalten werden, denn es seien Zuschläge für Tonhaltigkeit und Impulshaltigkeit zu
berücksichtigen, auch sei fälschlich nur von einer Windgeschwindigkeit von 10 m/Sekunde ausgegangen
worden. Der Schallleistungspegel sei mit 103,8 dB(A) unzureichend ermittelt worden.
Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 3. Januar 2001, zugegangen am 7. Januar 2002, darauf
hingewiesen hatte, dass die Baugenehmigung im Abhilfeverfahren ergangen sei, haben die Kläger am
7. Februar 2002 Klage gegen die Baugenehmigung vom 28. November 2002 erhoben. Zur Begründung
haben sie vorgetragen: Die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie einen Teil eines Vorhabens mit
drei Windkraftanlagen betreffe, dessen Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zu beur-
teilen sei. Das gesamte Dorf Z. werde durch die Windkraftanlagen betroffen. Die roten Blinklichter
verursachten erhebliche Unruhe, es entstünden Lärmbelästigungen für die Wohnbebauung und Nachteile
durch Schattenwurf für die Hausgärten. Der Standort liege außerhalb der im Flächennutzungsplan
vorgesehenen Sonderbaufläche für die Windkraft und innerhalb eines gemeldeten, zumindest aber
faktischen Vogelschutzgebietes. Die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für das Wohngebiet könnten
nicht eingehalten werden. Es handele sich faktisch um ein reines Wohngebiet. Aber auch die Werte für ein
allgemeines Wohngebiet würden deutlich überschritten. Wegen erheblicher Ton- und Impulswerte seien
Aufschläge von 3 oder 6 dB(A) zu berücksichtigen, außerdem entspreche die Tonhaltigkeit nicht dem
Stand der Technik und verstoße deshalb gegen das Immissionsschutzgesetz.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte beide Baugenehmigungen durch eine
Nebenbestimmung ergänzt, wonach am Wohnhaus der Kläger der von den Windkraftanlagen erzeugte
Immissionsanteil 55 dB(A) am Tag und 40 dB(A) nachts nicht überschreiten darf.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. März
2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Kläger würden durch die Baugenehmigung
nicht in eigenen Rechten verletzt. Sie könnten nicht mit Erfolg rügen, dass ein
immissionsschutzrechtliches Verfahren hätte durchgeführt werden müssen, da sie keinen Anspruch darauf
hätten, dass ein bestimmtes Verwaltungsverfahren durchgeführt werde, sondern nur einen Anspruch
darauf, nicht in eigenen materiellen Rechten verletzt zu werden. Die erteilte Baugenehmigung verletze
jedoch keine Bestimmungen, die auch dem Schutz der Kläger dienten, insbesondere nicht das Gebot der
Rücksichtnahme. In der Baugenehmigung seien zulässige Lärmrichtwerte festgelegt worden. Dabei sei
der Beklagte zutreffend von einem allgemeinen Wohngebiet ausgegangen, da die Festlegung im
Bebauungsplan maßgeblich sei. Die festgelegten Immissionsrichtwerte entsprächen der TA-Lärm 1998.
Nach dem vorliegenden Gutachten könne der Nachtwert von 40 dB(A) auch unter Berücksichtigung eines
Tonzuschlags von 2 dB(A) eingehalten werden, der hier angemessen erscheine. Selbst ein pauschaler
Tonzuschlag nach Ziffer 2.5.2 des Anhangs zur TA-Lärm 1998 führe bei den Klägern nur zu einer
Erhöhung der Immissionswerte um ca. 1 dB(A). Es sei überzeugend, wenn der Sachverständige einen
Impulszuschlag für reine Spekulation halte, da die akustische Vermessung der Anlage eine
Impulshaltigkeit von weniger als 2 dB(A) ergeben habe. Selbst wenn bei der Bauüberwachung eine
Überschreitung der Immissionswerte festgestellt werde, was unwahrscheinlich sei, könnten die Richtwerte
durch einen schalloptimierten oder schallreduzierten Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dies könne
durch die Behörde angeordnet werden. Eine Verletzung eigener rechtlich geschützter Interessen der
Kläger durch unzureichende Berücksichtigung des Natur- und Landschaftsschutzes sei nicht dargelegt.
Die Kläger begründen die vom Senat mit Beschluss vom 13. August 2004 zugelassene Berufung wie folgt:
Die durch die angefochtene Baugenehmigung genehmigten Windkraftanlagen seien Teil einer Windfarm,
die einer Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bedürfe. Das Verwaltungsgericht habe
aber den strengeren Prüfungsmaßstab nach § 6 BImSchG nicht berücksichtigt. Die umstrittenen Wind-
kraftanlagen seien danach schon deshalb nicht genehmigungsfähig, weil von ihnen tonhaltige Geräusche
ausgingen, so dass sie nicht mehr dem Stand der Technik entsprächen. Es sei nicht berücksichtigt
worden, dass es sich faktisch um ein reines Wohngebiet handele. Die Baugenehmigung sei auch
aufzuheben, weil sie von einer unzuständigen Behörde ohne Prüfung der materiellen Voraussetzungen
einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erteilt worden sei und deshalb möglicherweise sogar
nichtig sei. Die Regelungen des Bundesimmissionsschutzrechtes seien nachbarschützend. Deshalb
müsse eine Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung erfolgreich sein, die für eine nach Immissions-
schutzrecht genehmigungspflichtige Anlage erteilt worden sei. Im Übrigen sei die Erschließung der
Anlage nicht gesichert. Sie sei nur durch Wirtschaftswege erschlossen, die zur Erschließung land- und
forstwirtschaftlicher Grundstücke bestimmt seien. Daran ändere auch die privatrechtliche Vereinbarung
der Gemeinde Waldorf mit der Beigeladenen nichts, denn sie dürften gegen den Willen der
Nutzungsberechtigten nicht in Anspruch genommen werden, zu denen sie als Eigentümer des Flurstückes
Flur ... Nr. ... gehörten. Wegen der Eiswurfgefahr müssten die Wege im Winterhalbjahr gesperrt werden.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 10. März 2004 die Baugenehmigung des
Beklagten vom 28. November 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Begründung des angefochtenen Urteils. Selbst wenn ein
immissionschutzrechtliches Verfahren hätte durchgeführt werden müssen, hätten die Kläger keinen
Anspruch darauf, sondern nur auf Wahrung ihrer materiellen Rechte. Deshalb sei ausschließlich zu
prüfen, ob die Baugenehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften verstoße. Dies sei angesichts
des Lärmgutachtens und der ergänzenden Erläuterung des Sachverständigen nicht der Fall.
Der Beigeladene beantragt gleichfalls,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtakten sowie
auf zwei Ordner Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet.
Die angefochtene Baugenehmigung vom 28. November 2002 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in
ihren Rechten, so dass das Verwaltungsgericht der Klage hätte stattgeben müssen.
Eine Verletzung der Rechte der Kläger sieht der Senat allerdings nicht bereits darin, dass eine
Baugenehmigung erteilt worden ist, obwohl eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich
gewesen wäre, weil die genehmigte Windkraftanlage zusammen mit zwei weiteren bereits mit Bauschein
vom 10. Juni 2002 genehmigten Windkraftanlagen als Windfarm anzusehen ist, für die ein
immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist (§ 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1
sowie Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV; vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - NVwZ 2004,
1235).
Hierzu hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Einzelne die Beachtung von
Verfahrensvorschriften grundsätzlich nicht unabhängig von der Verletzung materieller Rechte erzwingen
kann. Der materiell-rechtliche Schutz, den das Baurecht gewährt, entspricht dem in § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG geregelten Schutz durch das Immissionsschutzrecht (BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 -
4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58 [59]). Soweit andererseits § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG im Rahmen der
Vorsorge dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen verlangt, ist dies nicht nachbarschützend
(BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313 [320]). Das immissionsschutzrechtliche
Verfahren dient nicht um seiner selbst willen dem Schutz des potentiell betroffenen Nachbarn (BVerwG,
Urteil vom 5. Oktober 1990 - 7 C 55 und 56.89 - BVerwGE 85, 368 [373]).
Eine Rechtsverletzung der Kläger ergibt sich auch nicht unter europarechtlichen Gesichtspunkten daraus,
dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterblieben ist. Die Richtlinie 85/337/EWG regelt die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche
Auswirkungen auf die Umwelt haben. Windfarmen sind nach Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 85/337/EWG i.V.m.
Anhang 2 Nr. 3 i aufgrund einer Einzelfalluntersuchung oder anhand von Schwellenwerten oder anderen
Kriterien darauf zu untersuchen, ob sie einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 5 bis 10 unterzogen
werden müssen. Entsprechend regelt § 3 c Abs. 1 Satz 2 UVPG i.V.m. Ziff. 1.6.3 der Anlage 1, dass bei
Windfarmen von drei bis weniger als sechs Windkraftanlagen eine standortbezogene Vorprüfung des
Einzelfalles vorzunehmen ist. Nur wenn danach aufgrund der besonderen örtlichen Gegebenheiten
gemäß den in der Anlage 2 Abs. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige
Umweltauswirkungen zu erwarten sind, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Nach
Art. 10 a der Richtlinie 85/337/EWG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Mitglieder der betroffenen
Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen,
Zugang zu einer Überprüfung vor einem Gericht haben, um die materiell-rechtliche und
verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen
anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Ab-
gesehen davon, dass diese Vorschrift (noch) nicht unmittelbar gilt, weil sie erst durch die Richtlinie
2003/35/EG eingefügt wurde und die Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni 2005 (Art. 6 Richtlinie 2003/35/EG)
noch nicht abgelaufen ist, liegt im Unterlassen der Vorprüfung nach § 3 c Abs. 1 Satz 2 UVPG auch kein
im Sinne der Richtlinie beachtlicher Verfahrensverstoß. Denn für die Vorprüfung selbst ist eine
Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht vorgesehen (zu deren Erheblichkeit für den Drittrechtsschutz bei
Verfahrensverstößen siehe jüngst OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 7 B
12114/04.OVG -). Auch liegen die Voraussetzungen für die Erforderlichkeit einer
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vor, wie die inzwischen im immissionsschutzrechtlichen Verfahren
vorgenommene Vorprüfung bestätigt hat. Auch der Flächennutzungsplan lässt nicht erkennen, dass
besondere Standortbedingungen gegeben sind, die die Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern würden. Rechte der Kläger aus der Richtlinie 2002/49/EG über
die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, die verletzt sein könnten, sind ebenfalls nicht
ersichtlich.
Allerdings verstößt die angefochtene Baugenehmigung entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts zum Nachteil der Kläger gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, das in
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB seine Grundlage findet (BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999 - 4 B
38.99 - BRS 62 Nr. 189), so dass sie wegen dessen nachbarschützender Wirkung in ihren Rechten
verletzt werden. Die mit der angefochtenen Baugenehmigung genehmigte Windkraftanlage kann
zusammen mit den bereits mit Baugenehmigung vom 10. Juni 2002 genehmigten Windkraftanlagen
schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorrufen, die für die
Kläger unzumutbar sind. Diese drei Windkraftanlagen, die in einem so engen räumlichen Zusammenhang
stehen, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden und für die auch zeitgleich ein Bauantrag
gestellt wurde, bilden eine Windfarm (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. Juni 2004, a.a.O.).
Ihre Umwelteinwirkungen können nicht getrennt voneinander gesehen werden. Die Grenzen der
Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß an gebotener Rücksichtnahme
wird auch im Bereich des Baurechts durch §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bestimmt (vgl. BVerwG,
Urteil vom 30. September 1983 a.a.O.).
Zur Beurteilung ob ein Verstoß gegen die Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes vorliegt,
kann nach einhelliger Auffassung die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum
Bundesimmissionsschutzgesetz (TA Lärm) vom 28. August 1998 herangezogen werden. Dabei lässt sich
der Senat (siehe bereits Beschluss vom 22. März 2004 – 8 B 10325/04.OVG -) übereinstimmend mit der
Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18. November 2002, NVwZ 2003, 756; s. auch
Beschlüsse vom 7. Januar 2004, NuR 2004, 817, und vom 14. Juni 2004 – 10 B 2151/03 - [juris]) von
folgenden Überlegungen leiten: Die Baugenehmigung für Windkraftanlagen muss zum Schutz der
Nachbarn auf einer Prognose der Immissionsbelastungen beruhen, die „auf der sicheren Seite“ liegt. Sie
hat auf den Betriebszustand der Anlagen mit den höchsten Emissionen abzustellen. Bei sog. pitch-
gesteuerten Anlagen – wie im vorliegenden Fall – tritt dieser Zustand regelmäßig bei
Windgeschwindigkeiten ein, bei denen die Nennleistung erreicht wird. Der Prognose ist deshalb der mit
einem Sicherheitszuschlag (u.a. wegen möglicher „Serienstreuung“) versehene Schallleistungspegel
zugrunde zu legen, der für die Nennleistung bei einer Referenzmessung desselben Anlagentyps ermittelt
worden ist. Sodann ist in einer Ausbreitungsrechnung nach der TA-Lärm, und zwar zur Vermeidung von
Prognosefehlern tunlichst in den sog. alternativen Verfahren gemäß DIN ISO 9613-2 Abschnitt 7.3.2, zu
ermitteln, ob an den relevanten Immissionsorten der einschlägige Nachtwert eingehalten wird. Ist dies der
Fall, muss die Baugenehmigung grundsätzlich Vorsorge treffen, dass die bei der Prognose unterstellte
Prämisse, aufgrund deren das Fehlen schädlicher Umwelteinwirkungen angenommen werden konnte,
möglichst dauerhaft eingehalten wird. Hierzu bietet sich die Festschreibung des der Prognose zugrunde
gelegten Schallleistungspegels – d.h. des Schallleistungspegels der Referenzanlage ohne
Sicherheitszuschlag – an. Eine solche Festschreibung ist deshalb sachgerecht, weil ihre Einhaltung am
ehesten im Rahmen der Überwachung überprüfbar ist. Demgegenüber stellt die Vorgabe, dass ein
bestimmter Zielwert am maßgeblichen Immissionsobjekt einzuhalten ist, für sich genommen nicht
hinreichend sicher, dass dort schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden.
Nach diesen Maßstäben ist für die Kläger eine unzumutbare Beeinträchtigung auch nach dem Gutachten
des Sachverständigen Dipl.-Ing. P. vom 17. Dezember 2003 nicht hinreichend sicher ausgeschlossen. Die
vorgelegte Prognose genügt den zu stellenden Anforderungen nicht. Zwar ist nach ihr der Immissions-
grenzwert von 40 dB(A) am Anwesen der Kläger mit einem prognostizierten Beurteilungspegel von 38
dB(A) eingehalten. Der Gutachter ist dabei zutreffend von den Immissionsrichtwerten für ein allgemeines
Wohngebiet ausgegangen, da im Bebauungsplan, gegen dessen Wirksamkeit durchgreifende Bedenken
nicht bestehen, ein solches ausgewiesen ist. Es bestehen jedoch Bedenken, ob der Sachverständige die
Tonhaltigkeit der Geräusche ausreichend berücksichtigt hat. Das Gutachten geht von einem Tonzuschlag
von 2 dB(A) aus, der letztlich bei der Ermittlung des Beurteilungspegels am Hause der Kläger mit 1 dB(A)
in die Berechnung eingeht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der
Sachverständige eingeräumt, dass es große Unsicherheiten gebe, was die Schallausbreitung von Tönen
betreffe. Es könne sowohl eine Dämpfung als auch eine Verstärkung des Schalls eintreten. Deshalb
müsse die Tonhaltigkeit am Immissionsort gemessen werden. Im Baugenehmigungsverfahren halte er es
auch für vertretbar, einen Zuschlag von 3 dB(A) für Töne zu geben, da die Vermessung bei der Anlage Typ
Nordex einen Zuschlag von 2 dB(A) ergeben habe. Er sei allerdings konform zur akustischen Vermessung
der Anlage von einem Tonzuschlag von 1 bzw. 2 dB(A) ausgegangen. Bei dem Immissionspunkt am Haus
der Kläger komme er nur zu einer Erhöhung von 1 dB(A), dies hänge mit der Entfernung zur Anlage
zusammen. Angesichts der vom Sachverständigen dargelegten Ungewissheit über die Ausbreitung von
tonhaltigen Geräuschen sieht der Senat - auch im Hinblick auf die ruhige Lage des betroffenen
Baugebietes - keine Veranlassung, von dem von der TA Lärm (Anhang A.3.3.5) vorgesehenen Ton-
haltigkeitszuschlag von 3 dB(A) abzuweichen. Danach ergibt sich unter Ansatz der übrigen Werte
entsprechend dem Gutachten folgende Berechnung: Beurteilungspegel 35 dB(A) zuzüglich
Tonhaltigkeitszuschlag 3 dB(A) zuzüglich Unsicherheitszuschlag 2 dB(A) gleich insgesamt 40 dB(A).
Damit wäre der Richtwert gerade eingehalten. Es kommt jedoch dazu, dass der der Prognose zugrunde
liegende Schallleistungspegel in der Baugenehmigung nicht festgeschrieben und somit seine Einhaltung
für die Zukunft nicht sichergestellt ist. Deshalb ist die Prognose nicht, wie zu verlangen ist, auf der sicheren
Seite.
Das ist nicht deshalb unerheblich, weil die in Betracht zu ziehende Überschreitung des Richtwertes nur
geringfügig erscheint und ein schalloptimierter oder schallreduzierter Betrieb möglich ist, wenn im
Rahmen der Bauüberwachung eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte festgestellt werden sollte.
Von einer für die Kläger noch zumutbaren Lärmbeeinträchtigung kann nur ausgegangen werden, wenn
bereits eine Prognose bestätigt, dass die Lärmrichtwerte hinreichend sicher eingehalten werden. Es ist
maßgeblich auf die Prognose abzustellen, denn die Kläger können nicht auf die in der Baugenehmigung
festgeschriebenen Immissionswerte und deren Überwachung verwiesen werden. Wie sich auch im
vorliegenden Fall bestätigt hat, stößt die messtechnische Überprüfung der Einhaltung der
Immissionswerte auf erhebliche Schwierigkeiten, die sich zu Lasten der Kläger auswirken würden,
während es Aufgabe des Bauherrn ist, Bedenken gegen das Vorhaben auszuräumen.
Eine mögliche Überschreitung der Immissionsrichtwerte ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil wie in
der mündlichen Verhandlung ausgeführt worden ist, die errichteten Windkraftanlagen wegen einer
Verbesserung des Kühlsystems nunmehr eine geringere Tonhaltigkeit aufweisen, als beim Ortstermin des
Sachverständigen festgestellt wurde. Diese Änderungen sind nicht Gegenstand der Baugenehmigung
und können deshalb im Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht berücksichtigt
werden. Das Gleiche gilt, soweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht geltend
gemacht wurde, die Anlage Typ Nordex werde nur bei einer Windgeschwindigkeit von bis zu 10 m/s am
Kopf betrieben.
Es war nicht erforderlich, wegen des Schreibens des Sachverständigen Dipl. Ing. P. vom 24. Januar 2005
die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, denn die dortigen Ausführungen entsprechen im
Wesentlichen den Erläuterungen, die der Sachverständige bereits in der mündlichen Verhandlung vor
dem Verwaltungsgericht zu seinem Gutachten gegeben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO), denn
die Kläger wurden durch die Rechtsbehelfsbelehrung auf ein Widerspruchsverfahren verwiesen, für das
sie sich eines Bevollmächtigten bedienen durften (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.
August 1991 -11 S 177/91- NVwZ-RR 1992, 388).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
...
RinOVG Spelberg ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
gez. Dr. Bier gez. Dr. Bier gez. Schauß
Beschluss
...
RinOVG Spelberg ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
gez. Dr. Bier gez. Dr. Bier gez. Schauß