Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.10.2008

OVG NRW: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, überwiegendes öffentliches interesse, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, aufschiebende wirkung, faires verfahren, verordnung, behörde

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 1317/08
Datum:
29.10.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 1317/08
Tenor:
Soweit die Beteiligten in Bezug auf Ziffer III der angefochtenen
Ordnungsverfügung den Rechtsstreit übereinstimmend für in der
Hauptsache erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom
12. August 2008 auf die Beschwerde der Antragstellerin geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (VG
Düsseldorf – 16 K 5320/08) gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 24. Juli 2008 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- EUR
festgesetzt.
Gründe
1
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf die in Ziffer III der angefochtenen
Ordnungsverfügung ausgesprochene Zwangsmittelandrohung übereinstimmend für in
der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 S. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
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Im Übrigen hat die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO im
Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, Erfolg. Der Antrag der
Antragstellerin,
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unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die aufschiebende
Wirkung ihrer am 25. Juli 2008 erhobenen Anfechtungsklage gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. Juli 2008, Az.: 39/01/1-
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3/172/08, wiederherzustellen,
ist zulässig und begründet. Bei der im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO
gebotenen Abwägung lässt sich ein das private Interesse an der Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegendes öffentliches Interesse an der
sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung nicht feststellen. Die Erfolgsaussichten
der Klage sind bei summarischer Betrachtung zumindest als offen anzusehen, und ein
überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung lässt sich auch nicht
aus anderen Gründen annehmen.
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Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung ist § 39 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 4
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Danach können die zuständigen
Behörden unter anderem zur Beseitigung festgestellter Verstöße sowie zum Schutz vor
Täuschung eine Maßnahme überwachen oder, falls erforderlich, anordnen, mit der
verhindert werden soll, dass ein Erzeugnis, das den Verbraucher noch nicht erreicht hat,
auch durch andere Wirtschaftsbeteiligte weiter in den Verkehr gebracht wird
(Rücknahme), oder die auf die Rückgabe eines in den Verkehr gebrachten
Erzeugnisses abzielt, das den Verbraucher bereits erreicht hat oder erreicht haben
könnte (Rückruf). Dass diese Vorschrift nicht nur auf Verstöße gegen die Anforderungen
der Lebensmittelsicherheit anzuwenden ist, sondern auch einen Sachverhalt wie den
vorliegenden erfasst, hat der Senat in seinem dasselbe Produkt der Antragstellerin
betreffenden Beschluss vom 8. August 2008 eingehend dargelegt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, DVBl.
2008, 1262 ff.
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Anders als in jenem Verfahren vermag der Senat vorliegend den von dem
Antragsgegner angenommenen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 11 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB bei summarischer Prüfung nicht festzustellen. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner im Rahmen des ihm zustehenden
Ermessens eine Rücknahme aller Chargen des Produkts gerade deshalb für angezeigt
gehalten hat, weil der beanstandete Mangel bei der Bezeichnung des Lebensmittels
inzwischen in Bezug auf drei verschiedene Chargen festgestellt worden ist. Die
Richtigkeit dieser das Ermessen maßgeblich tragenden Annahme lässt sich bei
summarischer Prüfung nicht feststellen.
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Zwar hat der Senat keinen Anlass, von der in seinem Beschluss vom 8. August 2008
getroffenen Feststellung Abstand zu nehmen, dass die Charge mit dem
Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) 11. Februar 2009 bei summarischer Betrachtung der
Verkehrsauffassung hinsichtlich eines Formfleischprodukts nicht entsprach, da sich
insoweit keine neuen Erkenntnisse ergeben haben. In Bezug auf die zuletzt untersuchte
Charge (MHD 2. Mai 2009) lässt sich die entsprechende Feststellung aber nicht treffen.
Denn die Verwertbarkeit der Erkenntnisse des Untersuchungsberichts des Staatlichen
Veterinäruntersuchungsamts L. vom 15. Juli 2008 begegnet erheblichen Bedenken.
Da dieser Bericht hinsichtlich der Charge mit dem MHD 2. Mai 2009 die einzige
Erkenntnisgrundlage darstellt, stehen diese Bedenken der Feststellung der
Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung jedenfalls im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes entgegen.
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Die Bedenken gegen die Verwertbarkeit der dritten Probenahme und -untersuchung
resultieren daraus, dass der Antragstellerin bei dieser Probenahme die Möglichkeit, ein
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zusätzliches Sachverständigengutachten einzuholen, verwehrt worden ist. Das Recht
des betroffenen Unternehmers auf Gegenprobe ist gemeinschaftsrechtlich in Art. 11 Abs.
5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen
zur Überwachung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der
Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, zuletzt geändert durch
Änderungsverordnung (EG) Nr. 301/2008 vom 17. März 2008, festgeschrieben. Danach
legen die Behörden angemessene Verfahren fest, um das Recht, ein zusätzliches
Sachverständigengutachten zu erwirken, zu gewährleisten; insbesondere stellen sie
sicher, dass Unternehmer eine ausreichende Zahl von Proben für ein zusätzliches
Sachverständigengutachten erhalten können, es sei denn, dies ist nicht möglich, wie im
Fall leicht verderblicher Produkte oder wenn nur eine sehr geringe Menge Substrat
verfügbar ist. Da Anhaltspunke für ein Eingreifen der zuletzt genannten Ausnahmen
nicht erkennbar sind, hatte der Antragsgegner sicherzustellen, dass die Antragstellerin
die Zweitprobe für ein zusätzliches Sachverständigengutachten erhalten kann.
Diese Verpflichtung beinhaltet bei summarischer Betrachtung auch eine Pflicht zur
Benachrichtigung des betroffenen Lebensmittelunternehmers. Denn ohne das Wissen
um die zurückgelassene Teil- oder Zweitprobe dürfte für den Lebensmittelunternehmer
die Einleitung einer Gegenprobe häufig unmöglich sein. Dass der Einzelhändler, in
dessen Betrieb die Probe entnommen worden ist, die Unternehmer auf anderen Stufen
der Herstellungs- und Vertriebskette benachrichtigen kann, dürfte insoweit nicht
ausreichen. Denn damit hätte die Behörde die Möglichkeit zur Gegenprobe nicht
"sichergestellt", sondern den Vertragsbeziehungen und der Zuverlässigkeit der
beteiligten Unternehmer überlassen. Dass es selbst bei gutem Willen des
Einzelhandels nicht gewährleistet ist, dass der Hersteller oder ein anderer Unternehmer
in der Kette die Probe erhalten kann, zeigt der vorliegende Fall. Obwohl der
Antragsgegner ausweislich seines Schriftsatzes vom 10. Oktober 2008 offenbar selbst
Ermittlungen über den Verbleib der zurückgelassenen Zweitprobe angestellt hat, ist
dieser ungeklärt.
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Dass Art. 11 Abs. 6 VO (EG) 882/2004 die Behörde lediglich verpflichtet sicherzustellen,
dass die Lebensmittelunternehmer Proben erhalten "können", steht der Annahme einer
Verpflichtung zur Benachrichtigung nicht entgegen. Hinter der einschränkenden
Formulierung dürfte die Überlegung stehen, dass der Lebensmittelunternehmer
seinerseits zur einer Gegenprobe nicht verpflichtet ist; er soll aber die Möglichkeit
erhalten, eine entsprechende Untersuchung zu veranlassen. Diese Möglichkeit ist
nämlich eine wichtige Voraussetzung für die Inanspruchnahme wirksamen
Rechtsschutzes gegen behördliche Maßnahmen, den die Verordnung (EG) 882/2004
dem Unternehmer ausdrücklich ermöglichen will (vgl. Erwägungsgrund 43 der
Verordnung). Auch der Antragsgegner scheint eine Unterrichtung des Unternehmers
von der zurückgelassenen Probe im Übrigen für sinnvoll zu halten; denn er hat
vorgetragen, diese sei vorliegend nur "versehentlich" unterblieben.
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In Bezug auf die Vorgängerregelung hat auch der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften eine entsprechende Auslegung für angezeigt gehalten. Art. 7 der
Richtlinie 89/397/EWG vom 14. Juni 1989 über die amtliche Lebensmittelüberwachung
sah bereits vor, dass die Mitgliedstaaten "die erforderlichen Vorkehrungen (treffen),
damit die Betroffenen gegebenenfalls ein Gegengutachten einholen können". Zu dieser
Vorschrift hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. April 2003 ausgeführt, dass die
Behörde den Betroffenen von der Probenahme unterrichte, stelle eine wesentliche
Voraussetzung dafür dar, dass dem Hersteller die effektive Ausübung seines Rechts auf
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Gegengutachten gewährleistet werde. Das Argument (u. a. der deutschen Regierung),
eine entsprechende Unterrichtungspflicht sei Teil der vertraglichen Beziehungen
zwischen dem Hersteller und den Einzelhändlern, sei zurückzuweisen. Hänge das
Recht auf ein Gegengutachten nämlich vom Vorliegen einer vertraglichen Verpflichtung
ab, wäre es nicht so gewährleistet, wie die Richtlinie es verlange.
EuGH, Urteil vom 10. April 2003 - Rechtssache C-276/01 -, Slg. I 2003, S.
3735 (3756) = LRE 45, 256, jeweils Rdnr. 50 f.
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Es spricht vieles dafür, dass diese Überlegungen auch auf den insoweit vergleichbaren
Art. 11 der Verordnung (EG) 882/2004 zutreffen.
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Soweit der Antragsgegner sich auf § 43 LFGB beruft, der eine Unterrichtungspflicht nicht
enthalte, sondern die Unterrichtung dem Verhältnis zwischen Händler und Hersteller
überantworte, geht dies schon deshalb fehl, weil sich Art. 11 Abs. 5 und 6 der
Verordnung (EG) 882/2004 unmittelbar an die mit dem Vollzug des Lebensmittel-rechts
befassten Behörden richtet. Selbst wenn § 43 LFGB eine von Art. 11 Abs. 5 und 6 der
Verordnung (EG) 882/2004 abweichende Regelung träfe und auch keiner
verordnungskonformen Auslegung zugänglich wäre, würde dies den Antragsgegner
angesichts des Anwendungsvorrangs des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht von
der Verpflichtung zur Unterrichtung des Herstellers entbinden.
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Vgl. schon OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008, a. a. O.; siehe auch
Zipfel/Rathke, LFGB, Kommentar, Stand: November 2007, C 102 § 43 LFGB
Rdnr. 52.
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Dass § 43 LFGB einer Informationspflicht der Behörde nicht entgegensteht, lässt sich im
Übrigen nicht nur an seinem Wortlaut, der sich zur Frage einer Unterrichtung der
betroffenen Unternehmer gar nicht verhält, sondern wohl auch an seiner
Entstehungsgeschichte festmachen. Das zuständige Bundesministerium hatte nämlich
in einem frühen Entwurf des LFGB offenbar eine Pflicht zur Unterrichtung des
Herstellers ausdrücklich geregelt, die dann wohl wegen Hinweisen der Länder auf ihre
Zuständigkeit für diesen Bereich keinen Eingang in den endgültigen Gesetzentwurf der
Bundesregierung gefunden hat.
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Vgl. Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß, LFGB, Kommentar, Stand:
August 2008, § 43 Rdnr. 48; Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB/BasisVO,
Kommentar, 2007, § 43 LFGB Rdnr. 27; Feldmann/Dimopou-lou, DLR 2004,
357, 360 (mit wörtlicher Teil-Wieder-gabe des Entwurfs).
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Vor diesem Hintergrund vermag auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der
Gesetzgeber habe mit § 43 LFGB der Entscheidung des Gerichtshofs Rechnung
getragen, nicht zu überzeugen. Zwar wird in der Begründung des Gesetzentwurfs
ausdrücklich auf das Urteil vom 10. April 2003 hingewiesen.
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Vgl. BT-Drucks. 15/3657, S. 66 f. (zu § 42 LFGB).
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Dass der Bundesgesetzgeber in § 43 LFGB eine abschließende Umsetzung der
Vorgaben des Europarechts erblickt hat, lässt sich der Entwurfsbegründung indes nicht
entnehmen. Der Hinweis, die Behörden der Länder hätten das Recht auf Einholung
eines Gegengutachtens "durch sachdienliche Maßnahmen sicherzustellen", ist
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möglicherweise sogar als Hinweis auf die weitergehenden Anforderungen des
Europarechts zu verstehen.
Ob die Behörde verpflichtet ist, jeden Lebensmittelunternehmer in der konkret
betroffenen Herstellungs- und Vertriebskette über die zurückgelassene Probe in
Kenntnis zu setzen oder ob die Verpflichtung insoweit – auch aus Gründen der
Praktikabilität und Zumutbarkeit – im Einzelfall eingeschränkt ist, braucht nicht näher
erörtert zu werden. Denn vorliegend war nach Lage der Dinge schon zum Zeitpunkt der
Probenahme wahrscheinlich, dass sich eine etwaige Ordnungsverfügung gegen die
Antragstellerin richten würde, gegen die der Antragsgegner bereits ein
Bußgeldverfahren eingeleitet hatte. Unter diesen Umständen durfte der Antragsgegner
auf eine Benachrichtigung jedenfalls der Antragstellerin nicht verzichten.
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Nach alledem liegt ein Verstoß des Antragsgegners gegen Art. 11 Abs. 5 und 6 der
Verordnung (EG) 882/2004 vor. Nachdem die Antragstellerin eingehende erfolglose
Bemühungen geschildert und eidesstattlich versichert hat, nach Erhalt der
Ordnungsverfügung – auf eine Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG ist aus für den
Senat nicht erkennbaren Gründen verzichtet worden – in den Besitz der Zweitprobe zu
gelangen, kann ihr, anders als in dem Beschluss vom 8. August 2008, mangelndes
Engagement in diesem Punkt nicht vorgeworfen werden. Es ist vielmehr wahrscheinlich,
dass durch das Ausbleiben einer Benachrichtigung über die Probenahme der
Antragstellerin die Möglichkeit, ein zusätzliches Sachverständigengutachten zu
erhalten, tatsächlich versperrt worden ist.
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Der Verstoß gegen Art. 11 Abs. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 führt
allerdings nicht zwangsläufig dazu, dass der Untersuchungsbericht des Staatlichen
Veterinäruntersuchungsamts vom 15. Juli 2008 im gerichtlichen Verfahren nicht
verwertet werden kann. Schon der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 10. April 2003
ausgeführt, es sei Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die
Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die dem Schutz der dem Bürger aus der
unmittelbaren Anwendung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte
gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind
als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die
Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht
praktisch unmöglich gemacht wird (Effektivitätsgrundsatz). Es sei Sache des nationalen
Gerichts zu prüfen, ob die Anwendung der Beweisregeln des nationalen Rechts – etwa
der Grundsatz der Amtsaufklärung und derjenige der freien Beweiswürdigung – eine
Inanspruchnahme der mit dem Recht auf Gegengutachten verbundenen Garantien
unmöglich mache oder übermäßig erschwere. Dabei seien zudem die Grundrechte des
Gemeinschaftsrechts, namentlich das in Art. 6 Abs. 1 EMRK statuierte Recht auf ein
faires Verfahren zu berücksichtigen. Hier sei auch zu erwägen, ob das fragliche
Beweismittel aus einem technischen Bereich stamme, in dem das Gericht nicht über
Sachkenntnis verfüge, und geeignet sei, seine Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu
beeinflussen und ob der Betroffene noch eine Möglichkeit habe, zu diesem Beweismittel
wirksam Stellung zu nehmen.
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Vgl. EuGH, Urteil vom 10. April 2003, a. a. O., Rdnr. 60 ff. m. w. N.
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Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt muss im
Wesentlichen dem Hauptsacheverfahren, insbesondere der dortigen Beweiswürdigung,
vorbehalten bleiben. Festzustellen ist jedenfalls, dass das Gericht wohl nur bedingt in
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der Lage sein wird, sich über das Gutachten des Staatlichen
Veterinäruntersuchungsamtes vom 15. Juli 2008 hinaus weitere Erkenntnismittel zu
verschaffen. Denn die betreffenden Proben dürften nicht mehr vorhanden, einer
(unmittelbaren) Begutachtung durch einen vom Gericht herangezogenen
Sachverständigen also nicht mehr zugänglich sein. Umso wichtiger wäre die
Möglichkeit eines Gegengutachtens gewesen. Der Gerichtshof spricht in diesem
Zusammenhang von einem "kontradiktorischen Charakter" des Verfahrens.
Vgl. EuGH a. a. O.
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Dass das Gutachten vorliegend aus einem technischen Bereich stammt, in dem das
Gericht nicht über eigene Sachkunde verfügt, und daher geeignet ist, die Würdigung der
Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen, liegt auf der Hand. Jedenfalls in Bezug auf
Untersuchungsmethodik und -umfang handelt es sich um entsprechende, eine
besondere Sachkunde erfordernde Fragen. Ob das auch für die Feststellung der
Verkehrsauffassung als Grundlage für die Annahme einer Täuschung gilt, mag
dahinstehen.
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Vor dem Hintergrund des Gebots einer fairen Verfahrensgestaltung wäre die
Einräumung der Gegenprobemöglichkeit vorliegend wohl auch deshalb besonders
wichtig gewesen, weil die allgemeine Einschätzung, welche Konsistenz ein Fleisch-
oder Formfleischprodukt haben sollte, durch die Verwendung neuer
Herstellungstechnologien etc. möglicherweise einem gewissen Wandel unterworfen ist,
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vgl. nur VG Osnabrück, Urteil vom 23. August 2007 - 4 A 119/96 -, juris;
dazu auch Lutz, Food & Recht Praxis, Heft 2/08, S. 22,
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so dass die Untersuchung und Beurteilung eines als "Formfleisch" deklarierten Produkts
unter Umständen über die reine Routinetätigkeit eines Lebensmittellabors hinausgeht.
Auch dies wird bei der Beweiswürdigung im Hauptsacheverfahren zu erörtern sein. Die
Erfolgsaussichten der Klage sind nach alledem als offen zu bezeichnen.
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Dass die Antragstellerin infolge des Fehlens einer Gegenprobemöglichkeit nicht
imstande ist, dem Untersuchungsbericht vom 15. Juli 2008 konkret entgegenzutreten, ist
über die vorstehenden Überlegungen hinaus auch deshalb problematisch, weil die
streitgegenständliche Ordnungsverfügung auf eine faktisch kaum rückgängig zu
machende Handlung gerichtet ist, so dass das Gebot, dem Gemeinschaftsrecht durch
eine entsprechende Auslegung der Beweisregeln zu effektiver Durchsetzung zu
verhelfen, im Hauptsacheverfahren möglicherweise kaum mehr zu erfüllen sein dürfte.
Ob schon allein aus diesem Grunde die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
(gemeinschaftsrechtlich) angezeigt wäre, kann jedoch dahinstehen.
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Sind die Erfolgsaussichten der gegen die Ordnungsverfügung erhobenen Klage nämlich
als offen anzusehen, so vermag der Senat auch nicht aus sonstigen Gründen ein
Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung festzustellen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es vorliegend – unstreitig – nicht um die Abwehr von
Gesundheitsgefahren geht, bei der die Anforderungen an die Annahme eines
besonderen Vollziehungsinteresses herabgesetzt wären. Es geht wie die
Antragstellerin zu Recht hervorgehoben hat auch nicht um einen
Kennzeichnungsmangel, der mittelbar zu Gesundheitsgefahren führen kann, wie etwa
die fehlende Deklaration allergierelevanter Inhaltsstoffe. Es geht vielmehr
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ausschließlich um den Schutz der Verbraucher vor Täuschung. Zwar handelt es sich
auch bei diesem Anliegen um ein wichtiges Ziel des Lebensmittelrechts.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, a. a. O.
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Sind die Frage des Vorliegens eines Kennzeichnungsmangels und damit die
Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens jedoch als offen anzusehen, hat es bei
der nach der gesetzlichen Grundregelung – einerseits § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO,
andererseits 39 Abs. 6 LFGB – vorgesehenen aufschiebenden Wirkung zu verbleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 S. 1 VwGO. Hinsichtlich
des übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten Teils entspricht es
billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens ebenfalls dem Antragsgegner
aufzuerlegen. Denn dieser hat die Zwangsmittelandrohung gemäß Ziffer III der
Ordnungsverfügung vom 24. Juli 2008, die bereits das Verwaltungsgericht teilweise für
rechtswidrig gehalten hatte, selbst im Rahmen des Änderungsbescheides vom 29.
August 2008 aufgehoben und durch eine neue Zwangsmittelandrohung ersetzt, die
Gegenstand des Parallelverfahrens 13 B 1526/08 ist.
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Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 47 Abs. 1
GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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