Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 25.11.2005
OVG Koblenz: rechtskräftiges urteil, private vermögensverwaltung, gründung der gesellschaft, disziplinarverfahren, vorläufige dienstenthebung, nebentätigkeit, geschäftsführer, verdacht, anfang
OVG
Koblenz
25.11.2005
3 A 10850/05.OVG
Disziplinarrecht, Beamtenrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In der Disziplinarsache
wegen Disziplinarklage
hat der 3. Senat - Senat für Landesdisziplinarsachen - des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in
Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2005, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Mildner
Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen
ehrenamtliche Richterin Polizeihauptmeisterin Barth
ehrenamtlicher Richter Justizamtmann Blumer
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten wird das aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier aufgehoben
und die Disziplinarklage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
T a t b e s t a n d
Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.
Der 1957 geborene Beklagte ist ledig und hat keine Kinder. Im Jahre 1975 trat er in den Polizeidienst des
Landes Rheinland-Pfalz. Seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit erfolgte im April 1984. In sein
derzeitiges Laufbahn-amt als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) wurde er im Dezember 1990
berufen. Bis Ende Oktober 1999 war er der Bereitschaftspolizei in E. zugeteilt. Anfang November 1999
wurde er zum Polizeipräsidium Westpfalz versetzt. Zuletzt verrichtete er bei der Polizeiinspektion 1 in K.
seinen Dienst. In der letzten Anlassbeurteilung aus dem Jahre 2001 wurde er mit der Gesamtnote „C“ (ent-
spricht den Anforderungen) beurteilt. Der Beklagte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
Im Oktober 1989 beantragte der Beklagte die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung, da er vom
Finanzamt als Gewerbetreibender im Sinne des Steuerrechts eingestuft worden sei und den Bau eines
Mehrfamilienhauses beabsichtige. Die Direktion der Bereitschaftspolizei teilte ihm daraufhin mit Schreiben
vom 12. Dezember 1989 mit, diese Tätigkeit stelle keine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit dar.
Etwas anderes gelte jedoch, sobald der Beklagte den Verkauf bzw. die Veräußerung fremder Grundstücke
oder sonstiger Immobilien betreiben wolle.
Im Jahre 1990 gründete der Beklagte die „U. Wohnungsgesellschaft mit beschränkter Haftung“, die Ende
1994 in „U. Wohnungsgesellschaft mbH“ umbenannt wurde. Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter
und zugleich Geschäftsführer. Der Gesellschaftszweck bestand darin, zum einen den Abschluss von
Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Räume, Wohnräume oder
Darlehen zu vermitteln oder die Gelegenheit zum Abschluss solcher Verträge nachzuweisen, zum
anderen Bauvorhaben als Bauherr in eigenem Namen für eigene oder fremde Rechnung vorzubereiten
oder durchzuführen und dazu Vermögenswerte von Erwerbern, Mietern, Pächtern oder sonstigen
Nutzungsberechtigten oder von Bewerbern um Erwerbs- oder Nutzungsrechte zu verwenden sowie als
Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechnung wirtschaftlich vorzubereiten oder durchzuführen.
Ab dem Jahre 1991 wurde dem Beklagten über einen Zeitraum von insgesamt etwa 10 Jahren zur
Betreuung seiner Mutter auf Antrag wiederholt längerfristig Urlaub ohne Dienstbezüge gewährt sowie
Teilzeitbeschäftigung bewilligt. Das erste Mal wurde der Beklagte von Anfang Juli 1991 bis Ende April
1995 beurlaubt. Eine zweite Beurlaubung wurde von Anfang Dezember 1996 bis Ende November 1998
gewährt. Von Anfang Oktober 2000 bis Ende September 2001 wurde dem Beklagten
Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewilligt. Sowohl
anlässlich der erstmaligen Beurlaubung als auch anlässlich der Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung
wurde der Beklagte darauf hingewiesen, dass während einer Freistellung vom Dienst nur solche Neben-
tätigkeiten genehmigt werden dürften, die dem Zweck der Freistellung nicht zuwiderliefen.
Mit Formblatterklärung vom 12. Dezember 1995 teilte der Beklagte durch Ankreuzen des entsprechenden
Kästchens auf dem Vordruck mit, er übe bereits eine oder mehrere Nebentätigkeiten aus und dies sei von
ihm angezeigt worden.
Mit Verfügung vom 25. Januar 1996 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des
Verdachts des leichtfertigen Schuldenmachens eingeleitet, welches zugleich bis zum Abschluss eines
anhängigen Zivilprozesses ausgesetzt wurde. Anlass war eine Gehaltspfändung in Höhe von etwa 65.000
DM zugunsten der Vertragspartnerin eines Immobiliengeschäftes aus dem Jahre 1990. Nach
Bekanntwerden weiterer Gehaltspfändungen wurde das Verfahren mehrfach erweitert. Zudem wurde es
auf den Verdacht der Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit ausgedehnt, nachdem die
Dienststelle Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Beklagte Eigentümer einer eigenen Firma und als
deren Geschäftsführer tätig ist. Außerdem wurde der Beklagte verdächtigt, für eine fremde Firma aus K. zu
arbeiten. Letzteres bestritt der Beklagte mit Schreiben vom 18. Januar 1998, räumte jedoch zugleich ein,
seit 1990 für die von ihm gegründete Einmanngesellschaft tätig zu sein. Eine Kopie des entsprechenden
Handelsregisterauszuges legte er anlässlich seiner Vernehmung als Betroffener am 21. April 1998 vor.
Mit Verfügung vom 19. März 1998 wurde das ausgesetzte Disziplinarverfahren bezüglich der Ausübung
einer nicht genehmigten Nebentätigkeit fortgesetzt. Unter dem 25. Januar 1999 hielt der
Vorermittlungsführer als wesentliches Ergebnis der Vorermittlungen fest, der Beklagte habe zweifellos
spätestens von September 1990 bis 1998 entsprechend des Gesellschaftszwecks für seine Gesellschaft
gewerblich den Verkauf von Wohnungen und Häusern betrieben. Der Verdacht der Beschäftigung für eine
fremde Firma lasse sich nicht beweisen. Der Beklagte sei nicht im Besitz einer Nebentätigkeits-
genehmigung gewesen. Er habe zumindest fahrlässig die ihm gemäß § 73 Landesbeamtengesetz - LBG -
obliegende Dienstpflicht, keine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit ohne vorherige Genehmigung zu
übernehmen, verletzt. Demgegenüber stellte der Ermittlungsführer in seinem Abschlussbericht vom
15. März 1999 fest, dem Beklagten könne die Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit nicht
nachgewiesen werden. Die Gründung der Gesellschaft spreche zwar für eine gewerbliche Tätigkeit. Diese
sei jedoch nach den Angaben des Beklagten nur aus steuerrechtlichen Gründen eingetragen worden und
habe nach 1993 kein einziges Grundstück gekauft. Der Ermittlungsführer ersuchte daher den Leiter der
Bereitschaftspolizei, im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des leicht-
fertigen Schuldenmachens die vom Beklagten vorgelegten Bilanzen auf einen möglichen Nachweis für
eine gewerbliche Tätigkeit zu überprüfen. Ein Angestelltenverhältnis zu einer fremden Firma sei nicht
belegbar. Der Ermittlungsführer schlug vor, das Disziplinarverfahren wegen der Ausübung einer
ungenehmigten Nebentätigkeit einzustellen.
Mit Verfügung vom 16. April 1999 stellte der Leiter der Bereitschaftspolizei das mit Verfügung vom 25.
Januar 1996 eingeleitete und mehrfach erweiterte Disziplinarverfahren gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1
Landesdisziplinargesetz - LDG - ein. Nach Vorlage des Abschlussberichtes des Ermittlungsführers und
Prüfung aller relevanten Tatsachen komme er zu dem Ergebnis, dass kein nachweisbares Dienst-
vergehen vorliege. Mit Schreiben vom 17. Mai 1999 erklärte auch das Ministerium des Innern und für
Sport, keine Disziplinarverfügung erlassen und keine Disziplinarklage erheben zu wollen.
Unter dem 17. Mai 1999 wurde dem Beklagten antragsgemäß für die Dauer eines Jahres eine
Nebentätigkeitsgenehmigung zwecks Erstellung von Gutachten zur Wertermittlung von Grundstücken,
Gebäuden, Mieten und Pachten erteilt, die einmalig um eine weiteres Jahr verlängert wurde.
Mit Verfügung vom 20. Oktober 2000 leitete der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Westpfalz aus
Anlass einer Gehaltspfändung in Höhe von knapp 3.000 DM zugunsten eines Autohauses gegen den
Beklagten erneut ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des leichtfertigen Schuldenmachens ein.
Dieses wurde in der Folgezeit durch Einbeziehung weiterer Pfändungsverfügungen erweitert. Außerdem
wurde das Verfahren mit Blick auf die Einmanngesellschaft und die insoweit wahrgenommene Tätigkeit
des Beklagten auf den Verdacht der Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit erstreckt. Schließlich
wurde es nach Einreichung einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wegen verspäteter
Konkursanmeldung und verspäteter Bilanzerstellung auf den Verdacht des Verstoßes gegen die
Wohlverhaltenspflicht ausgedehnt, insoweit aber zugleich mit Rücksicht auf das Strafverfahren ausgesetzt.
Das Strafverfahren wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts S. vom 21. Februar 2002 - 16 Ds
474/01 - abgeschlossen. Im Anschluss daran wurde dem Disziplinarverfahren auch in Bezug auf den
Verdacht der Verletzung der Wohlverhaltenspflicht Fortgang gegeben und dem Beklagten das
wesentliche Ergebnis der Ermittlungen eröffnet.
Aufgrund der vorbezeichneten Anschuldigungsgründe hat der Kläger den Beklagten vorläufig des
Dienstes enthoben. Das hiergegen angestrengte Eilrechtsschutzverfahren hatte letztlich keinen Erfolg.
Mit der am 30. April 2004 erhobenen Disziplinarklage wirft der Kläger dem Beklagten vor, durch das
vorstehend aufgezeigte Verhalten in so schwerwiegender Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen
zu haben, dass das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.
Dem ist der Beklagte entgegen getreten und hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8)
versetzt.
Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligten Berufung eingelegt.
Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst sei die allein
schuld- und persönlichkeitsangemessene Disziplinarmaßnahme und beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts aus dem Dienst zu entfernen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und das Disziplinarverfahren einzustellen;
2. die vorläufige Dienstenthebung vom 31. August 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der
Beschluss des Senats vom 1. Februar 2005 gegenstandslos ist;
3. dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits unter Einschluss der Kosten des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens aufzuerlegen.
Er ist der Ansicht, das Dienstvergehen sei nicht mehr verfolgbar. Abgesehen davon, könne ihm ein
disziplinarrechtlich zu ahndendes Dienstvergehen nicht nachgewiesen werden. Die Verhängung der
schärfsten Disziplinarmaßnahme stelle erhöhte Anforderungen an die Ermittlung und den Nachweis der
Tatsachen, auf denen der disziplinarische Vorwurf gründe. Dem werde die vorliegende Sach-
verhaltsaufklärung nicht gerecht.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten (1
Ordner Personalakten, 6 Ordner Disziplinarakten, 2 Hefte Strafakten und 14 Bände Gerichtsakten)
verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die Berufung des Beklagten führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und Abweisung der Disziplinarklage. Die dem Beklagten zur Last gelegten
Verfehlungen sind aufgrund des im Jahre 1999 eingestellten Disziplinarverfahrens nicht mehr verfolgbar.
Für eine erneute Ausübung der Disziplinarbefugnisse fehlt es an der Grundvoraussetzung der Fest-
stellung neuer Tatsachen.
Nach § 43 Abs. 2 LDG darf ungeachtet einer Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 38 Abs. 1
LDG nach vorheriger Anhörung des Beamten wegen desselben Sachverhalts eine Disziplinarklage
grundsätzlich nur innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten erhoben werden. Die Fristbindung
dient dem beschleunigten endgültigen Abschluss des Disziplinarverfahrens und trägt zur größeren
Rechtssicherheit des betroffenen Beamten bei. Dieser hat in der Regel ein berechtigtes Interesse daran,
dass sein Vertrauen in den Bestand einer einmal erlassenen Einstellungsverfügung geschützt und
derselbe Sachverhalt nicht zum Gegenstand weiterer Disziplinarverfahren gemacht wird (vgl. Amtl. Begr.
des Gesetzesentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 13/2315, S. 71). Diese Zweckbestimmung wird
jedoch für den Fall, in dem sich eine Einstellung auf Grund neuer, zweifelsfreier Tatsachenfeststellungen
möglicherweise als unrichtig erweist, durch die Ausnahmeregelung des § 43 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2
LDG gelockert. Danach hat das Interesse an der Rechtsbeständigkeit dem rechtsstaatlich gleichermaßen
bedeutsamen Richtigkeitsinteresse zu weichen mit der Folge, dass eine Klageerhebung ohne zeitliche
Begrenzung zulässig ist, wenn nach der Einstellung wegen desselben Sachverhalts ein rechtskräftiges
Urteil auf Grund von tatsächlichen Feststellungen ergeht, die von den der Einstellung zugrunde liegenden
tatsächlichen Feststellungen abweichen. Die Durchbrechung der Bestandskraft ist vor dem Hintergrund
der in § 16 Abs. 1 Satz 1 LDG angeordneten Bindung des behördlichen und gerichtlichen
Disziplinarverfahrens an die tatsächlichen Feststellungen aus anderen Verfahren gerechtfertigt. Sie dient
letztlich auch dem öffentlichen Interesse an einer recht- und zweckmäßigen Wahrnehmung der
disziplinarrechtlichen Befugnisse zwecks Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des
Berufsbeamtentums. Der Ausnahmetatbestand ist vorliegend nicht erfüllt.
Sachverhalt im Sinne der genannten Vorschrift meint den geschichtlichen Lebensvorgang, der die
Grundlage für die disziplinarrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Beamten bildet. Von einer
Sachverhaltsidentität des eingestellten sowie erneut eröffneten Disziplinarverfahrens und des
Strafverfahrens ist auszugehen, wenn das historische Geschehen, auf dem der disziplinarische Vorwurf
der Disziplinarverfahren gründet und das sich als einheitliches Dienstvergehen darstellt, auch von der
strafgerichtlichen Entscheidung erfasst wird. Maßgebend ist allein der historische Geschehensablauf
(Tathergang) und nicht die disziplinar- oder strafrechtliche Würdigung des Tatverhaltens. Der Begriff des
Sachverhalts reicht somit über den Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung oder eines Straftatbestandes
hinaus. Die von § 43 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 LDG geforderte Sachverhaltsidentität zwischen dem
disziplinarrechtlichen und dem strafrechtlichen Sachverhalt verlangt vor allem keine vollständige
Deckungsgleichheit. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass es zu einem einheitlichen geschicht-
lichen Vorgang voneinander abweichende Feststellungen in der disziplinarrechtlichen Einstellungs-
verfügung und dem nachfolgenden Strafurteil gibt (vgl. hierzu: Weis in GKÖD, Stand: November 2005, M §
14 BDG Rdnr. 52 und M § 23 Rdnr. 29).
In Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorliegen desselben Sachverhalts zu bejahen. Dies gilt zunächst
im Hinblick auf das im Jahre 1999 eingestellte und das im Jahre 2000 eröffnete streitgegenständliche
Disziplinarverfahren. Dem steht nicht entgegen, dass das eingestellte Disziplinarverfahren aufgrund einer
im Jahre 1995 erfolgten Gehaltspfändung zugunsten der Vertragspartnerin eines Immobiliengeschäftes
aus dem Jahre 1990 eingeleitet wurde, während Anlass für die Eröffnung des anhängigen
Disziplinarverfahrens eine Gehaltspfändung aus dem Jahre 2000 zugunsten eines Autohauses war.
Ebenso wenig ist die Sachverhaltsidentität deshalb zu verneinen, weil der darauf jeweils gründende
Vorwurf des leichtfertigen Schuldenmachens in der Folgezeit auf weitere, nicht identische
Gehaltspfändungen erstreckt wurde. Denn alle diese Schulden finden ihre Ursache letztlich in der vom
Beklagten wahrgenommenen Tätigkeit für die im Jahre 1990 gegründete Einmanngesellschaft und deren
spätere Zahlungsunfähigkeit. Diese Tätigkeit stellt den maßgeblichen Gegenstand der 1999 eingestellten
und 2000 erneut eingeleiteten disziplinarische Verfolgung dar. Sie bildet sowohl die Grundlage für den
Vorwurf des leichtfertigen Schuldenmachens als auch für die dem Beklagten in beiden Verfahren gleicher-
maßen zur Last gelegte Verletzung des Nebentätigkeitsrechts, einschließlich des Vorwurfs der Verletzung
der Wahrheitspflicht. Des Weiteren sind die strafrechtliche Verurteilung des Beklagten wegen fahrlässiger
verspäteter Konkursanmeldung und fahrlässiger verspäteter Bilanzaufstellung sowie die ihm im vor-
liegenden Disziplinarverfahren insoweit vorgeworfene Verletzung der Wohlverhaltenspflicht auf diese
Tätigkeit zurückzuführen. Darüber hinaus besteht auch Sachverhaltsidentität zu den durch das
Amtsgerichts S. abgeurteilten Taten. Auch in diesem Verfahren geht es um die rechtliche Bewertung der
Tätigkeit des Beklagten für die von ihm gegründete Einmanngesellschaft, und zwar in strafrechtlicher
Hinsicht. Dass sich das Amtsgericht dabei zeitlich auf die Jahre von 1996 bis September 2001 beschränkt,
ist unschädlich. Denn das Verhalten des Beklagten in diesen Jahren bildet mit den in der Zeit davor
liegenden Handlungen eine Einheit.
Urteil im Sinne § 43 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 LDG ist jedes Urteil, das aufgrund eines Verfahrens nach §
16 Abs. 1 Satz 1 LDG ergeht. Dazu zählen insbesondere strafgerichtliche Urteile, und zwar auch solche,
die - wie hier - gemäß § 267 Abs. 4 Strafprozessordnung in abgekürzter Form abgefasst worden sind.
Denn zum notwendigen Inhalt der abgekürzten Urteilsgründe zählen vor allem die erwiesenen Tatsachen,
in denen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden hat und auf denen das
strafgerichtliche Urteil demzufolge beruht (vgl. zu den inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 35 und 57 BDG
im Bundesdisziplinarrecht: Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl. 2003, § 35 Rdnr. 7 und § 57 Rdnr. 4). Der
Tatsachenbegriff des Disziplinarrechts ist identisch mit dem des Strafrechts. Tatsachen sind danach
Geschehnisse der Lebenswirklichkeit, über die sich Beweis erheben lässt. Sie erfassen mithin sinnlich
wahrnehmbare oder feststellbare Zustände oder Vorgänge. Sie können äußerer oder innerer Natur sein.
Tatsächliche Feststellungen bezeichnen die zur Überzeugung einer Person bewiesenen Tatsachen. Sie
sind abzugrenzen von bloßen Meinungen, Werturteilen, (rechtlichen) Bewertungen oder Würdigungen,
die das Ergebnis eines (rechtlichen) Beurteilungsvorgangs sind (vgl. hierzu: Weis, a.a.O., M § 23 BDG
Rdnr. 10).
Gemessen hieran stellte das Amtsgericht S. anknüpfend an die gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen des
§ 84 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (fahrlässige
verspätete Konkursanmeldung) und des § 283 Abs. 1 Nr. 7 b i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 Strafgesetzbuch
(fahrlässige verspätete Bilanzerstellung) durch rechtskräftiges Urteil vom 21. Februar 2002 damit
notwendigerweise folgende Tatsachen verbindlich fest: Der Beklagte war von 1990 bis September 2001
alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft drohte seit 1996 und trat
spätestens 1999 ein. Der Beklagte reagierte auf die Zahlungsunfähigkeit nicht. Er beantragte nicht die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Gesellschaft wurde demzufolge im September 2001 von Amts
wegen gelöscht. Außerdem kam der Beklagte zweimal der ihm als Geschäftsführer nach § 264 Abs. 1 Satz
3 Handelsgesetzbuch obliegenden Verpflichtung nicht nach, die erforderliche Bilanz des Vermögens der
Gesellschaft in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen. Bindend festgestellt wurden zudem die fahrlässige
Tatbestandsverwirklichung, das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen und die Schuldfähigkeit.
Weitergehende Feststellungen, insbesondere zu einer gewerblichen Tätigkeit des Beklagten als
natürliche Person enthält das strafgerichtliche Urteil nicht. Für Letztere bestand auch kein Anlass, da für
die beiden in Rede stehenden Straftatbestände eine Tätigkeit als Geschäftsführer ausreicht.
Damit beinhaltet das strafgerichtliche Urteil im Ergebnis keine neuen, von der Einstellungsverfügung vom
16. April 1999 abweichenden Tatsachenfeststellungen. In diesem Bescheid wird die Einstellung des
Disziplinarverfahrens allein damit begründet, dass nach Vorlage des abschließenden Berichts des
Ermittlungsführers und Prüfung aller relevanten Tatsachen kein nachweisbares Dienstvergehen vorliege.
Mit Blick auf den Abschlussbericht des Ermittlungsführers vom 15. März 1999 war hiermit in erster Linie
gemeint, dem Beklagten könne „die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit nicht nachwiesen
werden“. Die Nichterweislichkeit eines Verstoßes gegen das Nebentätigkeitsrecht stellt indessen keine
Tatsache dar. Sie ist vielmehr das Ergebnis der rechtlichen Bewertung der im disziplinarrechtlichen
Ermittlungsverfahren festgestellten Tatsachen und erhobenen Beweise. Bereits zum Zeitpunkt der
Einstellung hatte der Kläger Kenntnis von der strafgerichtlich allein festgestellten Tätigkeit des Beklagten
als Geschäftsführer der von ihm gegründeten Einmanngesellschaft. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus
einem Aktenvermerk vom 16. Dezember 1997. Die aktive (Mit)Arbeit in der GmbH wurde vom Beklagten in
dem eingestellten Disziplinarverfahren auch nicht bestritten. Dass der Kläger trotz Kenntnis dieser
Tatsache die Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht für
nachweisbar hielt, beruht auf einem Subsumtionsfehler. Der Kläger ging irrtümlich davon aus, eine nach §
74 Abs. 1 Nr. 2 LBG genehmigungsfreie private Vermögensverwaltung sei ausschließlich dann zu
verneinen, wenn diese einen gewerblichen Umfang annehme, wofür die Gründung einer GmbH nicht aus-
reiche. Er übersah dabei, dass bereits die Geschäftsführertätigkeit als solche, auch bei einer Gesellschaft,
die zum eigenen Vermögen zählt, ihrer Art nach keine private Vermögensverwaltung ist (vgl. zur
inhaltsgleichen Vorschrift des § 66 BBG: Geis in GKÖD, a.a.O., K § 66 BBG Rdnr. 41;
Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: Oktober 2005, § 66 BBG Rdnr. 13; Battis, BBG, 3.
Aufl. 2004, § 66 Rdnr. 5).
Da bereits aus diesem Grund eine erneute Ausübung der Disziplinarbefugnisse ausscheidet, kann im
Übrigen dahin stehen, ob der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Westpfalz als unmittelbarer
Dienstvorgesetzter des Beklagten (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche
Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern und für Sport - LVO - vom 3. Januar
2000) für die erneute Eröffnung des Disziplinarverfahrens überhaupt zuständig gewesen ist, da § 43 Abs.
2 Satz 1 LDG diese Befugnis ausdrücklich nur dem höheren Dienstvorgesetzten und der obersten
Dienstbehörde einräumt. Insbesondere bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob die Regelung des §
3 Abs. 2 Nr. 1 c LVO, wonach dem Polizeipräsidenten allgemein die Zuständigkeit übertragen wird, nach §
40 Abs. 2 Satz 1 LDG Disziplinarklage zu erheben, auch den hier in Rede stehenden Sonderfall der
erneuten Eröffnung eines Disziplinarverfahrens nach vorangegangener Einstellung erfasst.
Der Antrag zu 2) des Beklagten war demgegenüber abzulehnen, weil das einstweilige
Rechtsschutzverfahren mit dem Beschluss des Senats vom 1. Februar 2005 rechtskräftig abgeschlossen
ist. Aus demselben Grund war auch der Antrag zu 3) des Beklagten abzulehnen, soweit damit eine
Abänderung der Kostenentscheidung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens begehrt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 1 und § 99 Abs. 2 Satz 1 LDG.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dr. Mildner gez. Stengelhofen