Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.07.2002

OVG NRW: politische verfolgung, irak, illegale ausreise, security council, auskunft, unhcr, wahrscheinlichkeit, auswärtige angelegenheiten, existenzminimum, bevölkerung

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 4596/01.A
Datum:
19.07.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 4596/01.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 13 K 291/00.A
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Gerichtskosten
werden nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger
vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am 9. April 1968 in Bagdad geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger
arabischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Am 31. Dezember 1999
sprach er beim Bundesgrenzschutz im Dortmunder Hauptbahnhof vor und bat um die
Gewährung von Asyl. Er gab an: Den Irak habe er verlassen, da er im Verdacht
gestanden habe, mit einem ermordeten Regimegegner - dem Scheich Ali Gharawi - in
Verbindung zu stehen, weil in dessen Auto ein Dokument gefunden worden sei, wonach
der Wagen auf seinen Namen zugelassen gewesen sei. Sein Heimatland habe er am
21. November 1999 mit dem Auto allein in Richtung Amman verlassen. Nach einem
zweiwöchigen Aufenthalt dort habe ihm eine unbekannte Person gegen Zahlung von
2.000 US-Dollar einen gefälschten irakischen Reisepass mit einem Visum für die Türkei
besorgt. Am 7. Dezember 1999 sei er in die Türkei geflogen, wo er sich bis zum 25.
Dezember 1999 bei einer ihm bekannten Familie in Istanbul aufgehalten habe. Dort
habe er einen Türken kennen gelernt, der als Schleuser tätig gewesen sei und einen
Lkw besessen habe. Gegen Zahlung von 4.000 US-Dollar habe der Schleuser ihn in
dem mit Holzkisten beladenen Lkw bis nach Deutschland gefahren. In Bochum sei er
ausgesetzt worden und zum Bahnhof gegangen, von wo er auf Rat einer orientalisch
2
aussehenden Person mit dem Zug bis Dortmund gereist sei.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 6. Januar 2000 gab er ergänzend im
Wesentlichen an: Bis zu seiner Ausreise habe er mit seinen Eltern und drei seiner
Geschwister in Bagdad gelebt. Im August/September 1998 sei ein Scheich namens Al
Gharawi bei einem Anschlag ums Leben gekommen - es sei gemunkelt worden, dieser
sei vom Geheimdienst durchgeführt worden. Unglücklicherweise sei der Pkw, mit dem
der Scheich unterwegs gewesen sei, auf seinen Namen zugelassen gewesen. Diesen
Pkw der Marke Toyota habe er 1996 gekauft und irgendwann noch im Verlauf
desselben Jahres per Vermittlung eines Händlers an Ali Fakih, den Schwiegersohn des
Scheichs, verkauft. Nach dem Anschlag habe der Geheimdienst Untersuchungen
angestellt und dabei herausgefunden, dass er - der Kläger - Vorbesitzer des Pkw
gewesen sei. Etwa zehn Tage nach dem Attentat seien Angehörige des
Geheimdienstes zu ihm gekommen und hätten ihn gefragt, welche Kontakte er zu dem
Scheich gehabt habe. Schließlich habe man ihn mitgenommen und verhört. Insgesamt
sei er zwanzig Tage festgehalten worden, zeitweise in einem Kellerraum mit fünfzehn
weiteren Personen. Dann sei er mit der Auflage, Bagdad nicht zu verlassen und sich
ständig zur Verfügung zu halten, entlassen worden. Etwa drei Monate nach der
Entlassung sei er noch einmal zwei Tage lang verhört worden, dann habe man ihn aber
zunächst in Ruhe gelassen. Erst im April oder Mai 1999, nachdem Scheich Mohamed
Sadiq al Sadr bei einem Attentat ums Leben gekommen sei, sei er wieder abgeholt
worden. Der irakische Geheimdienst habe wissen wollen, wer mit den Scheichs
zusammen arbeite. Es sei einfach so gewesen, dass zu allen Anlässen, die
irgendwelche Schiiten betroffen hätten, alle verdächtigen Schiiten vorgeladen, verhört
und am nächsten Tag wieder entlassen worden seien. Einige Monate, nachdem er
zuletzt verhört worden sei - etwa ein oder zwei Monate vor der Ausreise -, hätten
Freunde ihm geraten, besser den Irak zu verlassen. Sie hätten gesagt, es gebe
Informationen, dass es demnächst zu Verhaftungswellen kommen und man dann länger
in Haft bleiben werde. Er sei daraufhin nicht mehr zur Arbeit gegangen und habe sich
auch nicht mehr ständig zu Hause aufgehalten, bis sein Bruder es geschafft habe, ihm
einen Schlepper zu besorgen. Dieser habe ihn in seinem Auto nach Jordanien gebracht.
In Amman sei er bei einem Freund eines Bruders untergebracht worden, der ihm später
auch einen weiteren Schlepper vermittelt habe. Dieser habe ihm einen irakischen Pass
besorgt, in dem sich sein Foto befunden habe und der ihm nach der Einreise in die
Türkei in Istanbul wieder abgenommen worden sei. Dann habe er sich auf die Suche
nach einer befreundeten Familie gemacht, die er nach einigem Hin und Her auch
gefunden und bei der er sich zunächst aufgehalten habe. Später sei er mit Hilfe des
zweiten Schleppers in dessen Lkw bis in die Bundesrepublik gereist. Eine Rückkehr in
den Irak sei für ihn nicht möglich, da schon allein die Tatsache, dass er den Irak illegal
verlassen habe, seine Verurteilung zum Tode zur Folge haben werde.
3
Mit Bescheid vom 24. Januar 2000 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers
ab (Nr. 1 des Bescheides) und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG (Nr. 2 des Bescheides) sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Nr. 3
des Bescheides) nicht vorlägen. Ferner forderte es den Kläger zur Ausreise aus der
Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des
Bescheides auf und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung in den
Irak an (Nr. 4 des Bescheides).
4
Gegen die Regelungen der Nrn. 2 bis 4 des Bescheides hat der Kläger rechtzeitig Klage
5
erhoben und ergänzend u.a. vorgetragen: Aufgrund häufiger Moscheebesuche -
während derer der ermordete Scheich oft gegen die Regierung gepredigt habe - und des
Autoverkaufs sei eine Akte über ihn angelegt worden. Dem Geheimdienst sei ferner
bekannt gewesen, dass er, der Kläger, den Scheich auch mehrfach in dessen
Wohnhaus besucht habe. Seine zweite Festnahme sei etwa im vierten oder fünften
Monat des Jahres 1999 erfolgt.
Der Kläger hat beantragt,
6
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom
24. Januar 2000 zu verpflichten, das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1,
53 AuslG in seiner Person festzustellen.
7
Die Beklagte hat beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger unverfolgt ausgereist
sei und ihm bei einer Rückkehr in den Irak keine politische Verfolgung drohe.
Insbesondere müsse er eine solche nicht im Hinblick auf eine etwaige illegale Ausreise
und die Stellung des Asylantrages in Deutschland befürchten. Auch
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG seien nicht erkennbar.
10
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner zugelassenen Berufung, mit der er
ergänzend geltend macht: Ihm drohe schon aufgrund der Asylantragstellung und des
langen - aus Sicht des Iraks illegalen - Auslandsaufenthalts politische Verfolgung in
Form einer erheblichen Bestrafung. Es sei davon auszugehen, dass die
Asylantragstellung im westlichen Ausland den irakischen Behörden bei seiner Rückkehr
bekannt werde. Eine inländische Fluchtalternative im Nordirak stehe ihm als aus dem
Zentralirak stammendem Araber, der immer dort gelebt und in den nordirakischen
Autonomiegebieten keinerlei Beziehungen habe, nicht zur Verfügung. Er werde dort
seine Existenzgrundlage nicht sicherstellen können, auch nicht in den Lagern, die von
UN-Organisationen betrieben würden. Die Zustände in diesen Lagern seien
katastrophal und genügten humanitären Anforderungen nicht. Insbesondere sei die
Lebensmittelversorgung unzureichend, weshalb es kurz- oder mittelfristig zu
Mangelerscheinungen kommen werde, die das Risiko erheblicher gesundheitlicher
Beeinträchtigungen nach sich zögen. Auch im Übrigen sei ein menschenwürdiges
Dasein in den Lagern nicht möglich.
11
Der Kläger beantragt,
12
das angefochtene Urteil zu ändern und
13
1. die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24. Januar 2000 zu verpflichten
festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,
14
2. hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 3 bis 4 des angefochtenen
Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG vorliegen.
15
Die Beklagte beantragt,
16
die Berufung zurückzuweisen,
17
und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Sie ist der Auffassung, aufgrund der
neueren Auskunftslage könne nicht davon ausgegangen werden, dass die illegale
Ausreise, eine Asylantragstellung im westlichen Ausland und ein längerer Aufenthalt
dort im Regelfall im Irak eine Bestrafung nach sich ziehen würden. Im Übrigen bestehe
auch für Zentraliraker im Nordirak eine inländische Fluchtalternative, und zwar
erforderlichenfalls in den dort befindlichen Lagern, in denen eine ausreichende
Versorgung sichergestellt sei.
18
Der Beteiligte stellt keinen Antrag und nimmt keine Stellung.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Erkenntnisse, die in der
den Beteiligten zugestellten Erkenntnismittelliste näher bezeichnet bzw. im Termin zur
mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt worden sind.
20
Entscheidungsgründe:
21
Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die
Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
hinsichtlich des Iraks oder auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach §
53 AuslG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO); auch die Abschiebungsandrohung in dem
angefochtenen Bescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in
dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit,
seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner
politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen dieser Norm sind
deckungsgleich mit denjenigen des Asylanspruchs aus Art. 16a Abs. 1 GG, soweit es
die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der
Verfolgung betrifft.
23
BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -, DVBl. 1992, 843.
24
Mit Blick darauf geht der Senat auch im Rahmen des auf die Feststellung der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gerichteten Begehrens - vorbehaltlich von
Besonderheiten bei selbstgeschaffenen Nachfluchtgründen - von denjenigen
Grundsätzen aus, die für die Auslegung des Art. 16a Abs. 1 GG gelten.
25
Hierbei steht einer Berücksichtigung asylrelevanter Gründe nicht entgegen, dass der die
Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten ablehnende Teil des streitigen
Bescheides bestandskräftig geworden ist. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, kommt der rechtskräftigen Ablehnung
des Asylbegehrens keine Bindungswirkung im Hinblick auf § 51 Abs. 1 AuslG zu, weil
weder die Streitgegenstände identisch sind noch die bestandskräftige Ablehnung des
26
Asylantrags für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorgreiflich
ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1994 - 9 C 501.93 -, NVwZ 1994, 1115.
27
Bei der Prüfung der Frage, ob dem Kläger Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG
zu gewähren ist, ist daher wie bei der Prüfung im Hinblick auf Art. 16a GG ebenfalls
wesentlich, ob er vor Verlassen seines Heimatlandes politische Verfolgung erlitten hat
bzw. ihm solche unmittelbar drohte und ob ihm ein Ausweichen innerhalb des
Heimatstaates unzumutbar war. War dies der Fall, kann ihm Abschiebungsschutz nur
dann versagt werden, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit
hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (herabgestuf-ter Prognosemaßstab). Hat er
sein Heimatland nicht auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender
Verfolgung verlassen, so kann sein Begehren nur Erfolg haben, wenn ihm bei Rückkehr
aufgrund von berücksichtigungsfähigen Nachfluchtgründen politische Verfolgung droht,
was nach dem (gewöhnlichen) Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit
zu beurteilen ist.
28
Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1994 - 9 C 1.94 -, InfAuslR 1995, 24 (26), und vom 26.
Oktober 1993 - 9 C 50.92 -, NVwZ 1994, 500 (503).
29
Vorliegend ist der Kläger zur Überzeugung des Senats unverfolgt aus dem Zentralirak
ausgereist, so dass der gewöhnliche Prognosemaßstab der beachtlichen
Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist.
30
Zutreffend haben bereits das Bundesamt in dem angegriffenen Bescheid und ergänzend
das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil dargelegt, dass die Angaben des
Klägers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal infolge von z.T. groben
Widersprüchen und Ungereimtheiten bzw. Inhaltsarmut und Pauschalität des Vortrags
insgesamt unglaubhaft sind. Diesen Feststellungen ist der Kläger im zweitinstanzlichen
Verfahren nicht mehr entgegen getreten. Der Senat verweist angesichts dessen zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Begründungselemente in
dem angegriffenen Bescheid bzw. Urteil. Auch sonst ist nichts ersichtlich, was auf eine
von dem Kläger vor seiner Ausreise erlittene bzw. ihm unmittelbar drohende politische
Verfolgung hindeutete.
31
Dem danach unverfolgt ausgereisten Kläger steht ferner kein nach Artikel 16a Abs. 1
GG unbeachtlicher, im Hinblick auf § 51 Abs. 1 AuslG aber gleichwohl
berücksichtigungsfähiger (insbesondere subjektiver) Nachfluchtgrund zu.
32
Vgl. zur Reichweite des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1993 - 2
BvR 1815/92 -, DVBl. 1993, 1002.
33
Der Kläger hat im Falle seiner Rückkehr in den Zentralirak nicht mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit abschiebungsschutzrelevante Maßnahmen zu befürchten.
34
Die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt im Sinne einer
"qualifizierenden" Betrachtungsweise voraus, dass nach einer Gewichtung und
Abwägung aller festgestellten Umstände die für eine Verfolgung sprechenden
Tatsachen größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Umstände.
35
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 -, DVBl. 1994, 524 (525).
36
Davon kann hinsichtlich der vorliegend allein in Betracht zu ziehenden Möglichkeit
zentralirakischer Verfolgungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger wegen illegaler (d.h.
ohne Ausreisegenehmigung der Behörden erfolgter) Ausreise der Asylantragstellung im
westlichen Ausland und einem längeren Aufenthalt dort - jeweils für sich allein oder in
Verbindung miteinander - nicht ausgegangen werden.
37
Referenzfälle für hieran anknüpfende politische Verfolgungsmaßnahmen gegenüber
Rückkehrern in den Zentralirak liegen nicht vor. Soweit von einzelnen
auskunftgebenden Stellen und Gerichten bislang gleichwohl eine beachtliche, also
überwiegende Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblicher Übergriffe
bei der Rückkehr nach einer illegalen Ausreise und/oder nachfolgender
Asylantragstellung und längerem Aufenthalt im westlichen Ausland angenommen
worden ist bzw. wird, beruht(e) dies im Wesentlichen auf der prognostisch-wertenden
Einschätzung, der irakische Staat sehe ein solches Verhalten generell als Ausdruck
einer politisch missliebigen Gesinnung und als loyalitätsverletzende, verräterische Kritik
am herrschenden System an; dementsprechend sei davon auszugehen, dass die
Asylantragstellung wegen der unterstellten regimefeindlichen Begründung unter die
Straftatbestände „Verbreiten von Falschnachrichten über den Irak im Ausland" (Art. 180
des Irakischen Strafgesetzbuches) und „Kritik und Beleidigung von irakischen
Staatsorganen" (Art. 202 des Irakischen Strafgesetzbuches sowie Dekret Nr. 840 vom 4.
Dezember 1986) subsumiert werde mit der Folge, dass deswegen sowie aufgrund des
Straftatbestandes der illegalen Ausreise (Art. 25 des Strafgesetzes Nr. 111) eine
schwere Bestrafung (bis hin zur Todesstrafe) sowie gegebenenfalls sonstige
menschenrechtswidrige Übergriffe zu erwarten seien.
38
Vgl. Deutsches Orient-Institut (DOI), Auskünfte an das VG Frankfurt a.M. vom 30. April
1999 und vom 6. Dezember 1999 an das VG Ansbach; Monika Kadur, Gutachten vom
Oktober 2001; Hajo/Savelsberg, Gutachten für das VG Leipzig vom 3. Juni 2002;
BayVGH, Urteil vom 30. April 2002 - 23 B 02.30161 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
4. Juni 2002 - 7 A 10365/02.OVG -.
39
Diese Einschätzung ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls heute nicht mehr
gerechtfertigt. Bei der anzustellenden Prognose sind objektive Anhaltspunkte, die für
eine überwiegende Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblicher
Verfolgungsmaßnahmen wegen unerlaubter Ausreise und/oder Asylantragstellung
verbunden mit einem längeren Aufenthalt im westlichen Ausland sprechen könnten,
nicht feststellbar.
40
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Asylantragstellung für sich
genommen im Irak nicht strafbewehrt ist. Auch die illegale Ausreise mitsamt einem
anschließenden unerlaubten Auslandsaufenthalt unterliegt derzeit zumindest
formalrechtlich nicht zwingend einer Strafverfolgung, da für ein solches Verhalten mit
dem Dekret Nr. 110 des Revolutionären Kommandorates vom 28. Juni 1999
41
- vgl. zum Inhalt die Auskunft des DOI vom 24. Juli 2000 an das VG Arnsberg und den
Lagebericht des Auswärtigen Amtes (AA) vom 20. März 2002 (i.F.: Lagebericht), S. 14 -
42
grundsätzlich eine mittlerweile - zum Jahrestag des Erlasses - für unbefristet erklärte
Amnestie für alle Iraker verkündet worden ist, die das Land illegal verlassen und sich
43
nicht anderweitig strafbar gemacht haben.
Vgl. AA, Lagebericht, S. 15.
44
Angesichts dessen folgt nicht bereits aus einer zwingenden Strafbarkeit des genannten
Verhaltens eine beachtliche Wahrscheinlichkeit daran anknüpfender
Strafverfolgungsmaßnahmen bzw. hiermit in Zusammenhang stehender sonstiger
menschenrechtswidriger Übergriffe.
45
Dabei verkennt der Senat nicht, dass das irakische Regime nach den vorliegenden
Erkenntnissen durch Willkür und Unberechenbarkeit gekennzeichnet und deshalb
Zurückhaltung gegenüber seinen angeblichen Zusagen geboten ist,
46
vgl. im Hinblick auf die Amnestieregelung: DOI, Auskunft vom 24. Juli 2000 an das VG
Arnsberg,
47
weshalb insbesondere die praktische Handhabung der Strafgesetze bzw. der
Amnestieregelung in den Blick zu nehmen ist.
48
Gleichwohl ist nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, dass das zentralirakische Regime einen aus dem westlichen Ausland
zurückkehrenden Asylbewerber, der den Irak unerlaubt verlassen und im Ausland um
Asyl nachgesucht hat, allein deshalb mit asyl- bzw. abschiebungsschutzrelevanten
Maßnahmen überziehen wird. Verifizierbare Anhaltspunkte für eine derartige Annahme
bestehen nicht.
49
In der jüngeren Vergangenheit - von Juli 1999 bis März 2000 - sind rund 6.600
Flüchtlinge aus dem Iran in den Machtbereich Bagdads zurückgekehrt. Zudem finden
täglich Abschiebungen irakischer Staatsbürger aus Jordanien (auch solcher, die einen
Asylantrag gestellt haben) in den Irak statt. Weder dem AA selbst noch - wie es
versichert hat - dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR)
oder dem Internationalen Roten Kreuz (IKRK) sind indes Fälle bekannt geworden, in
denen es dabei über kurze Befragungen bzw. Verhöre hinausgehend zu asyl- bzw.
abschiebungsschutzerheblichen Übergriffen - etwa Bestrafungen - wegen illegaler
Ausreise und/oder Asylantragstellung gekommen wäre.
50
Vgl. AA, Lagebericht, S. 14 f. und 24, und Auskünfte vom 20. Juni 2001 an das VG
Aachen sowie vom 28. Februar 2001 an das Bundesamt, z.T. unter Berufung auf den
UNHCR in Bagdad; ferner: DOI, Auskunft vom 24. Juli 2000 an das VG Arnsberg, S. 3;
ähnlich Niederländisches Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, ambtsbericht
centraal-irak, April 2001 (i.F.: ambtsbericht centraal- irak) Nr. 3.3.8 (auszugsweise
Übersetzung durch das Bundesamt).
51
Aus diesem Verhalten der irakischen Behörden gegenüber Rückkehrern aus den
arabischen Nachbarländern, insbesondere der faktischen Beachtung der erwähnten
Amnestieregelung, kann zwar nicht gleichsam zwingend gefolgert werden, ein
entsprechend unproblematisches Verhalten sei auch im Falle der Rückkehr von
ehemaligen Asylbewerbern aus dem westlichen Ausland zu erwarten. Hieran wird
jedoch deutlich, dass der irakische Staat das unerlaubte Verlassen des Landes wie
auch die Asylantragstellung im Ausland verbunden mit einem längeren Aufenthalt dort
nicht (mehr) schlechthin als feindlichen und illoyalen Akt des Verrats wertet.
52
Überdies hat sich nach dem Inhalt jüngerer Stellungnahmen des DOI und des AA die
Einschätzung des Regimes zu den genannten Umständen auch grundlegend gewandelt
und ist die Einschätzung, zurückkehrende Asylbewerber müssten mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit mit Repressalien rechnen, nicht (mehr) gerechtfertigt.
53
Vgl. nur: DOI, Auskünfte vom 5. September 2000 an das VG Sigmaringen und vom 24.
Juli 2000 an das VG Arnsberg sowie AA, Lagebericht, S. 14 f., 19.
54
Etwas Anderes ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass es sich bei der Mehrzahl der
westeuropäischen Staaten um solche handelt, die vom Zentralirak als „Feindstaaten"
eingestuft werden. Auch dem irakischen Regime ist es nicht verborgen geblieben, dass
die vornehmlich als Folge der beiden Golfkriege und des Internationalen Embargos
stark verschlechterte wirtschaftliche Lage viele Iraker veranlasst hat, bessere
Lebensbedingungen im Ausland zu suchen, weshalb das illegale Verlassen des
Heimatlandes als solches nicht mehr zwangsläufig als "Verrat" angesehen wird. Das AA
hat den Eindruck gewonnen, dass der irakische Staat gerade bei weniger qualifizierten
Kräften das (auch) durch die wirtschaftliche Lage bedingte Verlassen des Landes
hinnimmt.
55
Vgl. AA, Lagebericht, S. 14.
56
Das gilt zumal vor dem Hintergrund, dass die Flucht irakischer Staatsangehöriger in das
westliche Ausland, insbesondere nach Deutschland, angesichts der Anzahl
entsprechender Asylerstanträge (2000: 11.601; 2001: 14.747)
57
- vgl. Bundesamt, Irak-Information (Aktuelle Lage; Entscheidungspraxis; Statistik;
Prognose; Karten), November 2001, S. 15 -
58
mittlerweile ein Massenphänomen darstellt. Im Übrigen sind dem AA in jüngerer Zeit
keine Belegfälle über die Anwendung des Straftatbestandes "illegale Ausreise" bekannt
geworden.
59
Vgl. AA, Lagebericht, S. 14; ähnlich ambtsbericht centraal-irak, Nr. 3.3.8.
60
Auch das DOI hat ausdrücklich festgestellt, dass ihm noch kein einziger Fall bekannt
sei, in dem es wegen illegaler Ausreise zu einer Bestrafung gekommen wäre.
61
Vgl. Auskunft vom 24. Juli 2000 an das VG Arnsberg.
62
Das wäre aber nicht erklärlich, wenn - wie Hajo/Savelsberg in ihrem Gutachten für das
VG Leipzig vom 3. Juni 2002 behaupten -, tatsächlich Personen, die längere Zeit ohne
Genehmigung im westlichen Ausland verbracht hätten, sofort bei ihrer Rückkehr in den
Zentralirak festgenommen und inhaftiert sowie vor Sondergerichte gestellt oder
"verschwinden" würden; Referenzfälle für ihre bloßen Vermutungen legen die Gutachter
auch selbst nicht dar.
63
Hinzu kommt, dass für die Fälle der freiwilligen Rückkehr von Asylbewerbern aus dem
westlichen Ausland in den Zentralirak, z.T. nach erfolgter Anerkennung als Flüchtling,
keine Übergriffe berichtet werden, sondern vielmehr von einer insgesamt eher
unproblematischen Wiedereinreise die Rede ist.
64
ambtsbericht centraal-irak, Nr. 3.3.8.
65
Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Bedeutung der Asylantragstellung im westlichen
Ausland. Auch insoweit wird das irakische Regime wegen der überwiegenden
Ausreisemotivation im Regelfall davon ausgehen, dass ein Asylantrag nicht immer
(schon gar nicht zwangsläufig) Ausdruck einer oppositionellen Haltung ist, sondern
vielmehr regelmäßig allein oder absolut vorrangig der Erlangung eines
Aufenthaltsrechts im Ausland
66
- vgl. DOI, Auskunft vom 5. September 2000 an das VG Sigmaringen -
67
mit dem Ziel der Verbesserung des Lebensstandards dient. Zugleich wird staatlichen
irakischen Stellen bekannt sein, dass der längere Aufenthalt im gegenüber den
arabischen Nachbarstaaten wirtschaftlich attraktiveren westlichen Ausland im Regelfall
die Durchführung eines Asylverfahrens mit entsprechender, eine politische Verfolgung
im Irak behauptender Begründung erfordert. Dem AA liegen keine Hinweise oder
Beispielsfälle dafür vor, dass das alleinige Stellen eines Asylantrags im Ausland von
irakischen Behörden in die Nähe der oben genannten Straftatbestände gerückt worden
wäre. Solche werden im Übrigen auch von anderen auskunftgebenden Stellen nicht
benannt.
68
Vor diesem Hintergrund ist es für den Senat nachvollziehbar und überzeugend, wenn
das DOI in Abkehr von früheren Einschätzungen nunmehr feststellt, der irakische Staat
lege hinsichtlich der unerlaubten Ausreise mit nachfolgender Asylantragstellung im
westlichen Ausland nicht mehr die gleichen strengen Maßstäbe an wie in der
Vergangenheit; er wisse, dass die Absatzbewegung in die westlichen Staaten
regelmäßig nicht auf politischen, sondern auf wirtschaftlichen Motiven beruhe, und
unterliege nicht länger der "Illusion", dass damit vornehmlich politische Zwecke verfolgt
würden.
69
Vgl. DOI, Auskünfte vom 23. Januar 2002 an das VG Regensburg und vom 24. Juli 2000
an das VG Arnsberg.
70
Im Übrigen wird nach Auffassung des DOI die Bedeutung der Asylantragstellung für das
irakische Regime ohnehin überschätzt.
71
Vgl. DOI, Auskunft vom 24. Juli 2000 an das VG Arnsberg.
72
Hiervon ausgehend ist für den Senat nur folgerichtig und teilt er auch insofern die
weitere Einschätzung des DOI, dass der irakische Staat die Ausreise ins „feindliche"
westliche Ausland sowie die vermutete regimekritische Begründung des Asylantrages
nicht (mehr) generell als illoyalen, bei Rückkehr grundsätzlich durch strafrechtliche oder
sonstige Ahndung zu verfolgenden Akt des Verrats wertet und eine andere Beurteilung
allenfalls für solche Personen in Betracht kommt, die entweder aufgrund ihrer
gesellschaftlichen und/oder beruflichen Stellung - etwa als ehemalige hochrangige
Militärs bzw. Beamte, Beschäftigte im militärisch-industriellen Bereich oder
wirtschaftliche Leistungsträger - gesteiger-ten Loyalitätspflichten unterliegen oder die
bereits in ihrer Heimat in erheblicher Weise unter dem Verdacht der
Regimegegnerschaft in das Blickfeld der Sicherheitskräfte geraten sind.
73
Vgl. AA, Lagebericht S. 15; DOI, Auskunft vom 24. Juli 2000 an das VG Arnsberg sowie
Stellungnahme der Frau Hogg (UNHCR), wie sie aus der Niederschrift über die
mündliche Verhandlung des OVG Sachsen-Anhalt am 6. Dezember 2001 in den
Verfahren A 1 S 29/99 und 1 L 2/01 hervorgeht.
74
Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen kann folglich nicht (mehr) mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, das irakische Regime
werte die unerlaubte Ausreise mitsamt nachfolgender Asylantragstellung im westlichen
Ausland generell als verräterisches, regimefeindliches Verhalten, das schon deshalb
regelmäßig eine asyl- oder abschiebungsschutzerhebliche Bestrafung bzw. sonstige
menschenrechtswidrige Übergriffe erwarten lasse.
75
Aber auch ein mehrjähriger Aufenthalt im westlichen Ausland bietet dem irakischen
Regime nicht beachtlich wahrscheinlich einen Anlass für asyl- bzw.
abschiebungsschutzrechtlich relevante Maßnahmen. Zwar kann nicht ausgeschlossen
werden, dass der irakische Staat, der keine Auswanderungstradition hat, einen
langjährigen Auslandsaufenthalt argwöhnisch betrachtet und deshalb die Behörden
einen gewissen "Erläuterungsbedarf" sehen.
76
Vgl. DOI, Auskünfte vom 5. September 2000 an das VG Sigmaringen und vom 24. Juli
2000 an das VG Arnsberg.
77
Unabhängig von der Frage, ob den zentralirakischen Behörden der Umstand, dass der
Asylbewerber sich im westlichen und nicht etwa im arabischen Ausland (z.B. Jordanien)
aufgehalten hat, überhaupt bekannt wird, was jedenfalls derzeit, solange
Abschiebungen aus der Bundesrepublik Deutschland in den Irak nicht stattfinden, ohne
entsprechende Angaben des Asylbewerbers selbst nicht der Fall sein wird, folgt aus
einem etwaigen Erläuterungsbedarf jedoch noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit
damit in Zusammenhang stehender asyl- bzw. abschiebungsschutzrelevanter
Übergriffe. Eine derartige Gefahr lässt sich auch nicht aus der Einschätzung des DOI
herleiten, wonach es im Falle einer von staatlichen Stellen geforderten „Erläuterung"
eines mehrjährigen Auslandsaufenthaltes "möglich" sein könne, dass hierbei „Druck"
ausgeübt werde und in diesem Zusammenhang Übergriffe stattfänden
78
- vgl. DOI, Auskunft vom 24. Juli 2000 an das VG Arnsberg -
79
bzw. die Gefahr politischer Verfolgung "nicht auszuschließen" sei.
80
Stellungnahme des Herrn Brocks (DOI), wie sie aus der Niederschrift über die
mündliche Verhandlung des OVG Sachsen-Anhalt am 6. Dezember 2001 in den
Verfahren A 1 S 29/99 und 1 L 2/01 hervorgeht.
81
Abgesehen davon, dass das DOI in seinen neueren Auskünften (etwa an das VG
Regensburg vom 23. Januar 2002) eine solche Feststellung nicht mehr getroffen,
sondern vielmehr eine Gefährdung wegen der Ausreise und anschließender
Asylantragstellung, die regelmäßig mit einem längeren Auslandsaufenthalt einhergeht,
im Ergebnis verneint hat, rechtfertigt auch die angesprochene frühere Prognose
jedenfalls nicht die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw.
abschiebungsschutzerheblicher Übergriffe im Falle der Rückkehr nach einem
mehrjährigen Auslandsaufenthalt.
82
Das DOI hat in der zitierten Auskunft vom 24. Juli 2000 an das VG Arnsberg, die in der
mündlichen Verhandlung vor dem OVG Sachsen-Anhalt am 6. Dezember 2001 der
Sache nach lediglich bekräftigt worden ist, bereits die Wahrscheinlichkeit eines
derartigen "Erläuterungsverhörs" stark eingeschränkt, indem es mitgeteilt hat, „wenn
überhaupt" sei allenfalls eine solche Maßnahme bei der Rückkehr aus dem westlichen
Ausland in Betracht zu ziehen. Das AA hat darüber hinaus mitgeteilt, dass sich das
Interesse der zentralirakischen Behörden vornehmlich darauf richtet, ob die betreffende
Person im Ausland einer oppositionellen exilpolitischen Tätigkeit nachgegangen ist.
83
Vgl. AA, Lagebericht, S. 19.
84
Ferner hat das DOI in den genannten Stellungnahmen das Ergreifen erheblicher
Repressionen im Zusammenhang mit derartigen Verhören lediglich für möglich gehalten
bzw. nicht ausschließen wollen. Eine solche bloß nicht auszuschließende Möglichkeit,
während eines - ohnehin nicht in jedem Fall zu erwartenden - Verhörs relevanten
Übergriffen ausgesetzt zu werden, reicht jedoch für die Annahme einer mit beachtlicher,
d.h. überwiegender, Wahrscheinlichkeit drohenden politischen Verfolgung nicht aus.
85
Die dargestellte Überzeugung des Senats wird letztlich auch dadurch bestätigt, dass
kein nachvollziehbarer Beweggrund für ein generelles Interesse des irakischen
Regimes ersichtlich ist, die Ausreise in das westeuropäische Ausland durch Drohung
mit von ansonsten bei Rückkehr zu erwartenden Strafen zu verhindern. Es kann
vielmehr umgekehrt ein deutliches Interesse des irakischen Regimes angenommen
werden, durch im westlichen Ausland lebende Staatsangehörige, sei es in Form von
ihnen geleisteter Unterstützungszahlungen für in der Heimat gebliebene Angehörige,
sei es durch das Mitbringen entsprechender Geldbeträge bei einer Rückkehr, dringend
benötigte Devisen in den Irak gelangen zu lassen, nachdem diese Devisen als Folge
der Sanktionen nicht bzw. zumindest nicht mehr in früherer Höhe allein durch
Ölverkäufe beschafft werden können. Es ist sogar denkbar, dass das Regime die
Ausreise zumindest von Angehörigen der weniger qualifizierten Bevölkerungsschichten
deshalb nicht ungern sieht, weil dies die wirtschaftlich und sozial äußerst angespannte
Situation im Zentralirak "entlastet".
86
Vgl. auch dazu: DOI, Auskunft an das VG Regensburg vom 23. Januar 2002.
87
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die illegale Ausreise, die Asylantragstellung
als solche und ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt weder für sich allein noch in
Kombination miteinander beachtlich wahrscheinlich bei einer Rückkehr in das
zentralirakische Gebiet zu einer Gefahr politischer Verfolgung eines unverfolgt
ausgereisten, politisch unauffälligen bzw. nicht hervorgehoben tätig gewesenen
irakischen Asylsuchenden führen. Besondere individuelle Umstände im oben
bezeichneten Sinne, die dazu führen könnten, dass hier ausnahmsweise eine andere
Bewertung angezeigt sein könnte, sind nicht gegeben. Der Kläger unterlag im Zeitpunkt
seiner Ausreise weder gesteigerten Loyalitätspflichten aufgrund einer besonderen
gesellschaftlichen oder beruflichen Stellung im irakischen Staat noch ist anzunehmen,
dass er bereits vor der Ausreise unter dem Verdacht der Regimegegnerschaft in das
Blickfeld der Sicherheitskräfte geraten war; sein entsprechender Vortrag ist, wie
dargelegt, unglaubhaft.
88
Drohen dem Kläger mithin bei einer Rückkehr in den Zentralirak nicht mit der
erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen, kann sein
89
Abschiebungsschutzbegehren keinen Erfolg haben.
Unabhängig davon hat der Kläger auch deshalb keinen Anspruch auf die Feststellung
der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, weil er jedenfalls auf die autonomen
Kurdengebiete in den Provinzen Dohuk, Arbil und Sulaymaniya als inländische
Fluchtalternative verwiesen werden kann. Diese genügen den Anforderungen, die an
eine die Asylanerkennung bzw. den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG
ausschließende inländische Fluchtalternative zu stellen sind,
90
vgl. zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Grundsätze der inländischen
Fluchtalternative auf die autonomen Kurdengebiete im Nordirak: BVerwG, Urteil vom 8.
Dezember 1998 - 9 C 17.98 -, NVwZ 1999, 544; OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999 - 9 A
4671/98.A -,
91
und zwar auch hinsichtlich aus dem Zentralirak stammender Personen gleich welcher
Ethnie oder Religionszugehörigkeit, die - wie der Kläger - nicht über Beziehungen im
Autonomiegebiet verfügen.
92
So auch: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 2002 - A 2 S 712/01 -.
93
Eine inländische Fluchtalternative ist gegeben, wenn der Asylsuchende auf Gebiete
seines Heimatstaates verwiesen werden kann, in denen er vor politischer Verfolgung
hinreichend sicher ist und wo ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine
anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer
asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommen, sofern diese existentielle
Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde.
94
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80,
315 (342 ff.), und vom 24. März 1997 - 2 BvR 1024/95 -, InfAuslR 1997, 273; BVerwG,
Beschluss vom 19. Mai 1999 - 9 B 1032.98 -, und Urteile vom 30. April 1996 - 9 C
170.95 -, DVBl. 1996, 1257 (1259), und vom 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85,
139 (145),
95
Dem liegt der Grundsatz der Subsidiarität zugrunde, wonach derjenige des Schutzes in
der Bundesrepublik Deutschland nicht bedarf, dem auf dem Territorium seines
Heimatstaates eine verfolgungsfreie Zuflucht offen steht.
96
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998, a.a.O.
97
Nach der Überzeugung des Senats ist der Kläger im autonomen Kurdengebiet im
Norden des Iraks vor staatlicher Verfolgung hinreichend sicher. Soweit eine politische
Verfolgung durch zentralirakische Behörden in Frage steht, fehlt es diesen an der hierfür
erforderlichen Gebietsgewalt; objektive Anhaltspunkte, die eine Änderung dieser
Situation in absehbarer Zeit als reale Möglichkeit erscheinen lassen, sind nicht
gegeben.
98
Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Urteile vom 5. Mai 1999, a.a.O., und vom 8. März 2001 - 9
A 2993/98 -, ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 2002, a.a.O. und OVG
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 L 2/01 - sowie ergänzend DOI,
Stellungnahme vom 30. März 1999 an das VG Oldenburg, wonach nicht abgeschätzt
werden könne, wie lange der "status quo" noch andauere, und Voraussagen, wann der
99
irakische Staat in die kurdischen Autonomiegebiete zurückkehren werde, nicht getroffen
werden könnten. Vgl. weiter: DOI, Stellungnahmen vom 30. Juni 1999 an das VG
Bayreuth, wonach nicht prognostiziert werden könne, wann die Iraker sich des
autonomen Kurdengebiets wieder bemächtigen würden, und vom 6. Dezember 1999 an
das VG Trier, wonach der militärische Zugriff der Iraker ebenso wie die
Schutzgewährung durch die Alliierten in der Schwebe seien, das eine ebenso
wahrscheinlich wie das andere sei, so dass die Zukunft schlecht zu prognostizieren sei.
Dies gilt um so mehr, als in dem aktuellen Lagebericht des AA vom 20. März 2002
ausgeführt wird, dass derzeit konkrete politische Machtverschiebungen im Irak nicht
erkennbar seien und die im Gefolge der Terroranschläge vom 11. September 2001
veränderte politische Lage einen erneuten Vorstoß der irakischen Bagdader
Zentralregierung in die Kurdengebiete sogar "in hohem Maße unwahrscheinlich"
machen dürfe, da jegliche Verletzung des status quo mit großer Wahrscheinlichkeit
Vergeltungsaktionen mit dem Ziel des Regimewechsels auslösen würden (S. 10 des
Berichts). Angesichts dessen gibt es derzeit keinen objektiven Anhaltspunkt, der für eine
reale Möglichkeit der Änderung der Situation in absehbarer Zeit sprechen könnte. Eine
z.T. geäußerte Vermutung eines US-Angriffs auf den Irak mit der Folge eines Schlages
des irakischen Regimes gegen die autonomen Kurdengebiete und deren
Rückeroberung ist zu vage, als dass sie als reale Möglichkeit angesehen werden
könnte. Dies wird letztlich auch dadurch bestätigt, dass - wie allgemein bekannt ist - ein
großer Teil der Verbündeten der USA erhebliche Vorbehalte gegen einen Angriff auf
das zentralirakische Regime hegt und auch jene Staaten, die als potentielles
Aufmarschgebiet oder Nachschubbasis in Betracht kämen, einem Angriff auf den Irak
jedenfalls z.T. ablehnend gegenüber stehen. Vor allem aber ist gänzlich ungewiss, ob
ein solcher Angriff überhaupt zu einer Rückeroberung der autonomen Kurdengebiete
durch das irakische Regime führen würde.
100
Es bestehen auch keine Zweifel, dass der Kläger vor einem Anschlag irakischer
Geheimdienstagenten hinreichend sicher ist. Wie der Senat schon in seinem Urteil vom
5. Mai 1999, a.a.O., in Bezug auf kurdische Volkszugehörige entschieden hat, kann nur
solchen Personen, die nach außen erkennbar herausgehobene politisch- oppositionelle
Funktionen oder herausgehobene militärische Führungsfunktionen wahrgenommen
haben, sowie Mitarbeitern westlicher Hilfsorganisationen oder der UN in den kurdischen
Autonomiegebieten im Einzelfall die Gefahr eines Anschlages des irakischen
Geheimdienstes drohen.
101
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 5. Mai 1999, a.a.O., und vom 8. März 2001, a.a.O.; ferner
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 2002 a.a.O. und Niederländisches
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, ambtsbericht noord- irak, 11. April 2001 -
auszugsweise Übersetzung durch das Bundesamt - (i.F.: ambtsbericht noord- irak), Nr.
4.2.
102
Es ist kein Grund dafür ersichtlich, hinsichtlich Zentralirakern nichtkurdischer
Volkszugehörigkeit von einer anderen Sachlage auszugehen.
103
Vgl. AA, Lagebericht, S. 17; ambtsbericht noord- irak, Nr. 4.2.
104
Danach kann eine Gefährdung des politisch unauffälligen Klägers nicht angenommen
werden. Zu einer der genannten Personengruppen gehört der Kläger offensichtlich
nicht.
105
Eine politische Verfolgung des Klägers durch die KDP oder die PUK ist ebenfalls nicht
zu befürchten. Dabei kann offen bleiben, ob eine solche bereits deswegen
ausgeschlossen ist, weil die KDP als in ihrem Herrschaftsgebiet tonangebende
Organisation ebenso wie die PUK in ihrem Einflussbereich nach wie vor keine
hinreichende Gebietsgewalt ausübt,
106
so OVG NRW, Urteile vom 5. Mai 1999 und vom 8. März 2001, jeweils a.a.O.
107
oder ob eine solche grundsätzlich in Betracht kommt, weil die KDP ebenso wie die PUK
jedenfalls inzwischen in ihrem jeweiligen Herrschaftsgebiet als quasi- staatliche
Organisation anzusehen ist.
108
Vgl. zur politischen Verfolgung durch quasi- staatliche Organisationen: BVerfG,
Beschluss vom 10. August 2000 - 2 BvR 260 und 1353/98 - NVwZ 2000, 1165; BVerwG,
Urteil vom 20. Februar 2001 - 9 C 20.00 -, NVwZ 2001, 815; vgl. zur Stellung der PUK
bzw. KDP im Nordirak: AA, Lagebericht, S. 7 f.
109
Unabhängig hiervon kann dem Vorbringen des Klägers nichts dafür entnommen
werden, dass eine politische Verfolgung durch eine der beiden Parteien zu befürchten
wäre.
110
Dem Kläger drohen zur Überzeugung des Senats im nordirakischen Autonomiegebiet
auch keine verfolgungsunabhängigen sonstigen Nachteile oder Gefahren, die nach ihrer
Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkämen
und die am Herkunftsort in den von der irakischen Zentralmacht beherrschten Gebieten
so nicht bestünden.
111
Das gilt zunächst in Bezug auf das notwendige Existenzminimum. Hierzu gehört das zur
Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendige wirtschaftliche
Existenzminimum, das gewährleistet ist, wenn der Asylsuchende am Ort der
Fluchtalternative bei generalisierender Betrachtungsweise (die eine Berücksichtigung
von Einzelfallaspekten nicht ausschließt) nicht auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das
zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt.
112
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2000 - 9 B 255.00 -, Sammel- und
Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (i.F.: Buchholz),
402.240 § 51 AuslG Nr. 34 , und Urteil vom 30. April 1991 - 9 C 105.90 -, Buchholz
402.25 § 1 AsylVfG Nr. 145.
113
Diese Voraussetzung ist sicher erfüllt, wenn am Ort der Fluchtalternative das für das
wirtschaftliche Existenzminimum Notwendige aus eigener Kraft - etwa aufgrund
zumutbarer Beschäftigung - beschaffen kann. Ausreichend ist aber auch, wenn die
wirtschaftliche Existenz auf sonstige Weise - etwa durch Hilfe Dritter - sichergestellt ist.
114
Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 24. März 1997 - 2 BvR 1024/95 -, a.a.O.; BVerwG,
Beschlüsse vom 16. Juni 2000 - 9 B 255.00 -, a.a.O., vom 8. Januar 1998 - 9 B 566.97 -
und vom 28. Juni 1989 - 9 B 193.89 -, Urteil vom 15. Juli 1997 - 9 C 2.97 -, BayVBl 1998,
250.
115
Soweit ein solcher Verweis auf Hilfe durch Dritte z.T. grundsätzlich abgelehnt wird,
116
sofern sie nicht auf familiären, gesellschaftlichen oder politischen Beziehungen beruht,
sondern durch außerhalb dieser Gruppen Stehende (wie internationale
Hilfsorganisationen) erbracht wird,
vgl. UNHCR, Auskunft vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR,
Stellungnahme vom Januar 2001 zur Situation im Nordirak,
117
liegt dem offensichtlich ein Verständnis des Flüchtlingsbegriffs zugrunde, das nicht dem
deutschen Asylrecht bzw. § 51 Abs. 1 AuslG und der obergerichtlichen Rechtsprechung
zur "inländischen Fluchtalternative" entspricht. So scheint der UNHCR eine
Gewährleistung des Existenzminimums durch Integration, insbesondere eigene
Arbeitsmöglichkeiten, für erforderlich zu halten.
118
Vgl. UNHCR, Auskunft vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt; vgl. auch
Stellungnahme zur Relevanz der Anwesenheit von Binnenvertriebenen für die Frage
des internen Relokationsprinzips vom März 2002:"... der Schutzsuchende muss Zugang
zu wesentlichen wirtschaftlich-sozialen Menschenrechten haben. ... auch
Arbeitsmöglichkeiten ... sind wichtige Faktoren"; ähnlich: WADI, Verband für Krisenhilfe
und solidarische Entwicklungszusammenarbeit, Auskunft vom 27. Januar 2002 an das
VG Magdeburg.
119
Den einschlägigen Normen lässt sich indes kein Grundsatz der Art entnehmen,
Voraussetzung für die Annahme der Sicherstellung des Existenzminimums sei die
Möglichkeit, dass sich der Flüchtling durch eigene Kontakte oder Aufnahme einer
Beschäftigung "selbst" müsse helfen können.
120
Selbst wenn in Anwendung der oben dargestellten Grundsätze eine existentielle
Notlage am Zufluchtsort möglich erscheinen würde, führte dies nicht zwangsläufig zum
Ausschluss der Fluchtalternative. Wirtschaftliche Not an einem verfolgungssicheren Ort
des Heimatstaats macht einen solchen nämlich nur dann als innerstaatliche
Fluchtalternative ungeeignet, wenn die Not am Herkunftsort - ohne die dortige
Verfolgung - so nicht bestünde, sie also ihre Ursache in der Verfolgung hat.
121
Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September 1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204, und
Beschluss vom 19. Mai 1999, a.a.O.
122
Das Asyl- bzw. Flüchtlingsrecht will nicht allgemein Jedem, der in seiner Heimat
materielle Not leiden muss, die Möglichkeit eröffnen, in der Bundesrepublik seine
Lebenssituation zu verbessern,
123
vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1984 - 9 CB 191.83 -, DVBl. 1984, 570,
124
und vor der Rückführung in ein verfolgungsfreies Gebiet schützen, wenn die dort
herrschende (verfolgungsunabhängige) Notlage keine gravierendere ist als die am
Herkunftsort.
125
Dabei hängt der Zeitpunkt für den Vergleich der einander gegenüber zu stellenden
wirtschaftlichen Situationen am Zufluchts- und am Herkunftsort davon ab, für welchen
Zeitpunkt die Frage des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative zu klären ist.
Geht es um einen unverfolgt Ausgereisten, muss (anders als bei der Frage, ob der
Asylsuchende vorverfolgt ausgereist ist) die wirtschaftliche Lage im verfolgungsfreien
126
Gebiet mit derjenigen verglichen werden, die im Zeitpunkt der Rückkehr in den
Heimatstaat am Herkunftsort besteht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September 1997, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil
vom 11. April 2002, a.a.O.
127
Ein dem wirtschaftlichen Existenzminimum genügendes menschenwürdiges Leben ist
für aus dem Zentralirak stammende Flüchtlinge - gleich welcher Volks- oder
Religionszugehörigkeit - in den kurdischen Autonomiegebieten im Nordirak
grundsätzlich gewährleistet, auch wenn sie dort über keine familiären,
gesellschaftlichen oder politischen Verbindungen verfügen. Unabhängig davon ist bei
generalisierender Betrachtungsweise davon auszugehen, dass dort etwa bestehende
missliche Lebensumstände sich jedenfalls als nicht gravierender als im Herkunftsgebiet
- dem Zentralirak - darstellen und auch allein deshalb der Annahme einer inländischen
Fluchtalternative nicht entgegenstehen.
128
Im Rahmen der Beurteilung der existentiellen Lage von Flüchtlingen im Nordirak ist
zunächst zu berücksichtigen, dass sich die generelle sozial-ökonomische Lage im
Nordirak seit 1999 kontinuierlich "sehr deutlich" verbessert hat, die allgemeinen
Lebensumstände dort inzwischen "weit besser" als im Zentralirak sind und von einem
"beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwung" gesprochen werden kann. Das
"Wohlstands"-Niveau im Nordirak ist sichtbar höher als im Zentralirak.
129
Vgl. AA, Lagebericht, S. 23; DOI, Auskünfte vom 6. Mai 2002 an das VG Leipzig, vom 3.
April 2002 an das VG Greifswald und vom 20. November 2001 an das OVG Sachsen-
Anhalt; ambtsbericht noord-irak, Nr. 2.5.
130
Als Grund dafür wird übereinstimmend angegeben, dass die Lieferungen im Rahmen
des "Oil-for-Food"-Programms im Norden eine wesentlich höhere Quote pro Kopf der
Bevölkerung zulassen als im Zentral- und Südirak (Bevölkerungsanteil der
Nordprovinzen ca. 13 % - bereitgestellte Quote aus den "Oil-for-Food"-Erlösen ca. 13 %;
Bevölkerungsanteil des Zentral- und Südiraks ca. 87 % - bereitgestellte Quote aus den
"Oil-for-Food"-Erlösen seit Dezember 2000 etwa 59 %), dass die Nordiraker zudem
direkt von den UN-Organisationen und kleineren ausländischen sog. Non- Government-
Organisationen (ngo's) betreut werden sowie dass im Nordirak erhebliche Gewinne aus
Transitgebühren und Schmuggelaktivitäten hinzukommen. Die UN-Aktivitäten, finanziert
aus dem proportional gesehen hohen Anteil an den Erlösen aus den irakischen
Ölverkäufen, umfassen im Gegensatz zum Zentralirak auch den Bildungs-, Wirtschafts-
und Wohnbausektor.
131
Vgl. AA, Lagebericht, S. 23, und Auskunft vom 20. Juni 2001 an das VG Aachen; DOI,
Auskünfte vom 6. Mai 2002 an das VG Leipzig, vom 3. April 2002 an das VG Greifswald
und vom 20. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt; Hajo/Savelsberg, Gutachten
vom 1. April 2002 an den BayVGH; ambtsbericht noord-irak, Nr. 2.5.
132
Überdies werden Kaufanträge des zentralirakischen Regimes häufig deshalb nicht
genehmigt, weil die gewünschten Güter auch militärisch eingesetzt werden könnten. Die
Lieferwünsche des Nordiraks werden hingegen in aller Regel unproblematisch erfüllt,
wobei das Office for the Iraq Program der UNO die Verteilung der den Kurden
zustehenden Gelder im Namen des irakischen Regimes übernimmt.
133
Vgl. DOI, Auskünfte vom 3. April 2002 an das VG Greifswald und vom 20. November
2001 an das OVG Sachsen-Anhalt.
134
Der zunehmende Wohlstand kommt zwar der Bevölkerung im Nordirak nicht in
durchgängig gleichem Maß zugute. Personen, die im Nordirak nicht über Verbindungen
- sei es in Form verwandtschaftlicher Beziehungen, sei es in Kontakten zu einer der
Kurdenparteien - oder eine Arbeitsstelle verfügen, werden von den lokalen Machthabern
keine Aufenthaltserlaubnis mit dem Recht zur freien Wohnsitznahme erhalten.
135
Vgl. UNHCR, Stellungnahme vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt;
WADI, a.a.O.
136
Auch diese Personen haben indes einen Vorteil von den verbesserten
sozialökonomischen Umständen im Nordirak, mag auch ihr Lebensstandard unter dem
durchschnittlichen Lebensstandard im Nordirak liegen.
137
So UNHCR, Stellungnahme vom März 2002, a.a.O.
138
Für diese Gruppe der - je nach Begriffsdefinition - auf eine Zahl von 250.000 bis ca.
800.000 geschätzten Binnenvertriebenen bzw. Flüchtlinge (im Folgenden einheitlich als
Heimatlose bezeichnet)
139
- vgl. AA, Lagebericht, S. 18 ; ambtsbericht noord-irak, Nr. 4.3; UNHCR, Stellungnahme
vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt -
140
ist im Nordirak eine Vielzahl von Hilfsorganisationen tätig. Insbesondere
Unterorganisationen der Vereinten Nationen (UN) - etwa das United Nations Office for
Project Services (UNOPS), das United Nations Center for Human Settlements (Habitat),
das WFP und das IKRK -,
141
vgl. AA, Lagebericht, S. 18, und UNHCR, Stellungnahme vom 23. November 2001 an
das OVG Sachsen-Anhalt,
142
aber auch lokale (Hilfs)-Organisationen unter kurdischer Verwaltung sowie ngo's
143
- vgl. ambtsbericht noord-irak, Nr. 4.3; WADI, a.a.O. -
144
betreuen die Heimatlosen, die ihr Existenzminimum nicht durch familiäre oder
gesellschaftliche Kontakte sicherstellen können, in Form der Unterbringung in Lagern
sowie der Bereitstellung von Lebensmittelpaketen, Decken, Heizkörpern u.ä. Im Übrigen
gibt es noch eine Vielzahl karitativer Einrichtungen im Nordirak. Für nahezu jede
Bedürfnislage existiert eine spezielle Institution.
145
Vgl. DOI, Auskunft vom 3. April 2002 an das VG Greifswald.
146
Angesichts dessen trifft die früher z.T. im Hinblick auf die Gewährleistung des
wirtschaftlichen Existenzminimums im Nordirak vertretene Einschränkung, dass allein
diejenigen eine wirtschaftliche Überlebensmöglichkeit hätten, die längere Zeit in den
kurdischen Autonomiegebieten gelebt hätten oder aber dort über familiäre,
gesellschaftliche oder politische Verbindungen verfügten, die - etwa im Rahmen des
dort herrschenden Clanwesens und Familienverbandes, einer politischen Gruppierung,
147
einer Religionsgemeinschaft oder der Nachbarschaft - die Hilfe in Notlagen
gewährleisten, zur Überzeugung des Senats jedenfalls für die aktuelle Lage nicht (mehr)
in dieser Allgemeinheit zu. Dem entspricht auch die Auskunft des DOI vom 6. Mai 2002
an das VG Leipzig, wonach es derzeit „... nicht mehr auf familiäre Beziehungen in den
Nordirak ankommt".
Durch die geschilderte Betreuung ist im Nordirak zunächst eine ausreichende
Unterbringung sichergestellt. Die Heimatlosen, die sich nicht aus eigener Kraft eine
Unterkunft beschaffen können, sind in Lagern untergebracht, in denen sie Aufnahme
finden ungeachtet dessen, ob sie aus dem Zentral- oder dem Nordirak stammen, welche
Volks- oder Religionszugehörigkeit sie besitzen sowie ob sie aus dem arabischen
Ausland oder aber aus Westeuropa zurückkehren. Zwar mag nichtkurdischen,
insbesondere aus dem Zentralirak stammenden, Personen zum Teil mit Widerwillen und
Argwohn begegnet werden, weil die ansässige Bevölkerung in ihnen oftmals
Unterstützer oder Agenten des Bagdader Regimes vermutet. Gleichwohl werden auch
sie jedenfalls in den Lagern der UN-Organisationen aufgenommen. So gibt es für Araber
wie den Kläger Aufnahmemöglichkeiten etwa in Zawita oder Balqus; manche
Einrichtungen bzw. Teile von ihnen sind sogar für Araber reserviert.
148
Vgl. AA, Lagebericht, S. 17 f. und Auskunft vom 20. Juni 2001 an das VG Aachen;
Stellungnahme der Frau Hogg, Vertreterin des UNHCR, wie sie aus der Niederschrift
über die mündliche Verhandlung des OVG Sachsen-Anhalt am 6. Dezember 2001 in
den Verfahren A 1 S 29/99 und 1 L 2/01 hervorgeht; UNHCR, Stellungnahme vom
Januar 2001 "zur Situation im Nordirak - Bietet der Nordirak für irakische
Schutzsuchende eine interne Relokationsmöglichkeit?"; Hajo/Savelsberg, Gutachten
vom 1. April 2002 an den BayVGH ("es gibt weder ethnische noch sonstige Kriterien für
die Aufnahme").
149
Die Lagerunterbringung und die dort erfolgende Versorgung genügen den
Anforderungen, die an ein menschenwürdiges wirtschaftliches Existenzminimum zu
stellen sind.
150
Eine Unterbringung in Zelten erfolgt allenfalls noch in einem geringen Umfang. Die
Heimatlosen sind überwiegend in festen "Lagern" (alten Schulen, Fabriken, Hotels,
verlassenen Kasernen, Forts, Baracken oder Notwohnungen - z.T. aus Gips und Blech,
sog. Prefabs -) untergebracht. Sie sind dort weitgehend vor den Einflüssen der Witterung
geschützt. Zudem haben internationale Organisationen in den vergangenen Jahren an
verschiedenen Stellen im Nordirak neue Unterkünfte gebaut, um Heimatlosen ein
besseres Obdach zu bieten. Für aus dem Zentralirak geflüchtete kurdische Familien, die
sich dort nicht wieder ansiedeln können, werden sogar ständig neue Siedlungen mit
massiven Häusern errichtet, was zugleich die Lagerbelegung entspannen dürfte.
151
Vgl. ambtsbericht noord-irak, Nr. 4.3; DOI, Auskunft vom 3. April 2002 an das VG
Greifswald.
152
Zudem hat die große Zunahme von verfügbaren Fonds aus dem Oil-for-Food-
Programm für einen (weiteren) Aufschwung an neuen Bauprojekten gesorgt. Auf dem
Gebiet der Unterkünfte konnte deshalb ein substantieller Fortschritt verbucht werden.
Soweit noch Heimatlose in Zelten untergebracht werden, wird ein Schutz vor Kälte
durch die Zurverfügungstellung von Heizkörpern und Brennstoff oder Decken
gewährleistet.
153
Vgl. AA, Lagebericht, S. 18; ambtsbericht noord- irak, Nrn. 2.5 und 4.3.; UNHCR,
Auskunft vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt; vgl. auch DOI, Auskunft
vom 6. Mai 2002 an das VG Leipzig: "... erfrieren muss in den kurdischen Gebieten
niemand ...".
154
Auch im Übrigen ist für den Senat bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung
nicht ersichtlich, dass die Lagerunterbringung den Anforderungen an ein
menschenwürdiges wirtschaftliches Existenzminimum nicht genügen könnte.
155
Für seine Angabe, in den Lagern stehe jedem Heimatlosen durchschnittlich lediglich 1,5
m² Raum zur Verfügung, hat der Kläger keinerlei nachvollziehbare Anhaltspunkte
mitgeteilt. Auch sonst sind den vorliegenden Erkenntnismitteln solche nirgends zu
entnehmen. Soweit Hajo/Savelsberg
156
in ihrem Gutachten vom 18. April 2002 an das VG Leipzig
157
davon berichten, es sei "üblich", dass sich "bis zu" zehn Personen einen Raum von
"etwa 15" qm teilten, bleiben sie Belege für diese Annahme schuldig. Im Übrigen ist
schon angesichts der Unterschiedlichkeit der o.g. "Lagertypen" - über feste Gebäude,
Baracken, Gips- oder Blechwohnungen bis hin zu Zelten - eine derart allgemeine
Aussage nicht plausibel.
158
Die erforderliche Versorgung aller Heimatlosen, also auch etwa der Araber, mit
Lebensmitteln erfolgt durch Mitarbeiter des WFP in Form von monatlichen
Lebensmittelpaketen (sog. food baskets), die eine durchschnittliche tägliche Ration von
2.229 Kilokalorien (kcal) und 50,24 g Protein pro Person gewährleisten. Der den
Paketen zugrunde liegende sog. Warenkorb enthält eine Grundversorgung mit Trocken-
Nahrungsmitteln (Weizenmehl, Reis, Hülsenfrüchten, Speiseöl, Milchpulver, Tee,
Zucker, Salz; für Kleinkinder bis zu einem Jahr auch Baby-Milchpulver), allerdings kein
Fleisch, keine Eier, kein Obst, kein frisches Gemüse.
159
Vgl. AA, Lagebericht, S. 18 (unter Berufung auf das WFP); DOI, Auskünfte vom 6. Mai
2002 an das VG Leipzig, vom 3. April 2002 an das VG Greifswald und vom 20.
November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, Stellungnahme vom 23.
November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O.; UN Security Council, Report of
the Secretary- General pursuant to paragraph 5 of resolution 1360 (2001) Rn. 32;
160
Dies ist ausreichend, um die Betroffenen vor Hunger und einer Verelendung, die sicher
zum Tode führen würde, zu schützen. Entsprechend hat es das DOI in seiner Auskunft
vom 6. Mai 2002 an das VG Leipzig ausgedrückt: "Verhungern ... muss in den
kurdischen Gebieten niemand ...". Davon gehen auch der KDP-Premierminister Barzani
nach seiner im ambtsbericht noord-irak, Nr. 4.3 zitierten Aussage "... every single citizen
in Kurdistan received his adequate share of food under the program ..." sowie das WFP
nach seiner dort ebenfalls wiedergebenen Äußerung vom Februar 2001 "(The) food
need (of the internally displaced persons) is fully met through the WFP safety food
basket net." aus.
161
Der Kläger selbst nimmt unter Bezugnahme auf das Klinische Wörterbuch von
Pschyrembel an, dass die täglich zur Verfügung stehende Menge von Kilokalorien den
Mindestwert des bei leichter körperlicher Betätigung als realistisch anzusetzenden sog.
162
Energieumsatzes (2.300 bis 2.500 kcal/Tag) nur knapp unterschreitet. Ob hiervon
ausgehend das Überleben - bei generalisierender Betrachtung - gewährleistet wäre
(etwa weil eine leichte körperliche Betätigung im Sinne einer ganztägigen Arbeit oder
Beschäftigung von den im Lager Untergebrachten nicht vorgenommen werden muss
und deshalb von dem Mindest- Energieumsatz von 2.300 kcal ein geringfügiger
Abschlag denkbar wäre mit der Folge, dass die bereitgestellten 2.229 kcal als - wenn
auch an der unteren Grenze - ausreichend angesehen werden könnten), kann letztlich
angesichts der vorstehend wiedergegebenen allgemeinen Aussagen, niemand müsse
in den kurdischen Gebieten verhungern bzw. Jeder erhalte die nötige
Lebensmittelversorgung, offen bleiben.
Soweit der UNHCR
163
in seiner Auskunft vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt
164
ausführt, mit den Lebensmittelpaketen könnten nur 90 % bzw. 84 % des "normalen
Bedarfs" an kcal bzw. Protein abgedeckt werden, bleibt er die Grundlage für diese
Annahme schuldig. Nach dem Selbstverständnis des UNHCR und aufgrund seiner
Aufgabenstellung kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass die von ihm
bereitgestellten Lebensmittelrationen nicht ausreichen, um - was allein Voraussetzung
für die Gewährung des wirtschaftlichen Existenzminimums ist - Hunger, Verelendung
und den sicheren Tod zu verhindern. In dem in der zitierten Auskunft des UNHCR in
Bezug genommenen
165
Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 5 of resolution 1360 (2001) des
UN Security Council
166
finden sich die genannten Prozentzahlen unter Rn. 32 zwar wieder, allerdings bezogen
auf die selbst gesteckten Versorgungsziele, die nichts über die Notwendigkeit
aussagen. Überdies spricht auch alles dafür, dass die oben wiedergegebene Angabe
wiederum auf ein grundlegend anderes Verständnis des Flüchtlingsbegriffs
zurückzuführen ist, wonach eine Gewährleistung des Existenzminimums durch
Integration, insbesondere eigene Arbeitsmöglichkeiten mit entsprechend höherem
Energiebedarf, als erforderlich angesehen wird. Hiervon ist aber, wie dargelegt, gerade
nicht auszugehen.
167
Gegen ein Ausreichen der Lebensmittelversorgung durch die von dem WFP zur
Verfügung gestellten Pakete sprechen auch nicht die Berichte, wonach die
Lebensmittelrationen meist in weniger als einem Monat verbraucht sind.
168
Vgl. DOI, Auskunft vom 3. April 2002 an das VG Greifswald und vom 20. November
2001 an das OVG Sachsen-Anhalt sowie Hajo/Savelsberg, Gutachten vom 1. April
2002, a.a.O.
169
Denn dies kann unterschiedliche Gründe haben, etwa darauf zurückzuführen sein, dass
die Heimatlosen Teile der Rationen gegen andere von ihnen als wichtig angesehene
Bedarfsgegenstände tauschen,
170
vgl. UNHCR, Stellungnahme vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt,
171
oder dass sie die Rationen nach Erhalt in einem das notwendige, aber auch
172
ausreichende durchschnittliche tägliche Quantum überschreitenden Maß verzehren.
Angesichts dessen ist die hieran anknüpfende Schlussfolgerung nicht gerechtfertigt, die
Lebensmittelrationen seien unzureichend.
Dass bei der Ernährung mit Hilfe des Inhalts der Lebensmittelpakete in Folge des
Fehlens frischer Nahrungsmittel zwangsläufig solche erheblichen Vitamin- oder
Eiweißmangelerscheinungen eintreten müssten, die schwere
Gesundheitsbeeinträchtigungen nach sich zögen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Im
Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass akute Mangelerscheinungen notfalls
durch medikamentöse Maßnahmen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen zur
medizinischen Versorgung) beseitigt werden könnten.
173
Im Übrigen kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Food and Agricultur Organization
(FAO) Landbaugrundstoffe importiert und zu niedrigen Preisen an die Bauern im
Nordirak geliefert hat und dass auch aus dem "Oil-for-Food"-Programm Agrarprojekte
unterstützt werden. Das hat in zunehmendem Maße dafür gesorgt, dass Landbauern
ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten und die Landbauproduktion gestiegen ist.
174
Vgl. UN Security Council, a.a.O, Nr. 55.; ambtsbericht noord-irak, Nr. 2.5.
175
Dies kann in absehbarer Zeit zusätzlich zu einer Entspannung der Versorgungssituation
beitragen.
176
Irrelevant ist, ob die Versorgung dem sozialen Mindeststandard in westeuropäischen
Ländern genügen würde. Das Asyl- bzw. Flüchtlingsrecht dient nicht dazu, einen
solchen Standard zu garantieren, sondern allein dem Schutz der politisch Verfolgten vor
Hunger und Elend.
177
Aber selbst wenn man mit dem Kläger eine nicht in jeder Hinsicht ausreichende
Lebensmittelversorgung im Nordirak annähme, wäre doch zu beachten, dass bei
generalisierender Betrachtungsweise an seinem Herkunftsort nicht anders gälte. Auch
die im Zentralirak von den Lebensmittelpaketen abhängigen Bevölkerungsteile -
insgesamt soll etwa 2/3 der irakischen Bevölkerung ausschließlich von den
Lebensmittelpaketen leben - leiden am Mangel.
178
Vgl. DOI, Auskünfte vom 3. April 2002 an das VG Greifswald und vom 20. November
2001 an das OVG Sachsen-Anhalt.
179
Auf Grund der insgesamt günstigeren Verhältnisse im Nordirak gestalten sich dort die
allgemeinen Verhältnisse für die Teile der irakischen Bevölkerung, die auf den
"Warenkorb" des Oil-for-Food-Programms zur Deckung ihres Nahrungs- Grundbedarfs
angewiesen sind, eher besser als im Zentralirak,
180
so ausdrücklich.: DOI, Auskunft vom 20. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt;
auch Hajo/Savelsberg, Gutachten vom 1. April 2002, a.a.O. ("Allerdings ist festzuhalten,
dass das Oil-for- Food-Programm im Nordirak bessere Ergebnisse erzielt als im
Zentralirak"),
181
obwohl die im "Warenkorb" zusammengefassten Nahrungsmittel nach einem zwischen
der irakischen Regierung und dem Sanktionskomitee ausgehandelten Plan für den
gesamten Irak, also auch für den Nordirak, auf Veranlassung des Bagdader Regimes
182
einheitlich eingekauft werden. Denn die Verteilung der Rationen im Zentralirak erfolgt
durch die irakische Regierung, die diese Möglichkeit auch zur Disziplinierung und
Diskriminierung benutzt, etwa hierdurch gezielt vermeintliche Gegner zur Umsiedlung
zwingt,
vgl. AA, Lagebericht, S. 22,
183
während die Verteilung im Nordirak dem WFP obliegt, wobei die Lebensmittelpakete in
den von UN-Organisationen betriebenen Lagern direkt oder mit Hilfe der lokalen
Behörden übergeben werden.
184
Vgl. DOI, Auskunft vom 20. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt und die
Erläuterung der UNHCR-Stellungnahme vom 23. November 2001 durch Frau Hogg, wie
sie aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des OVG Sachsen-Anhalt am
6. Dezember 2001 in den Verfahren A 1 S 29/99 und 1 L 2/01 hervorgeht.
185
Soweit der Kläger darauf verweist, dass in den Lagern verunreinigtes Wasser ein immer
noch verbreitetes Problem darstelle, wobei z.T. die bakteriologische Verunreinigung
über die von der World-Health-Organisation (WHO) erstellten Grenzwerte hinaus gehe,
rechtfertigt dies nicht die Annahme einer gesundheitsbedrohenden Existenzgefährdung.
186
Der Behauptung des Klägers ist entgegen zu halten, dass es nach dem Inhalt der
Auskunft des DOI vom 3. April 2002 an das VG Greifswald in den kurdischen Provinzen
kein grundsätzliches Wasserproblem gibt, vielmehr scheine dort allgemein der Zugang
zu Trinkwasser in dem nötigen Umfang vorhanden zu sein, was im Wesentlichen auf die
insoweit vorhandenen besseren natürlichen Quellen zurückzuführen sei. Auch
Hajo/Savelsberg sprechen in ihrem Gutachten vom 18. April 2002 an das VG Leipzig
lediglich davon, dass die Wasserversorgung "nicht immer gewährleistet" sei bzw. das
Wasser aus Flüssen und Brunnen zu holen sei. Soweit der UNHCR angibt, in den
Stadtzentren von Arbil und Dohuk sei das Wasser zum Konsum ungeeignet und in den
Kleinstädten und ländlichen Gebieten des Nordiraks gehe die bakteriologische
Verunreinigung über die von der WHO festgesetzten Grenzwerte hinaus,
187
- vgl. in diesem Zusammenhang UNHCR, Stellungnahme vom 23. November 2001 an
das OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O. -
188
ist zu berücksichtigen, dass zum Einen die Lager nicht in den benannten Stadtzentren
liegen und zum Anderen eine Grenzwertüberschreitung nicht zwangsläufig eine
Gesundheitsgefahr zur Folge haben muss (wenn man ihr nicht ohnehin anderweitig
abhelfen kann).
189
Im Übrigen gibt es im Nordirak durch UN-Organisationen und ngo's durchgeführte
Projekte auf dem Gebiet der Bewässerung bzw. Trinkwasserversorgung und der
Sanitäranlagen,
190
vgl. ambtsbericht noord-irak, Nr. 2.5,
191
die zu einer kontinuierlichen Verbesserung führen und führen werden.
192
Unabhängig davon stellt sich jedenfalls die Wasserversorgungssituation im Zentralirak -
und allein diese und nicht, wie der Kläger meint, die Lage der Bevölkerung im Nordirak
193
"im Durchschnitt", ist als Vergleichsmaßstab heranzuziehen - u.a. embargobedingt als
keineswegs besser dar.
Vgl. AA, Lagebericht, S. 7; vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen in dem
Gutachten von Hajo vom 18. Juni 2000 an das VG Oldenburg (zu dem Aktenzeichen 3 A
3427/99).
194
Im Zentralirak fehlt häufig sauberes Wasser (der Zugang fiel in den ländlichen Gebieten
insbesondere im Süden des Iraks von 71 % auf 41 %), etwa für die Zubereitung von
Babynahrung. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass das Sanktionenkomitee
- anders als im Autonomiegebiet - den Einkauf von Wasseraufbereitungsanlagen
verhindert.
195
Vgl. AA, Lagebericht, S. 7; DOI, Auskünfte vom 3. April 2002 an das VG Leipzig und
vom 20. November 2001 an das OVG Sachsen- Anhalt.
196
Neben dem damit im Nordirak gesicherten wirtschaftlichen Existenzminimum drohen
dem Kläger dort auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit andere, nach ihrer
Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung
gleichkommende, d.h. existenzgefährdende, Nachteile oder Gefahren, die am
Herkunftsort in den von der irakischen Zentralmacht beherrschten Gebieten so nicht
bestünden.
197
Es spricht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass den Heimatlosen in den
Lagern die für ein menschenwürdiges Dasein erforderliche Bewegungsfreiheit nicht
gewährleistet wird. Zwar sollen nach der Auskunft des UNHCR vom 23. November
2001, a.a.O., die Lager nicht ohne Einwilligung der für Sicherheitsangelegenheiten
zuständigen Beamten verlassen werden dürfen. Nach dem Lagebericht des AA vom 20.
März 2002 (S. 18) ist die Bewegungsfreiheit in Lagern der kurdischen Verwaltung und
kleinerer ngo's für Araber "sehr eingeschränkt". Es ist jedoch gleichwohl generell davon
auszugehen, dass tatsächlich in einem noch ausreichenden Umfang Bewegungsfreiheit
gewährt wird; Entsprechendes berichtet das AA selbst in anderem Zusammenhang.
198
Vgl. Auskunft vom 20. Juni 2001 an das VG Aachen.
199
Hajo/Savelsberg sprechen sogar davon, dass weder Anwesenheitskontrollen
durchgeführt würden noch die Freizügigkeit der Bewohner begrenzt sei, vielmehr könne
jeder die Lager "nach Belieben betreten oder verlassen".
200
Vgl. das Gutachten vom 1. April 2002, a.a.O.
201
Auch die medizinische Grundversorgung in den Lagern ist gewährleistet.
202
So ausdrücklich Frau Hogg, die Vertreterin des UNHCR in ihrer Stellungnahme, wie sie
aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des OVG Sachsen-Anhalt am 6.
Dezember 2001 in den Verfahren A 1 S 29/99 und 1 L 2/01 hervorgeht; vgl. auch DOI,
Auskunft vom 6. Mai 2002 an das VG Leipzig.
203
Heimatlose haben im Nordirak den gleichen Zugang zur Gesundheitspflege wie die dort
ansässige Bevölkerung; die meisten Medikamente sind in den öffentlichen
Krankenhäusern kostenlos erhältlich.
204
Vgl. ambtsbericht noord-irak, a.a.O., Nr. 4.3.
205
Abgesehen davon ist medizinische Versorgung im Nordirak jedenfalls weitaus besser
als im Einflussbereich des zentralirakischen Regimes, in dem sie nur als "äußerst
schlecht" bezeichnet werden kann. Den staatlichen Krankenhäusern fehlt es - u.a.
aufgrund des Verfalls der Infrastruktur - an der notwendigsten Grundausstattung.
Dagegen ist im Nordirak die medizinische Versorgung jedenfalls in den Städten
gewährleistet.
206
Vgl. AA, Lagebericht, S. 22.
207
Für die vom Kläger beklagte, vorgeblich katastrophale Sanitär-/Abwasser- und
Müllentsorgungssituation finden sich in den dem Senat zugänglichen Erkenntnissen
ebenso wenig konkrete Belege wie - erst recht - für daraus abzuleitende (Gesundheits-
)Gefahren. Solche hat auch der Kläger nicht aufgezeigt. Darauf, dass Sanitäranlagen
und Kanalisation in den Lagern - möglicherweise - in einem schlechteren Zustand sein
mögen als sie "dem Durchschnitt der dort ansässigen Bevölkerung" zur Verfügung
stehen,
208
vgl. UNHCR, Stellungnahme vom 23. November 2001 an das OVG Sachsen-Anhalt,
209
kommt es, wie dargelegt, nicht an.
210
Hinsichtlich der Elektrizitätsversorgung - ob sie für ein menschenwürdiges
wirtschaftliches Existenzminimum unabdingbar erforderlich ist, mag schon bezweifelt
werden - ist nicht ersichtlich, dass sich die Lage im Nordirak (im Norden des Gebiets
funktioniert die Stromversorgung zwischen ca. sechs und ca. zwanzig, im Süden
zwischen ein und zwei Stunden täglich)
211
- vgl. DOI, Auskunft vom 3. April 2002 an das VG Greifswald; vgl. auch ambtsbericht
noord-irak, Nr. 2.5. -
212
als schlechter darstellt als im Zentralirak,
213
vgl. hierzu: Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 5 of resolution 1360
(2001) des UN Security Council Rnrn. 57 ff.,
214
weshalb etwaige Probleme dieser Art jedenfalls mangels Verfolgungsbedingtheit -
rechtlich - unmaßgeblich wären.
215
Konkrete Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger über die
abstrakte Möglichkeit hinaus, von etwaigen türkischen oder iranischen
Truppeneinmärschen in die kurdischen Provinzen berührt zu werden, konkret im Sinne
einer "realen" Möglichkeit betroffen sein wird, lassen sich ebenfalls nicht erkennen.
Entsprechendes gilt auch für die Frage der - nur für die autonomen Kurdengebiete in
Betracht zu ziehenden - Gefährdung durch innerkurdische Streitigkeiten. Ein
Aufflammen kriegerischer Auseinandersetzungen mit erheblichen Landgewinnen einer
Partei und Gefährdung der Zivilbevölkerung ist ebenfalls nicht zu befürchten.
216
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999, a.a.O.
217
Im Verhältnis zu den kurdischen Gruppen schadet sich ein irakischer Flüchtling auch
nicht durch die Beantragung von Asyl in der Bundesrepublik Deutschland oder einen
langjährigen Auslandsaufenthalt.
218
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999, a.a.O.; ambtsbericht noord-irak, a.a.O., Nr. 4.1.
219
Die danach für den Kläger verfolgungsfreien und auch im Übrigen
berücksichtigungsfähige unzumutbare existentielle Gefahren und Nachteile nicht
aufweisenden Landesteile im Norden des Iraks sind für ihn ohne Weiteres zu erreichen.
220
Vgl. zum Erfordernis der Erreichbarkeit des Ortes der inländischen Fluchtalternative
innerhalb des Verfolgungsstaates: BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1993 - 9 C 59.92 -,
NVwZ 1993, 1210.
221
Um das Gebiet der inländischen Fluchtalternative zu erreichen und in die
nordirakischen Autonomiegebiete zu gelangen, muss der Kläger zentralirakisches
Herrschaftsgebiet nicht durchqueren; er kann vielmehr etwa unmittelbar über die
türkische Grenze in den Nordirak einreisen.
222
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999, a.a.O.
223
Ferner bestehen auch die hilfsweise geltend gemachten Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG nicht, so dass auch insoweit der angefochtene Bescheid des
Bundesamtes (Nr. 3 des Bescheides) rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen
Rechten verletzt.
224
Hinsichtlich der Abschiebungsschutztatbestände des § 53 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4
AuslG fehlt es nach den obigen Darlegungen sowohl im Hinblick auf den Zentralirak als
auch auf den Nordirak an Anhaltspunkten für eine konkret-individuelle Gefährdung des
Klägers.
225
Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in den Irak - sei es in den Zentral-, sei es in den
Nordirak - auch keine Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG begründen. Auch insoweit sind Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im
Zentralirak oder im Nordirak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit individuell- konkreten
Gefahren für eines der genannten Rechtsgüter ausgesetzt wäre, auf der Grundlage der
oben gemachten Ausführungen nicht ersichtlich.
226
Das Gleiche gilt für solche Gefährdungen, die - wie etwa eine generell schlechte
Versorgungslage - der Bevölkerung allgemein drohen und deshalb an sich der
Sperrklausel des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG unterfallen, aber dann, wenn durch die
Abschiebung der jeweiligen Asylsuchende extrem bzw. hochgradigen Gefahren
ausgesetzt wäre, dieser also quasi sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten
Verletzungen ausgeliefert würde, in verfassungskonformer Auslegung des § 53 Abs. 6
Satz 1 AuslG ein Abschiebungshindernis begründen können.
227
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999, a.a.O., und VGH Baden-Württemberg, Urteil
vom 11. April 2002, a.a.O., jeweils m.w.N.
228
Hinsichtlich des Nordiraks ergibt sich bereits aus den obigen Darlegungen, dass
229
derartige dem Kläger drohende extreme Leibes- oder Lebensgefahren nicht zu
besorgen sind. Dass für den Zentralirak etwas Anderes gelten könnte, ist nicht
ersichtlich.
Schließlich hat der Kläger auch keine Gefahr auf dem Reiseweg in den Irak zu
befürchten. Insoweit wird auf die entsprechenden o.g. Ausführungen verwiesen.
230
Abgesehen davon ist die Einreise in den Nordirak auch im Übrigen - mit oder ohne Pass
- völlig problemlos, wie die oft monatelangen Aufenthalte irakischer Asylbewerber im
Nordirak und insbesondere die besuchsweisen Aufenthalte von in der Bundesrepublik
Deutschland oder etwa den Niederlanden als asylberechtigt anerkannten Irakern
nachdrücklich belegen.
231
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999, a.a.O., m.w.N.
232
Die derzeit fehlende Abschiebungsmöglichkeit in den Irak hindert die Versagung des
Abschiebungsschutzes aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht. Denn dem Kläger kann eine
freiwillige Einreise angesonnen werden, da hierbei unzumutbare Beeinträchtigungen
offenkundig nicht zu besorgen sind, wie die zahlreichen Rückkehrerfälle belegen. Wer
aber durch die freiwillige Ausreise und Rückkehr in seinen Heimatstaat (hier: Irak)
etwaige Gefahren abwehren kann, bedarf des Schutzes durch die Bundesrepublik
Deutschland nicht.
233
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999, a.a.O., m.w.N.
234
Die Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheides) ist nach § 34 Abs. 1 AsylVfG in
Verbindung mit § 50 AuslG zu Recht erlassen worden, da der Kläger weder als
Asylberechtigter anerkannt noch ersichtlich ist, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt des
Erlasses der Abschiebungsandrohung eine Aufenthaltsgenehmigung besaß. Die dem
Kläger gesetzte Ausreisefrist von einem Monat ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylVfG.
235
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
236
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
237