Urteil des HessVGH vom 10.03.1988

VGH Kassel: rechtliches gehör, abschiebung, organisation, demonstration, erkenntnis, bundesamt, ausnahme, folter, quelle, glaubhaftmachung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TG 927/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 123 VwGO, § 130 Abs 1
Nr 2 VwGO, § 14 AuslG
(Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht an das
Erstgericht im Rahmen eines Eilverfahrens gegen eine
Abschiebungsandrohung)
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen
Umfang begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses - mit
Ausnahme der Streitwertfestsetzung - und zur Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.
Der angegriffene Beschluß leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln, die die
Zurückverweisung in die erste Instanz erfordern; das Verwaltungsgericht hat
nämlich in besonders schwerer Weise gegen seine Verpflichtung verstoßen, den
Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verschafft den Verfahrensbeteiligten ein
Recht darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen
zweckentsprechend und erschöpfend erklären zu können, und verpflichtet das
Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung
zu ziehen (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 86 Abs. 2 und 3, 104 Abs. 1, 108 Abs. 1 Satz
2 und Abs. 2 VwGO; ferner Hess. VGH, B. v. 25. November 1986 - 10 TE 2696/86 -
und v. 1. Dezember 1986 - 10 TE 2974/86 -, jeweils m.w.N.). Im Asylverfahren ist
den Beteiligten deshalb Gelegenheit zur Stellungnahme zu tatsächlichen
Feststellungen über die Verhältnisse in dem angeblichen Verfolgerstaat und zu
den betreffenden Erkenntnisquellen - auch wenn sie "gerichtsbekannt" sind - zu
geben, soweit es sich nicht um allgemein bekannte Tatsachen handelt, die den
Beteiligten gegenwärtig und als entscheidungserheblich bewußt sind (Hess. VGH,
B. v. 17. Dezember 1986 - 10 TE 3171/86 und v. 1. Oktober 1987 -12 TE 1398/84 -
).
Der Antragsteller hatte bereits in seinem Asylantrag vom 6. Mai 1986 substantiiert
dargelegt, daß er vor seiner Ausreise aus der Türkei seit dem Jahre 1983
Flugblätter und Zeitschriften kurdischer Freiheitskämpfer verbreitet und letztere
auch finanziell unterstützt habe, ferner daß er nach der Gründung der "HRK
(Kurdisch-Nationale Befreiungsarmee)" im August 1984 für diese Organisation
tätig gewesen sei, indem er u.a. für ihre Ziele geworben habe, schließlich daß er
um die Jahreswende 1983/84 erfahren habe, daß Polizisten nach ihm suchten, und
daß er letztendlich ausgereist sei, nachdem er sich auch bei andernorts
wohnenden Verwandten nicht mehr sicher gefühlt habe, weil diese den Behörden
als Sympathisanten des kurdischen Befreiungskampfes bekannt gewesen seien. In
der Begründung seiner Verbundklage - VG Wiesbaden II E 5434/87 vom 26. Mai
1987 hat der Antragsteller den betreffenden Vortrag teilweise wiederholt und
dahingehend konkretisiert bzw. ergänzt, daß die seinerzeit verteilten Flugblätter
und Zeitungen in kurdischer Schrift abgefaßt gewesen seien sowie daß er "Geld
gesammelt und zur Unterstützung der HRK (Heza Rizgarya Kurdistan)
weitergeleitet" habe. Der gesamte vorgenannte Vortrag des Antragstellers ist im
Sachverhaltsteil (Abschnitt I) der Gründe des angegriffenen Beschlusses -
abgesehen von der Anführung des Asylantrags als solchen - nicht erwähnt; in den
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abgesehen von der Anführung des Asylantrags als solchen - nicht erwähnt; in den
rechtlichen Ausführungen (Abschnitt II) könnte der betreffende Vortrag allenfalls
dadurch angesprochen sein, daß es heißt, die "des weiteren erwähnten Aktivitäten"
seien nicht asylrelevant (S. 4, 1. Abs.). Hieraus wird weder deutlich, ob das
Verwaltungsgericht überhaupt die betreffenden Vorfluchttatbestände gemeint hat
- oder möglicherweise nur ebenfalls vorgetragene Nachfluchtaktivitäten -, noch ist
ersichtlich, aus welchen Quellen das Verwaltungsgericht - obgleich in das
vorliegende Verfahren, in das vorausgegangene Eilverfahren nach §§ 80 Abs. 5
VwGO i.V.m. 11 Abs. 2 und 10 Abs. 2 AsylVfG (VG Wiesbaden II H 20516/87) und in
das laufende Hauptsacheverfahren keine Dokumente eingeführt worden sind -
seine Erkenntnis hergeleitet hat, der Antragsteller müsse im Rückkehrfalle
allenfalls mit einer "sicherheitsrechtlichen" Überprüfung rechnen. Die an anderer
Stelle (S. 4, 2. Abs., vorletzter Satz des angegriffenen Beschlusses) erfolgte
Bezugnahme auf die Gründe des Bundesamtsbescheids vom 10. Februar 1987
ändert an dem festgestellten Verfahrensfehler nichts. Denn das Bundesamt hat
seinerseits die fraglichen Vorfluchttatbestände rechtlich nicht erwogen, sondern
sich insoweit mit der Feststellung begnügt, der Sachvortrag des Antragstellers sei
"nur in rein strafrechtlicher Hinsicht zu würdigen", und zur Begründung hierfür u.a.
Ausführungen über die "PKK" gemacht (S. 8, vorletzter Absatz, bis S. 11, 1. Abs.),
ohne in irgendeiner Weise die Relevanz dieser Organisation für den vorliegenden
Fall zu verdeutlichen, in dem sich der Antragsteller - wie dargelegt - auf Aktivitäten
für die "HRK" beruft. Da das Verwaltungsgericht überdies ausgeführt hat, wegen
der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers sei davon auszugehen, daß er sich
nicht auf Verfolgungsgründe berufen könne (S. 4, 2. Abs., Satz 2, des
angegriffenen Beschlusses), und da es auch in dem global in Bezug genommenen
Bundesamtsbescheid heißt, alle Umstände deuteten darauf hin, daß der
Antragsteller zu keiner Zeit auch nur Furcht vor politischer Verfolgung empfunden
habe (S. 5, 1. Abs.), und außerdem spreche gegen seine Glaubwürdigkeit und
gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens, daß er in einem Möbeltransporter
versteckt ausgereist sein wolle (S. 7, 1. Abs.), bleibt unklar, ob das
Verwaltungsgericht die vom Antragsteller angegebenen Vorfluchtaktivitäten
möglicherweise schon nicht für glaubhaft gemacht erachtet hat.
Desweiteren hatte der Antragsteller in seinem Asylantrag vom 6. Mai 1986
substantiiert dargetan, daß er am 1. März 1986 am Newroz-Fest des "Kultur- und
Unterstützungsvereins des Kurdischen Volkes e.V." in Frankfurt am Main und am
15. März 1986 am Newroz-Fest der "Feyka Kurdistan e.V." in Duisburg
teilgenommen habe und daß bei dem letztgenannten Anlaß von der Polizei seine
Personalien festgestellt worden seien, ferner daß er sich am 1. Mai 1986 an einer
Demonstration in Frankfurt am Main beteiligt und Unterschriften für eine
Kampagne gegen "Folter, Massenmorde und Deportationen in Kurdistan"
gesammelt habe. In der Klagebegründung vom 26. Mai 1987 hat der Antragsteller
auch dieses Vorbringen teilweise dahingehend modifiziert und ergänzt, daß er bei
der Demonstration am 1. Mai 1986 mit einem Transparent "Gegen Folter,
Massenmord und Deportation in Kurdistan" teilgenommen und protestiert habe,
daß er außerdem bei einer Solidaritätsdemonstration für die "HRK" am 31. März
1986 in Bonn, bei einer Demonstration gegen die türkische Regierung am 28.
Februar 1987 in Frankfurt am Main und bei einer Protestdemonstration gegen das
Bombardement von kurdischen Stellungen im Irak durch türkisches Militär am 4.
März 1987 vor dem türkischen Konsulat in Frankfurt am Main dabeigewesen sei;
für die beiden letztgenannten Demonstrationsteilnahmen hat der Antragsteller
Beweis durch Vernehmung eines namentlich und mit ladungsfähiger Anschrift
benannten Zeugen und durch in der mündlichen Verhandlung vorzulegende
Lichtbilder angeboten; schließlich hat er angegeben, im Bereich Groß-Umstadt
Flugblätter, die zur Unterstützung des kurdischen Widerstandes aufriefen, sowie
die Zeitschrift Serxwebun zu verteilen. Auch dieser gesamte Vortrag betreffend
Nachfluchtaktivitäten des Antragstellers ist in dem angegriffenen Beschluß des
Verwaltungsgerichts - abgesehen von der oben zitierten Passage über die "des
weiteren erwähnten Aktivitäten" - mit keinem Wort angesprochen; insbesondere
fehlt jeder Anhalt dafür, daß das Verwaltungsgericht die Klagebegründung vom 26.
Mai 1987 überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Zwar sind in dem - global in
Bezug genommenen - Bundesamtsbescheid vom 10. Februar 1987 weitgehend
allgemein gehaltene Ausführungen zu Nachfluchtaktivitäten enthalten (S. 11,
vorletzter Abs., bis S. 14, 1. Abs.); indessen waren die in der Klagebegründung
vorgetragenen seinerzeit noch nicht bekannt. Unter diesen Umständen durfte sich
das Verwaltungsgericht nicht auf die bloße Bemerkung beschränken, daß "Gründe,
die eine andere Beurteilung rechtfertigten, ... weder vorgetragen noch ersichtlich"
seien. Darüber hinaus liegt eine gravierende Verletzung des Grundsatzes des
rechtlichen Gehörs auch darin, daß das Verwaltungsgericht es in bezug auf die
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rechtlichen Gehörs auch darin, daß das Verwaltungsgericht es in bezug auf die
Nachfluchtaktivitäten ebenfalls unterlassen hat, die maßgeblichen - aktuellen -
Erkenntnisquellen in das Verfahren einzuführen, zumal auch das Bundesamt - mit
einer Ausnahme - keine entsprechenden Dokumente zitiert hat, sondern lediglich
ältere Gerichtsurteile, von denen das jüngste vom 21. März 1985 datiert (vgl. S.
13, vorletzter Abs., des Bescheids vom 10. Februar 1987).
Das Verwaltungsgericht hat das rechtliche Gehör des Antragstellers schließlich ein
weiteres Mal dadurch verletzt, daß es sich hinsichtlich der Asylrelevanz der
kurdischen Volkszugehörigkeit des Antragstellers darauf beschränkt hat, es als
"mittlerweile gesicherte Erkenntnis" zu bezeichnen, daß Kurden allein deswegen
keinen Verfolgungsmaßnahmen unterlägen, ohne auch insoweit nur eine einzige
Quelle für diese Erkenntnis in das Verfahren eingeführt zu haben (vgl.
demgegenüber die aktuelle Liste der insoweit einschlägigen Dokumente in Hess.
VGH, U. v. 1. Februar 1988 - 12 OE 419/82 -).
Außerdem hat das Verwaltungsgericht einen schweren Verfahrensfehler dadurch
begangen, daß es den mit Schriftsatz vom 19. November 1987 gestellten zweiten
Prozeßkostenhilfeantrag für das dem vorliegenden Beschwerdeverfahren
zugrundeliegende Antragsverfahren bis heute nicht beschieden hat. Zwar ist ein
erster Prozeßkostenhilfeantrag des Antragstellers vom 16. Juni 1987 - wenngleich
ebenfalls mit ungebührlicher Verzögerung - mit am 6. November 1987
zugestelltem Beschluß vom 13. Oktober 1987 mit der Begründung abgelehnt
worden, daß dem Antragsteller wegen des seinerzeit noch nicht rechtskräftig
abgeschlossenen Antragsverfahrens nach §§ 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. 11 Abs. 2 und
10 Abs. 2 AsylVfG keine Abschiebung drohe. Demgegenüber wurde der nach
rechtskräftigem Verfahrensabschluß - die betreffende Beschwerdeentscheidung
des Senats war am 12. bzw. 13. November 1987 zugestellt worden - und damit
nach veränderter Sachlage erneut gestellte Prozeßkostenhilfeantrag vom 19.
November 1987 vom Verwaltungsgericht offenbar gar nicht als solcher erkannt,
obwohl ihm aktuelle Prozeßkostenhilfeunterlagen beigefügt waren, sondern
schlicht zu den Akten genommen. Dadurch hat das Verwaltungsgericht nicht nur
gegen seine Verpflichtung zur unverzüglichen Entscheidung über
Prozeßkostenhilfeanträge verstoßen (vgl. hierzu Hess. VGH, B. v. 3. September
1982 - X TE 11/82 - und v. 1. Dezember 1987 - 12 TP 2840/87 -); das
Verwaltungsgericht hat den Antragsteller vielmehr auch mit der Sachentscheidung
vom 12. Januar 1988 überrascht und ihm damit die Möglichkeit weiterer
Glaubhaftmachung in dem dem vorliegenden Beschwerdeverfahren
zugrundeliegenden Antragsverfahren abgeschnitten, denn der Antragsteller durfte
damit rechnen, daß zunächst über den zweiten Prozeßkostenhilfeantrag
entschieden werden würde.
Bei der sonach in mehrfacher Hinsicht erfolgten Verletzung der Verpflichtung zur
Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall
handelt es sich um wesentliche Mängel i.S.d. § 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Rechtliches
Gehör zu gewähren, gehört seit jeher zu den vornehmsten Pflichten des Richters,
und deshalb wird es im gesamten Prozeßrecht als schwerwiegende und
folgenreiche Unterlassung behandelt, wenn ein Gericht unter Mißachtung des
Urrechts des Menschen auf rechtliches Gehör "kurzen Prozeß" mit den Beteiligten
macht (vgl. dazu Hess. VGH, B. v. 25. November 1986 - 10 TE 2696/86 -).
Gehörsverletzungen rechtfertigen sowohl die Zulassung der Revision im
allgemeinen Verwaltungsprozeß und die Zulassung der Berufung im
Asylstreitverfahren (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 32 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. §
138 Nr. 3 VwGO) als auch die Einlegung der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 1
BVerfGG). Von besonderer Bedeutung ist die ordnungsgemäße Gewährung
rechtlichen Gehörs in den asylrechtlichen Eilverfahren nach Ablehnung eines
Asylantrags als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt und nach
Feststellung der Unbeachtlichkeit - insbesondere bei einem Folgeantrag - durch
die Ausländerbehörde (Hess. VGH, B. v. 2. Februar 1987 - 10 TH 61/87 -, EZAR 632
Nr. 6 = NVwZ 1987, 525). In Fällen der vorliegenden Art, in denen aus formellen
Gründen - hier wegen Versäumung der Antragsfrist nach § 10 Abs. 3 Satz 3
AsylVfG - eine materiell-rechtliche Überprüfung der Asylgründe im dafür an sich
vorgesehenen Eilverfahren nicht erfolgen konnte und in denen der Antragsteller
sich nunmehr unter Berufung auf das "kleine Asyl" des § 14 AuslG gegen die ihm
angedrohte Abschiebung wendet, gilt nichts anderes. Auch hier sind, soll das
vorläufige Bleiberecht des Asylbewerbers schon vor Abschluß des gerichtlichen
Hauptsacheverfahrens beendet werden, höhere Anforderungen an die
Richtigkeitsgewißheit zu stellen als sonst im Verwaltungs- und
Verwaltungsprozeßrecht. Kommt es nach alledem bei der gerichtlichen
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Verwaltungsprozeßrecht. Kommt es nach alledem bei der gerichtlichen
Entscheidung eines unter Berufung auf § 14 AuslG betriebenen einstweiligen
Anordnungsverfahrens zu Verstößen gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs in
der Weise, daß der betroffene Ausländer über die maßgeblichen Erkenntnisquellen
nicht unterrichtet und sein Vorbringen teilweise nicht zur Kenntnis genommen und
erwogen wird, dann besteht die Gefahr, daß mit der Vollziehung der ihm
angedrohten Abschiebung sein möglicher Asylanspruch endgültig vernichtet wird.
Infolgedessen ist in einem solchen Fall mit der Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör zugleich ein Eingriff in die grundrechtliche Gewährleistung des
Asylrechts verbunden.
Angesichts der Schwere der festgestellten Verfahrensverstöße und der Bedeutung
einer verfahrensfehlerfreien Behandlung von Eilverfahren der vorliegenden Art hält
es der Senat für erforderlich von der Möglichkeit der Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Gebrauch zu machen. Daß gegen die
Zulässigkeit einer derartigen Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht
auch in Eilverfahren und auch im Hinblick auf § 32 Abs. 7 AsylVfG keine
durchgreifenden Bedenken bestehen, hat der ebenfalls für Asylsachen zuständige
10. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 2. Februar 1987 - 10 TH
61/87 -) näher dargelegt; hierauf wird zunächst verwiesen. In Fallkonstellationen
wie der vorliegenden ergeben sich aus § 32 Abs. 7 AsylVfG um so weniger
Bedenken gegen eine Zurückverweisung, als die Frage politischer Verfolgung nicht
auf der Grundlage des Asylverfahrensgesetzes, sondern lediglich im
ausländerrechtlichen Gewand des § 14 AuslG zur Prüfung ansteht. Andererseits ist
hier nicht - wie in § 10 Abs. 3 Satz 7 AsylVfG - gesetzlich vorgeschrieben, daß die
Abschiebung zunächst ausgesetzt wird. Dies spricht jedoch nicht entscheidend
gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Zurückverweisung, sondern allenfalls -
je nach Lage des konkreten Falles - gegen deren Zweckmäßigkeit. Vorliegend hält
der Senat eine Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht angesichts der
besonderen Einzelfallumstände für geboten. Hierfür spricht nicht nur die - mehr
allgemeine - Erwägung, daß der Überlastung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs durch Verfahren, die allein wegen Mißachtung der
Vorschriften über die Gewährung rechtlichen Gehörs rechtshängig werden,
vorgebeugt werden muß (vgl. hierzu Hess. VGH, B. v. 2. Februar 1987 - 10 TH
61/87 -). Hinzu kommt vielmehr, daß nach Auffassung des Senats im vorliegenden
Fall durch eine Zurückverweisung eine wesentliche Verzögerung nicht eintreten
muß; denn dem Verwaltungsgericht ist es im Rahmen des noch rechtshängigen
Hauptsacheverfahrens, in dem ohnehin schwerlich ohne mündliche Verhandlung
entschieden werden kann, ohne weiteres möglich, die erforderlichen
Aufklärungsmaßnahmen mit Nutzen auch für das vorliegende Verfahren in die
Wege zu leiten. Demgegenüber würde eine solche Verfahrensweise im
vorliegenden Beschwerdeverfahren dieses überfrachten und zu einer - teilweise
parallel gelagerten - Doppelbearbeitung durch Beschwerde- und Erstgericht
führen. Hierfür besteht um so weniger Veranlassung, als der Antragsgegner der
Bitte des Senats, weiterhin von Abschiebemaßnahmen abzusehen, nicht
unverzüglich widersprochen hat, so daß dem Antragsteller jedenfalls ohne
vorherige Unterrichtung der Gerichte keine Abschiebung und damit keine
irreparablen Folgen drohen. Sollte indessen der Antragsgegner eine Abschiebung
vor rechtskräftigem Abschluß des vorliegenden Verfahrens ankündigen, so kann
das Verwaltungsgericht nach Zurückverweisung den erforderlichen Rechtsschutz
ebenso gewährleisten, wie dies der Senat im Beschwerdeverfahren könnte.
Nach der somit gebotenen Zurückverweisung wird das Verwaltungsgericht das
gesamte Vorbringen des Antragstellers im einzelnen in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht - und zwar, soweit es sich als schlüssig erweisen sollte, u. a.
unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zur politischen
Motivation einer Bestrafung nach den türkischen Staatsschutzbestimmungen (vgl.
hierzu etwa Hess. VGH, U. v. 28. November 1985 - X OE 598/82 - und v. 13.
November 1986 - X OE 416/82 -, jeweils bestätigt durch BVerwG, U. v. 19. Mai
1987, NVwZ 1987, 895 = DVBl. 1987, 1115 = DÖV 1987, 969 = EZAR 200 Nr. 19,
und B. v. 5. November 1987 - 9 B 40.87 -) - zu überprüfen und erforderlichenfalls
den Beweisangeboten nachzugehen haben, mindestens aber dem Antragsteller
Gelegenheit zur Glaubhaftmachung (etwa durch Vorlage eidesstattlicher
Versicherungen von ihm selbst und der als Zeugen benannten Person sowie der
erwähnten Lichtbilder) zu geben haben. Außerdem werden
Aufklärungsbemühungen bezüglich der vom Antragsteller erwähnten Organisation
"HRK" einzuleiten sein, insbesondere auch hinsichtlich einer evtl. Beziehung zur
"PKK", die im Bundesamtsbescheid allein angesprochen worden ist. Desweiteren
wird das Verwaltungsgericht möglichst aktuelle Erkenntnisquellen für die von ihm
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wird das Verwaltungsgericht möglichst aktuelle Erkenntnisquellen für die von ihm
zu treffenden tatsächlichen Feststellungen in das Verfahren einzuführen (vgl. zu
Nachfluchtaktivitäten etwa die in den Beschlüssen des Senats v. 22. Dezember
1987 - 12 TH 2452/87 - und v. 22. Februar 1988 - 12 TH 1979/87 - angeführten
Dokumente) und außerdem vor dem Erlaß einer Sachentscheidung über das
Prozeßkostenhilfegesuch vom 19. November 1987 zu befinden haben.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlußentscheidung
vorbehalten.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2 S. 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.