Urteil des HessVGH vom 07.12.1987

VGH Kassel: offensichtliches versehen, umdeutung, berufungsschrift, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, chancengleichheit, qualifikation, rechtsmittelbelehrung, dokumentation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 TE 1529/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 3 S 2 AsylVfG, § 32
Abs 2 Nr 1 AsylVfG, § 32
Abs 4 AsylVfG, § 88 VwGO
(Unstatthaftes Rechtsmittel des Bundesbeauftragten)
Gründe
Die auf Zulassung der Berufung gerichtete Beschwerde ist unstatthaft und daher
unzulässig; da sie auch nicht in eine zulässige Berufung umgedeutet werden kann,
ist sie zu verwerfen.
Mit der am 11. Mai 1987 beim Verwaltungsgericht Wiesbaden eingegangenen
Rechtsmittelschrift vom 8. Mai 1987 hat der Bundesbeauftragte für
Asylangelegenheiten eindeutig Beschwerde gegen das Urteil vom 10. Dezember
1986 gemäß § 32 Abs. 4 AsylVfG und nicht etwa die vom Verwaltungsgericht
zugelassene Berufung eingelegt. Dies ergibt sich nicht nur aus der Bezeichnung
des Rechtsmittels als "Beschwerde" in der Rechtsmittelschrift, sondern auch aus
den darin enthaltenen Anträgen und der Begründung, die ohne jeden Zweifel
darauf abzielt, einen Zulassungsgrund im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG
darzulegen. Nicht nur aus dem Wortlaut der Rechtsmittelschrift, sondern auch aus
dem darin erkennbar gewordenen Begehren des Rechtsmittelführers folgt
unzweifelhaft der Zweck der Rechtsmitteleinlegung, durch Beschwerde die
Zulassung einer nicht zugelassenen Berufung zu erreichen (§ 88 VwGO). Daß der
Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten in seinem Schriftsatz vom 8. Mai 1987
neben den die Zulassung der Berufung betreffenden Anträgen auch einen Antrag
gestellt hat, wie er in einer Berufungsschrift hätte gestellt werden müssen, steht
dieser Einschätzung nicht entgegen. Denn wie der Kläger im Beschwerdeverfahren
zutreffend hat ausführen lassen, handelt es sich um einen gestaffelten Antrag,
dessen letzter Teil erkennbar nur für den Fall der Zulassung der Berufung durch
das Beschwerdegericht Bedeutung gewinnen soll (vgl. § 32 Abs. 5 Satz 4 AsylVfG).
Eine Umdeutung der unstatthaften Nichtzulassungsbeschwerde in eine statthafte
Berufung kommt nicht in Betracht, weil die Erklärung des Rechtsmittelführers
eindeutig ist. Wie Rechtsmittelerklärungen eines Rechtsanwalts, deren Umdeutung
grundsätzlich nicht in Betracht kommt (BVerwG, B. v. 19. Juli 1974 - VI C 63.74 -,
BayVBl. 1974, 708; BayVGH, B, v. 5. August 1981 - Nr. 10 B 81 C. 734 - BayVBl.
1982, 250 f.), sind auch Rechtsmittelerklärungen des Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten selbst dann einer Umdeutung nicht zugänglich, wenn ein
offensichtliches Versehen vorliegt. Dies folgt einmal aus dem Grundsatz der
Chancengleichheit vor Gericht, zum anderen daraus, daß der Gesetzgeber für den
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ausdrücklich Qualifikationen
festgelegt hat, die denen eines Rechtsanwalts vergleichbar sind (§ 5 Abs. 3 Satz 2
AsylVfG). Es kann deshalb hier offenbleiben, ob an Rechtsmittelerklärungen von
Behörden schlechthin die gleichen strengen Anforderungen gestellt werden
müssen wie bei gleichartigen Erklärungen von Rechtsanwälten. Jedenfalls dann,
wenn an Behörden wie bei dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten vom
Gesetzgeber gleiche Anforderungen an Qualifikation und Sachkunde gestellt
werden wie bei Rechtsanwälten, fehlt es an einem sachlichen Anknüpfungspunkt
für eine unterschiedliche Behandlung.
Die unzulässige Beschwerde kann angesichts des klaren Wortlauts der
Beschwerdeschrift auch nicht aufgrund des Schriftsatzes des Bundesbeauftragten
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Beschwerdeschrift auch nicht aufgrund des Schriftsatzes des Bundesbeauftragten
vom 10. Juli 1987 als Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Wiesbaden vom 10. Dezember 1986 behandelt werden. Selbst wenn man
gegenteiliger Auffassung sein sollte, würde dies nicht weiterhelfen. Denn dieser am
13. Juli 1987 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangene Schriftsatz
hat die Berufungsfrist, die durch ordnungsgemäße Zustellung des mit zutreffender
Rechtsmittelbelehrung versehenen Urteils an den Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten am 16. April 1987 in Lauf gesetzt worden und folglich am 18.
Mai 1987 (Montag) abgelaufen ist, nicht gewahrt (§ 124 Abs. 2 VwGO).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Bundesbeauftragte für
Asylangelegenheiten zu tragen, weil seine Beschwerde erfolglos bleibt (§ 154 Abs.
2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 1 Satz 1, 73
Abs. 1 GKG.
Der Beschluß ist unanfechtbar (§§ 32 Abs. 5 Satz 3 AsylVfG, 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.