Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.05.2010

OVG NRW (rechtliches gehör, anspruch auf rechtliches gehör, ersatzvornahme, vwvg, festsetzung, anordnung, der rat, zulassung, zweifel, verwaltungsgericht)

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 2760/09
Datum:
28.05.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 A 2760/09
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Rechtmäßigkeit einer von der
Beklagten gemäß § 123 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen (GO NRW) durchgeführten Ersatzvornahme, mit der die Beklagte eine
Satzung zur Änderung der "Satzung der Stadt P. über die Erhebung von
Elternbeiträgen in Tageseinrichtungen für Kinder vom 28. Juni 2006" erlassen hat. Die
hiergegen von der Klägerin erhobene Klage ist vom Verwaltungsgericht abgewiesen
worden.
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Der daraufhin von der Klägerin gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig,
hat in der Sache aber keinen Erfolg. Nach der Antragsbegründung bestehen weder
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -, I.) noch weist sie besondere tatsächliche oder
rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; II.) noch lässt sich die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erkennen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; III.).
Aus ihr ergibt sich auch nicht das Vorliegen des geltend gemachten Zulassungsgrundes
der Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO; IV.). Der ferner angeführte – vermeintliche -
Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; V.) rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung
der Berufung.
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Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder sind schon nicht
entsprechend den sich aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ergebenden Anforderungen
dargelegt. Nach zuletzt zitierter Vorschrift sind innerhalb von zwei Monaten nach
Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO
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darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Das Erfordernis des "Darlegens"
verlangt dabei mehr als die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes. Es ist vielmehr
im Sinne von "erläutern", "erklären" oder "näher auf etwas eingehen" zu verstehen.
Deshalb bedarf es unter (ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter) Bezugnahme auf
einen Zulassungsgrund einer substantiierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen
Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen und aufbereitet wird.
Das Zulassungsvorbringen muss das Vorliegen des geltend gemachten
Zulassungsgrundes aus sich heraus, d.h. ohne weitere Ermittlungen seitens des
Gerichts, erkennen lassen, wobei allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt
werden dürfen.
OVG NRW, Beschlüsse vom 25. September 2008 15 A 3231/07 und vom
28. August 2008 15 A 1702/07 -.
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I.) Nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel
an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn
erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer
rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§
124 Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die
Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche
Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 15 A 2914/09 -, vom 25.
September 2008 15 A 3231/07 -, vom 9. September 15 A 1791/07 und vom
28. August 2008 - 15 A 1702/07 .
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Für die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes ist somit erforderlich, dass
konkrete tatsächliche oder rechtliche Feststellungen im angefochtenen Urteil aus
ebenso konkret dargelegten Gründen als (inhaltlich) ernstlich zweifelhaft dargestellt
werden.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 15 A 2914/09 - und vom 2.
November 1999 15 A 4406/99 -.
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Davon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht ersichtlich.
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1.) Soweit die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung geltend macht, weil das Verwaltungsgericht die ihr gegenüber durch die
Beklagte getroffene Anordnung vom 26. Juli 2007 zum Erlass einer Satzung zur
Erhöhung der Elternbeiträge in Kindertageseinrichtungen um 20,5 % zu Unrecht für
rechtmäßig gehalten habe, liegen die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
schon deshalb nicht vor, weil die o. g. Anordnung rechtmäßig war. Dies ergibt sich aus
dem Beschluss des Senats vom heutigen Tag im zugehörigen Parallelverfahren – 15 A
2759/10 -. Dort hat der Senat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des die
Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 26. Juli 2007 bestätigenden Urteils des
Verwaltungsgerichts zu erkennen vermocht. Vor diesem Hintergrund besteht auch von
vornherein kein Raum mehr für die beantragte Aussetzung des vorliegenden
Verfahrens.
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2.) Ernstliche Richtigkeitszweifel an dem angegriffenen Urteil bestehen auch nicht
deshalb, weil – wie die Klägerin meint - die Beklagte die Ersatzvornahme vor ihrer
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Durchführung nicht nach § 64 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) festgesetzt habe. Einer solchen Festsetzung
bedurfte es nicht.
a) Dafür spricht bereits der Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift des § 123 Abs. 2 GO
NRW. Eine Festsetzung der Ersatzvornahme wird dort nicht verlangt. Der Regelung ist
lediglich zu entnehmen, dass der Durchführung der Ersatzvornahme eine
Grundverfügung mit einer an die Gemeinde gerichteten Anordnung vorauszugehen hat
und die für die Befolgung der Anordnung zu setzende Frist abgelaufen sein muss.
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Vgl. schon OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2008 15 B 1755/08 ,
wo die hier in Rede stehende Frage allerdings mangels
Entscheidungserheblichkeit offen gelassen worden ist.
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b) Auch eine entsprechende Anwendung von § 64 VwVG NRW kommt hier nicht in
Betracht. Die Vorschrift bezieht sich systematisch alleine auf die Festsetzung der in § 57
Abs. 1 VwVG NRW genannten Zwangsmittel. Dazu gehört zwar die Ersatzvornahme
nach § 59 VwVG NRW, nicht aber die hier in Rede stehende Ersatzvornahme nach §
123 Abs. 2 GO NRW.
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Diese Regelungslücke ist nicht planwidrig. Die verwaltungsvollstreckungsrechtliche
Ersatzvornahme richtet sich zur Durchsetzung einer regelmäßig durch einen
Grundverwaltungsakt verfügten Pflicht auf die Ausführung einer Handlung, deren
Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), durch die
Vollzugsbehörde oder einen von ihr Beauftragten. Es geht also um die
Verwaltungsvollstreckung im allgemeinen Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen
Bürger und Staat. Die kommunalrechtliche Ersatzvornahme erlaubt demgegenüber, alle
Handlungen der Gemeinde, auch wenn sie – wie hier etwa der Erlass einer Satzung –
nicht vertretbar sind, durch die Aufsichtsbehörde durchzuführen oder durchführen zu
lassen. Es handelt sich also um die speziell kommunalaufsichtsrechtliche Variante des
allgemeinen Instituts aufsichtsrechtlichen Eintritts zwischen Aufsichtsbehörde und
beaufsichtigter Körperschaft und Behörde (vgl. etwa den ordnungsbehördlichen
Selbsteintritt der Aufsichtsbehörde nach § 10 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes in
entsprechender Anwendung der kommunalrechtlichen Ersatzvornahme). Der
unterschiedliche Charakter der verwaltungsvollstreckungsrechtlichen und der
kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme erlaubt es nicht, auf letztere die
Festsetzungsvorschrift des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes anzuwenden.
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Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2007 15 B 1328/07 , zur
Nichtanwendbarkeit des § 63 Abs. 4 u. Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW auf die
kommunalrechtliche Ersatzvornahme.
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Eine Festsetzung der kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme ist zum Schutz der
Gemeinde auch nicht geboten. Diese ist auf die Schutz- bzw. Warnfunktion, die die
Festsetzung eines Zwangsmittels dem Betroffenen vermittelt, erkennbar nicht
angewiesen. Anders als in der Regel dem Bürger ist ihr nämlich bekannt, dass die
Nichtbeachtung einer vollstreckbaren aufsichtsbehördlichen Anordnung die
Ersatzvornahme nach sich ziehen kann.
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Vgl. Zacharias, Nordrhein-Westfälisches Kommunalrecht, 2004, S. 293.
19
c) Ungeachtet vorstehender Ausführungen wäre – hielte man die Vorschriften des
VwVG NRW grundsätzlich auch auf die kommunalaufsichtsrechtliche Ersatzvornahme
für anwendbar - eine Festsetzung der Ersatzvornahme in der hier vorliegenden
Fallkonstellation aber auch entbehrlich gewesen, so dass der Zulassungsantrag
insoweit auch deshalb erfolglos bleiben muss. Denn eine Festsetzung eines
Zwangsmittels ist ausnahmsweise dann nicht geboten, wenn der Pflichtige auf die
Schutzmöglichkeiten verzichtet, die ihm eine vorherige Festsetzung zu bieten vermag.
Das ist z. B. der Fall, wenn er ernstlich und endgültig erklärt, dass er der
Grundverfügung nicht folgen leisten werde.
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BVerwG, Beschluss vom 21. August 1996 4 B 100/96 -, NVwZ 1997, 381 ff.
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So liegt es hier. Der Rat der Beklagten hat in seiner Sondersitzung vom 13. August 2007
hinreichend deutlich und abschließend zum Ausdruck gebracht, dass er der mit
Bescheid vom 26. Juli 2007 getroffenen Anordnung der Beklagten nicht folgen wird.
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3.) Soweit die Klägerin die erstinstanzliche Entscheidung schließlich deshalb
erheblichen Richtigkeitszweifeln ausgesetzt sieht, weil das Verwaltungsgericht ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit ihren Darlegungen zu § 64
VwVG NRW verletzt habe, rechtfertigt auch dieses Vorbringen keine andere Beurteilung
im Hinblick auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die entsprechenden Darlegungen haben
ersichtlich den Zulassungsrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zum Gegenstand und
vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht zu begründen (siehe
dazu unter Ziffer V.).
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II.) Gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn die
Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Solche
liegen dann vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits auf Grund des
Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2008 15 A 1702/07 und vom 9.
September 2008 15 A 1791/07 .
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Das ist allerdings nicht der Fall, wenn sich die in der Begründung des
Zulassungsantrags aufgeworfenen Fragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auch
im Rahmen des Zulassungsverfahrens und seiner im Vergleich zum Berufungsverfahren
geringeren Überprüfungsdichte mit der erforderlichen Sicherheit beantworten lassen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. September 2006 15 A 2884/06 -.
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So liegt es ausweislich der Darlegungen zu Ziffer I. hier, so dass auch unter diesem
Gesichtspunkt eine Zulassung der Berufung ausscheidet.
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III.) Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn die
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Diese hätte sie nur, wenn sie eine
bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwerfen würde, die sich in
dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen
Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedürfte,
oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwerfen würde, deren in der
Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige
Auswirkungen hätte.
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OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2007 15 A 1279/07 .
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt.
Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Rechtsfragen dann keine grundsätzliche
Bedeutung haben, wenn sie für den Zuständigkeitsbereich des beschließenden
Gerichts geklärt sind.
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Siehe hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Juni 1997 15 A 2901/97 und 15
A 2898/97 -.
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1.) Die von der Klägerin zunächst für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob der zweite
Abschnitt des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen auf
die kommunalaufsichtsrechtliche Ersatzvornahme gemäß § 123 Abs. 2 GO NRW
grundsätzlich Anwendung findet, bedarf schon deshalb keiner Beantwortung, weil sich
der Senat in einem Berufungsverfahren allein mit der Anwendbarkeit der Vorschriften
des § 63 Abs. 4, Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW auseinandersetzen müsste (auf die
Anwendbarkeit des § 64 VwVG NRW käme es nach den obigen Ausführungen nicht
an). Überdies ist die Nichtanwendbarkeit dieser Regelungen auf die Ersatzvornahme
nach § 123 Abs. 2 GO NRW für den Zuständigkeitsbereich des beschließenden
Gerichts bereits geklärt.
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OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2007 15 B 1328/07 -.
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Dieser Umstand würde im Übrigen der Zulassung der Berufung nur dann nicht im Wege
stehen, wenn die Klägerin diesbezüglich neue erhebliche Gesichtspunkte vorgetragen
hätte, die in der früheren Entscheidung nicht berücksichtigt werden konnten und
geeignet wären, ein anderes Ergebnis herbeizuführen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 1999 15 A 1047/99 -, OVGE 47,
151, sowie Beschlüsse vom 25. März 1999 15 A 1064/99 u. a. -.
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An einem entsprechenden Vortrag fehlt es allerdings.
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2.) Soweit die Klägerin ferner die Frage für klärungsbedürftig hält, ob vor Durchführung
der kommunalaufsichtsrechtlichen Ersatzvornahme deren Festsetzung (ggf. nach § 64
VwVG NRW) erforderlich ist, führt auch diese Frage nicht zur Zulassung der Berufung.
Mit Blick auf die ernsthafte und endgültige Weigerung der Klägerin, der Anordnung der
Beklagten vom 26. Juli 2007 Folge zu leisten, wäre jedenfalls hier ausnahmsweise eine
Festsetzung – hielte man sie im Übrigen für erforderlich - entbehrlich gewesen, so dass
es einer Beantwortung der aufgeworfenen Frage im Berufungsverfahren nicht bedürfte.
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IV.) Die Berufung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Abweichung des Urteils
von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Eine den Darlegungserfordernissen des § 124a
Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Abweichungsrüge muss dartun, dass das
Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem bestimmten,
seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen
Tatsachensatz von einem in der Rechtsprechung namentlich des beschließenden
Oberverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechts- oder Tatsachensatz
abgewichen ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2007 15 A 4383/06 -.
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Eine solche Abweichung liegt hier nicht vor. Soweit in der von der Klägerin zitierten
Entscheidung des Senats vom 26. Juni 1979 XV B 634/79 - angenommen worden ist,
die Androhung der Ersatzvornahme und die Bestimmung der Durchführung der
Ersatzvornahme stellten sich als Vollstreckungsmaßnahmen im Sinne von § 187 Abs. 3
VwGO a. F. und § 8 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung im
Lande Nordrhein-Westfalen (AG VwGO) dar, dass also die Bestimmungen des VwVG
NRW auf die kommunalaufsichtsrechtliche Ersatzvornahme durch den entsprechenden
Verweis in § 8 AG VwGO anwendbar seien, rechtfertigt dies die Abweichungsrüge nicht.
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Die zitierte Rechtsprechung des Senats ist – zumindest für die hier in Rede stehenden
Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - als überholt anzusehen. Für die
Beurteilung der Frage, ob eine Divergenz vorliegt, ist aber auf die aktuelle
Rechtsprechung des Gerichts abzustellen. Hat sich seine Rechtsprechung inzwischen
geändert, führt die Abweichung von einer überholten Entscheidung nicht zur Zulassung
der Berufung.
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Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung, § 124 Rn. 47 (Stand: September 2004).
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So liegt es hier. Die einschlägige Rechtsprechung hat sich entgegen der Auffassung der
Klägerin geändert. Spätestens seit dem Beschluss des Senats vom 22. August 2007 -
15 B 1328/07 -,
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vgl. aber auch bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Februar 1994 15 B
3280/93 und vom 3. April 1995 15 B 947/95 -.
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ist jedenfalls klargestellt, dass aufgrund des unterschiedlichen Charakters der
verwaltungsvollstreckungsrechtlichen und der kommunalaufsichtsrechtlichen
Ersatzvornahme auf letztere die Vorschriften des § 63 Abs. 4 und Abs. 6 Satz 1 VwVG
NRW keine Anwendung finden. Auf § 64 VwVG NRW kommt es aus den bereits oben
genannten Gründen für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht an.
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V.) Schließlich ist für einen tragenden Verfahrensmangel und damit für den
Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nichts ersichtlich.
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Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör geltend
macht, weil das Verwaltungsgericht ihren Vortrag zu § 64 VwVG NRW nicht zur
Kenntnis genommen oder zumindest nicht erwogen habe, rechtfertigt dieses Vorbringen
keine Zulassung der Berufung. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die
erstinstanzliche Entscheidung insoweit tatsächlich an einem Verfahrensmangel leidet;
jedenfalls würde sie auf einem solchen nicht beruhen.
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Das wäre aber erforderlich. Denn die strikte Annahme, im Fall einer festgestellten
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei die ergangene gerichtliche
Entscheidung stets als auf dieser Rechtsverletzung beruhend anzusehen (vgl. § 138
Nr. 3 VwGO), gilt nur dann, wenn nicht festgestellt werden kann, wie die Entscheidung
bei Vermeidung des Verfahrensfehlers ausgefallen wäre, weil sich die Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht auf einzelne konkrete Feststellungen bezieht,
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sondern undifferenziert den gesamten Prozessstoff erfasst. Bezieht sich der gerügte
Gehörsverstoß dagegen – wie hier – allein auf einen bestimmten Aspekt, ist für die
Bejahung des Zulassungsrundes eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör erforderlich, dass nicht ausgeschlossen werden kann,
dass der bei der Gewährung rechtlichen Gehörs zu diesem Punkt erfolgte Vortrag zu
einer günstigeren Entscheidung geführt hätte.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Juni 2004 15 A 1535/04 -, NWVBl. 2005,
142.
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Dafür ist indes nichts ersichtlich. Denn selbst wenn man eine Festsetzung der
kommunalrechtlichen Ersatzvornahme dem Grunde nach für erforderlich hielte, wäre
diese hier aus den bereits oben dargelegten Gründen ausnahmsweise entbehrlich
gewesen, so dass eine günstigere Entscheidung nicht hätte getroffen werden können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den
Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
52
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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