Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.09.2000
OVG NRW: kosovo, amnesty international, politische verfolgung, auskunft, provinz, amt, beweisantrag, flüchtlingshilfe, gesellschaft, existenzminimum
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 5430/99.A
Datum:
25.09.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 5430/99.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 1589/95.A
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 2 Nr.
1 AsylVfG) ist nicht gegeben. Die von den Klägern offenbar als grundsätzlich bedeutsam
angesehene Frage, ob für Albaner aus Südserbien im Kosovo eine inländische
Fluchtalternative besteht, bedarf nicht mehr der Klärung in einem Berufungsverfahren. In
der Rechtsprechung des Gerichts ist nämlich bereits geklärt, dass für albanische
Volkszugehörige aus Südserbien - von dort, nämlich aus P. , stammen auch die Kläger -
in der Provinz Kosovo eine inländische Fluchtalternative besteht.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2000 - 5 A 5355/99.A -; vgl. auch Beschluss
vom 21. Juni 2000 - 13 A 3050/00.A -.
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Der 5. Senat hat dazu in seinem Beschluss ausgeführt:
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"Eine inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass der Asylsuchende in den in
Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm
jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer
Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus
politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am
Herkunftsort so nicht bestünde.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 (342
ff.); st. Rspr. des BVerwG; vgl. zuletzt etwa Urteil vom 9. Sep-tember 1997 - 9 C 43.96 -,
BVerwGE 105, 204 (207 f., 211 f.) = DVBl. 1998, 274 = NVwZ 1999, 308 ff. und Urteil
vom 8. Dezember 1998 - 9 C 17.98 -, NVwZ 1999, 544 ff. = DVBl. 1999, 551 ff. =
InfAuslR 1999, 145 ff.; Urteil vom 5. Oktober 1999 - 9 C 15.99 -, InfAuslR 2000, 32 ff.
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In Bezug auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative
ist entscheidend, ob der von regionaler Verfolgung Bedrohte bei generalisierender
Betrachtung auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hat.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 - 9 C 30.87 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG,
Nr. 104; Urteil vom 23. Juli 1991 - 9 C 154.90 -, DVBl. 1991, 1090, 1092; Urteil vom 31.
März 1992 - 9 C 40.91 -, NVwZ-RR 1992, 583, 584; Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C
45.92 -, DVBl. 1994, 524, 526.
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Die danach erforderlichen Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative sind
für alba-nische Volkszugehörige im Kosovo gegeben.
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Albanische Volkszugehörige sind in der Provinz Kosovo vor einer Verfolgung durch die
Bundesrepublik Jugoslawien hinreichend sicher. In der Rechtsprechung des
beschließenden Gerichts ist geklärt, dass dem jugoslawischen Gesamtstaat und dem
serbischen Teilstaat die effektive Gebietsgewalt, die eine politische Verfolgung der dort
lebenden Bevölkerung ermöglichen könnte, in der völkerrechtlich zur Bundesrepublik
Jugoslawien gehörenden Provinz Kosovo fehlt.
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Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30. September 1999 - 13 A 93/98.A - und vom 10. De-
zember 1999 - 14 A 3768/94.A -.
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Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative sind
erfüllt. Es ist unter Verwertung einschlägiger aktueller Erkenntnisse geklärt, dass
angesichts der unternommenen und fortgeführten Anstrengungen der Kfor-Truppen zur
Beseitigung von Minen und Blindgängern, der Verstärkung der Polizeipräsenz, des
fortschreitenden Aufbaus einer zivilen Übergangsverwaltung einschließlich des Aufbaus
eines Polizeiapparates, des Grenzkontrolldienstes und der Justiz und nicht zuletzt vor
dem Hintergrund der langfristigen Bereitstellung umfangreicher Finanzmittel durch die
Weltbank und die EU sowie der zahlreichen Aufbau- und Hilfsprogramme verschiedener
Hilfsorganisationen und der UN zur Verbesserung der Wohnraum- und
Versorgungslage das wirtschaftliche Existenzminimum für albanische Volkszugehörige
im Kosovo gewährleistet ist.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. September 1999, a.a.O., Urteil vom 10. Dezember 1999,
a.a.O.; vgl. auch OVG Thüringen, Urteil vom 11. November 1999 - 3 KO 399/96 -, Nds.
OVG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 12 L 748/99 -.
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Diese Einschätzung wird durch neuere Erkennt-nisse im Wesentlichen bestätigt.
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Vgl. UNHCR, Auskunft vom 7. März 2000 an Nds. OVG, Auskünfte vom 9. Dezember
1999 an Nds. OVG und an VGH Baden-Württemberg; Auswärtiges Amt, ad hoc-Bericht
zur aktuellen Lageentwicklung im Kosovo vom 8. Dezember 1999.
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Soweit in einigen Erkenntnissen der Umstand hervorgehoben wird, dass trotz der
erkennbaren Aufbruchstimmung zahlreiche Menschen nicht über eigene
Einnahmequellen verfügten und ausschließlich auf die Hilfeleistung humanitärer
Organisationen angewiesen seien,
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vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker, Auskunft vom 1. Februar 2000 an VG Karlsruhe;
Institut für Ostrecht München e.V., Auskunft vom 23. Dezember 1999 an VG Karlsruhe;
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Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 8. De-zember 1999 an VG Karlsruhe,
steht dies einer Qualifizierung der Provinz Kosovo als inländische Fluchtalternative für
albanische Volkszugehörige nicht entgegen, da für die Annahme eines wirtschaftlichen
Existenzminimums jede Gewährleistung der wirtschaftlichen Existenz - auch über
private oder öffentliche Zuwendungen - ausreicht.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1997 - 9 C 2.97 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.
194.
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Dass die humanitären und gerade nach Bedürftig- keitsaspekten differenzierten,
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vgl. UNHCR, Auskünfte vom 9. Dezember 1999 an VGH Baden-Württemberg,
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Hilfeleistungen Bedürftige nicht oder nur in einem Umfang erreichen, der eine
menschenwürdige Existenz nicht ermöglicht, ist - auch aus den genannten
Erkenntnisquellen - nicht ersichtlich.
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Soweit hiervon abweichend die Sicherheits- und humanitäre Lage der Minderheiten im
Kosovo, etwa der Serben, Roma und Aschkali, kritischer gesehen wird,
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vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker, Auskunft vom 1. Februar 2000 an VG Karlsruhe;
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 8. Dezember 1999 an VG Karlsruhe;
Auswärtiges Amt, ad hoc-Bericht zur aktuellen Lageentwicklung im Kosovo vom 8.
Dezember 1999,
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ist dies im vorliegenden Fall unerheblich, da der Kläger der Bevölkerungsmehrheit der
Albaner und nicht den genannten Minderheiten angehört. Dass (Kosovo)- Albaner bei
Rückkehr in den Kosovo gegenwärtig und auf absehbare Zeit mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit einer asylrechtserheblichen Verfolgung in individueller oder
gruppengerichteter Form nicht ausgesetzt sind und dass auch
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG mit Blick auf die Lage im Kosovo nicht
bestehen, entspricht der ständigen Entscheidungspraxis des Senats, die in Einklang
steht mit der des für Asylbegehren albanischer Volkszugehöriger ebenfalls zuständigen
14. Senats des Gerichts und anderer Obergerichte."
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Dem schließt sich der Senat an. Der Zulassungsantrag der Kläger gibt keine
Veranlassung zu einer anderen Wertung. Die als grundsätzlich bedeutsam formulierte
Frage, "wie die gegenwärtige Verfolgungssituation von Minderheiten im gegenwärtigen
Gebiet des Kosovo ist", stellt sich insoweit schon deshalb nicht, weil die Kläger als
albanische Volkszugehörige zur hauptsächlichen Bevölkerungsgruppe im Kosovo
gehören.
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Der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138
VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben. Insoweit ist im Zulassungsantrag schon nicht
dargelegt, welcher der in § 138 VwGO abschließend aufgeführten Verfahrensfehler
gemeint ist. Sollten die Kläger mit dem Vorbringen, der in der mündlichen Verhandlung
des Verwaltungsgerichts gestellte Beweisantrag habe mangels Vorliegens
aussagekräftiger Auskünfte nicht abgelehnt werden dürfen, eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO) geltend machen wollen, rechtfertigt auch dies
nicht die Zulassung der Berufung. Angesichts der oben dargestellten Entscheidung,
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dass für albanische Volkszugehörige aus Südserbien in der Provinz Kosovo eine
inländische Fluchtalternative besteht, kommt der Frage, ob der Beweisantrag zu Recht
abgelehnt worden ist, keine Bedeutung zu. Aus dem Rechtsgedanken des im
Revisionszulassungsrecht einschlägigen § 144 Abs. 4 VwGO, der im
Berufungszulassungsverfahren entsprechend gilt, kommt eine Zulassung der Berufung
wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs nämlich dann nicht in Betracht, wenn sich
das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig erweist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 11 C 48.92 -, NVwZ 1994, 1095; Beschluss
vom 18. Juni 1996 - 9 B 140/96 -, Buchholz 310, § 130a VwGO, Nr. 16; OVG NRW,
Beschlüsse vom 7. April 1997 - 25 A 1460/97.A - und vom 15. Juni 2000 - 13 A
2581/99.A -.
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Die gesetzliche Regelung beruht auf der auch hier durchgreifenden Einsicht, dass ein
Verfahren nicht fortgeführt werden soll um eines Fehlers willen, der für das endgültige
Ergebnis erkennbar bedeutungslos bleiben wird. Diese Situation ist im vorliegenden
Fall gegeben, zumal der Senat seiner Rechtsprechung u.a. auch Auskünfte der Stellen
(Auswärtiges Amt, Amnesty International) zugrunde legt, die auch in dem gestellten
Beweisantrag genannt sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b Abs. 1 AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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