Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.11.1997
OVG NRW (anlage, genehmigung, luft, richtlinie, uvp, betrieb, recht auf leben, stand der technik, gutachten, umweltverträglichkeitsprüfung)
Oberverwaltungsgericht NRW, 21 D 10/95.AK
Datum:
18.11.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 D 10/95.AK
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige
Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
jeweilige Kostengläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beigeladene betreibt das in P. , Ortschaft L. gelegene Kraftwerk H. , das als
Dampfkraftwerk mit Steinkohlefeuerung der Stromerzeugung dient. Das Kraftwerk liegt
im Bereich des rechtskräftigen Bebauungsplanes Nr. 20 der Stadt P. , der für den
Standort des Kraftwerks "Sondergebiet Kraftwerk" ausweist. Die
immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Betrieb des dort befindlichen "Block
4" mit einer Feuerungswärmeleistung von 1870 MW, einer Dampfmenge von maximal
668 kg/s und einem maximalen Brennstoffeintrag von 250 t/h wurde der Beigeladenen
unter dem 22. Januar 1987 erteilt. Auf der Grundlage weiterer Genehmigungen wurde
die Anlage mit einer katalytischen Entstickungsanlage nachgerüstet. Bei der
Abnahmemessung nach der Inbetriebnahme erwies sich die Anlage als leistungsfähiger
als nach den Plandaten vorgesehen; unter Hinweis darauf zeigte die Beigeladene unter
dem 10. Oktober 1988 beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt M. - dem
Funktionsvorgänger des beklagten Amtes - die Erhöhung der Feuerungswärmeleistung
von 1870 MW auf 1920 MW förmlich an, da diese aufgrund der inhärenten
Leistungreserven der Anlage ohne Änderung der einzelnen Komponenten oder
technischen Einrichtungen der Kraftwerksanlage möglich und zur Produktion der in der
Dampfkesselerlaubnis spezifizierten zulässigen Dampfmenge von 668 kg/s notwendig
sei. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt M. bewertete die angezeigte Änderung als
2
unwesentlich und nicht genehmigungsbedürftig.
Die Klägerin zu 1., die zunächst in einer Entfernung von etwa 1 km Luftlinie südöstlich
des Kraftwerks im Haus Ä. weg 9 wohnte, verzog im Verlaufe des
Verwaltungsverfahrens und wohnt nun 900 m Luftlinie südöstlich des Kraftwerks. Die
Klägerin zu 2. wohnt südwestlich des Betriebsgeländes der Beigeladenen in einer
Entfernung von ca. 1,6 km Luftlinie.
3
Im Dezember 1991 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die wesentliche Änderung der
Kraftwerksanlage durch Erhöhung der Feuerungswärmeleistung auf 2150 MW
einschließlich der damit verbundenen Änderung des Dampfkesselbetriebes auf eine
zulässige Dampferzeugung von 750 kg/s, die Errichtung und die Inbetriebnahme eines
im Rauchgasweg am Fuß des Kamins angeordneten Partikelsichters sowie die
Erweiterung der täglichen Betriebszeit der Bekohlungsanlage auf 24 Stunden. Nach
öffentlicher Bekanntmachung wurde der Antrag einschließlich der eingereichten
Unterlagen und Gutachten, unter anderem des Technischen Überwachungsvereins
(TÜV) Hannover vom 8. Oktober 1990 und 25. März 1991 zu den Geräuschimmissionen
in der Nachbarschaft des Kraftwerkes, der Zusammenfassung der
Immissionsvorbelastungsmessungen vom 2. Oktober 1991 und einer Berechnung der
beim Betrieb des geänderten Kraftwerkes zu erwartenden Immissionsbeiträge vom 19.
November 1991, bei der Stadt P. sowie bei dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt M.
ausgelegt. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt M. und die Beigeladene holten
zugleich weitere Berichte und Stellungnahmen verschiedener Stellen ein, unter
anderem des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 1992 zur
Immissionsbelastung unter Berücksichtigung des Kraftwerkes H. für zwei in der Nähe
gelegene Waldgebiete, der Landesanstalt für Immissionsschutz Nordrhein-Westfalen
(LIS) vom 28. Juli 1992 zur Plausibilität der mit den Antragsunterlagen eingereichten
Gutachten und des schalltechnischen Beratungsbüros vom 12. Mai 1993 zur Prognose
der Geräuschimmissionen.
4
Die gegen das Vorhaben gerichteten Einwendungen einschließlich der innerhalb der
Einwendungsfrist erhobenen Einwendungen der Klägerinnen wurden am 1. und 2.
September 1992 erörtert. Nach dem Erörterungstermin legte die Beigeladene
aktualisierte zeichnerische Unterlagen in bezug auf die Änderungen des Dampfkessels
vor.
5
Mit Bescheid vom 15. Juni 1993 erteilte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt M. die
Genehmigung für die beantragte Änderung der Kraftwerksanlage unter verschiedenen
Nebenbestimmungen und wies die erhobenen Einwendungen zurück. Die
Genehmigung enthält insbesondere Festsetzungen zu höchstzulässigen
Geräuschimmissionen an verschiedenen näher benannten Immissionspunkten sowie für
die verschiedenen Luftschadstoffe, die für Kohlekraftwerke nach Art und Menge in der
Verordnung über Großfeuerungsanlagen (13. BImSchV) aufgeführt sind,
höchstzulässige Emissionskonzentrationen, die antragsgemäß unterhalb der in der 13.
BImSchV vorgesehenen Werte liegen. Zusätzlich ist ein Konzentrationsgrenzwert für
Ammoniak festgesetzt, der unterhalb des bisher zulässigen Werts liegt.
6
Am 20. Juli 1993 legte die Klägerin zu 2. durch ihren Prozeßbevollmächtigten
Widerspruch ein, der zugleich im Namen von "Frau T. aus P. -L. " Widerspruch einlegte.
Mit Schreiben vom 29. Juli 1993 forderte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt M. den
7
Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen auf, Vollmachten vorzulegen und im Hinblick
auf die als Widerspruchsführerin benannte Frau T. die Anschrift zu benennen. Der
Prozeßbevollmächtigte kam dem nicht nach und teilte auch keine Anschrift der
Widerspruchsführerin T. mit.
Im Widerspruchsverfahren legte die Beigeladene ein weiteres Gutachten des TÜV H. /S.
-A. vom 16. Februar 1994 über die Untersuchung des möglichen Beitrages des
Kraftwerkes H. am Eintrag von Schwermetallen in die Böden der Umgebung vor.
8
Den im Namen von Frau T. eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung D. mit
Bescheid vom 27. Dezember 1994, zugestellt am 28. Dezember 1994, auf Kosten des
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu 1. als unzulässig zurück. Den Widerspruch der
Klägerin zu 2. wies die Bezirksregierung D. mit Bescheid vom 27. Dezember 1994,
zugestellt am 28. Dezember 1994, als unbegründet zurück.
9
Die Klägerinnen haben am 23. Januar 1995 Klage erhoben und später jeweils am 18.
März 1995 unterzeichnete Prozeßvollmachten vorgelegt.
10
Zur Begründung der Klage führen sie aus: Die Sachurteilsvoraussetzungen seien erfüllt;
schon aus dem Umstand der Klageerhebung ergebe sich, daß es sich bei der
Widerspruchsführerin "T. " um die Klägerin zu 1. handele. Sie sei auch klagebefugt, weil
sie ihren ständigen Wohn- und Lebensmittelpunkt in Hauptwindrichtung zur Anlage
habe. Die Klägerin zu 2. sei sowohl in ihrer Gesundheit als auch in ihrem Eigentum
betroffen. Nach der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei
bestimmten öffentlichen und privaten Objekten (UVP-Richtlinie) vom 27. Juli 1985
(Amtsblatt der EG Nr. L 175 S. 40) sei für das Vorhaben die Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich gewesen. Das tatsächlich
durchgeführte Verfahren entspreche nicht einmal den Mindestanforderungen dieser
Prüfung. Insbesondere seien die wesentlichen Grundsätze des Vermeidungsgebotes,
Frühzeitigkeitsgebotes, Vorsorgegebotes und des Abwägungsgebotes gemäß Art. 3 der
UVP-Richtlinie nicht beachtet. Die Vorgaben seien drittschützend, da die
Umweltverträglichkeitsprüfung die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des
Kraftwerkprojektes auf den Menschen sowie auf Sachgüter identifiziere, beschreibe und
bewerte und somit auch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der
Nachbarn sowie ihre Sachgüter erfasse. Die Beigeladene könne sich zur Rechtfertigung
des Vorhabens schon mit Blick auf die über Jahrzehnte hinweg aufgebaute
Überkapazität nicht auf die Versorgungs- und Vorhaltepflicht von Stromkapazitäten im
Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes berufen. Das Vermeidungsgebot sei nicht nur
bezüglich der weiteren Zerstörung der Erdatmosphäre in Anbetracht der fehlenden
Stromnachfrage verletzt, sondern auch in Anbetracht der mit dem Vorhaben
verbundenen weiteren Aufheizung der W. um mehrere Grad Celsius. Die
Feuerungswärmeleistung zu erhöhen und bestehende Anlagen zur umweltfreundlichen
Energieerzeugung nicht zu fördern, verstoße angesichts der allgemein bekannten von
fossilen Energieträgern herrührenden Umweltbelastungen gegen die Präambel der
genannten UVP-Richtlinie. Die Anlage entspreche nicht dem Stand der Technik. Dem
genügten allein Kohlekraftwerke mit einem Wirkungsgrad von über 45 %; so könnten mit
Hilfe der sogenannten GuD-Technik Wirkungsgrade zwischen 52 % und 55 % erzielt
werden, von einem bundesdurchschnittlichen Wert der Wirkungsgrade von 36 % könne
nicht ausgegangen werden. Es liege ein Verstoß gegen das Abwärmenutzungsgebot
nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) vor; die
Vorschrift entfalte, auch wenn eine Rechtsverordnung fehle, unmittelbare Wirkung. Die
11
Verletzung des Abwärmenutzungsgebotes beinhalte gleichzeitig eine Rechtsverletzung
zu ihren Lasten, da die erheblichen Rauchschwaden ihnen Licht und Sonne entzögen.
Eine Standortfindung und Standortauswahl unter Berücksichtigung der Kriterien des § 5
Abs. 1 BImSchG habe nicht stattgefunden. Die Beigeladene sei auch unzuverlässig,
weil sie die Leistungen des Kraftwerkes ohne Genehmigung "hochgefahren" habe. Die
Nichtverfolgung der Überschreitung der genehmigten Leistungskapazitäten spreche
dafür, daß die Genehmigungsbehörde und leitende Beamten der
Genehmigungsbehörde befangen im Sinne des § 21 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NW)
gewesen seien.
Die Kläger beantragen,
12
den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 15. Juli 1993 und die
Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung D. vom 27. Dezember 1994 aufzuheben.
13
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
14
die Klage abzuweisen.
15
Der Beklagte führt aus: Die Klage der Klägerin zu 1. sei unzulässig, da sie kein
Vorverfahren durchgeführt habe. Eine Rechtsverletzung der Klägerinnen durch das
Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei ausgeschlossen, da ihnen kein
subjektives Recht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens zustehe. Das Gebot
zur Einhaltung des Standes der Technik nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sei nicht
drittschützend. Auch das Abwärmenutzungsgebot, das im übrigen schon mangels
Rechtsverordnung nicht greife, habe keinen drittschützenden Charakter. Durch die
Rauchschwaden seien die Klägerinnen nicht unzumutbar beeinträchtigt, weil sie südlich
der Anlage wohnten. Zudem müsse zwischen dem bereits genehmigten Betrieb und den
durch die Änderung verursachten Einwirkungen unterschieden werden. Die
Zuverlässigkeit des Anlagenbetreibers sei keine Genehmigungsvoraussetzung; im
übrigen sei eine Unzuverlässigkeit nicht festzustellen.
16
Die Beigeladene trägt vor: Die Vorgaben über die Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung seien nicht drittschützend. Im übrigen sei das
genehmigte Vorhaben nach Inkrafttreten des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) nicht mehr UVP-pflichtig. § 3 UVPG greife zu
ihren Gunsten ein; danach fordere eine wesentliche Änderung einer
genehmigungsbedürftigen und UVP-pflichtigen Anlage nach Nr. 1 der Anlage zu § 3
UVPG die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nur, wenn u.a. die
Änderung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die in § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG
genannten Schutzgüter haben könne. Daran fehle es. Nach den vorgenommenen
Prüfungen sei bei Staub, Schwefeldioxid und Ammoniak überhaupt keine Erhöhung der
Emissionen zu erwarten; bei Stickoxid, Kohlenmonoxid und Chlorwasserstoff sei ein
Zusatz an Frachten um 1/10 zu erwarten. Bei Fluor sei die zulässige
Massenkonzentration zwar erhöht worden, die Zunahme sei indes im Hinblick auf das
geringe Immissionsniveau insgesamt unbeachtlich. Die Auswirkungen des Kühlturms
seien innerhalb des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens bereits bei
Erteilung des Vorbescheides sowie bei der Erteilung der 1. Teilgenehmigung
ausführlich geprüft und gewürdigt worden. Die in der 3. Teilgenehmigung für das
Kraftwerk H. vom 26. Juli 1983 festgesetzten und in der Betriebsgenehmigung
17
bestätigten Randbedingungen würden durch die Leistungserhöhung nicht verändert. Es
komme deshalb allenfalls zu einer unwesentlichen Verlängerung der Schwaden; die
jährliche Sonnenscheindauer reduziere sich durch den Betrieb der Anlage insgesamt in
der näheren Umgebung um etwa 2 %. Die Klägerinnen wohnten nicht in
Hauptwindrichtung von der Anlage. Die zu erwartende zusätzliche Wärmeeinleitung in
die W. sei von den Regelungen des bestandskräftigen wasserrechtlichen Bescheides
über die Gewässerbenutzung erfaßt. Das Kraftwerk sei eines der neuesten und
modernsten in Deutschland. Die fortschrittliche Anlagenkonzeption spiegele sich zum
einen im Wirkungsgrad von 40 % wieder, der weit über dem Durchschnitt der
bundesdeutschen Kraftwerke von derzeit etwa 36 % liege; zum anderen sei die Anlage
mit einer Rauchgasreinigungsanlage von hoher Wirksamkeit versehen. Die Effizienz der
Anlage ergebe sich aus einem Vergleich der von der angefochtenen Genehmigung
vorgegebenen und beim Betrieb einzuhaltenden Grenzwerte verschiedener
Luftschadstoffe mit den normativen Anforderungen für diese Stoffe. Im übrigen sprächen
die Klägerinnen mit ihren diesbezüglichen Einwendungen den Vorsorgegrundsatz an,
der nicht drittschützend sei. Ein Verstoß gegen das Abwärmenutzungsgebot nach § 5
Abs. 1 Nr. 4 BImSchG liege nicht vor, denn bisher sei keine Rechtsverordnung zu dieser
Vorschrift erlassen worden. Sie, die Beigeladene, sei nicht unzuverlässig. Das Kraftwerk
sei im Jahre 1987 mit seiner genehmigten Feuerungswärme von 1870 MW in Betrieb
gegangen. Die zur Erzeugung der zugelassenen Dampfmenge erforderliche geringfügig
erhöhte Feuerungswärmeleistung habe sie im Jahre 1988 dem Beklagten
ordnungsgemäß angezeigt. Der Vorwurf der Befangenheit der Genehmigungsbehörde
und leitender Bediensteter der Genehmigungsbehörde sei verfehlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der
Bezirksregierung D. sowie der eingereichten Unterlagen der Beigeladenen Bezug
genommen.
18
Entscheidungsgründe:
19
Die Klagen haben keinen Erfolg.
20
Die Klage der Klägerin zu 1. ist bereits unzulässig; es ist nicht festzustellen, daß sie das
gemäß §§ 68 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderliche Vorverfahren
durchgeführt hat. Dabei mag dahinstehen, ob das anwaltliche Schreiben vom 20. Juli
1993 inhaltlich den an einen Widerspruch zu stellenden Mindestanforderungen
entsprach, auch wenn die Widerspruchsführerin T. nur mit Nachnamen und ohne
Anschrift angegeben war. Durch die Angabe des Ortsteils L. ergab sich immerhin eine
ausreichende Abgrenzung zu der im Ortsteil Östringhusen wohnenden Frau T. , die im
Verwaltungsverfahren ebenfalls Einwendungen erhoben hatte. Es kann indes nicht
davon ausgegangen werden, daß ein wirksames Vertretungsverhältnis zu dem
Prozeßbevollmächtigten zugrunde gelegen hat. Weder aus dem Vorbringen der
Klägerin zu 1. noch sonst ergibt sich ein tragfähiger A. dafür. Eine schriftliche Vollmacht
ist trotz Aufforderung im Widerspruchsverfahren nicht vorgelegt worden. Auch im
Klageverfahren hat die Klägerin zu 1. trotz gerichtlicher Aufforderung keine Erklärung
dazu abgegeben, daß und wann sie ihren Prozeßbevollmächtigten mit der
Durchführung des Widerspruchsverfahrens beauftragt hat. Den Ausführungen des
Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, daß ihm
seinerzeit als Widerspruchsführerinnen sowohl die Klägerin zu 1. als auch die Klägerin
zu 2. durch den Einwender Herrn T. in der im Widerspruchsschreiben bezeichneten
21
Form genannt worden sind. Dazu, daß und wann dieser das Vorgehen mit der Klägerin
zu 1. abgestimmt und diese der Bevollmächtigung und Widerspruchseinlegung in ihrem
Namen zugestimmt hat, fehlt wiederum jede Erläuterung; insofern kann auch nichts
daraus gefolgert werden, daß Herr T. in einem Schreiben mit der Klägerin zu 1.
Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hatte; eine entsprechende Vermutung
käme allenfalls bei gegebener Lebensgemeinschaft in Betracht, wogegen aber schon
die unterschiedlichen Anschriften in jenem Schreiben sprechen. Bei dieser Sachlage
kann auch aus der erfolgten Prozeßbevollmächtigung nicht auf ein bereits zuvor
gebilligtes Vertretungsverhältnis geschlossen werden; sie enthält allenfalls eine
nachträgliche Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung. Dies hat aber keine
Auswirkung auf die rechtliche Bewertung des eingelegten Widerspruchs als unwirksam.
Zwar finden vom Grundsatz her auch auf Verwaltungsrechtsverhältnisse und in
verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Rechtsgedanken der Vertretung ohne
Vertretungsmacht, wie sie sich aus § 177 des Bürgerlichen Gesetzbuches ergeben,
Anwendung, so daß eine rückwirkende Genehmigung wegen fehlender
Vertretungsmacht schwebend unwirksamer Anträge oder Rechtsbehelfe grundsätzlich
in Betracht kommt. Dies gilt aber nur so lange, als die schwebend unwirksame
genehmigungsfähige Rechtslage noch besteht, was, nachdem ein unwirksam
eingelegter Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen worden ist, nicht mehr der Fall
ist.
Vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom
17. April 1984 - GmS-OBG 2/83 -, BVerwGE 69, 380, 381 zur Genehmigung einer
gerichtlichen Rechtsmitteleinlegung.
22
Die Klage der Klägerin zu 2. - im weiteren Klägerin - ist unbegründet. Die angefochtene
Änderungsgenehmigung in der Fassung des Widerspruchsbescheides verletzt sie nicht
in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil die Genehmigung nicht gegen auch
ihrem Schutz dienende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt.
23
Die in Betracht kommenden drittschützenden Vorschriften sind, da es sich bei der
streitigen Erhöhung der Feuerungswärmeleistung des Kraftwerkes H. und den weiteren
Änderungen um die Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinne von § 4
Abs. 1 BImSchG in Verbindung mit der Verordnung über genehmigungsbedürftige
Anlagen (4. BImSchV) handelt, dem Immissionsschutzrecht zu entnehmen.
24
Die immissionsschutzrechtlich maßgeblichen Verfahrensvorschriften zugunsten der
Klägerin sind beachtet worden. Das geplante Vorhaben ist nach den Vorschriften der
Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) bekanntgemacht worden;
die Klägerin hat Einwendungen erhoben und hatte Gelegenheit, diese im
Erörterungstermin zu vertiefen. Auf die Frage der Befangenheit beteiligter Bediensteter
des Beklagten ist nicht weiter einzugehen. Aus der gesetzlichen Ausgestaltung der
immissionsschutzrechtlichen Zulassungsentscheidung als einer gebundenen
Kontrollerlaubnis ergibt sich, daß solche Umstände gemäß § 46 VwVfG NW keinen
Anspruch eines Nachbarn auf Aufhebung der Genehmigung begründen.
25
Der Charakter der strittigen Genehmigung als gebundener Kontrollerlaubnis hat weiter
zur Folge, daß allein das beantragte Vorhaben nach den Kriterien des § 6 BImSchG zu
prüfen ist. Technische Alternativen der Energieerzeugung - wie die von der Klägerin
angeführte Energieerzeugung vermittels der GuD-Technik unter Einsatz gasförmiger
und flüssiger Brennstoffe - zu der grundsätzlich als genehmigungsfähig anerkannten
26
Verbrennung von Steinkohle im Dampfkesselbetrieb (vgl. 13. BImSchV) sind danach
ebensowenig zu prüfen, wie die Vorzugswürdigkeit anderer Standorte, der
wirtschaftliche Bedarf oder die Zweckmäßigkeit des Vorhabens unter energie- und
umweltpolitischen Gesichtspunkten, worauf im Kern die Ausführungen der Klägerin zu
den anzustrebenden Wirkungsgraden von Kraftwerken zielen. Dies zeigt insbesondere
auch die gesetzliche Ausgestaltung der von der Klägerin angeführten Betreiberpflichten
aus § 5 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 BImSchG, die über den Schutz der Nachbarschaft hinaus
Anforderungen zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen enthalten. Den
Begriff des Standes der Technik verknüpfen § 3 Abs. 6 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG
mit Emissionsminderungsmaßnahmen im Rahmen des zur Genehmigung gestellten
Produktionsprozesses und beziehen ihn damit nicht auf den Produktionsprozeß selbst.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG ist die Forderung nach Abwärmenutzung von der
Eignung des gegebenen Standortes, nicht umgekehrt die Zulässigkeit des Vorhabens
am gewählten Standort von der technischen Möglichkeit einer Abwärmenutzung
abhängig. Ob § 5 Abs. 2 BImSchG den Verordnungsgeber ermächtigen würde,
weitergehende Standortvorgaben für bestimmte Anlagen zu treffen, mag dahinstehen,
da bisher keine solche Regelung getroffen worden ist. Entsprechend dieser
Ausgestaltung der Zulassungsentscheidung können die Aspekte auch nicht im Sinne
der Forderung nach Minimierung von Schadstoffen bei der Bewertung der
Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, wonach schädliche
Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche
Belästigungen für die Nachbarschaft zu unterlassen sind, und auch nicht unter dem
Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit greifen. Zu betrachten und auf ihre
Verträglichkeit für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit zu bewerten sind die
Immissionsverhältnisse der konkreten Anlage in der geplanten Größenordnung. Ein
Gebot der Minimierung kommt allenfalls im Sinne einer Optimierung der konkreten
Anlage am konkreten Standort in Betracht.
Auch dem Europarecht läßt sich eine Pflicht zu einer weitergehenden, insbesondere
wertenden Prüfung nicht entnehmen. Sie ergibt sich nicht daraus, daß das Vorhaben der
UVP-Richtlinie unterfällt, die unbeschadet der Zuordnung des Änderungsvorhabens zu
Anhang II unmittelbare Geltung für das nach Ablauf der Umsetzungsfrist eingeleitete
Verfahren beansprucht.
27
Vgl. EuGH, Urteile vom 9. August 1994 - Rs. C- 396/92 -, DVBl. 1994, 1126, vom 11.
August 1995 - Rs. C-431/92 -, NVwZ 1996, 369, 370, vom 24. Oktober 1996 - C-72/95 -,
DVBl. 1997, 40, 41; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996 - 4 C 5/95 -, NVwZ 1996, 788,
789.
28
Die UVP-Richtlinie fordert keine Zulassungsentscheidung unter wertender Betrachtung
von Standort- und technischen Verfahrensalternativen. Die UVP- Richtlinie ist
ausgerichtet auf die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung als Instrument einer
medienübergreifenden Erfassung von Umweltwirkungen eines Projektes. Nach Art. 8
UVP-Richtlinie sind die eingeholten Angaben im Genehmigungsverfahren zu
berücksichtigen. Sie hat so ausschließlich Verfahrenscharakter. Materielle
Zulassungstatbestände enthält sie auch nicht inzident. Ihre Regelungen sind eng und
ausdrücklich auf Verfahrensschritte in Vorbereitung einer Genehmigungsentscheidung
in dem jeweils durch innerstaatliches Recht vorgegebenen Entscheidungsrahmen
bezogen. Was also an Alternativen in eine isolierte oder in das Genehmigungsverfahren
integrierte Umweltverträglichkeitsuntersuchung einzustellen ist, bestimmt sich allein
nach den im übrigen geltenden innerstaatlichen Vorgaben.
29
Vgl. Urteil des Senats vom 20. Februar 1996 - 21 D 121/95.AK -, S. 19; BVerwG, Urteil
vom 25. Januar 1996, a.a.O., 789.
30
Davon ausgehend bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob den Vorgaben der UVP-
Richtlinie im Genehmigungsverfahren genügt, insbesondere ob zu Recht von einer
gesonderten Umweltverträglichkeitsuntersuchung abgesehen worden ist. Denn da die
verfahrensrechtlichen Vorgaben im Kern der besseren Durchsetzung von allgemeinen
Umweltbelangen, nicht von Rechten Dritter dienen -
31
vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 -, BVerwGE 98, 339, 362, vom 25.
Januar 1996, a.a.O., 788, 792 und Beschluß vom 14. Mai 1996 - 7 NB 3.95 -, DVBl.
1997, 48 f. -,
32
kann ein Verstoß gegen Vorschriften der UVP-Richtlinie ebenso wie Verstöße gegen
Verfahrensvorschriften anderer innerstaatlicher Fachgesetze nur bei einer darauf
beruhenden konkreten materiellen Betroffenheit zur Aufhebung einer angefochtenen
Genehmigung führen, insbesondere wenn der vom materiellen Immissionsschutzrecht
geforderte Nachbarschutz nicht sichergestellt ist.
33
Vgl. allgemein: BVerwG, Urteile vom 5. Oktober 1990 - 7 C 55 und 56.89 -, BVerwGE
85, 368, 377; zur UVP-Richtlinie: Urteile vom 25. Januar 1996, a.a.O., 788, 792, vom 8.
Juni 1995, a.a.O., 339, 362 und vom 23. Februar 1994 - 4 B 35.94 -, NVwZ 1994, 688,
689.
34
Dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere der UVP-Richtlinie selbst ist eine Verpflichtung
zur Gewährung eines weitergehenden Drittrechtsschutzes als ihn das nationale Recht
allgemein bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften eröffnet nicht zu entnehmen.
Entsprechend dem in Art. 5 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Union (EG-
Vertrag) ausgesprochenen Grundsatz der Mitwirkungspflicht haben die innerstaatlichen
Gerichte grundsätzlich den Rechtsschutz zu gewähren, der sich für den einzelnen aus
der unmittelbaren Wirkung von Gemeinschaftsrecht als innerstaatlichem Recht ergibt.
35
Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 1990 - Rs. C- 213/89 -, DVBl. 1991, 861, 862.
36
Das bedeutet indes nur, daß die Durchsetzung unmittelbar geltender Richtlinien unter
denselben Voraussetzungen möglich sein muß, die gelten, wenn es um die Beachtung
des innerstaatlichen Rechtes selbst geht.
37
Vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - C- 6/90 und C-9/90, SLG I 1991, 5357,
(5416).
38
Insbesondere besteht kein innerer Zusammenhang zwischen einer unmittelbaren
rechtlichen Wirkung einer EG-Richtlinie und der Möglichkeit des einzelnen, sich
gegenüber dem Staat unmittelbar auf dieselbe zu berufen.
39
Vgl. EuGH, Urteil vom 11. August 1995 - Rs. C- 431/92 -, NVwZ 1996, 369, 370 Ziff. 26.
40
Allerdings darf dabei die Möglichkeit der Ausübung und Geltendmachung eines im
Gemeinschaftsrecht vorgesehenen subjektiven Rechts, insbesondere wenn es um
Regelungen zum Schutz von Leben und Gesundheit geht, nicht unverhältnismäßig
41
erschwert sein.
Vgl. EuGH, Urteile vom 24. März 1988 - Rs 104/86 -, NJW 1989, 1424, 1425 und vom
30. Mai 1991 - Rs. C-59/89 -, NVwZ 1991, 868; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996,
a.a.O., 788, 792.
42
Diesen Anforderungen ist genügt, da in einem Anfechtungsprozeß eines Drittbetroffenen
die Überprüfung der Auswirkungen der Anlage auf seine Person, insbesondere seine
Gesundheit und seine materiellen Rechte gewährleistet ist. Die Schutzvorschrift des § 5
Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist für Umwelteinwirkungen eine strikte Grenze, deren Verletzung
auf die Klage des Betroffenen hin zur Aufhebung einer erteilten Genehmigung führt. Ob
den Anforderungen genügt ist, ist unter Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten zu
entscheiden. Damit ist zugleich der vom Europäischen Gerichtshof in seiner
Entscheidung vom 24. Oktober 1996 - C 72/95 - (DVBl. 1997, 40, 42) hervorgehobenen
Verpflichtung aller Träger öffentlicher Gewalt der Mitgliedsstaaten einschließlich der
Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten genügt, alle erforderlichen allgemeinen oder
besonderen Maßnahmen zur Erreichung des Zieles, dem die UVP-Richtlinie dient, zu
treffen.
43
In materieller Hinsicht verstößt die angefochtene Genehmigung nicht gegen der
Klägerin zustehende Rechte. Der sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Nr. 1 BImSchG
ergebende immissionsschutzrechtliche Nachbarschutz ist gewahrt. Danach setzt die
Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung voraus, daß
sichergestellt ist, daß schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren,
erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft nicht
hervorgerufen werden. Die geänderte Anlage bzw. ihr geänderter Betrieb muß der
Genehmigungsvoraussetzung genügen. Gegenstand der behördlichen Prüfung im
Änderungsgenehmigungsverfahren sind in erster Linie die Anlagenteile und
betrieblichen Verfahrensschritte, die mit der Änderung neu hinzutreten. Einzubeziehen
sind ferner Anlagenteile und Verfahrensschritte, auf die sich die Änderung auswirkt (vgl.
Nr. 2.2.3.1 Abs. 2 TA Luft).
44
Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. August 1996 - 11 C 9.95 -, DVBl. 1997, 52, 54 zu § 7 Abs.
1 des Atomgesetzes und vom 11. Februar 1977 - IV C 9.75 -, Feldhaus,
Bundesimmissionsschutzrecht, Entscheidungssammlung, § 15 BImSchG Nr. 3.
45
Wieweit sich davon ausgehend die Prüfung auf eine eventuelle Zusatzbelastung infolge
der geplanten Änderungen, namentlich der Erhöhung der Feuerungswärmeleistung,
beschränken darf, mag dahinstehen, denn die nachbarschützenden
Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Nr. 1 iVm § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind hier
unter Einbeziehung der Emissionsverhältnisse des vorhandenen Kraftwerkes zugunsten
der Klägerin eingehalten. Schädliche Umwelteinwirkungen, das heißt Immissionen, die
geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die
Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), sind beim Gesamtbetrieb des
Kraftwerkes nicht zu erwarten. Auch die Klägerin macht im Kern keine konkreten
Gefahren aufgrund einzelner Luftschadstoffe oder Immissionen anderer Art geltend. Sie
greift die durch das Kraftwerk verursachte Immissionsbelastung allein unter dem Aspekt
der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung, die
unterlassene Prüfung alternativer Techniken und Standorte sowie eine unzureichende
Berücksichtigung des Abwärmenutzungsgebotes an. Dieser Ansatz trägt schon deshalb
nicht, weil, wie ausgeführt, aus dem Charakter der immissionsschutzrechtlichen
46
Genehmigung als einer gebundenen Kontrollerlaubnis folgt, daß ein Gebot zur
Emissionsminimierung allenfalls als Forderung nach Optimierung des konkreten
Vorhabens in Betracht kommt.
Die für die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 6 Nr. 1 iVm §
5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erforderliche vorhabensbezogene Feststellung, daß
sichergestellt ist, daß schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden, läßt
sich ohne weiteres auf der Grundlage des zu betrachtenden Genehmigungsbescheides,
namentlich der dort festgesetzten Immissionsgrenzwerte, der Antragsunterlagen und der
im Verfahren eingeholten Gutachten und Stellungnahmen, denen die Klägerin nicht
entgegengetreten ist, treffen.
47
Hinsichtlich der von der streitgegenständlichen Anlage ausgehenden
Luftverunreinigungen stellt die 13. BImSchV zu verschiedenen Luftschadstoffen
Anforderungen an Anlagen dieser Art, die unmittelbar gelten und die durch den
Genehmigungsbescheid konkretisiert worden sind. Antragsgemäß sind durch die
Nebenbestimmung 2.4 die in bezug auf das Abgas vorgegebenen Grenzwerte für Staub
(§ 3 Abs. 1), Kohlenmonoxid (§ 4) und Schwefeldioxid (§ 6) wesentlich verschärft
worden, und für Stickoxide ist ein Wert vorgegeben, der den Anforderungen des
Beschlusses der Konferenz der Umweltminister und -senatoren des Bundes und der
Länder vom 5. April 1984 (Umwelt Nr. 102, S. 27) entspricht, die der Minister für Arbeit,
Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen als Erlaß übernommen hat
und die der Dynamisierungsklausel des § 5 Abs. 1 Satz 2 der 13. BImSchV zuzuordnen
sind. Im Ergebnis ist der Beschluß einer bundeseinheitlichen Vollzugsanweisung
vergleichbar, die sich als Zielvorgabe im Bereich der Vorsorge versteht, ohne allerdings
bereits die individuelle Verhältnismäßigkeit einer entsprechenden Vorgabe zu
implizieren.
48
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 24. April 1995 - 7 B 172.94 -, UPR 1995, 269, 270.
49
Ein Fortschritt in der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Schädlichkeit der von
Feuerungsanlagen ausgehenden Emissionen oder eine Änderung des Standes der
Technik auf dem Gebiet der Emissionsminderung für Anlagen der
Steinkohleverbrennung zur Stromerzeugung, die trotz der unveränderten Vorgaben des
Verordnungsgebers zu einer Neubewertung und -betrachtung führen und eine weitere
Emissionsbegrenzung etwa auch im Hinblick auf eine weitergehende Entstickung
fordern würde, ist nicht festzustellen, zumal auch in dem Entwurf einer EG-Richtlinie, der
auf die EG-Richtlinie des Rates vom 24. November 1988 zur Begrenzung von
Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft (88/609/EWG)
zurückzuführen ist, die sich konzeptionell an die 13. BImSchV anlehnt, keine strengeren
Anforderungen an die höchst zulässigen Stickoxidkonzentrationen diskutiert werden.
50
Vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Stand: Oktober 1997, 13.
BImSchV, § 5 Rdb. 17.
51
Eine Änderung der angesprochenen Art ergibt sich auch nicht aus für einzelne
Feuerungsanlagen niedriger festgesetzten Emissionswerten, da diese - wie von der
Widerspruchsbehörde für die von der Klägerin angezogene Anlage M. -N.
hervorgehoben - Ausdruck dessen sein kann, was - wie auch für die hier streitige
Änderung der Anlage - bezogen auf die konkrete Anlage technisch möglich und
verhältnismäßig ist. Bedenken, daß den danach geltenden Anforderungen im Betrieb
52
der Anlage nicht genügt werden kann, werden weder von der Klägerin geltend gemacht
noch sind sie sonst ersichtlich.
In welchem Umfang mit der Wahrung der Anforderungen der 13. BImSchV, die in erster
Linie dazu dient, aus Gründen der Vorsorge in einem einheitlichen Konzept den Risiken
des Ferntransportes der wichtigsten bei Großfeuerungsanlagen relevanten
Luftschadstoffe zu begegnen, zugleich auch dem in den Anforderungen jedenfalls im
Ansatz nicht hinter der Vorsorge zurückbleibenden Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG genügt ist und daher weitergehende Anforderungen nur ausnahmsweise
eingreifen können, und ob dies auch für die Emissionen der nicht ausdrücklich in der
Verordnung angesprochenen Schadstoffe gilt, mag dahinstehen. Denn unbeschadet
dessen ist festzustellen, daß die Wahrung des Gebotes aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG,
schädliche Umwelteinwirkung zu vermeiden, sichergestellt ist. Bei dieser Beurteilung ist
die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) zugrunde zu legen, die als
normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift gemäß § 48 BImSchG Erkenntnisse
enthält, die insbesondere durch die Art und Weise der Festlegung eine
wissenschaftliche Untermauerung erfahren haben, die nur bei konkret feststellbarer
Weiterentwicklung übergangen werden kann, und die nicht nur die Grundpflichten des
Anlagenbetreibers, sondern auch den immissionsschutzrechtlichen Nachbarschutz aus
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisiert.
53
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. März 1996 - 7 B 164.95 -, UPR 1996, 306, 307.
54
Anhaltspunkte, die für ein generelles Überholtsein der TA Luft sprechen und daher
einem Vorgehen nach der TA Luft schon im Ansatz entgegenstehen, liegen nicht vor.
Den danach maßgeblichen Vorgaben zum Schutz der Nachbarn vor schädlichen
Umwelteinwirkungen ist entsprochen.
55
In bezug auf die Stoffe, für die die TA Luft in Nrn. 2.5.1 und 2.5.2. Immissionswerte
vorsieht, ist von der Gewährleistung des Nachbarschutzes auszugehen, weil die
streitgegenständliche Anlage nicht zu einer nach Nr. 2.2.1.1 TA Luft bedenklichen
Gesamtbelastung im Beurteilungsgebiet führt. Dies läßt sich hinreichend sicher den im
Verfahren eingereichten Gutachten und Stellungnahmen entnehmen. Danach sind auf
keiner Beurteilungsfläche für die beim Betrieb des Kraftwerkes in seiner Änderung
relevanten Stoffe Überschreitungen der Immissionswerte nach Nrn. 2.5.1. und 2.5.2. TA
Luft durch die Kenngrößen für die Gesamtbelastung zu erwarten. Ausgangspunkt dieser
Feststellung sind die Vorbelastungsmessungen des TÜV H. /S. -A. , die in der Zeit von
Oktober 1989 bis Januar 1991 erfolgt sind und für alle betrachteten Stoffe erhebliche
Unterschreitungen der festgelegten Langzeit- und Kurzzeitwerte ergaben.
Anhaltspunkte, daß die Messungen und die weiteren Berechnungen nicht den
Anforderungen der TA Luft an eine solche Erhebung genügten, bestehen zumal nach
der bestätigenden Stellungnahme der LIS vom 28. Juli 1992 nicht. Im übrigen wären
Unzulänglichkeiten bei der Erhebung nur dann relevant, wenn zugleich die gefundenen
Daten nicht jedenfalls Grundlage einer Immissionsabschätzung sein könnten. Dafür
spricht nichts, denn im Hinblick auf die festgestellten Belastungswerte weit unter 60 %
erforderte die TA Luft nicht einmal zwingend eine vollständige Immissionsmessung (Nr.
2.6.2.1 Abs. 2 TA Luft). Da sich nach der den Antragsunterlagen beigefügten
Berechnung des Immissionsbeitrages des Kraftwerks H. nach Durchführung der
Änderung, deren Aussagekraft von der LIS in ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 1992
bestätigt worden ist, für die betrachteten Stoffe Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid,
Kohlenmonoxid, Chlor- und Fluorwasserstoff sowie Staub und Schwebstaub nur eine
56
Erhöhung der Immissionsbelastung im Langzeitbereich von unter 1 % der TA-Luft Werte
und im Kurzzeitbereich zwischen 0,5 % (Schwebstaub) und 6,2 % (Stickstoffdioxid)
ergibt, stehen auch keine nach den Vorgaben der TA Luft kritische Gesamtbelastung
oder Zusatzbelastungen in Rede. Die in der Stellungnahme des TÜV H. /S. -A. vom 23.
Juni 1992 zur Immissionsbelastung für das Waldgebiet H. und das Waldgebiet südlich
des Kraftwerkes unter Berücksichtigung des Kraftwerkes H. durchgeführte
Immissionsprognose bestätigt diese Bewertung für den betrachteten Bereich.
In Ansehung der danach als gering zu bewertenden Belastung durch Staubniederschlag
und Schwebstaub und der keine gesonderte Berechnung des Schwermetallbeitrages
über die Staub- und Schwebstaubimmissionen fordernden Stellungnahme der LIS vom
28. Juli 1992, insbesondere auch ihres Hinweises auf die Unterschreitung des
Summengrenzwertes des § 1 Abs. 2 der 13. BImSchV, sowie der Abschätzung des
Immissionsbeitrages des Kraftwerkes an den Staubinhaltsstoffen, insbesondere
Cadmium und Blei durch den TÜV H. /S. - A. in dem Gutachten vom 16. Februar 1994
über die Untersuchung des möglichen Beitrages des Kraftwerkes H. am Eintrag von
Schwermetallen in die Böden der Umgebung, sind auch keine nach Nr. 2.2.1.1 TA Luft
relevanten Beiträge durch die in Nrn. 2.5.1 und 2.5.2 TA Luft aufgeführten Inhaltsstoffe
von Staub und Schwebstaub ersichtlich; auch in Bezug auf die weiteren in dem
genannten TÜV-Gutachten betrachteten Schwermetalle, für die die TA Luft keine
Immissionsgrenzwerte vorgibt, kann danach von einem für die Frage des
Gesundheitsschutzes vernachlässigbaren Immissionsbeitrag ausgegangen werden.
57
Unzumutbare Staubimmissionen sind nach der den Antragsunterlagen beigefügten
Abschätzung auch nicht bei Berücksichtigung der von der streitigen Genehmigung
ebenfalls erfaßten Erweiterung des Betriebes der Bekohlungsanlage auf 24 Stunden zu
befürchten.
58
In Bezug auf die Stoffe, für die die TA Luft keine Immissionswerte festsetzt, ist der
immissionsschutzrechtliche Nachbarschutz ebenfalls gewahrt.
59
Von der Vorbelastungsmessung erfaßt waren neben den Stoffen, für die
Immissionswerte in der TA Luft vorgegeben werden, nur die bereits behandelten
Schwermetalle. Die Betrachtung der Zusatzbelastung durch die Beigeladene greift
daneben die Ammoniak-Emissionen auf. Schädliche Umwelteinwirkungen sind
diesbezüglich nicht festzustellen, weil die für den Betrieb des Kraftwerkes insgesamt
errechneten Werte einen Anteil der Immissionen im Beurteilungsgebiet ergeben, der im
Vergleich zu den Werten über die Maximale Immissionskonzentration (MIK-Werte) der
VDI-Richtlinie 2310 von jährlich 0,5 mg/m³ bzw. von halbstündig 2 mg/m³ nur 0,001 %
bzw. 0,006 % ausmacht. Damit liegt kein relevanter Beitrag vor.
60
Gefahren für die Nachbarschaft durch andere Stoffe sind nicht ersichtlich. Insbesondere
genügt das Vorhaben den einschlägigen Anforderungen aus Nrn. 2.3. Abs. 1 und 3.1.
Abs. 7 TA Luft. Danach sind die im Abgas enthaltenen Emissionen krebserzeugender
Stoffe, zu denen nach dem Konzept der TA Luft - mit Blick auf die Aufführung in der Liste
der maximalen Arbeitsplatzkonzentration der Senatskommission zur Prüfung
gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der deutschen Forschungsgemeinschaft (MAK-
Werte-Liste) - jedenfalls das Dioxin 2,3,7,8-TCDD gehört, und der
Emissionsmassenstrom besonders gefahrenträchtiger näher aufgeführter Stoffe,
namentlich polyhalogenierte Dibenzodioxine, polyhalogenierte Dibenzofurane oder
polyhalogenierte Biphenyle, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
61
soweit wie möglich zu begrenzen. Die Anforderungen dienen mit Blick auf das
Gefährdungspotential der in Rede stehenden Stoffe nicht nur der Vorsorge vor
Umweltbeeinträchtigungen, sondern darüber hinaus auch der Gewährleistung des
Nachbarschutzes aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Ihnen ist hier genügt.
Was Dioxine angeht, ist nach der Stellungnahme der LIS davon auszugehen, daß die
Emissionen im Bereich von 0,01 ng/m³ Toxizitätsäquivalente nach NATO/CCMS liegen
und sich bei einer Abgasmenge von ca. 2,5 Millionen m³/h daraus ein Massenstrom
ergibt, der dem einer Hausmüllverbrennungsanlage für ca. 45 bis 50 t/h Müll entspricht,
die den Grenzwert der 17. BImSchV von 0,1 ng/m³ einhält. Damit ist dem Nachbarschutz
genügt.
62
Bedenken dagegen, vergleichend auf die nach der 17. BImSchV für dort erfaßte
Anlagen zulässigen Auswirkungen auf die Umwelt und den dort in § 5 Abs. 1 Nr. 4
normierten Summengrenzwert zurückzugreifen, bestehen nicht. Der Grenzwert ist
wegen des Besorgnispotentials einzelner Dioxine und der Unsicherheiten bei der
Ableitung der Wirkung beim Menschen in einer Dauerbelastung mit niedrigen Dosen auf
der Grundlage von Erkenntnissen aus Tierversuchen und unfallbedingten
Extrembelastungen sowie unter Berücksichtigung der ubiquitären Ausbreitung und des
Ziels, insbesondere die Erhöhung der Grundbelastung des Bodens zu vermeiden, weil
die Hauptbelastung der Bevölkerung über die Nahrungsmittelkette erfolgt, unter Ansatz
hoher Sicherheitszuschläge im Rahmen der Berechnung "extrem niedrig" festgelegt
worden.
63
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 30. August 1996 - 7 VR 2.96 - NVwZ 1997, 497, 499; OVG
NW, Urteil vom 7. Juni 1990 - 20 AK 25/87 -, NVwZ 1991, 1200, 1203.
64
Ihm liegt keine an einer konkreten Gefahrenabschätzung orientierte Ableitung zugrunde;
er impliziert aber als Vorsorgewert zugleich, daß bei Einhaltung der Anforderungen
regelmäßig dem immissionsschutzrechtlichen Nachbarschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG Genüge getan ist.
65
Auch in bezug auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ist kein
Gefahrenpotential festzustellen, das zu weiteren Anforderungen an das geplante
Vorhaben zwingt. Bereits die Vorgabe an den Kohlenmonoxidausstoß von weniger als
50 mg/m³ stellt einen hinreichend optimierten Ausbrand sicher und läßt nur einen
geringen Ausstoß wirkungsrelevanter organischer Stoffe erwarten. Dies bestätigt die LIS
in ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 1992, die zudem hervorhebt, daß die Konzentration
an Benzo-a-pyren (BaP), das als Leitsubstanz für PAK betrachtet wird, bei Messungen
unter der Nachweisgrenze von 5 ng/m³ lag.
66
Die Minimierungsgebote der TA Luft knüpfen - wie oben bereits gesagt - ebenso wie
auch die Anforderungen an die Vorsorge nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG an die Art und
Weise des Betriebes in der konkreten Größenordnung und mit den geplanten
Produktionsprozessen an. Ihnen ist deshalb auch kein Anspruch eines Dritten zu
entnehmen, daß durch eine geringere Dimensionierung der Anlagen oder durch einen
anderen, effizienteren Produktionsprozeß Emissionen reduziert werden; sie eröffnen
dementsprechend die Prüfung weder der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit alternativer
Deckung des Energiebedarfes noch des Ausnutzungsgrades der Steinkohlenfeuerung
oder der dem Vorhaben zugrunde liegenden Bedarfsberechnung.
67
Radioaktivität ist nicht in nennenswertem Umfang zu erwarten. Unter Berücksichtigung
der in geringen Mengen in fossilen Brennstoffen enthaltenen radioaktiven Edelgase ist
in der Umgebung von Steinkohlekraftwerken nach Angaben der LIS in ihrer
Stellungnahme vom 28. Juli 1992 eine zusätzliche Exposition von weniger als 1 % der
mittleren natürlichen Exposition der Bevölkerung in Deutschland zu erwarten.
68
Auch in bezug auf die von dem Heizkraftwerk ausgehenden Partikelemissionen ist dem
Schutz der Klägerin vor schädlichen Umwelteinwirkungen genügt. Dabei bedarf es
keiner weiteren Prüfung, ob die Klägerin im Einwirkungsbereich der
Partikelimmissionen wohnt, der im Verwaltungsverfahren mit einem Radius von 200 bis
800 m um die Anlage angegeben worden ist; denn jedenfalls wird dem von den
Partikelemissionen ausgehenden Besorgnispotential durch den genehmigten Einbau
des Partikelabscheiders ausreichend begegnet.
69
Die Klägerin hat auch mit Blick auf die beim Kühlturmbetrieb auftretende
Schwadenbildung kein Abwehrrecht. Gesundheitsbeeinträchtigungen sind für sie nicht
zu befürchten. Insbesondere ist nach einem Gutachten der medizinischen Hochschule
H. vom 9. März 1983, das auf Erkenntnissen bei Direktmessungen der
Keimimmissionen in der Umgebung von Kühltürmen vergleichbarer Bauart beruht, für
den Kühlturmbetrieb der Beigeladenen in der bisher genehmigten Größenordnung keine
als gesundheitlich bedenklich zu qualifizierende Zunahme pathologischer Keime zu
erwarten. Bedenken gegen die Aussagekraft des Gutachtens auch für den Betrieb des
Kühlturms nach der streitgegenständlichen Leistungserhöhung ergeben sich nicht,
zumal sich die dem Gutachten maßgeblich zugrunde liegenden Bedingungen durch die
Leistungserhöhung nicht verändern.
70
Die Kühlturmemissionen führen auch nicht durch die mit der Schwadenbildung
verbundenen Schatteneinwirkungen zu einer unzumutbaren sonstigen erheblichen
Beeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Die Frage der Zumutbarkeit
sonstiger Beeinträchtigungen ist, vergleichbar der Bewertung von Lärmimmissionen,
anhand einer wertenden Gesamtbeurteilung zu beantworten, in die Art und Umfang der
tatsächlich zu erwartenden Beeinträchtigung sowie die nach der durch Gebietsart und
die tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmenden Schutzwürdigkeit und
Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft und weitere wertende Elemente wie
Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz einzubeziehen sind.
71
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 7 C 25.91 -, BVerwG 90, 163 (165 f.) zu
Lärmimmissionen.
72
Davon ausgehend ist keine erhebliche Beeinträchtigung festzustellen. Es ist bereits
nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß die Klägerin gegenwärtig tatsächlich und
merklich in nennenswertem Umfang durch die Schwaden beeinträchtigt ist. Das
bestätigt die Darstellung der Beigeladenen, daß für die nähere Umgebung um das
Kraftwerk von einer maximalen Reduzierung der Sonnenscheindauer im Jahr durch den
gesamten Kühlturmbetrieb von nur etwa 2 % auszugehen ist. Da die Randbedingungen
des Kühlturmbetriebes in der angefochtenen Genehmigung nicht verändert worden sind,
steht nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beigeladenen allein eine
Verlängerung der Schwaden in Rede. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede
gestellt. Sie leitet selbst die Erheblichkeit der Belästigung nicht aus Art und Umfang der
tatsächlichen Betroffenheit ab, sondern rekurriert nur auf eine Minderungsmöglichkeit
bei Abwärmenutzung. Dazu sei im übrigen darauf hingewiesen, daß ein Verstoß gegen
73
die Vorgaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 BImSchG nicht vorliegt, weil eine
Abwärmenutzung - wie von dem Sachbeistand der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung selbst hervorgehoben - an dem gegebenen Standort technisch nicht
möglich ist.
Der Klägerin unzumutbare Lärmbelästigungen sind vom Betrieb des Kraftwerkes nicht
zu erwarten. Durch die in Nebenbestimmung 2.1 für verschiedene Immissionspunkte
vorgegebene Lärmgrenzwerte wird, was die Klägerin nicht in Abrede stellt, ihrem Schutz
ausreichend Rechnung getragen. Bedarf für weitergehende Regelungen zum Schutz
der Nachbarschaft vor Lärmbeeinträchtigungen bedurfte es zumal nach den
Feststellungen der Lärmgutachten des TÜV H. vom 25. März 1991 und vom 8. Oktober
1990, die die Einhaltbarkeit der Genehmigungsvorgaben belegen, nicht.
74
Abwehrrechte vor dem Hintergrund eventueller Störfälle beim Betrieb der Anlage sind
weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
75
Die Klägerin kann gegen die Genehmigung auch nicht mit Erfolg die Unzuverlässigkeit
der Beigeladenen bzw. einzelner ihrer Betriebsleiter einwenden, denn die angefochtene
Genehmigung ist anlagenbezogen und nicht von personenbezogenen Voraussetzungen
abhängig. Gefahren aufgrund persönlicher Unzuverlässigkeiten, für die hier im übrigen
schon mit Blick darauf, daß die gerügte Erhöhung der mit der Betriebsgenehmigung
1987 genehmigten Feuerungswärmeleistung förmlich angezeigt und von der Behörde
als nicht genehmigungspflichtig angesehen worden ist, nichts spricht, ist nach § 20 Abs.
3 BImSchG mit der personenbezogenen Untersagungsverfügung zu begegnen; die
anlagenbezogene Genehmigung bleibt grundsätzlich unberührt.
76
Die Verletzung sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu Lasten der Klägerin,
insbesondere des Bauordnungs- oder Bauplanungsrechtes, ist ebenfalls nicht
festzustellen. Ein Verstoß gegen wasserrechtliche Vorschriften durch eine unzulässige
Erwärmung der W. - für den im übrigen mit Blick auf die der Beigeladenen erteilten
wasserrechtlichen Erlaubnisse nichts spricht - kann die Klägerin mangels individueller
Beeinträchtigung nicht erfolgreich geltend machen.
77
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, § 100
Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167
VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
78
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
79