Urteil des HessVGH vom 03.06.2004

VGH Kassel: clearing, schweinemastbetrieb, bebauungsplan, gemeinde, luft, daten, grundstück, hessen, landwirtschaft, erlass

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 N 558/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 6 BauGB, § 47
VwGO
(Gewerbegebiet neben Schweinemastbetrieb)
Leitsatz
Es kann gerechtfertigt sein, den Geruchsabstand zwischen einem Schweinemastbetrieb
und einem heranrückenden Gewerbegebiet auf die Hälfte des Abstands zu verringern,
der gegenüber einem Wohngebiet einzuhalten wäre.
Tenor
Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der
Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller, der anderweitig weitere Schweinemastbetriebe unterhält, ist
Eigentümer der Schweinemastanlage auf dem 9.500 qm großen Grundstück in
Grünberg, GemarkungQueckborn, xxx, Flur 9, Flurstücke 81 und 82. Die
Baugenehmigung für den ursprünglichen Gemeinschaftsschweinestall der
MastgemeinschaftQueckbornist am 17. Mai 1968 unter der Nr. 235/68 erteilt worden.
Der Antragsteller hält dort etwa 800 Schweine, die er auch mit Nahrungsmittelresten
aus dem Uni-Klinikum Marburg füttert.
Das Grundstück des Antragstellers liegt südöstlich nur in einem Eckpunkt
angrenzend an das Plangebiet des streitbefangenen Bebauungsplans der
Antragsgegnerin Nr. 56 "Im Weimarsbruch ", Stadtteil Queckborn .
Für den Bebauungsplan Nr. 56 erging zunächst der Aufstellungsbeschluss vom 9.
Februar 1995. Die Entwurfsauslegung erfolgte in der Zeit vom 26. Januar bis 27.
Februar 1998, der Satzungsbeschluss unter gleichzeitiger Entscheidung über die
eingegangenen Anregungen am 24. September 1998. Daran schloss sich die
ortsübliche Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses am 21. Januar 1999 an.
Im Planaufstellungsverfahren bat das Planungsbüro der Antragsgegnerin den
Antragsteller mit Schreiben vom 17. Februar 1996 (Bl. 51 der Beiakte - BA -, Teil 2)
unter Beifügung eines Formulars um die erforderlichen Daten für eine
Abstandsberechnung gemäß der VDI-Richtlinie 3471, Immissionsminderung
Tierhaltung Schweine. Mit Schreiben vom 14. März 1996 und 23. Oktober 1996
meldete sich daraufhin eine vom Antragsteller eingeschaltete
Betreuungsgesellschaft, ohne die gewünschten Daten zu liefern. Ein
angekündigtes Grobkonzept für eine Betriebserweiterung wurde mündlich
vorgetragen. An einem Clearing-Termin beim Regierungspräsidium Gießen am 19.
Mai 1998 nahm der dazu eingeladene Antragsteller nicht teil (Bl. 36 BA, Teil 1).
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Inzwischen lag der Antragsgegnerin die Stellungnahme des Amtes für
Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft C-Stadt (ARLL) vom 5.
Juni 1996 (Bl. 24 BA, Teil 2) vor, das nach einer Augenscheinseinnahme auf der
Grundlage berechneter 97,80 Großvieheinheiten (GV) Schweine bei einer
Nachrüstung der Stallgebäude des Antragstellers auf 100 Punkte nach dem
Kriterienkatalog der VDI-Richtlinie 3471 einen Abstand zwischen Stallgebäuden und
Wohnbebauung von 230 m und zwischen Stallgebäuden und Dorfgebiet von 115 m
als erforderlich nannte. In dem genannten Clearing-Termin hielt das ARLL an dieser
Stellungnahme fest.
Der streitbefangene Bereich des Bebauungsplans Nr. 56 befindet sich östlich der
Industriestraße. Nördlich des Äschersbaches ist dort ein eingeschränktes
Gewerbegebiet (Baugebiet Nr. 1 und 2) festgesetzt worden und südlich des
Baches bis zur Eckberührung mit dem Grundstück des Antragstellers ein
Gewerbegebiet (Baugebiet Nr. 5) auf früheren Flächen eines holzverarbeitenden
Betriebes bzw. einer Treppenbaufirma, die auch Metallkonstruktionen erstellte. Zur
Zeit findet östlich der Industriestraße und südlich des Äschersbaches keine
Betriebstätigkeit statt.
Der streitbefangene Bebauungsplan enthält dort innerhalb des als Gewerbegebiet
festgesetzten Baugebiets Nr. 5 im Südosten eine Schraffur. Gemäß der
Textfestsetzung Nr. 1.2.3.3.2 gilt für diesen Teil der überbaubaren
Grundstücksfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB, "daß Wandöffnungen mit
Ausnahme feststehender Fensterflügel unzulässig sind. Innerhalb dieser
überbaubaren Grundstücksfläche angeordnete Aufenthaltsräume sind
ausschließlich durch außerhalb des (an der nächstgelegenen Stallecke des
Antragstellers beginnenden) 115-m-Radius liegende bauliche und technische
Einrichtungen zu belüften."
Den vorliegenden Normenkontrollantrag stellte der Antragsteller am 16. Februar
2000. Er wendet sich insbesondere gegen die Ausweisung des Grundstücks Flur 5,
Flurstück 21/1 als Gewerbegebiet. Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, er
müsse wegen der heranrückenden Bebauung mit neuen Beschwerden von
Einwohnern rechnen, die die Aufsichtsbehörden zu ihn belastenden Maßnahmen
veranlassten. Bei einer Nachrüstung seiner Schweineställe müsse er mit 100,00
EUR pro Mastplatz und bei etwa 900 Mastplätzen mit Kosten von 100.000,00 EUR
rechnen. Dies sei für ihn wirtschaftlich nicht vertretbar.
Der streitbefangene Bebauungsplan verstoße gegen § 50 BImSchG und das
Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Auch Gewerbegebiete seien nach der
Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz
vom 12. Januar 1993 schützenswerte Gebiete. Bauplanungsrechtlich seien
gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. Da in Gewerbegebieten
Wohnungen nicht gänzlich ausgeschlossen seien, hätte zumindest ein Abstand
von 250 m zu seinen Stallungen eingehalten werden müssen. Dies ergebe sich
aus Nr. 3.3.7.1.1 der TA Luft 1986. Nach dem Abstandserlass von Nordrhein-
Westfalen vom 2. April 1998, der gemäß hessischem Erlass vom 13. Januar 1999
(StAnz. 1999, 390) auch in Hessen zu berücksichtigen sei, solle zwischen
Schweinemastanlagen und Wohnbebauung ein Abstand von 300 m liegen.
Der Antragsteller trägt weiter vor, seine Stallungen genügten den wesentlichen
technischen Anforderungen in vollem Umfang, was er näher ausführt. Die
Unterdrucklüftung bestehe seit 1991. Trotz Maßnahmen zur Verhinderung
schädlicher Gerüche komme es zu Beschwerden in der Bevölkerung, auch wenn es
aufsichtsbehördlich noch nicht zu weiteren Schutzanordnungen gekommen sei.
Die Antragsgegnerin hätte Anlass gehabt, Geruchsimmissionsmessungen
durchzuführen. Von seiner Seite aus sei mit Schreiben vom 26. Februar 1998 (Bl.
32 BA, Teil 1) auf die Geruchsproblematik hingewiesen worden. Soweit das ARLL
nach der VDI-Richtlinie 3471 bei einem Stall mit 100 Punkten einen erforderlichen
Abstand zur Wohnbebauung von 230 m angenommen und bei Dorfgebieten eine
Verringerung bis auf die Hälfte bejaht habe, lägen die Voraussetzungen für eine
Abstandsverringerung auf 115 m hier nicht vor. Die Schutzwürdigkeit von
Gewerbegebieten liege nur etwas niedriger als die von Wohngebieten.
Der Antragsteller beantragt,
den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 56 "Im Weimarsbruch ", dessen
Satzungsbeschluss am 22. Januar 1999 öffentlich bekannt gemacht worden ist,
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Satzungsbeschluss am 22. Januar 1999 öffentlich bekannt gemacht worden ist,
teilweise für nichtig zu erklären, soweit er das Gebiet östlich der Industriestraße als
Gewerbegebiet ausweist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, sie habe den Immissionskonflikt gesehen und in die
Abwägung eingestellt. Allerdings habe der Antragsteller Auskünfte weitgehend
verweigert, so dass sie gezwungen gewesen sei, auf sachverständige Behörden
und deren Aussagen zurückzugreifen. Ein Geruchsgutachten sei hier nicht
erforderlich gewesen. Man habe sich auf die Stellungnahme des
Gesundheitsamtes vom 2. Februar 1998 stützen können, mit der keine Bedenken
vorgebracht worden seien, auf die in die Abwägung eingestellten Anregungen des
Antragstellers vom 26. Februar 1998 sowie auf das Ergebnis des Clearing-Termins
beim Regierungspräsidium Gießen mit Einbeziehung der in diesem Termin
bestätigten Stellungnahme des ARLL vom 5. Januar 1996. Nach § 22 i. V. m. § 3
Abs. 6 BImSchG sei für die Stallungen des Antragstellers der Entwicklungsstand
fortschrittlicher Verfahren zur Emissionsbegrenzung erforderlich, woran es hier
fehle. Im vorliegenden Fall bestehe insgesamt keine Schutzbedürftigkeit für
Gebäude im Gewerbegebiet wie bei einer allgemeinen Wohnnutzung. Die
Schutzwürdigkeit von Gewerbegebieten sei gegenüber einer Wohnnutzung
erheblich gemindert, etwa nach der GIRL um 50 %. Behauptete Erweiterungspläne
des Antragstellers seien nur vage formulierte Absichtserklärungen geblieben und
hätten deshalb nicht in die Abwägung eingestellt werden müssen.
Zu beachten sei auch, dass die Bauleitplanung keine Entscheidungen treffen
müsse, die fachplanungsrechtlich nachgeschalteten Genehmigungsverfahren
vorbehalten bleiben könnten.
Dem Senat liegen drei inhaltsgleiche Exemplare eines Ordners
Planaufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin vor (Teil 1, Bl. 1 - 44 ff.; Teil 2, Bl.
1 - 238 ff.), ebenso zwei Hefter Bauaufsichtsakten des Landkreises Gießen, die das
Grundstück des Antragstellers betreffen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der
mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie
auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der gemäß
§ 47 Abs. 2 VwGO
gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig.
Als zurückgesetzten abwägungserheblichen Belang kann der Antragsteller als
mögliche Rechtsverletzung auf seine wirtschaftlichen Interessen an einer möglichst
unbeeinträchtigten Erhaltung der jetzigen Bedingungen für seinen
Schweinemastbetrieb verweisen.
Der Normenkontrollantrag ist jedoch nicht begründet.
Formelle Fehler im Planaufstellungsverfahren sind nicht gerügt und nicht
ersichtlich.
Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB ist nicht verletzt.
Das Abwägungsgebot verpflichtet den Träger der Bauleitplanung dazu, dass
erstens eine Abwägung überhaupt stattfindet, zweitens in die Abwägung an
Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss,
drittens weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt,
noch viertens der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der
zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwG,
Urteil vom 12. Dezember 1969 - BVerwGE 34, 301 - seither ständige
Rechtsprechung).
Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht
verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen
verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit
notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. Die
darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten
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darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten
Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als
solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Kontrolle beschränkt
sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die
abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend
bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden
Gewichtung eingehalten hat. Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin
ausreichend beachtet, insbesondere hat sie den Immissionskonflikt zwischen
Schweinemastbetrieb und Gewerbegebiet hinreichend in den Blick genommen und
abgewogen.
Dem Antragsteller ist dabei entgegenzuhalten, dass er trotz Aufforderung durch
das Planungsbüro der Antragsgegnerin das übersandte Formular zur Abgabe
seiner betrieblichen Daten nicht zurückgesandt hat. Der Antragsteller hat der
Antragsgegnerin damit nicht die Möglichkeit gegeben, anhand konkreter
Betriebsdaten eine Immissions- und Abstandsabschätzung nach der VDI-Richtlinie
3471 vorzunehmen. Der Antragsteller hat auch trotz Einladung nicht am Clearing-
Termin beim Regierungspräsidium Gießen teilgenommen, wo es speziell um den
Immissionskonflikt zwischen Gewerbegebiet und Landwirtschaft ging.
Soweit der Antragsteller über eine von ihm eingeschaltete Betreuungsfirma für
Umweltfragen Stellung genommen und u. a. auf ein Betriebserweiterungskonzept
für bis zu 1.200 Mastschweine hingewiesen hat, ist ein Grobkonzept zwar einmal
mündlich vorgestellt, nicht aber schriftlich und zeichnerisch konkretisiert,
geschweige denn beantragt worden. Aus alledem folgt, dass der Antragsteller aus
seiner Sphäre herrührende betriebsbezogene Informationen nicht ausreichend zur
Verfügung gestellt hat. Er muss es sich daher zurechnen lassen, dass die
Antragsgegnerin auf verschiedene einschlägige Stellungnahmen aus dem Kreis
der Träger öffentlicher Belange verwiesen war. So hatte das Gesundheitsamt mit
Schreiben vom 2. Februar 1998 keine Bedenken geäußert. Das ARLL hat in seiner
Stellungnahme vom 5. Juni 1996 und seiner mündlichen Bestätigung im Clearing-
Termin vom 19. Mai 1998 zum streitbefangenen Gewerbegebiet einen Abstand
von 115 m als ausreichend angesehen und dabei eine Nachrüstungspflicht
jedenfalls für die Lüftungsanlagen der Stallungen des Antragstellers bejaht. Wenn
der Antragsteller dies anders sieht und für seine Stallungen in Queckborn auch
jetzt schon einen Wert von 100 Punkten nach der VDI-Richtlinie 3471 annimmt,
ändert dies nichts daran, dass das ARLL - und ihm folgend die Gemeinde - bei
Ställen dieser Punktzahl 115 m Abstand für ausreichend gehalten hat. Von dem
Betreiber einer Anlage ist zu fordern, dass er die sich aus § 22 BImSchG
ergebenden Pflichten zur Reduzierung der Immissionen und zur Wahrung des
Standes der Technik gemäß § 3 Abs. 6 BImSchG einhält. Bei ihrer Abwägung kann
die planende Gemeinde von der Erfüllung der Betreiberpflichten nach § 22 Abs. 1
BImSchG ausgehen. Dem stehen Bestandsschutzgesichtspunkte nicht entgegen
(vgl. BVerwG, U. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 - NVwZ 1993, 1184, 1186).
Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass für ein
Gewerbegebiet nicht dasselbe Schutzniveau anzuhalten ist wie für ein Wohngebiet.
In einem Gewerbegebiet können gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO nur
ausnahmsweise dem Betrieb untergeordnete Wohnungen zugelassen werden.
Damit ist mit einer Wohnnutzung in relevantem Umfang wie in einem Wohngebiet
nicht zu rechnen. Deutlich unterschiedliche Schutzniveaus für Wohn- und andere
Gebiete ergeben sich auch aufgrund der einschlägigen technischen Regelwerke.
So bestimmt Nr. 3.1 GIRL in Tabelle 1 für die relative Häufigkeit der
Geruchsstunden für Wohn- und Mischgebiete einen Immissionswert von 0,10 und
für Gewerbe- und Industriegebiete von 0,15.
Soweit nach dem Erlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Jugend,
Familie und Gesundheit vom 13. Januar 1999 (StAnz. 1999, 390) der nordrhein-
westfälische Runderlass "Abstände zwischen Industrie- bzw. Gewerbegebieten und
Wohngebieten im Rahmen der Bauleitplanung und sonstige für den
Immissionsschutz bedeutsame Abstände (Abstandserlass)" vom 2. April 1998
auch in Hessen als Arbeits- und Entscheidungshilfe zu Fragen des
Immissionsschutzes in der Bauleitplanung empfohlen worden ist, wird dort unter
Nr. 113 e) bei 525 bis weniger als 1.900 Mastschweineplätzen (hier: etwa 800) ein
Abstand zu Wohngebieten von 300 m genannt. Für Konfliktlagen der vorliegenden
Art zwischen Schweinemaststallungen und einem Gewerbegebiet enthält der NRW-
Abstandserlass auch im Textteil keine näheren Angaben über bestimmte
Schutzabstände. Mithin war die Antragsgegnerin nicht gehalten, bei ihrer
Abwägung auf diesen Abstandserlass einzugehen.
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Dasselbe gilt für die Mindestabstände von Schweinehaltung zu Wohnbebauung
nach Nr. 3.3.7.1.1 der TA Luft vom 27. Februar 1986 (GMBl. S. 95, ber. S. 202) und
dem zugehörigen Schaubild der Abbildung 5. Der streitbefangene Bebauungsplan
setzt keine Wohnbebauung fest. Der Auffassung des Antragstellers kann auch
nicht gefolgt werden, dass bei der Abwehr von Geruchsbeeinträchtigungen die
Schutzniveaus von Wohn- und Gewerbegebieten gleich oder in etwa gleich zu
beurteilen sind.
Soweit die TA Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl. S. 511) unter Nr. 5.4.7.1 mit Abbildung
1 Mindestabstände auch von Schweinehaltung zu Wohnbebauung darstellt, sind
diese Richtwerte unabhängig davon, dass die TA Luft 2002 erst nach dem
Satzungsbeschluss vom 24. September 1998 in Kraft getreten ist, ebenfalls nicht
maßgebend.
In der Sache enthält auch die VDI-Richtlinie 3471 "Immissionsminderung
Tierhaltung/Schweine" vom Juni 1986 keine rechnerisch bestimmten, konkreten
Abstandsrichtwerte für die vorliegende Konfliktlage zwischen Schweinemast und
Gewerbegebiet. Nach Nr. 3.2.3.3 ist insoweit eine Sonderbeurteilung geboten. Die
Mindestabstandstabelle von Bild 21 unter Nr. 3.2.1, die bei 97,6 GV einen
Mindestabstand von 230 m bezeichnet, bezieht sich nur auf Wohnbauflächen bis
zu Mischgebieten. Gewerbegebiete sind dort nicht genannt, auch nicht unter Nr.
3.2.3.2, der sich mit der Anwendung der Abstandsregelung gegenüber
Dorfgebieten und gegenüber Wohnhäusern im Außenbereich und dabei mit der
möglichen Verringerung der notwendigen Mindestabstände nach Bild 21 auf die
Hälfte befasst. Hier hat das ARLL als kompetente Fachbehörde in seiner
Stellungnahme vom 5. Juni 1996, die zusammen mit dem Ergebnis des Clearing-
Termins am 19. Mai 1998 der Zurückweisung der Anregungen des Antragstellers
und der Planbegründung der Antragsgegnerin zu Grunde lag, in entsprechender
Heranziehung der Nr. 3.2.3.2 der VDI-Richtlinie 3471 und als Sonderbeurteilung
nach Nrn. 3.2.3.3 und 3.2.3.4 eine Abstandshalbierung auf 115 m vorgenommen.
Dies erscheint in Verbindung mit der Textfestsetzung Nr. 1.2.3.3.2 mit dem Verbot
von Wandöffnungen in diesem Bereich im Hinblick auf die Anforderungen des § 50
Abs. 1 BImSchG und § 1 Abs. 6 BauGB angemessen. Mit dem Verbot von
Wandöffnungen im schraffierten Bereich wird hier eine Wohnnutzung erschwert,
wenn nicht ausgeschlossen, worauf die Begründung des Bebauungsplans
zutreffend hinweist. Der 115 m-Radius beginnt in der Planzeichnung bei alledem an
der nächstgelegenen Stallecke des Antragstellers und nicht, wie dies sonst in den
verschiedenen Regelwerken vorgesehen ist, in der Mitte der Immissionsquelle.
Mithin ist durch die gewählte Vorgehensweise der schraffierte Schutzbereich mit
dem Verbot von Wandöffnungen sogar größer ausgefallen als es nach den
Angaben des ARLL notwendig gewesen wäre.
Erweiterungsabsichten des Antragstellers hatte die Antragsgegnerin nicht des
Näheren in die Abwägung einstellen können und müssen. Von Seiten des
Antragstellers war zwar einmal eine Erweiterung auf 1.200 Mastplätze genannt
worden, wofür im Jahr 1997 mündlich auch einmal ein Grobkonzept vorgestellt
worden sein soll, eine in Einzelheiten gehende Konkretisierung ist aber nicht erfolgt
und konnte nicht Gegenstand der Abwägung sein. Soweit der
Schweinemastgemeinschaft Queckborn , der früheren Eigentümerin, im Jahre 1971
eine Erweiterung der Stallungen um bis zu 800 Mastplätzen in südlicher Richtung
genehmigt worden war, ist diese Genehmigung inzwischen mangels rechtzeitiger
Ausnutzung unwirksam geworden.
Angesichts der über längere Zeiträume hinweg fehlenden Mitwirkungsbereitschaft
des Antragstellers an der ausreichenden Kundgabe von Daten über seinen Betrieb
war die Antragsgegnerin im Hinblick auf die übrigen Umstände wie die
Stellungnahmen fachkundiger Behörden und den Clearing-Termin beim
Regierungspräsidium Gießen nicht gehalten, ein Geruchsgutachten einzuholen.
Soweit der Antragsteller ein solches Gutachten einmal von sich aus angekündigt
hatte, ist dies ebenfalls unterblieben. Bei seinen Anregungen im
Planaufstellungsverfahren hatte der durch die Betreuungsgesellschaft für
Umweltfragen vertretene Antragsteller ein solches Gutachten bzw. eine
Ausbreitungsberechnung oder Geruchsmessungen auch nicht gefordert. In der
Sache waren seine Abstandsforderungen darauf gerichtet, Mindestabstände zu
dem festgesetzten Gewerbegebiet wie sonst zu Wohngebieten zu fordern, was -
wie dargelegt - nicht haltbar ist.
Soweit östlich der Industriestraße außer den festgesetzten Gewerbegebieten in
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Soweit östlich der Industriestraße außer den festgesetzten Gewerbegebieten in
dem nordöstlichen Eckbereich noch ein Festplatz festgesetzt worden ist, ist dieser
nicht Streitgegenstand. Der Normenkontrollantrag beschränkt sich ausdrücklich
auf die östlich der Industriestraße festgesetzten Gewerbegebiete und hat aus den
dargelegten Gründen insgesamt keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht
vor. Insbesondere ist auch die regelmäßig einzelfallabhängige Konfliktlage
zwischen einem eingeschränkten Gewerbegebiet und einem Schweinemastbetrieb
einer grundsätzlichen verallgemeinerungsfähigen Bewertung in einem
Revisionsverfahren nicht zugänglich.
Streitwert: 40.000,00 €.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.