Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 30.09.2009
OVG Koblenz: sicherheit der anlagen, behörde, sachverständiger, körperliche unversehrtheit, anerkennung, berufsfreiheit, eingriff, betreiber, verweigerung, gesundheit
OVG
Koblenz
30.09.2009
6 A 11097/08.OVG
Berufsrecht
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
*******************
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Pielemeier & Welsch, Barkeystraße 30, 33330 Gütersloh,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz,
Kaiser-Friedrich-Straße 1, 55116 Mainz,
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Heinemann & Partner, III. Hagen 30, 45127 Essen,
wegen Zulassung als Sachverständiger
hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 9. September 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Mildner
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey
Richterin am Oberverwaltungsgericht Brink
ehrenamtlicher Richter Elektroinstallationsmeister Benzmüller
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Büchler
für Recht erkannt:
Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2008 ergangenen Urteils
des Verwaltungsgerichts Mainz wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt ihre Bestimmung zur Sachverständigen nach § 4a der Verordnung über den Schutz
vor Schäden durch Röntgenstrahlen ‑ Röntgenverordnung (RöV) ‑ im Land Rheinland-Pfalz.
In ihrem Antrag vom 17. Januar 2006 gab sie an, in Baden-Württemberg im Jahre 1995 zur
Sachverständigen bestimmt worden zu sein. Sachkunde und Erfahrung ihrer Mitarbeiter seien
gewährleistet.
Mit Bescheid vom 6. November 2007 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung
führte er aus: Die Regelung der Bestimmung zum Sachverständigen nach § 4a RöV habe die
Verwaltungsvereinfachung im Genehmigungsverfahren nach §§ 3, 4 RöV zum Ziel. Damit habe sie
vorrangig das öffentliche Interesse an einer qualifizierten Überprüfung der in Betrieb genommenen und in
Betrieb zu nehmenden Röntgeneinrichtungen im Auge. Hiernach dürfe die Bestimmung von
Sachverständigen vom Bedarf abhängig gemacht werden. Ein Bedürfnis zur Bestimmung weiterer
Sachverständiger bestehe indessen nicht. In Rheinland-Pfalz gebe es derzeit insgesamt ca. 6.600
Genehmigungen und Anzeigen nach §§ 3, 4 RöV für Röntgeneinrichtungen aller Art. Insgesamt ergebe
sich ein jährlicher Prüfaufwand von 6.800 Stunden. Für die Gesamtheit aller Prüfaufgaben stehe durch die
bestimmten Sachverständigen beim TÜV Rheinland, beim TÜV Pfalz und beim Landesamt für Umwelt,
Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht eine Jahresprüfkapazität von 9.200 Stunden zur Verfügung. Daher
bestehe kein Bedarf, die vorhandenen Prüfkapazitäten auszuweiten. Wenn sich jedoch in der Zukunft die
Notwendigkeit ergebe, neue oder weitere Sachverständige für die Prüfungen von Röntgeneinrichtungen
zu bestimmen, werde die Klägerin hierüber unterrichtet und ihr die Möglichkeit gegeben, sich zu
bewerben.
Mit ihrer gegen die ablehnende Entscheidung erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, sie habe
nach Maßgabe des § 4a RöV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3, 12 Grundgesetz ‑ GG ‑ einen Anspruch auf Bestimmung zur
Sachverständigen. Die Beklagte müsse dem Antrag jedes geeigneten Bewerbers stattgeben und könne
nicht auf die von ihr vorgeschobene Bedürfnisprüfung abstellen. Sie müsse ‑ wie der geeignete
Insolvenzverwalter (vgl. hierzu BVerfGE 116, 1) ‑ auf die „Auswahlliste“ gesetzt werden. Ein „Closed-Shop“
sei unzulässig.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4a Abs. 1 RöV könne dahinstehen. Denn die Entscheidung der
Beklagten sei wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG jedenfalls ermessensfehlerhaft. Der Klägerin und
anderen geeigneten Bewerbern werde nicht die Chance eröffnet, im Rahmen der Röntgenverordnung als
von der Behörde bestimmter Sachverständiger tätig zu werden. Die vom Beklagten in Aussicht gestellte
Möglichkeit der Bewerbung im Falle der Notwendigkeit der Bestimmung neuer Sachverständiger sei
nämlich nur theoretischer Natur, weil der Beklagte seit Jahren die Sachverständigenleistungen nur durch
den TÜV Rheinland, den TÜV Pfalz und das Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und
Gewerbeaufsicht erledigen lasse. Zur Gewährleistung ihrer Chancengleichheit müsse die persönlich und
fachlich geeignete Klägerin in eine Auswahlliste aufgenommen werden, aus der im Einzelfall der jeweilige
Röntgenanlagenbetreiber den von ihm zu beauftragenden Sachverständigen auswähle; sie habe also
einen Anspruch auf Bestimmung zur Sachverständigen.
Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt der Beklagte insbesondere vor, die
Bedürfnisprüfung werde vom Wortlaut des § 4 RöV gedeckt und sei rechtmäßig. Die Prüfungstätigkeit der
Sachverständigen diene maßgeblich der Erfüllung des im Atomgesetz vorgegebenen Schutzziels, Leben,
Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung zu
schützen. Die im Falle eines Genehmigungsverfahrens von der Behörde vorzunehmenden Prüfungen
hinsichtlich des sicheren Betriebs der Röntgeneinrichtung würden im Falle des § 4 RöV auf den
Sachverständigen nach § 4a RöV verlagert, der insoweit als verlängerter Arm der zuständigen Behörde
tätig werde. Eine ordnungsgemäße und dem gesamten Land Rheinland-Pfalz einheitliche Festlegung von
Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen lasse sich nur durch eine intensive und fortlaufende
Abstimmung zwischen den bestimmten Sachverständigen und der zuständigen Behörde gewährleisten.
Gleiches gelte für die Überwachung der Prüftätigkeit der Sachverständigen. Eine am tatsächlichen Bedarf
orientierte Bestimmung zum Sachverständigen sei überdies zur Sicherung der Versorgung dünn
besiedelter Gebiete erforderlich. Der Kreis der bestimmten Sachverständigen müsse daher auf ein
überschaubares Maß begrenzt werden. Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem
Beschluss vom 23. Mai 2006 (BVerfGE 116, 1) zur Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter seien auf den
Fall der Bestimmung von Sachverständigen nach § 4a Abs. 1 RöV nicht übertragbar. Die vom
Bundesverfassungsgericht für erforderlich gehaltene Auswahlliste diene in erster Linie als Ersatz für eine
Ausschreibung oder ein sonstiges Bewerberauswahlverfahren, das interessierten Personen die
Bewerbung um ein konkretes Insolvenzverwalteramt im Einzelfall ermöglichen würde, aber angesichts der
typischerweise bestehenden Eilbedürftigkeit bei der Auswahl und Ernennung eines Insolvenzverwalters
untunlich sei. Ein vergleichbares Problem bestehe bei der Bestimmung von Sachverständigen nach § 4a
Abs. 1 RöV nicht. Außerdem erhalte der Bewerber um eine Bestellung zum Insolvenzverwalter mit der Auf-
nahme in die Auswahlliste lediglich die Chance, zum Insolvenzverwalter bestellt zu werden, während die
Bestimmung zum Sachverständigen nach § 4a Abs. 1 RöV bedeute, dass der Sachverständige
unmittelbar berechtigt sei, Prüfungen nach der Röntgenverordnung durchzuführen. Die Aufnahme in die
Insolvenzverwalter-Auswahlliste diene demnach lediglich der Vorbereitung der eigentlichen Auswahlent-
scheidung; die Bestimmung zum Sachverständigen nach § 4a Abs. 1 RöV stelle hingegen selbst die
maßgebliche behördliche Auswahlentscheidung dar. Der Umstand, dass der Sachverständige unmittelbar
auf Veranlassung des Betreibers der Röntgeneinrichtung tätig werde und von diesem bezahlt werde,
diene allein der vereinfachten und beschleunigten Abwicklung. Das Verwaltungsgericht unterstelle im
Übrigen zu Unrecht, dass bei einem Ausscheiden eines der derzeit tätigen Sachverständigen kein
Auswahlverfahren unter Beteiligung der Klägerin durchgeführt werde. Er – der Beklagte – habe vielmehr
ausdrücklich zugesichert, die Klägerin und andere geeignete Interessenten im Falle der Notwendigkeit
der Bestimmung neuer Sachverständiger zu unterrichten und ihnen die Möglichkeit zur Bewerbung zu
geben. Dies gelte auch dann, wenn einer der Sachverständigen, die derzeit als Bedienstete des TÜV
Rheinland und des TÜV Pfalz die Prüfungen durchführten, diese Tätigkeit beende. In den nächsten
Jahren sei insbesondere aus Altersgründen mit dem Ausscheiden mehrerer der derzeit für die Prüfungen
eingesetzten Sachverständigen zu rechnen, so dass für die Klägerin die konkrete Chance bestehe, dann
bestimmt zu werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 5. August 2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, es gebe keinerlei gesetzliche Kriterien, nach
welchen der Beklagten die Auswahl unter den geeigneten Bewerbern treffen könne. Daher müsse jeder
geeignete Bewerber zum Sachverständigen bestimmt werden. Dass der Beklagte nicht mehr als die
derzeit tätigen 13 Sachverständigen überwachen könne, sei nicht nachvollziehbar. Die Bestimmung der
Sachverständigen durch die Behörde diene der Vorbereitung der eigentlichen Auswahlentscheidung,
welche der Betreiber der Röntgenanlage treffe. Dieser beauftrage den Sachverständigen und vergüte ihn.
Mithin sei die Bestimmung nach § 4a RöV vergleichbar mit der Aufnahme eines potentiellen
Insolvenzverwalters in die Vorauswahlliste
Die weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den
zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen und den von dem Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgängen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 6. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte hat die Bestimmung der Klägerin als Sachverständige auf der Grundlage des § 4a RöV zu
Recht abgelehnt. Ein Bestimmungsanspruch der Klägerin lässt sich weder unmittelbar dem Wortlaut der
vorgenannten Vorschrift unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Röntgenverordnung (1.)
entnehmen, noch ist die Bestimmung der Klägerin als Sachverständige aus verfassungsrechtlichen
Erwägungen geboten (2.). Die Ablehnung des Antrags der Klägerin mangels Bedarfs an weiteren
Sachverständigen ist darüber hinaus in der Sache nicht zu beanstanden (3.).
1. Nach der Vorschrift des § 4a Abs. 1 Satz 1 RöV, die ihre Ermächtigungsgrundlage in § 12 Abs. 1 Nr. 10
a des Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren
(Atomgesetz) – AtG – hat, bestimmt die zuständige Behörde Sachverständige für die technische Prüfung
von Röntgeneinrichtungen. Die vorgenannten Normen begründet schon nach ihrem Wortlaut („bestimmt
Sachverständige“) keinen Anspruch eines Bewerbers auf Bestimmung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.
Januar 1998 – 1 C 5/97, GewArch 1998, 247 <248>).
Dass die zuständige Behörde Personen, die über den erforderlichen Sachverstand verfügen, auf deren
Antrag hin nicht als Sachverständige bestimmen muss, sondern vielmehr nach ihrem pflichtgemäßen
Ermessen Sachverständige bestimmen kann, entspricht auch Sinn und Zweck der Röntgenverordnung
und des Atomgesetzes. Letzteres verfolgt nach seinem § 1 Nr. 2 u.a. das Ziel, Leben, Gesundheit und
Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen zu
schützen. Gleiches gilt, soweit der Bereich der Röntgenstrahlen betroffen ist, für die auf Ermächtigungen
im Atomgesetz beruhende Röntgenverordnung. Hieraus lässt sich unter Berücksichtigung der
verfassungsrechtlich verbürgten Schutzpflicht des Staates und seiner Organe für das Leben und die
körperliche Unversehrtheit der Menschen aus Art. 2 Abs. 1 GG zum einen schließen, dass die
Röntgenverordnung nicht vorrangig die Interessen der Sachverständigen, sondern das öffentliche
Interesse an der Sicherheit der Röntgeneinrichtungen im Auge hat (vgl. zur Anerkennung als
Sachverständiger für Überprüfungsflüge nach der Verordnung über Luftfahrtpersonal BVerwG, Urteil vom
21. Februar 1989 – 1 C 73/86, GewArch 1989, 162). Zum anderen erwachsen daraus hohe
Anforderungen an die zur Erfüllung dieses Schutzauftrags erforderlichen behördlichen Maßnahmen.
Diesen muss der bestimmte Sachverständige in gleicher Weise genügen. Denn er tritt im
Anwendungsbereich der §§ 4 und 18 RöV an die Stelle der sonst zuständigen Behörde: Bei näher
bezeichneten Röntgeneinrichtungen, insbesondere solchen mit bauartzugelassenen Röntgen-
einstrahlern, entfällt deren grundsätzliche Genehmigungsbedürftigkeit nach § 3 RöV, wenn der Betreiber
ihre Inbetriebnahme anzeigt und der Anzeige u.a. den Abdruck der Bescheinigung einschließlich des
Prüfberichtes eines von der zuständigen Behörde bestimmten Sachverständigen mit näher bezeichneten
Feststellungen beifügt (vgl. § 4 Abs. 1, Abs. 2 RöV). Darüber hinaus muss der Betreiber seine
Röntgeneinrichtung gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 5 RöV in Zeitabständen von längstens 5 Jahren durch einen
Sachverständigen nach § 4a RöV überprüfen lassen. Damit trägt der bestimmte Sachverständige bei
seiner Tätigkeit ebenfalls eine besondere Verantwortung für die Gesundheit der Menschen. Aus alledem
folgt, dass die Röntgenverordnung die Bestimmung der Sachverständigen in das Ermessen der
zuständigen Behörde stellen will; so wird sie in die Lage versetzt, den Zielen der Röntgenverordnung und
des Atomgesetzes bestmöglich gerecht zu werden.
2. Dieser Auslegung stehen weder das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG noch der Gleichheitssatz aus Art.
3 Abs. 1 GG entgegen.
a) Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gebietet nicht die Bestimmung eines jeden geeigneten
Bewerbers zum Sachverständigen nach § 4a RöV.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit als bestimmter Sachverständiger nur eine Erweiterung der
Berufstätigkeit darstellt, die die eigentliche Berufstätigkeit ‑ Prüfung, Erprobung, Wartung und
Instandsetzung von Röntgeneinrichtungen (vgl. § 6 RöV) ‑ unberührt lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.
Februar 1989, a.a.O.), oder ob diese Tätigkeit als Zweitberuf anzusehen ist (so BVerwG, Urteil vom 27.
Januar 1998, a.a.O., S. 249). In jedem Fall nämlich ist der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl.
hierzu BVerfG, Beschluss vom 03. August 2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/00, NJW 2004, 2725
<2727>), weil dem Bewerber durch die Verweigerung der Bestimmung zum Sachverständigen berufliche
Betätigungsmöglichkeiten nicht gewährt werden.
Hieraus folgt aber nicht zugleich die Bejahung eines Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit. Denn
die Bestimmung zum Sachverständigen nach § 4a RöV eröffnet - lediglich ‑ zusätzliche berufliche Betä-
tigungsmöglichkeiten im eigentlich ureigenen Aufgabenbereich der Behörde. Im Rahmen des § 4a RöV
führt die Vorlage der dort genannten Bescheinigung des Sachverständigen dazu, dass der Betrieb einer
Röntgeneinrichtung von dem sonst gegebenen Genehmigungserfordernis freigestellt wird. Die Tätigkeit
des Sachverständigen tritt damit an die Stelle einer sonst erforderlichen behördlichen Maßnahme. Nichts
anderes gilt für die regelmäßige Überwachung nach § 18 RöV, die ohne Einbeziehung eines
Sachverständigen durch die Behörde erfolgen müsste. Unter welchen Voraussetzungen diese
zusätzlichen beruflichen Betätigungsmöglichkeiten eröffnet werden und welchen Inhalt sie haben sollen,
bestimmt aber allein das einfache Recht (vgl. BVerfGE 116, 1 <11 f.> mit Verweis auf BVerfGE 78, 214
<226> und BVerfGE 83, 182 <195>). Der Gesetzgeber eröffnet insoweit aber bloße Teil-
habemöglichkeiten; aus Art. 12 Abs. 1 GG lassen sich daher keine weitergehenden Ansprüche herleiten.
Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht die Zurückweisung des Antrags eines
Sachverständigen auf öffentliche Bestellung nach § 36 der Gewerbeordnung ‑ GewO - als Eingriff in die
Berufsfreiheit angesehen hat. Wenn, so das Bundesverfassungsgericht, der Gesetzgeber die staatliche
Anerkennung einer beruflichen Qualifikation und damit Vorteile im beruflichen Wettbewerb schaffe, wirke
sich die Verweigerung dieser Anerkennung als Eingriff in die Berufsfreiheit aus. Als
Freiheitsbeschränkung kämen nicht allein Gebote und Verbote in Betracht. Es genüge vielmehr, dass
durch staatliche Maßnahmen der Wettbewerb beeinflusst und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit
dadurch behindert werde. Mit der Anerkennung nach § 36 Abs. 1 GewO würden einem Sachverständigen
diejenigen amtlichen Eigenschaften amtlich bestätigt, die für seinen Erfolg entscheidend seien, nämlich
fachliche Kompetenz und persönliche Integrität. Daraus ergebe sich ein erheblicher
Wettbewerbsvorsprung gegenüber denjenigen Sachverständigen, die auf keine staatliche Anerkennung
ihrer Kompetenz verweisen könnten. Wer Sachverstand benötige, werde sich im Zweifelsfall zunächst an
öffentlich bestellte Sachverständige wenden (BVerfGE 86, 28 <37>). Die Ablehnung der staatlichen
Anerkennung nach § 36 GewO wirkt sich mithin auf berufliche Chancen aus, die grundsätzlich schon
vorhanden sind, und damit letztlich als Eingriff. Bei der Verweigerung der Bestimmung als
Sachverständiger nach § 4a RöV werden hingegen berufliche Betätigungsmöglichkeiten erst gar nicht
eröffnet.
b) Die Ermessensentscheidung der Behörde über die Bestimmung der Sachverständigen nach § 4a RöV
unterliegt aber der Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Jeder geeignete
Bewerber um die Bestimmung als Sachverständiger muss – gerade auch wegen des nicht unerheblichen
Einflusses der Entscheidung auf dessen berufliche Betätigungsmöglichkeiten - die „faire Chance“
erhalten, berücksichtigt zu werden. Insofern verfügt er über ein subjektives Recht (vgl. BVerfGE 116, 1 <12
f.>). Diese „faire Chance“ setzt zunächst die Anwendung sachgerechter Auswahlkriterien bei der Auswahl
der geeigneten Bewerber voraus. Da, wie dargelegt, die Vorschrift des § 4a RöV nicht zu dem Zweck
geschaffen wurde, den Sachverständigen neue Betätigungsfelder zu verschaffen, sind maßgeblich nicht
deren Interessen, sondern vorrangig diejenigen des Staates und der Betreiber der Röntgeneinrichtungen
an der Sicherheit der Anlagen vor dem Hintergrund der Vermeidung von Schäden der Benutzer zu
berücksichtigen. Die besondere Verantwortung, die beide für die Gesundheit der Benutzer tragen, ist
mithin für die Ermessensentscheidung von besonderem Gewicht.
Hiervon ausgehend ist eine Bedürfnisprüfung im Rahmen der Ermessenausübung bei der Entscheidung
über die Bestimmung als Sachverständiger sachgerecht. Sie dient dazu, den Kreis der im
Überprüfungswesen tätigen Sachverständigen, die maßgeblichen Einfluss bei der Überprüfung der
Ordnungsgemäßheit der Röntgeneinrichtungen haben und damit eine für die Sicherheit der Anlagen
wichtige Rolle erfüllen, im Interesse der gebotenen Überwachung durch die Genehmigungsbehörde und
im Interesse einer möglichst gleichmäßigen Überprüfungspraxis überschaubar zu halten (vgl. für die
Anerkennung als Sachverständiger für Überprüfungsflüge BVerwG, Urteil v. 21. Februar 1989, a.a.O.). Die
besondere Bedeutung der Überwachung der Sachverständigen ergibt sich nämlich aus von nicht
ordnungsgemäß überprüften Röntgeneinrichtungen ausgehenden Gefahren für Leib und Leben der
Benutzer.
Nach den Ausführungen des Beklagten finden intensive und fortlaufende Abstimmungen zwischen den
bestimmten Sachverständigen und der zuständigen Behörde statt. Diese Besprechungen dienen nicht nur
der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Aufgabenerfüllung durch die Sachverständigen, sondern
leisten, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, auch einen notwendigen Beitrag zur einheitlichen
Festlegung von Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen.
Nicht durchgreifend ist in diesem Zusammenhang das Argument der Klägerin, der zuständigen Behörde
sei es bei entsprechendem Arbeitseinsatz durchaus möglich, mehr als nur die benötigten
Sachverständigen einzuweisen und zu überwachen. Dies widerspräche dem Ziel der §§ 4, 18 RöV, aus
Gründen der Verwaltungsvereinfachung, Prüfaufgaben, für welche an sich die Behörde zuständig ist bzw.
für die sie sich im Einzelfall externen Sachverstands bedienen müsste, auf schon im Vorfeld bestimmte
Sachverständige zu übertragen; eine merkliche Entlastung der Behörde würde dann nicht erfolgen.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Bedürfnisprüfung ergeben sich im Übrigen auch nicht aus dem
Erfordernis einer weitergehenden Kodifizierung der Auswahlkriterien. Denn den Regelungen der §§ 12
Abs. 1 Nr. 10 a AtG, 4a RöV ist bereits eine Beschränkung der Anzahl der Sachverständigen immanent.
Dies ist ausreichend vor dem Hintergrund, dass vorliegend, wie dargelegt, die Berufsfreiheit des Art. 12
Abs. 1 GG zwar berührt ist, ein Eingriff in dieselbe aber nicht erfolgt.
Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin lässt sich eine Verpflichtung des Beklagten zur Bestimmung
aller geeigneter Bewerber und ein Verbot der Bedürfnisprüfung nicht aus der bereits zitierten
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verfahren der Bestellung von Insolvenzverwaltern
(BVerfE 116, 1) herleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss eine „geschlossene
Liste“, aus welcher der Insolvenzrichter im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den
Insolvenzverwalter auswählt, für nicht zulässig erachtet. Angesichts der Eilbedürftigkeit der
Bestellungsentscheidung sei das Recht auf chancengleichen Zugang des potentiellen
Insolvenzverwalters zum Insolvenzverwalteramt nur dann gewährleistet, wenn alle geeigneten Bewerber
auf der Auswahlliste geführt würden. Einen Bestellungsanspruch ‑ vergleichbar mit einem Anspruch auf
Bestimmung zum Sachverständigen ‑ hat das Bundesverfassungsgericht dem Insolvenzverwalter aber
gerade nicht zugebilligt. Vielmehr hat es den Bewerber um das Amt eines Insolvenzverwalters auch als
nur in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG betroffen angesehen, nicht aber einen Eingriff in Art. 12
Abs. 1 GG durch die Verweigerung der Bestellung bejaht. Die Klägerin vergleicht insoweit zu Unrecht die
Vorauswahlliste für die Bestellung zum Insolvenzverwalter mit der „Liste“ der bestimmten
Sachverständigen und die eigentliche Insolvenzverwalter-Bestellungsentscheidung des Richters mit der
‑
privatrechtlichen ‑ Beauftragung des Sachverständigen durch den Betreiber der Röntgeneinrichtung.
Sofern die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zum „Closed-Shop“-Verfahren überhaupt
übertragbar sein sollten, würde sich das Verbot einer geschlossenen Liste vorliegend auf eine „Liste“ der
Bewerber um die Bestimmung beziehen, nicht aber auf die „Liste“ der bestimmten Sachverständigen.
3. Durfte der Beklagte hiernach nicht nur aus einfachrechtlichen, sondern auch aus
verfassungsrechtlichen Gründen eine Bedürfnisprüfung vornehmen, so hat er schließlich das fehlende
Bedürfnis für die Bestimmung weiterer Sachverständiger in ermessensfehlerfreier Weise bejaht. In
nachvollziehbarer Weise hat er in seinem Bescheid vom 03. September 2007, ausgehend von der Anzahl
der erteilten Genehmigungen und dem unterschiedlichen Prüfaufwand je nach Art der Röntgeneinrichtung
und der Art der Prüfung, einen jährlichen Prüfaufwand von 6.800 Stunden errechnet. Zu Letzterem hat er
in seinem Schriftsatz vom 01. Juli 2008 im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht Mainz weitere Angaben gemacht und ihn nunmehr auf 6.800 bis 7.200 Stunden
beziffert. Diesem Prüfaufwand steht nach den detaillierten Berechnungen des Beklagten eine derzeitige
Jahresprüfkapazität von 9.200 Stunden gegenüber, welche der Beklagte in nicht zu beanstandender
Weise als ausreichend angesehen hat.
Auf die zwischen den Beteiligten schließlich diskutierte Frage, ob der Beklagte der Klägerin und ihren
Mitkonkurrenten bei seiner Auswahlentscheidung die gleiche Möglichkeit auf Berücksichtigung einräumt,
kommt es erst zukünftig an, wenn ein Bedarf an weiteren Sachverständigen entsteht. Der Beklagte wird
die Auswahl dann unter allen geeigneten Bewerbern zu treffen haben und – im Sinne der nach Art. 3 Abs.
1 GG gebotenen „fairen Chance“ - im Vorfeld dafür Sorge tragen müssen, dass den Interessenten
überhaupt Zugang zum Auswahlverfahren gewährt wird. Ob die von dem Beklagten gewählte
Verfahrensgestaltung den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügt, kann dann zur gerichtlichen
Überprüfung gestellt werden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten findet ihre
Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs.
1, 52 Abs. 1 GKG).
ROVG Dr. Frey ist wegen Urlaubs ge-
hindert, seine Unterschrift beizufügen.
gez. Dr. Mildner gez. Dr. Mildner gez. Brink