Urteil des HessVGH vom 05.07.2010
VGH Kassel: wiedereinsetzung in den vorigen stand, mediation, rechtsmittelbelehrung, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, dokumentation, form, mediator
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 A 2893/09.Z
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 124a Abs 4 VwGO, § 114
ZPO, § 166 VwGO
(PKH für Berufungszulassung; beabsichtigtes
Mediationsverfahren)
Leitsatz
1. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes
Berufungszulassungsverfahren ist nicht nur innerhalb der einmonatigen Frist für den
Berufungszulassungsantrag zu stellen, innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist
sind vielmehr auch von einem anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller die in Betracht
kommenden Zulassungsgründe jedenfalls in laienhafter Weise und in groben Zügen
darzulegen.
2. Von dieser Darlegungspflicht ist ein Antragsteller nicht dadurch entbunden, dass er
innerhalb der Begründungsfrist das Angebot einer "gerichtsnahen Mediation" annimmt.
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Berufungszulassungsverfahren
Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Berufungszulassungsverfahren konnte zwar gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO ohne
Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten vom Kläger selbst gestellt werden
und ist auch von ihm persönlich innerhalb der einmonatigen
Berufungszulassungsantragsfrist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO am 29.
Oktober 2009 bei dem für die Stellung des Zulassungsantrags zuständigen
Verwaltungsgericht und damit bei dem für die Einlegung des
Prozesskostenhilfeantrags zuständigen „Prozessgericht“ i.S.d. § 166 VwGO i.V.m.
§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingereicht und von dort an den Hessischen
Verwaltungsgerichtshof als für die Entscheidung über das
Prozesskostenhilfegesuch zuständiges „Prozessgericht“ weitergeleitet worden (vgl.
dazu Hess. VGH, Beschluss vom 6. November 2002 - 4 TP 1484/02 u.a. - NVwZ-RR
2003 S. 390 ff. = ESVGH 53 S. 83 ff. = juris Rdnrn. 8 und 11 m.w.N. auch auf a.A.).
Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die gemäß § 114 Satz 1 ZPO
i.V.m. § 166 VwGO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der mit einem
Berufungszulassungsantrag beabsichtigten Rechtsverfolgung des Klägers nicht
festgestellt werden kann.
Für diese Prüfung des Berufungsgerichts ist die Darlegung der nach Ansicht des
Antragstellers gegebenen Zulassungsgründe erforderlich. Im Hinblick auf einen
späteren, einer Prozesskostenhilfebewilligung nachfolgenden
Wiedereinsetzungsantrag bedarf es deshalb nicht nur eines innerhalb der
einmonatigen Zulassungsantragsfrist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO zu
stellenden Prozesskostenhilfeantrags, sondern auch einer innerhalb der
zweimonatigen Begründungsfrist des Satzes 4 dieser Vorschrift abzugebenden
Begründung des beabsichtigten Zulassungsantrags, denn die gerichtliche Prüfung
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Begründung des beabsichtigten Zulassungsantrags, denn die gerichtliche Prüfung
seiner Erfolgsaussicht ist auf das beschränkt, was der Antragsteller form- und
fristgerecht selbst vorgetragen hat (vgl. zur vergleichbaren Fallgestaltung einer
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision: BVerwG, Beschlüsse vom 1.
September 1994 - 11 PKH 4/94 - juris Rdnr. 6 und vom 25. Mai 2007 - 8 PKH 3/07 -
juris Rdnr. 6). Aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelbelehrung ist auch für
einen - wie hier - anwaltlich nicht beratenen Kläger ohne Weiteres erkennbar, dass
ein Zulassungsantrag durch einen Bevollmächtigten nicht nur binnen eines Monats
zu stellen, sondern auch binnen zweier Monate nach der Urteilszustellung zu
begründen ist, so dass sich einem finanziell an einer solchen Bevollmächtigung
gehinderten Kläger der Gedanke aufdrängen muss, innerhalb beider Fristen den in
der Rechtsmittelbelehrung genannten Gerichten gegenüber selbst entsprechende
Erklärungen abzugeben und für die notwendige Rechtsanwaltsbeauftragung die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beantragen (vgl. ähnlich: BVerwG, Beschluss
vom 7. April 1994 - 1 PKH 8/94 - juris Rdnr. 2).
Für die Begründung sind an einen nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller keine
überspannten Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn er - gemäß der ihm im
anzufechtenden verwaltungsgerichtlichen Urteil erteilten Rechtsmittelbelehrung -
in laienhafter Weise und in groben Zügen darlegt, welchen der Zulassungsgründe
des § 124 Abs. 2 VwGO er im Berufungszulassungsverfahren geltend machen will
und warum er dessen Voraussetzungen für gegeben hält (vgl. Hess. VGH,
Beschluss vom 6. November 2002 a.a.O. Rdnr. 12).
Diesen Anforderungen wird das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers schon
deshalb nicht gerecht, weil er bis zum Ablauf der zweimonatigen Begründungsfrist
am 30. November 2009 keinerlei Zulassungsgründe gegenüber dem Hessischen
Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat.
Von diesem Erfordernis ist er auch nicht deshalb entbunden, weil er an diesem Tag
dem Berufungsgericht schriftlich mitgeteilt hat, die mit der gerichtlichen
Eingangsverfügung vom 11. November 2009 angebotene Möglichkeit einer
„gerichtsnahen Mediation“ wahrnehmen zu wollen.
Zwar wird in diesem Vordruck nicht ausdrücklich klargestellt, dass die
„gerichtsnahe Mediation“ ein Angebot dem anhängigen
Streitverfahren ist und dieses nicht ersetzt, so dass fristgebundene
Prozesshandlungen unabhängig von der Durchführung eines Mediationsverfahrens
vorgenommen werden müssen; das ergibt sich aber mittelbar aus dem Hinweis,
dass der Mediator (zwar) Richter oder Richterin, jedoch für den Rechtsstreit nicht
zuständig ist und ihm/ihr keine Entscheidungskompetenz zusteht.
Abgesehen davon hätte der Kläger aber jedenfalls nach Ablehnung des
vorgeschlagenen Mediationsverfahrens durch Schriftsatz des Beklagten vom 7.
Dezember 2009 die Gründe des von ihm beabsichtigten Zulassungsantrags
darlegen und wegen der Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand entsprechend § 60 Abs. 1 und 2 VwGO beantragen können. Da
er auf diesen Schriftsatz nicht reagiert und die versäumte Rechtshandlung nicht
nachgeholt hat, kann ihm entsprechend § 60 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwGO
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht von Amts wegen gewährt werden.
Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.