Urteil des HessVGH vom 22.06.1995
VGH Kassel: aufbewahrung, interpol, öffentliche arbeit, fahrlässige körperverletzung, polizeiliche generalklausel, spanien, rechtsgrundlage, auskunft, ermittlungsverfahren, statuten
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 1668/92
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 42 Abs 1 Alt 2 VwGO, § 43
VwGO, Art 1 GG, Art 2 GG,
§ 81b StPO
(Fehlende Rechtsgrundlage für die weitere Speicherung
und Aufbewahrung personenbezogener Daten durch das
BKA; Löschungsfristen; Datenweitergabe an ausländische
Dienststellen)
Tatbestand
Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Streit über die Frage, ob die Beklagte
verpflichtet ist, die über den Kläger gespeicherten personenbezogenen Daten zu
löschen sowie darüber, ob die Beklagte berechtigt war, die von ihr gespeicherten
Daten des Klägers an Interpol Madrid weiterzugeben.
Im April 1982 erwarb der Kläger in Spanien ein Grundstück; die grundbuchmäßige
Eintragung seiner Eigentümerstellung erfolgte im August 1983. In der Folgezeit
kam es mit einer Gesellschaft, die das das klägerische Grundstück umgebende
Land zuvor erworben hatte, zu Spannungen und Auseinandersetzungen, da der
Kläger nicht bereit war, das von ihm erworbene Grundstück an diese Gesellschaft
weiterzuveräußern; im Zuge dieser Streitigkeiten wurden gegen den Kläger
verschiedene Strafanzeigen erstattet sowie Zivilrechtsverfahren geführt.
Auf eine entsprechende Anfrage von Interpol Madrid übermittelte das
Bundeskriminalamt unter dem 29. Dezember 1986 folgende Informationen an
Interpol Madrid:
"B ist hier wie folgt in Erscheinung getreten:
1966 - Ladendiebstahl,
1968 - Vergehen des unbefugten Tragens einer Uniform,
1969 - fahrlässige Körperverletzung,
1971 - Verdacht des Betruges - Verfahrensausgang nicht
bekannt,
1977 - Verdacht des Diebstahls aus PKW - Ermittlungen
eingestellt, Diebstahl lag nicht vor -
B war 1979 und ist auch heute noch für die
R D-8000 München, gemeldet. Eine
straße gibt es in München nicht.
Laut Auskunft des Bundeszentralregisters Berlin enthält
das Zentralregister zu den Personendaten des B
am 22.12.1986 keine Eintragungen.
Der Reisepaß mit der Nummer F wurde am 22.1.1982
vom Honorarkonsulat Malaga/Spanien an B mit
Gültigkeit bis zum 21.1.1987 ausgegeben".
Am 1. Juni 1987 informierte das Bundeskriminalamt Interpol Madrid zur
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Am 1. Juni 1987 informierte das Bundeskriminalamt Interpol Madrid zur
Klarstellung nochmals wie folgt:
"Mit Funkspruch vom 29.12.1986 Nummer 43692 wurde Ihnen
mitgeteilt, daß nach Auskunft des Bundeszentralregisters
Berlin das Zentralregister für B keine Eintragungen
enthält.
Die Auskunft bedeutet, daß B zum Zeitpunkt der
Erteilung der Auskunft durch das Bundeszentralregister
Berlin gerichtlich nicht bestraft ist, bzw. gerichtliche
Verurteilungen zwischenzeitlich gelöscht wurden und nicht
mehr mitgeteilt werden können. Weiterhin wurden Ihnen
kriminalpolizeiliche Erkenntnisse über B aus den
Jahren 1966 bis 1977 mitgeteilt, die jedoch nicht gerichtsverwertbar
und nur für die Polizei bestimmt sind.
Aus hiesiger Sicht können die mitgeteilten Erkenntnisse
nicht herangezogen werden für die Entscheidung, ob B
aus Spanien ausgewiesen werden kann."
Mit Verfügung vom 23. April 1987 wurde der Kläger von der zuständigen
spanischen Behörde für drei Jahre aus Spanien ausgewiesen; das hiergegen vor
spanischen Verwaltungsgerichten angestrengte Verfahren ist noch nicht
rechtskräftig abgeschlossen.
Unter dem 17. November 1988 wandte sich der Kläger an das Bundeskriminalamt
und begehrte die Löschung der über ihn gespeicherten personenbezogenen
Daten. Mit Bescheid vom 21. Dezember 1988 lehnte das Bundeskriminalamt die
begehrte Löschung ab und wies darauf hin, daß gemäß den "Richtlinien für die
Errichtung und Führung von Dateien über personenbezogene Daten beim
Bundeskriminalamt" (Dateienrichtlinien) und den "Richtlinien für die Führung
kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen" (RKpS) im Sinne der
verallgemeinernden Interessenabwägung nach vorheriger Überprüfung
gespeicherte Daten bzw. Unterlagen regelmäßig zu löschen bzw. auszusondern
seien, wenn bei dem Betroffenen 10 Jahre lang die Voraussetzungen für eine
Aufnahme von Daten und Erkenntnissen in die Dateien/kriminalpolitische
Sammlung des Bundeskriminalamtes nicht vorgelegen hätten. Dies sei bei dem
Kläger nicht der Fall. Mithin werde die Aufbewahrung und Speicherung der
personenbezogenen Daten bis zum 28.10.1996 weiterhin für erforderlich gehalten.
Unter dem 2. Januar 1989 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und
begehrte darüber hinaus die Feststellung, daß die am 29. Dezember 1986 erfolgte
Weitergabe kriminalpolizeilicher Erkenntnisse über ihn an Interpol Madrid
rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung führte er aus, die Aufbewahrung und
Speicherung der Daten ohne Rechtsgrundlage sei rechtswidrig; bei der
Datenübermittlung habe keine Güterabwägung zwischen seinen schutzwürdigen
Belangen und den angeblichen Interessen von Interpol Madrid stattgefunden.
Das Bundeskriminalamt wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
2. Mai 1989 zurück; in der Begründung heißt es, die Zuständigkeit des
Bundeskriminalamtes zur Speicherung personenbezogener Daten ergebe sich aus
dem Gesetz über die Einrichtung des Bundeskriminalamtes - BKAG -.
Dementsprechend sei in § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKAG dem
Bundeskriminalamt die Aufgabe übertragen worden, alle Nachrichten und
Unterlagen für die polizeiliche Verbrechensbekämpfung zu sammeln und
auszuwerten. Diese Ermächtigung enthalte zugleich die Befugnis zur
Datenverarbeitung und damit auch zur Speicherung von Daten. Gemäß § 14 Abs.
3 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - seien personenbezogene Daten zwar unter
bestimmten Voraussetzungen zu löschen. Es unterliege jedoch keinem Zweifel,
daß die Speicherung personenbezogener Daten in kriminalpolizeilichen
Datensammlungen der Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung
und der Gefahrenabwehr diene. Seien Anhaltspunkte für die Annahme erkennbar,
der Betroffene werde künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger
in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren
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in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren
Handlung einbezogen und könnten die gespeicherten Unterlagen die dann zu
führenden Ermittlungen - den Betroffenen überführend oder entlastend - fördern,
sei die weitere Aufbewahrung von personenbezogenen Unterlagen unabhängig von
den Löschungsfristen im Bundeszentralregistergesetz, der Einstellung eines
Verfahrens oder sogar eines Freispruchs gerechtfertigt und zulässig. Die
Grundsätze dieser zu treffenden Kriminalprognose seien in Nummer 5.3 der
Richtlinien niedergelegt und in Verbindung mit Nummer 5.1 zur Grundlage der
Ablehnungsentscheidung gemacht worden. Laut Auskunft von Interpol Madrid
seien gegen den Kläger zwischen 1983 und 1986 mehrere Anzeigen bzw.
Ermittlungsverfahren anhängig gewesen (1983 Widerrechtliche Aneignung und
Sachbeschädigung, 1984 drei Anzeigen wegen Sachbeschädigung, eine Anzeige
wegen Wucher und Betruges, 1985 zwei Anzeigen wegen Gefährdung von
Personen und Beschädigung, 1986 mehrfache Nötigung). Im Jahre 1986 sei der
Kläger vom Ministerium für öffentliche Arbeit mit einer Geldstrafe von 172.000,00
Peseten wegen Beschädigung auf einer Nationalstraße belegt worden. Darüber
hinaus habe er sich 8 Jahre lang illegal in Spanien aufgehalten und dort Arbeit
aufgenommen. Nach aller kriminalistischer Erfahrung bestehe daher Anlaß zu der
Annahme, daß er auch zukünftig strafrechtlich in Erscheinung treten könne. Dem
stünden die behaupteten Verfahrenseinstellungen nicht entgegen. Gründe, die die
dem Kläger durch die weitere Aufbewahrung der personenbezogenen Daten
auferlegte Belastung als unverhältnismäßig erscheinen lassen können, seien nicht
erkennbar. Die Übermittlung der Daten sei im Rahmen eines polizeilichen
Ermittlungsverfahrens erfolgt und zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben des
BKA nach § 1 Abs. 2 BKAG i.V.m. Art. 2 Ziff. a der IKPO-Statuten erforderlich
gewesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am
9. Mai 1989 zugestellt.
Am 22. Mai 1989 hat der Kläger Klage erhoben.
Er hat die Ansicht vertreten, das Erheben und Verarbeiten seiner
personenbezogenen Daten durch die Beklagte sei rechtswidrig gewesen, und ihm
stehe deshalb - soweit noch Daten gespeichert seien - ein auf deren Löschung
gerichteter Folgenbeseitigungsanspruch sowie - soweit Daten an Interpol Madrid
weitergegeben worden seien - ein Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit
dieser Übermittlung zu. Das BKAG enthalte keine tragfähige Grundlage für die
Datenerhebung und Datenverarbeitung. Die Beklagte könne sich auch nicht auf
eine allgemeine polizeiliche Generalklausel stützen, da die allgemeinen
Polizeiaufgaben nicht der Bundeszuständigkeit unterfielen. Unabhängig davon sei
die Datenerhebung und -verarbeitung grob unverhältnismäßig gewesen.
Schließlich habe er auch ein Feststellungsinteresse daran, daß die
Datenübermittlung rechtswidrig gewesen sei, da Wiederholungsgefahr bestehe.
Auch habe die Datenübermittlung der Beklagten in Spanien den Eindruck erweckt,
über ihn lägen interpol-relevante Erkenntnisse vor.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Bundeskriminalamtes vom 21. Dezember 1988 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids vom 2. Mai 1989 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, die beim Bundeskriminalamt über den Kläger gespeicherten und
aufbewahrten personenbezogenen Daten zu löschen bzw. zu vernichten,
sowie festzustellen, daß die Weitergabe kriminalpolizeilicher Erkenntnisse über den
Kläger am 29. Dezember 1986 an Interpol Madrid rechtswidrig war,
sowie festzustellen, daß die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das
Vorverfahren erforderlich war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, ihr Verhalten finde in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKAG i.V.m. Nr.
5 der KpS-Richtlinien eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Die
Aufbewahrung der Daten bis zum 28. Oktober 1996 sei nicht unverhältnismäßig.
Selbst wenn § 2 Abs. 2 BKAG nicht für ausreichend erachtet würde, müsse für eine
Übergangszeit bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung aus
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Übergangszeit bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung aus
übergeordneten Gründen des Gemeinwohls die bisherige Behördenpraxis
hingenommen werden. Da die Kenntnis der personbezogenen Daten des Klägers
für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit
liegenden Aufgaben noch erforderlich sei, könnten auch keine Ansprüche aus § 14
Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz hergeleitet werden. Das Feststellungsbegehren
sei unbegründet, da die Übermittlung der polizeilichen Erkenntnisse an Interpol
Madrid gemäß § 11 Bundesdatenschutzgesetz in Verbindung mit Art. 2 Buchstabe
a der IKPO-Statuten rechtmäßig gewesen sei.
Mit am 15. Juli 1992 beratenem Urteil hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die
Ablehnungsbescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die
beim BKA über den Kläger gespeicherten und aufbewahrten personenbezogenen
Daten zu löschen bzw. zu vernichten; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das
Urteil ist den Verfahrensbeteiligten am 19. August 1992 zugestellt worden.
Am 28. August 1992 hat die Beklagte, soweit der Klage stattgegeben worden ist,
Berufung eingelegt; soweit die Klage abgewiesen worden ist, hat der Kläger am 9.
September 1992 ebenfalls Berufung eingelegt.
Zur Begründung ihrer Berufung erweitert und vertieft die Beklagte ihr gesamtes
bisheriges Vorbringen und weist insbesondere darauf hin, daß die
Aufgabenzuweisung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BkAG eine ausreichende Rechtsgrundlage
für die Einrichtung und Unterhaltung von kriminalpolizeilichen Sammlungen
darstelle. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKAG genüge auch den Anforderungen an die
Normenklarheit. Der Gesetzgeber werde durch das Gebot hinreichender
Bestimmtheit von Gesetzen nicht gezwungen, Gesetzestatbestände stets mit
exakt faßbaren Maßstäben zu umschreiben; diese seien vielmehr so zu
formulieren, wie es nach der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts und mit
Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Hinzu komme, daß die Sammlung und
Speicherung strafrechtsrelevanter personenbezogener Daten und Unterlagen
durch die zuständigen Behörden unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
gemäß Art. 73 Nr. 10 Buchstabe a Grundgesetz - GG - sowie gem. Art. 87 Abs. 1
Satz 2 GG geboten sei. Selbst wenn die gesetzlichen Grundlagen für die
Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als unzureichend
angesehen würden, führe dies nicht dazu, daß die Sammlung und Speicherung
von personenbezogenen Daten und Unterlagen in kriminalpolizeilichen
Sammlungen unzulässig seien. Aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls
könne es geboten sein, eine Behördenpraxis, die erst aufgrund eines Wandels der
verfassungsrechtlichen Anschauungen die bis dahin angenommene
Übereinstimmung mit der Verfassung verliere, für eine Übergangszeit
hinzunehmen, in der der Gesetzgeber die Gelegenheit habe, die nunmehr
erkannte Regelungslücke zu schließen. Diese Übergangsfrist zur Schaffung
bereichsspezifischer Regelungen sei noch nicht abgelaufen. Der Gesetzgeber habe
inzwischen mehrere Gesetze zum Datenschutz im Sicherheitsbereich
verabschiedet; auch ein Entwurf zur Neufassung des BKAG liege vor. Bis zur
endgültigen Novellierung des BKAG seien bei den zur Entscheidung anstehenden
Fällen Grundrechtseingriffe möglichst zu minimieren; dies dürfe jedoch nicht zur
Funktionsunfähigkeit kriminalpolizeilicher Sammlungen des Bundeskriminalamtes
führen, da ein solcher Zustand der verfassungsrechtlichen Ordnung bei weitem
ferner stünde als der derzeit bestehende.
Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für die Aufbewahrung
kriminalpolizeilicher Daten des Klägers erfüllt. Angesichts der gegen den Kläger
eingeleiteten Verfahren bestehe nach kriminalistischer Erfahrung Anlaß zu der
Annahme, daß der Kläger zukünftig strafrechtlich in Erscheinung treten könne.
Dem stünden die behaupteten Verfahrenseinstellungen nicht entgegen, da weder
die Einstellung eines Verfahrens noch ein Freispruch automatisch zur Vernichtung
der aufbewahrten Informationen führten. Gründe, die die dem Kläger durch die
weitere Aufbewahrung der personenbezogenen Daten auferlegte Belastung als
unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, seien nicht erkennbar. Die
Aufbewahrungsdauer ergebe sich aus Ziffer 5.2.1 der KpS-Richtlinien und ende im
Jahre 1996.
Die Beklagte beantragt,
das am 15. Juli 1992 beratene Urteil des Verwaltungsgerichts
Wiesbaden insoweit aufzuheben, als dadurch der
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Bescheid des Bundeskriminalamtes vom 21. Dezember 1988
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai
1989 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet worden
ist, die beim Bundeskriminalamt über den Kläger gespeicherten
und aufbewahrten personenbezogenen Daten zu
löschen bzw. zu vernichten und die Klage abzuweisen
sowie
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das am 15. Juli 1992 beratene Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden insoweit
zu ändern, als darin die Klage im übrigen abgewiesen worden ist, und
festzustellen, daß die Weitergabe kriminalpolizeilicher Erkenntnisse über den
Kläger am 29. Dezember 1986 an Interpol Madrid rechtswidrig war, sowie
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß das Urteil des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden hinsichtlich des stattgebenden Teils wie folgt neu
gefaßt wird:
Der Bescheid des Bundeskriminalamtes vom 21. Dezember 1988 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 1989 wird aufgehoben und die Beklagte
verpflichtet, die Löschung und Vernichtung der beim Bundeskriminalamt über den
Kläger gespeicherten bzw. aufbewahrten personenbezogenen Daten zu verfügen.
Der Kläger vertritt die Ansicht, die Berufung der Beklagten könne aus den Gründen
der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg haben. Im übrigen müsse auf die
eigene Berufung hin die begehrte Feststellung getroffen werden, da die Beklagte
falsche Daten an Interpol Madrid weitergegeben habe; für ein derartiges Vorgehen
der Beklagten gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte habe bei den für das
Jahr 1971 und 1977 mitgeteilten Ermittlungsverfahren angeführt,
"Verfahrensausgang nicht bekannt" bzw. "Ermittlungen eingestellt, Diebstahl lag
nicht vor". Durch diese Mitteilungen habe der Eindruck entstehen müssen, daß der
Kläger in den Verfahren der Jahre 1966, 1968 und 1969 verurteilt worden sei, was
aber tatsächlich nicht der Fall gewesen sei; in allen Fällen seien die Verfahren
eingestellt worden. Unvollständige und damit falsche Daten dürften aber im
Interpol-Austausch keinesfalls weitergegeben werden. Darüber hinaus sei die
Datenweitergabe aber auch deshalb rechtswidrig, weil hierfür keine
Rechtsgrundlage vorhanden sei. Die §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 Satz 1
BKAG seien nur Aufgabenzuweisungen, stellten jedoch keine Befugnisnormen dar.
Art. 2 Buchstabe a der IKPO-Statuten sei eine reine Zielbestimmung und finde im
übrigen nur im Rahmen der in den einzelnen Ländern geltenden Gesetze
Anwendung. Auch auf der Basis der KpS-Richtlinien lasse sich eine Speicherung
und Weitergabe der Daten nicht rechtfertigen, weil die Voraussetzungen dieser
Vorschrift nicht erfüllt seien. Für die Anfrage von Interpol Madrid habe kein Anlaß
bestanden, der nach den KpS-Richtlinien ausgereicht hätte, Daten aus der
Bundesrepublik Deutschland zu erhalten; auch die Voraussetzungen für eine
Weitergabe der Daten hätten nicht vorgelegen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben
vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind jeweils zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht erhoben worden.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, denn das Verwaltungsgericht hat der
Verpflichtungsklage zu Recht stattgegeben.
Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1
VwGO eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit
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VwGO eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit
nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Der Kläger begehrt eine Entscheidung der
Beklagten über die Löschung und Vernichtung der von der Beklagten aus
präventiv-polizeilichen Gründen gesammelten personenbezogenen Daten sowie
eine im Zusammenhang mit der Verarbeitung dieser Daten stehende
Feststellung.
Statthafte Klageart ist, soweit der Kläger die Löschung und Vernichtung der über
ihn gespeicherten Daten begehrt, die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2.
Alt. VwGO. Die Löschung und Vernichtung der den Kläger betreffenden, in der EDV-
Anlage der Beklagten gespeicherten Daten stellen jeweils die Regelung eines
Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts dar und sind auch auf
unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Betroffen ist hier das Recht des
Klägers auf informationelle Selbstbestimmung, das auch die Befugnis des
einzelnen einschließt, grundsätzlich über die Preisgabe und Verwendung seiner
persönlichen Daten selbst zu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983
- 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83 - BVerfGE 65, 1 (43)). Zwar dient die
Speicherung von Daten und die Vorhaltung erkennungsdienstlicher Unterlagen in
erster Linie verwaltungsinternen Zwecken; da solche Maßnahmen jedoch das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung berühren, kommt ihnen im Verhältnis
zum Kläger Außenwirkung zu.
Die Verpflichtungsklage ist auch begründet, da der Kläger von der Beklagten die
Löschung und Vernichtung der ihn betreffenden, bei der Beklagten gespeicherten
Daten verlangen kann (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Anspruch auf Löschung der gespeicherten Daten ergibt sich aus dem
Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung. Der Folgenbeseitigungsanspruch, der heute
in Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannt ist, wird aus der Verletzung
von Grundrechten sowie aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz hergeleitet (vgl. BVerwG,
Urteile vom 21. September 1984 - 4 C 51.80 - Bay.VBl. 1985, 154; vom 19. Juli
1984 - 3 C 81.82 - DVBl. 1984, 1178). Der Folgenbeseitigungsanspruch beinhaltet
die Verpflichtung der vollziehenden Gewalt, die rechtswidrigen Folgen ihrer
Amtshandlung zu beseitigen.
Die Tatsache, daß die Beklagte die über den Kläger erfaßten Daten in ihren
Datenverarbeitungsanlagen weiterhin gespeichert hält, ist rechtswidrig und verletzt
den Kläger in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Denn für die
weitere Aufbewahrung fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Zwar wird das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet, da
der einzelne Einschränkungen dieses Rechts im überwiegenden allgemeinen
Interesse hinnehmen muß. Diese Beschränkungen bedürfen gemäß Art. 2 Abs. 1
GG jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, aus der sich die
Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger
erkennbar ergeben. Bei den gesetzlichen Regelungen muß der Gesetzgeber ferner
das Gebot der Normenklarheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
beachten, so daß die Einschränkung der Grundrechte nur insoweit zulässig ist, als
es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist. Um der Gefahr einer
Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenzuwirken, setzt die Verwendung
personenbezogener Daten mithin voraus, daß der Gesetzgeber den
Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise bestimmt sowie daß die
Angaben für diesen im Gesetz definierten Zweck geeignet und erforderlich sind.
Schon im Hinblick auf die Gefahren, die durch eine automatisierte
Datenverarbeitung bestehen, ist ein wirksamer Schutz gegen Zweckentfremdung
durch Weitergabe- und Verwertungsverbote erforderlich; darüber hinaus sind
Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten als verfahrensrechtliche
Schutzvorkehrungen wesentlich.
Diesen Anforderungen einer bereichsspezifischen Regelung genügen die §§ 1 Abs.
1, 2 Abs. 1 Nr. 1 BKAG nicht. Diese Normen stellen lediglich Aufgabenzuweisungen
dar, sind aber keine Befugnisnormen. Auch § 14 BDSG vermag an diesem
Ergebnis nichts zu ändern, da dieser Norm die Bereichsspezifität fehlt und sie aus
diesem Grund als Eingriffsermächtigung nicht geeignet ist.
Die Richtlinien für die Führung kriminalpolizeilicher personenbezogener
Sammlungen - KpS - (GMBl. 1981, 120) kommen als Ermächtigungsgrundlage
ebenfalls nicht in Betracht, da sie lediglich verwaltungsinternes Innenrecht
darstellen und mithin nicht die vom Bundesverfassungsgericht geforderte
Normqualität haben.
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Die weitere Speicherung der den Kläger betreffenden Daten, die im Rahmen von
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnen und in die
Datenverarbeitungsanlage der Beklagten aufgenommen worden sind, kann auch
nicht auf § 81 b StPO gestützt werden. Nach dieser Vorschrift dürfen Lichtbilder
und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen
sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit
es für Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des
Erkennungsdienstes notwendig ist. § 81 b StPO enthält zwei Alternativen. Die erste
Alternative betrifft die Durchführung eines konkreten Strafverfahrens, während die
Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung
erkennungsdienstlicher Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen (2. Alt.)
ohne unmittelbaren Zusammenhang mit dem konkreten Strafverfahren der
vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte
Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung
und Aufklärung von Straftaten nach § 163 StPO zugewiesen sind, dienen (vgl.
Hess. VGH, Urteil vom 9. März 1993 - 11 UE 2613/89 - NVwZ-RR 1994, 652). Beide
Alternativen betreffen nur die Anordnung von Maßnahmen gegen einen
"Beschuldigten". Der Begriff des Beschuldigten wird durch die Strafprozeßordnung
definiert und setzt ein konkretes Strafverfahren voraus. Darüber hinaus erlaubt §
81 b StPO die Aufbewahrung und Verwertung der ursprünglich zur Durchführung
eines Strafverfahrens erhobenen Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes,
wenn und soweit zugleich die für die Anfertigung und Aufbewahrung von
erkennungsdienstlichen Unterlagen entwickelten Voraussetzungen vorliegen. Hier
kann die Aufbewahrung bzw. Speicherung der den Kläger betreffenden Daten nicht
auf § 81 b StPO gestützt werden, weil keine von § 81 b StPO erfaßten
erkennungsdienstlichen Unterlagen betroffen sind.
Sonstige Rechtsnormen, die für die weitere Speicherung der Daten des Klägers als
Grundlage in Betracht kommen können, sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dem Bundesgesetzgeber müßte
Gelegenheit gegeben werden, eine die Speicherung und Aufbewahrung
personenbezogener Daten betreffende bereichsspezifische gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage zu schaffen. Zwar ist es grundsätzlich möglich, daß aus
übergeordneten Gründen des Gemeinwohls eine Behördenpraxis, die erst
aufgrund eines Wandels der verfassungsrechtlichen Anschauungen den bis dahin
angenommenen Einklang mit der Verfassung verliert, für eine Übergangszeit
hingenommen werden kann, bis der Gesetzgeber Gelegenheit gehabt hat, die
Regelungslücke zu schließen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990 - 1 C 42.83 -
BVerwGE 84, 375 (384)); diese Übergangszeit ist jedoch inzwischen abgelaufen.
Seit Erlaß des Volkszählungsurteils durch das Bundesverfassungsgericht im Jahre
1983 ist dem Gesetzgeber bekannt, daß ein konkreter Handlungsbedarf besteht.
Seitdem sind nahezu 12 Jahre verstrichen, ohne daß bereichsspezifische
Regelungen betreffend die Speicherung und Verwendung von Daten durch das
Bundeskriminalamt erlassen worden wären. Rechtswidrige Eingriffe in das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung länger zu dulden, obwohl der Gesetzgeber
inzwischen ausreichend Zeit für die Beratung und den Beschluß entsprechender
Regelungen hatte, ist selbst im Hinblick auf die zwischen Bund und Ländern zu
treffende Abstimmung und angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit der
Regelungsmaterien nicht vertretbar. Auch der Einwand, im Interesse der
Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen müßten Grundrechtseingriffe
hingenommen werden, um nicht zu Zuständen zu gelangen, die der
verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünden, vermag unter
Berücksichtigung des verstrichenen langen Zeitraums Verletzungen des Rechts
auf informationelle Selbstbestimmung jedenfalls im vorliegenden Fall nicht länger
zu rechtfertigen.
Der Kläger kann von der Beklagten auch die Vernichtung der ihn betreffenden
personenbezogenen Daten verlangen. Dieser Anspruch ergibt sich ebenfalls aus
dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung. Denn die Speicherung und
Aufbewahrung personenbezogener Daten zu Zwecken der vorbeugenden
Verbrechensbekämpfung war nicht notwendig, da die anläßlich der gegen den
Kläger gerichteten Strafverfahren festgestellten Sachverhalte nach
kriminalistischer Erfahrung angesichts der Umstände des Einzelfalles,
insbesondere der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen in dem
strafrechtlichen Verfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie
des Zeitraumes, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung
getreten ist, keine Anhaltspunkte für die Annahme boten, daß der Kläger
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getreten ist, keine Anhaltspunkte für die Annahme boten, daß der Kläger
gegenwärtig oder künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis
potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung hätte
einbezogen werden können und die gespeicherten Daten die dann zu führenden
Ermittlungen, den Kläger schließlich überführend oder entlastend, hätten fördern
können (BVerwG, Beschluß vom 12. Juli 1989 - 1 B 85.89 - DÖV 1990, 117).
Die strafrechtlichen Verfahren aus den Jahren 1966 bis 1977 wurden mit einer
Ausnahme (1966 Ladendiebstahl) eingestellt. Die Tatsache, daß auch die
spanischen Behörden zwischen 1983 und 1986 gegen den Kläger verschiedene
Ermittlungsverfahren eingeleitet haben, ist nicht zuletzt auf Auseinandersetzungen
des Klägers mit einer Gesellschaft zurückzuführen, die am Erwerb des
Klägerischen Grundstücks interessiert war. Demgegenüber kann der Umstand,
daß sich der Kläger über mehrere Jahre hinweg illegal in Spanien aufgehalten hat
und dort einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, im Zusammenhang mit der
Aufbewahrung strafrechtlicher Unterlagen keine Rolle spielen, da es sich hierbei
(nach deutschem Recht) lediglich um eine mit Bußgeld bewehrte
Ordnungswidrigkeit handelt. Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte vor, die darauf
hindeuten, daß es sich bei dem Kläger um eine Person handelt, bei der damit
gerechnet werden muß, daß sie strafrechtlich in Erscheinung treten könnte. Dies
folgt vor allem daraus, daß die Mehrzahl der gegen den Kläger eingeleiteten
Verfahren eingestellt wurde, so daß diese Verfahren grundsätzlich ohnehin nicht
geeignet sind, die Prognose einer Wiederholungsgefahr zu stützen (vgl. Hess.
VGH, Urteil vom 9. März 1993 - 11 UE 2613/89 - NVwZ-RR 1994, 652, 655).
Darüber hinaus liegen die Vorgänge aus den Jahren 1966 bis 1971 derart lange
zurück, daß hieraus keine Anhaltspunkte mehr für die Annahme hergeleitet
werden können, daß der Kläger gegenwärtig oder zukünftig mit guten Gründen als
Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden
strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und die gespeicherten Daten die
dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten.
Dessen ungeachtet folgt der Anspruch des Klägers auf Löschung und Vernichtung
der ihn betreffenden personenbezogenen Daten aber auch unmittelbar aus der
Anwendung der KpS-Richtlinien. Geht man davon aus, daß die in Nr. 5.2 der
Richtlinien vorgesehenen Aussonderungsfristen mit rechtsstaatlichen Grundsätzen
noch vereinbar sind, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die den Kläger
betreffenden Eintragungen im Jahre 1981 zu löschen. Denn zu diesem Zeitpunkt
war die in Nr. 5.2.1 der Richtlinien geregelte 10-Jahresfrist abgelaufen. Danach sind
Unterlagen regelmäßig dann auszusondern, wenn bei dem Betroffenen 10 Jahre
lang die Voraussetzungen für eine Aufnahme von Erkenntnissen in die KpS nicht
vorlagen. Zwar hat die Beklagte im Jahre 1977 noch einmal ein Verfahren wegen
Verdachts des "Diebstahls aus PKW" gespeichert; diese Speicherung hätte jedoch
spätestens wieder entfernt werden müssen, als sich herausstellte, daß das
Ermittlungsverfahren eingestellt worden war, weil ein Diebstahl nicht vorgelegen
hatte. Die Voraussetzungen der Nr. 2.2 für die Aufnahme in die KpS lagen nämlich
zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Mithin mußte die Beklagte davon ausgehen,
daß sich im Jahre 1971 das letzte für die Speicherung maßgebende Ereignis
ereignet hatte, mit der Folge, daß spätestens nach 10 Jahren die Eintragungen zu
löschen gewesen wären. Dessen ungeachtet ist der Senat aber der Ansicht, daß
im Falle des Klägers ohnehin eine kürzere Frist hätte festgesetzt werden müssen,
da nach Nr. 5.2.2 der Richtlinien in Fällen von geringer Bedeutung die
Aussonderung grundsätzlich nach kürzerer Frist zu erfolgen hat, wobei bereits bei
der Einstellung die entsprechend verkürzten Fristen festzulegen sind. Gegen diese
Regelung hat die Beklagte erkennbar verstoßen, da sämtliche dem Kläger in den
Jahren 1966 bis 1977 vorgeworfenen Delikte von nur geringem Unwertgehalt waren
und somit als Fälle von geringer Bedeutung angesehen werden müssen.
Für die Bemessung der Löschungsfristen ist darüber hinaus auch zu
berücksichtigen, daß in den §§ 474 ff. StPO, die sich mit den
staatsanwaltschaftlichen Registern und den dafür geltenden Löschungsfristen
befassen, bei nicht nur vorläufigen Verfahrenseinstellungen grundsätzlich eine 2-
jährige Löschungsfrist vorgesehen ist (§ 476 Abs. 2 Satz 2 StPO). Angesichts einer
derartigen Regelung dürfte es im Falle des Klägers nicht mehr verhältnismäßig
sein, von einer 10-jährigen Löschungsfrist auszugehen.
Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2
VwGO zurückzuweisen.
Die Berufung des Klägers ist begründet, weil das Verwaltungsgericht die
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Die Berufung des Klägers ist begründet, weil das Verwaltungsgericht die
Feststellungsklage zu Unrecht abgewiesen hat.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Das Feststellungsinteresse folgt aus der Tatsache, daß die grundrechtswidrige
Speicherung der den Kläger betreffenden Personendaten eine schwere Verletzung
des dem Kläger zustehenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
darstellt.
Die Feststellungsklage ist auch begründet.
Die Weitergabe der beim Bundeskriminalamt über den Kläger gespeicherten
personenbezogenen Daten an Interpol Madrid am 29. Dezember 1986 war
rechtswidrig, denn die Daten hätten, wie oben dargelegt wurde, spätestens 1981
gelöscht werden müssen. Die Beklagte war aber zum damaligen Zeitpunkt auch
aufgrund der Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKAG i.V.m.
den KpS-Richtlinien und den IKPO-Statuten nicht berechtigt, die den Kläger
betreffenden personenbezogenen Daten an die spanischen Behörden
weiterzugeben. Zwar war die Übergangszeit für ein gesetzgeberisches Tätigwerden
zum Erlaß einer bereichsspezifischen gesetzlichen Regelung damals noch nicht
abgelaufen.
Das Bundeskriminalamt mag zur Erfüllung des in Art. 2 a der IKPO-Statuten
bestimmten Ziels einer möglichst umfassenden gegenseitigen Unterstützung aller
Kriminalpolizeibehörden auch grundsätzlich berechtigt gewesen sein, unter
bestimmten Voraussetzungen personenbezogene Daten an ausländische
Polizeibehörden zu übermitteln. Diese Übermittlung stand im Falle des Klägers
jedoch nicht im Einklang mit Nr. 3.5.13 der KpS-Richtlinien. Danach dürfen
Informationen auch an andere in- oder ausländischer Stellen unter Beachtung der
datenschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes übermittelt werden, wenn dies zur
Aufklärung oder Verhütung von Straftaten oder zur Abwehr erheblicher Gefahren
im In- oder Ausland notwendig ist. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden
Fall nicht erfüllt. Zum einen ließen weder die über den Kläger von der Beklagten
gespeicherten Straftaten erkennen, daß es sich bei dem Kläger um einen
Straftäter mit erheblicher krimineller Energie handelte. Zum anderen betrafen
auch die von den spanischen Ermittlungsbehörden benannten Vorgänge keine
Delikte, die von erheblicher krimineller Energie gezeugt hätten. Die Behörden
waren und sind daher bei der Weitergabe personenbezogener Daten verpflichtet,
jeweils im Einzelfall genau zu prüfen, ob das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung nicht den berechtigten Belangen in- oder ausländischer
Strafverfolgungsbehörden an der Erlangung von Informationen vorgeht. Diese
Überprüfung hätte im Falle des Klägers jedenfalls dazu führen müssen, daß eine
Weitergabe der über den Kläger gespeicherten Daten angesichts des
Übermittlungsersuchens unverhältnismäßig war. Außerdem dürfen sich
Mitteilungen nicht auf die Angabe des Straftatbestandes beschränken, wenn die
betreffenden Verfahren eingestellt worden sind.
Mithin ist auf die Berufung des Klägers das angefochtene Urteil insoweit
aufzuheben und der Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden
Kostenfolge stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage, ob für die von der Beklagten
vorgenommene Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers sowie für
die Weitergabe dieser Daten an spanische Behörden eine ausreichende
gesetzliche Ermächtigungsgrundlage bestand, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.