Urteil des HessVGH vom 30.05.1989
VGH Kassel: politische verfolgung, sinn und zweck der norm, begründung des urteils, asylverfahren, bundesamt, grobes verschulden, aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, ausreise
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TH 4051/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 51 Abs 2 VwVfG, § 10 Abs
4 S 1 AsylVfG, § 11
AsylVfG, § 14 Abs 1 S 1
AsylVfG, § 14 AuslG
(Umfassender Vortrag des Verfolgungsschicksals im
Asylfolgeverfahren - Abschiebungsschutz nach AuslG § 14
Abs 1 S 1 - Weiterleitung des Asylantrages an das
Bundesamt nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung
im Rahmen eines Eilverfahrens nach AsylVfG § 10, § 14)
Gründe
Der 1957 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer
Volkszugehörigkeit. Sein unmittelbar nach der Einreise in die Bundesrepublik
Deutschland im Jahre 1979 gestellter Asylantrag wurde rechtskräftig abgelehnt
(Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3.
Juni 1980, Urteil des VG Wiesbaden vom 15. Dezember 1986 - VIII/1 E 7706/80 -;
Beschluß des Hess. VGH über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 8. April 1987 -
7 TE 701/87 -). In der Begründung des Urteils des VG Wiesbaden vom 15.
Dezember 1986 ist ausgeführt, der Antragsteller sei zwar bereits vor seiner
Ausreise aus der Türkei DDKD-Mitglied gewesen, allerdings habe er keine
herausragende Position innegehabt; deshalb sei nicht davon auszugehen, daß
türkische Behörden - im Falle der Rückkehr des Antragstellers - an dessen Person
ein besonderes Interesse zeigen würden und er somit mit politischer Verfolgung
rechnen müsse. Auch auf Nachfluchtgründe könne der Antragsteller sich nicht
berufen; zwar sei er Mitglied im KKDK und gehöre seit Juli 1982 dem Vorstand als
Kassierer an. Auch insoweit sei jedoch nicht ersichtlich, daß der Antragsteller in
dieser Organisation eine herausragende Stellung einnehme, so daß ihm auch aus
diesem Grunde bei einer Rückkehr in die Türkei keine politische Verfolgung drohe.
Mit Schreiben vom 10. Juli 1987 stellte der Antragsteller einen weiteren Asylantrag,
den er im wesentlichen damit begründete, weiterhin aktives Mitglied im KKDK zu
sein, Solidaritätsveranstaltungen organisiert und besucht und einen Brief seines
Bruders vom 5. Juni 1987 erhalten zu haben, in dem mitgeteilt werde, daß er
wegen seiner Mitgliedschaft im DDKD polizeilich in der Türkei gesucht werde.
Mit am 26. Januar 1988 zugestelltem Bescheid vom 22. Januar 1988 bewertete der
Landrat des Landkreises Gießen den Asylantrags als unbeachtlich, forderte den
Antragsteller unter Fristsetzung zur Ausreise auf und drohte seine Abschiebung
an. Den hierzu am 1. Februar 1988 gestellten Eilantrag wies das
Verwaltungsgericht Wiesbaden - nachdem es zuvor verschiedene
Erkenntnisquellen in das Verfahren eingebracht hatte - mit Beschluß vom 25.
August 1988 zurück, da Wiederaufnahmegründe gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG
nicht ersichtlich seien. Am 25. Februar 1988 hat der Antragsteller Klage gegen den
ausländerbehördlichen Bescheid erhoben (VG Wiesbaden - VI E 20172/88 -).
Gegen den ihm am 6. September 1988 zugestellten Beschluß hat der
Antragsteller am 20. September 1988 Beschwerde eingelegt und macht geltend,
wegen seiner früheren Betätigung beim DDKD in der Türkei und der jetzigen
Aktivitäten beim KKDK hier in der Bundesrepublik bei seiner Rückkehr in die Türkei
mit politischer Verfolgung rechnen zu müssen. Im Laufe des
Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller den Brief seines Bruders vom 5. Juni
1987 sowie eine deutsche Übersetzung davon vorgelegt.
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Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
vom 25. August 1988 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid
des Landrats des Landkreises Gießen vom 22. Januar 1988 anzuordnen.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, daß neue Asylgründe, die über das bereits im
Erstverfahren Vorgetragene hinausgingen, nicht geltend gemacht würden.
Der Senat hat Listen von Dokumenten in das Verfahren eingeführt (Bl. 62 bis 68
d.A.) und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, zu diesen Erkenntnisquellen
Stellung zu nehmen.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung des
Landrats des Landkreises Gießen vom 22. Januar 1988 nämlich zu Unrecht
abgelehnt. Es kann derzeit nicht gesagt werden, daß dieser Bescheid offenbar
rechtmäßig ist; vielmehr spricht vieles dafür, daß der Antragsteller mit seiner Klage
gegen die Abschiebungsandrohung erfolgreich sein wird. In diesem Fall, in dem der
Ausgang des Hauptverfahrens zumindest als offen anzusehen ist, überwiegt das
private Interesse des Antragstellers am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet das
öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsandrohung (vgl. dazu
auch Hess. VGH, 12.10.1987 - 12 TH 1528/87 - ESVGH 38, 235, Ls.).
Zu Recht ist der Antragsgegner allerdings davon ausgegangen, daß es sich bei
dem Asylantrag des Antragstellers vom 18. August 1987 um einen Folgeantrag im
Sinne des § 14 Abs. 1 AsylVfG handelt, denn der erste Asylantrag war mit
Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Hessischen
Verwaltungsgerichtshof rechtskräftig abgewiesen worden. Auch ist die der
Abschiebungsandrohung zugrunde gelegte ausländerbehördliche Feststellung der
Unbeachtlichkeit des Asylfolgeantrags des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 1
AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nach der im vorliegenden Verfahren - soll
die Unbeachtlichkeit bejaht werden - gebotenen möglichst eingehenden
Überprüfung als zutreffend zu erachten; denn der Antragsteller hat die
Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des unanfechtbar abgeschlossenen
Asylverfahrens, welche nicht durch im vorliegenden Eilverfahren parate
Erkenntnisse zu widerlegen sind, bisher nicht schlüssig vorgetragen (vgl. zu diesen
Anforderungen, Hess. VGH, 12.10.1987, a.a.O.).
Es kann offenbleiben, ob der Antragsteller mit der Behauptung, er persönlich
werde von der Polizei wegen seiner früheren Mitgliedschaft im DDKD gesucht, die
nachträgliche Änderung der Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG
geltend macht. Jedenfalls war der Antragsteller nicht ohne grobes Verschulden
gehindert, diesen Sachvortrag bereits im ersten Asylantragsverfahren
vorzutragen, so daß er damit gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen ist.
Der Vorschrift des § 51 Abs. 2 VwVfG kommt im Rahmen des Asylverfahrens
insoweit Bedeutung zu, als dadurch verhindert werden soll, daß der Asylbewerber
über ein neues Asylverfahren - nämlich das Folgeverfahren - Asylgründe vorträgt,
die er bereits im ursprünglichen Verfahren hätte geltend machen können. Für das
Asylverfahren bedeutet das, daß der Antragsteller, dem eine besondere
Mitwirkungspflicht im Verfahren zukommt (BVerwG, 18.10. 1983 - 9 C 473.87 -,
EZAR 630 Nr. 8; BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ
1985, 36; BVerwG, 23.04.1985 - 9 C 48.84 -, EZAR 630 Nr. 18; Hess. VGH,
08.10.1986 - 10 UE 1246/86 -, EZAR 630 Nr. 24 = ESVGH 37, 44 = NVwZ 1987,
626; Hess. VGH, 13.01.1988 - 12 UE 818/85 -, ESVGH 39, 72, Ls.; Hess. VGH,
19.11.1987 - 12 TH 3132/86 -), sein Verfolgungsschicksal im Erstverfahren so
umfassend wie möglich vortragen muß. Er darf hierbei ihm zumutbare
Möglichkeiten, Kenntnis über die eigene Verfolgung im Heimatland zu erhalten,
nicht außer acht lassen, will er dem Vorwurf entgehen, die einem ordentlichen
Verfahrensbeteiligten zumutbaren Sorgfaltspflichten infolge groben Verschuldens
verletzt zu haben. Da das Recht auf Anerkennung als Asylberechtigter - neben den
allgemeinen Verhältnissen im Verfolgerstaat - im wesentlichen von dem
persönlichen Verfolgungsschicksal abhängt, ist von dem Asylbewerber im Rahmen
der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht zu fordern, daß er dieses umfassend und
erschöpfend im Rahmen des ihm Möglichen vorträgt. Dazu gehört nach Ansicht
des Senats auch, daß der Asylbewerber - so ihm dies möglich ist - den Kontakt mit
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des Senats auch, daß der Asylbewerber - so ihm dies möglich ist - den Kontakt mit
dem Heimatland aufrechterhält und sich so über die ihn betreffenden
Verfolgungsmaßnahmen auf dem laufenden hält. Nur wenn der Asylbewerber alle
Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um seine Asylgründe umfassend vorzutragen und
durch Vorlage geeigneter Unterlagen glaubhaft zu machen, ist er seinen
Mitwirkungspflichten gerecht geworden. Daraus folgt im Rahmen des § 14 Abs. 1
AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, daß der Asylbewerber sich auf eine neue
Sachlage hinsichtlich seines Verfolgungsschicksals nur berufen kann, wenn er die
"neuen" Erkenntnisse nicht bereits früher hätte haben können, weil - nach dem
oben Gesagten - er sie sich hätte beschaffen können und müssen.
Im vorliegenden Fall geht der Vortrag des Antragstellers im Folgeverfahren
insoweit über das im Erstverfahren Vorgetragene hinaus, als der Antragsteller
nunmehr behauptet, er selbst werde von der Polizei wegen seiner früheren
Mitgliedschaft im DDKD gesucht, und er sich zum Beweis dafür auf den Brief
seines Bruders aus der Türkei vom 5. Juni 1987 beruft. Der Senat ist der
Auffassung, der Antragsteller hätte diesen Sachverhalt bereits früher erfahren
können und habe es schuldhaft im ersten Asylverfahren unterlassen, sich diese
Kenntnis zu verschaffen. Nachdem das Bundesamt in dem Erstbescheid vom 3.
Juni 1980 das Asylbegehren mit der Begründung abgelehnt hatte, der Antragsteller
habe nicht mit Erfolg geltend gemacht, er werde von seinem Staat verfolgt, d.h. er
habe keine speziell gegen ihn gerichtete staatliche Verfolgungsmaßnahme
deutlich gemacht, oblag es dem Antragsteller, alle Möglichkeiten auszunutzen, um
zu erfahren, ob gegen ihn selbst im Heimatland Maßnahmen ergriffen worden
waren bzw. bevorstanden. Der Antragsteller hätte also mit seiner Familie in der
Türkei in Kontakt treten und sich darum kümmern müssen, ob staatliche
Maßnahmen gegen ihn selbst geplant waren. Hätte er dies getan, so hätte der
Bruder ihm wahrscheinlich bereits während des ersten Asylantragsverfahrens die
Tatsache mitgeteilt, daß die Polizei nach ihm wegen seiner Mitgliedschaft im DDKD
suche. Der Antragsteller hat aber Bemühungen, etwas über sein
Verfolgungsschicksal in seinem Heimatland zu erfahren, unterlassen, ohne daß
erkennbar oder behauptet wäre, daß dies nicht zumutbar oder nicht erfolgreich
gewesen wäre. Wenn der Antragsteller sein erstes Asylverfahren entsprechend den
ihm obliegenden Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten betrieben hätte, wäre die
Tatsache, daß er selbst von der Polizei gesucht wird, mit großer Sicherheit bereits
im Erstverfahren bekannt gewesen und hätte dort berücksichtigt werden können.
Daher ist der Antragsteller mit diesem Vortrag gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG im
Folgeantragsverfahren ausgeschlossen. Da sonstige Gründe für ein
Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht ersichtlich
sind, ist der Antragsgegner zu Recht von der Unbeachtlichkeit des Folgeantrags
gemäß § 14 AsylVfG ausgegangen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die
gemäß §§ 14, 10 AsylVfG erlassene Abschiebungsandrohung erweist sich aber
trotz Vorliegens eines unbeachtlichen Folgeantrags als erfolgreich, da der
Antragsgegners es unterlassen hat zu prüfen, ob dem Antragsteller im
Heimatstaat politische Verfolgung droht und eine Abschiebung dorthin deshalb
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG zu unterbleiben hat. Da im vorliegenden Fall ein
Abschiebungshindernis wegen der exilpolitischen Betätigung des Antragstellers im
Zusammenhang mit seiner politischen Betätigung im Heimatland vor seiner
Ausreise ernsthaft in Betracht kommt, muß der Ausgang des
Hauptsacheverfahrens zumindest als offen angesehen werden. In diesem Fall
überwiegen die persönlichen Interessen des Antragstellers am vorläufigen Verbleib
im Bundesgebiet das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der
Abschiebungsandrohung.
Ausführungen zum Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 14 Abs. 1
Satz 1 AuslG (sog. "kleines Asyl") waren vorliegend aus mehreren Gründen nicht
entbehrlich.
Zum einen hatte die Ausländerbehörde die Unbeachtlichkeit des Folgeantrags
vornehmlich mit formellen Erwägungen abgelehnt und eine materielle Prüfung der
Gefahr politischer Verfolgung im Rahmen der Unbeachtlichkeitsbeurteilung
unterlassen. In einem solchen Fall kann auf die Anführung der zu § 14 AuslG
angestellten Erwägungen in der Regel nicht verzichtet werden (Hess. VGH,
23.06.1988 - 12 TH 4075/87 -, EZAR 134 Nr. 4). Auch ist vorliegend nicht ein
Sachverhalt gegeben, bei dem das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses im
Sinne des § 14 AuslG ohne weiteres zu verneinen ist, so daß - weil eine andere
Entscheidung in der Sache nicht hätte getroffenen werden können (siehe § 46
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Entscheidung in der Sache nicht hätte getroffenen werden können (siehe § 46
HVwVfG) - aus diesem Grunde eine Aufhebung der angegriffenen Verfügung nicht
beansprucht werden könnte (siehe dazu Hess. VGH, 23.06.1988 - 12 TH 4075/87 -
a.a.O.). Vielmehr war der Antragsgegner verpflichtet, vor Erlaß der
Abschiebungsandrohung gemäß §§ 10, 14 AsylVfG die Voraussetzungen des § 14
Abs. 1 Satz 1 AuslG zu prüfen.
Die Vorschrift des § 14 AuslG ist auch nicht etwa durch die Vorschriften des
Asylverfahrensgesetzes überholt (so OVG Rheinland-Pfalz, 19.10.1984 - 11 B
202/84 -, EZAR 134 Nr. 2 = InfAuslR 1985, 56 m. abl. Anm. Laubinger, VerwArch.
76 <1985>, 201, und Renner, ZAR 1985, 88, für die Fälle, in denen ein
Asylverfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
nach dem Asylverfahrensgesetz noch durchgeführt werden kann); wie der Senat
bereits in seinem oben zitierten Beschluß vom 23. Juni 1988 im Ergebnis
festgestellt hat, ist § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG unabhängig davon anwendbar, ob ein
Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen, ein Antrag bewußt nicht gestellt oder
erst noch zu stellen ist (so auch VGH Baden-Württemberg, 24.08.1987 - 1 S
2796/86 -, EZAR 134 Nr. 3 = InfAuslR 1987, 335; OVG Hamburg, 30.08.1983 - Bs V
87/83 -, NVwZ 1985, 65 ff.; im Ergebnis auch so OVG Rheinland-Pfalz, im Rahmen
eines Eilverfahrens nach §§ 10, 11 AsylVfG, 03.05.1985 - 11 B 45/85 - Renner, NJW
1984, 1257 insbesondere 1260). Die Ausländerbehörde hat daher die Gefahr einer
politischen Verfolgung selbständig zu prüfen, und zwar auch dann, wenn über das
Asylgesuch bereits negativ entschieden ist. Denn anders als bei einer positiven
Asylentscheidung, die in allen Angelegenheiten, in denen die Anerkennung
rechtserheblich ist, bindend ist (siehe § 18 Satz 1 AsylVfG), hindert die - zwar
grundsätzlich ebenfalls bindende - ablehnende Asylentscheidung eine positive
Entscheidung in einem asylunabhängigen Verfahren nicht (Kanein/Renner,
Ausländerrecht, 4. Aufl. 1988, § 18 AsylVfG Rdnr. 7).
Eine inhaltliche Prüfung des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG ergibt im vorliegenden Fall,
daß - zumindest bei summarischer Überprüfung - nicht ausgeschlossen werden
kann, daß Leben oder Freiheit des Antragstellers bei einer Abschiebung in die
Türkei wegen der politischen Überzeugung des Antragstellers bedroht sind;
vielmehr besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, daß der Antragsteller bei
einer Rückkehr in seine Heimat politischer Verfolgung ausgesetzt wäre.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller bereits vor seiner Ausreise
aus der Türkei politische Verfolgung erlitten hat, er sich somit auf sog.
"Vorverfolgung" berufen kann; auch kommt es nicht darauf an, ob die Gründe, die
zur politischen Verfolgung des Antragstellers im Heimatland führen, von ihm
nachträglich erst geschaffen wurden (sog. selbstgeschaffene Nachfluchtgründe, §
1 a AsylVfG). Entscheidend im Rahmen der Prüfung des § 14 AuslG ist allein, ob
der Ausländer bei einer Abschiebung politische Verfolgung befürchten muß; denn
hier geht es nicht um die Verhinderung einer etwaigen mißbräuchlichen
Inanspruchnahme eines Grundrechts (BT-Drs. 10/6416 S. 17 ff. zu § 1 a AsylVfG),
sondern um den Abschiebungsschutz als Kernbereich des Art. 16 Abs. 2 Satz 2
GG, der auch bei gewillkürten Nachfluchtgründen gewährt werden muß (siehe
BVerfG, 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 <66> = EZAR 200 Nr. 18 =
NVwZ 1987, 311, wonach ungeachtet eines asylrechtlich irrelevanten
Nachfluchttatbestandes selbstverständlich Schutz nach § 14 AuslG besteht;
Kanein/Renner, a.a.O., § 1 a AsylVfG, Rdnr. 4; Hailbronner, Ausländerrecht, 2. Aufl.
1989, Rdnr. 1286, 1460 ff. insbesondere 1465).
Der Antragsteller muß - soweit dies bei der im Eilverfahren gebotenen
summarischen Überprüfung gesagt werden kann - bei seiner Rückkehr in die Türkei
mit politischer Verfolgung rechnen, weil er vor seiner Ausreise im DDKD als
Mitglied aktiv war und nicht auszuschließen ist, daß diese Aktivitäten den
türkischen Behörden bekannt geworden sind, und weil er sich in der
Bundesrepublik Deutschland im KKDK engagiert hat und noch engagiert. Die
Aktivitäten des Antragstellers stehen aufgrund seiner Angaben im Asylverfahren,
der Feststellungen des Urteils im ersten Asylverfahren sowie des Vortrags im
Asylfolgeverfahren zur Überzeugung des Senats fest bzw. sind hinreichend
glaubhaft gemacht. Aus den in das Verfahren eingeführten Dokumenten ergibt
sich, daß ein DDKD-Mitglied schon wegen Aktivitäten wie dem Kleben von Plakaten,
dem Verteilen von Flugblättern und dem Verkauf von Zeitschriften und/oder der
Teilnahme an Veranstaltungen mit Strafverfolgung in der Türkei rechnen muß
(Dokumente Liste Türkei Nrn. 8., 14., 15. und 17.), und zwar auch und
insbesondere dann, wenn diese Aktivitäten vor dem Militärputsch in der Zeit seit
1977 stattgefunden haben (Dokumente Liste Türkei Nrn. 8., 12., 15., 16.
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1977 stattgefunden haben (Dokumente Liste Türkei Nrn. 8., 12., 15., 16.
und 17.) und noch nicht Gegenstand eines früheren Ermittlungsverfahrens
gewesen sind (Dokumente Liste Türkei Nr. 16.). Die Strafverfolgung, die
dem Kläger wegen seiner Mitgliedschaft im DDKD bei einer Rückkehr droht, wird
wahrscheinlich an die Art. 141, 142 TStGB anknüpfen (Dokumente Liste Türkei
Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs regelmäßig politisch
motiviert (Hess. VGH, 21.11.1985 - X OE 1316/81 -, bestätigt durch BVerwG,
19.05.1987 - 9 C 198.86 -, EZAR 201 Nr. 12; Hess. VGH, 28.11.1985 - X OE 598/82
-, bestätigt durch BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR
200 Nr. 19; Hess. VGH, 13.11.1986 - X OE 416/82 - bestätigt durch BVerwG,
09.11.1987 - 9 B 40.87 -; Hess. VGH, 02.05.1988 - 12 OE 503/82 -). Soweit Zweifel
daran bestehen, ob den türkischen Behörden die Mitgliedschaft des Antragstellers
im DDKD vor seiner Ausreise bekannt geworden ist - der insoweit vom
Antragsteller vorgelegte Brief des Bruders vom 5. Juni 1987 ist wenig
aussagekräftig und unsubstantiiert -, braucht diesen im Rahmen des vorliegenden
Eilverfahrens nicht nachgegangen zu werden, da dem Antragsteller wegen
seiner exilpolitischen Betätigung im Falle seiner Rückkehr in die Türkei
wahrscheinlich politische Verfolgung droht.
Der Antragsteller hat seine vielfältigen Aktivitäten für den KKDK in der
Bundesrepublik auf örtlicher und überörtlicher Ebene glaubhaft gemacht. Es ist
damit zu rechnen, daß den türkischen Sicherheitsbehörden die exilpolitischen
Betätigungen des Antragstellers nicht verborgen geblieben sind. Schon seit
langem nämlich sammeln die türkischen Auslandsvertretungen Informationen
über oppositionelle Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland (Dokumente Liste
Türkei Nrn. 3., 7., 9., 10., 12., 14. und 15.); außerdem
sind in fast alle Organisationen Spitzel eingeschleust (Dokumente Liste Türkei
erhöhte Sensibilität türkischer Behörden hinsichtlich exilpolitischer Aktivitäten
festzustellen (Dokumente Liste Türkei Nrn. 24. und
26.). Es kann nicht angenommen werden, daß der Antragsteller, der seit langem
Vorstandsmitglied in KKDK und verschiedentlich öffentlich aufgetreten ist, der
Plakate geklebt und Flugblätter verteilt hat, den türkischen Sicherheitsbehörden
verborgen geblieben ist (Dokumente Liste Türkei Nr. 4.). Da der KKDK für
ein vereintes, unabhängiges Kurdistan eintritt, eng mit der von der Türkischen
Kommunistischen Partei gesteuerten "Föderation der Arbeitsvereine der Türkei in
der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FIDEF) zusammenarbeitet (Dokumente
Liste Türkei Nrn. 1. und 2.) und als Auslandsorganisation des DDKD
anzusehen ist (Dokumente Liste Türkei Nrn. 6. und 8.), muß der
Antragsteller auch wegen dieser vorgenannten Aktivitäten bei seiner Rückkehr in
die Türkei mit Strafverfolgung rechnen (Dokumente Liste Türkei
Betätigung> Nrn. 1., 13., 17., 20., 21., 22. und 26. sowie Liste Türkei Nr.
8.). Die Bestrafung wird aller Voraussicht nach an Art. 140 TStGB oder an die -
auch für Auslandstaten geltenden - Art. 141 oder 142 TStGB anknüpfen. Im
Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens kann dahingestellt bleiben, ob auch eine
Bestrafung nach Art. 140 TStGB; als politische Verfolgung zu qualifizieren ist, da
jedenfalls die dem Antragsteller wegen seiner Verbindungen zum KKDK drohende
Bestrafung nach Art. 141 ff. TStGB - wie bereits oben dargelegt - als politische
Verfolgung anzusehen ist. Da der Antragsteller sich gegenüber der vom
Antragsgegner erlassenen Abschiebungsandrohung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG
als Abschiebungshindernis berufen kann und in einem solchen Fall dem Schutz
des Antragstellers vor politischer Verfolgung ein höheres Gewicht zukommt als
dem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug der Abschiebungsandrohung, muß die
im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung
zugunsten des Antragstellers ausgehen; der Antragsgegner ist daher verpflichtet,
den Asylantrag des Antragstellers unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten (§ 10
Abs. 4 Satz 1 AsylVfG).
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Oktober 1988 - 9 C
2.88 - (EZAR 224 Nr. 20 = NVwZ 1989, 473 ff. = DVBl. 1989, 262 ff.) entschieden,
daß die Ausländerbehörde nicht verpflichtet sei, einen unbeachtlichen
Asylfolgeantrag bei Wegfall der Abschiebungsandrohung an das Bundesamt
weiterzuleiten. Werde einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die
Abschiebungsandrohung (§ 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG) allein wegen eines
bestehenden Abschiebungshindernisses entsprochen, so führe dies nur zur
Unwirksamkeit der Abschiebungsandrohung (§ 10 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG), nicht
jedoch dazu, daß auch ein unbeachtlicher Folgeantrag an das Bundesamt
weiterzuleiten sei (siehe auch BVerwG, 07.03.1989 - 9 C 59.88 - im Anschluß an
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weiterzuleiten sei (siehe auch BVerwG, 07.03.1989 - 9 C 59.88 - im Anschluß an
das Urteil vom 25.10.1988 - 9 C 2.88 -). Dieser Rechtsprechung vermag der Senat
sich - jedenfalls im Rahmen der Entscheidung von Eilverfahren - nicht
anzuschließen; Rechtsfolge eines stattgebenden Beschlusses nach § 80 Abs. 5
VwGO im Rahmen eines Eilverfahrens nach §§ 14, 10 AsylVfG kann nur die
Weiterleitung des Asylantrags an das Bundesamt sein, und zwar unabhängig
davon, aus welchem Grunde der Eilantrag Erfolg hat. Dies ergibt sich zum einen
aus dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG. Soweit das
Bundesverwaltungsgericht in seinem oben genannten Urteil vom 25. Oktober 1988
darauf verweist, daß bei einer nicht eindeutigen Vorschrift nicht am Wortlaut
gehaftet werden dürfe, vielmehr zu prüfen sei, ob der Wortlaut wirklich das zum
Ausdruck bringe, was nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zum
Ausdruck gebracht werden solle, so handelt es sich einerseits nach Ansicht des
Senats bei § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG um eine durchaus eindeutige Vorschrift, so
daß sich eine Auslegung gegen den Wortlaut grundsätzlich verbietet (BVerfG,
21.05.1952 - 2 BvH 2/52 -, BVerfGE 1, 299 ff. insbesondere 312), andererseits
entspricht es durchaus Sinn und Zweck der Norm in allen Fällen, in denen einem
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprochen wird, den Asylantrag an das
Bundesamt weiterzuleiten. Dies ergibt sich daraus, daß § 10 Abs. 4 AsylVfG eine
spezielle Regelung - gerade und nur - für das Eilverfahren enthält; es soll eine
gewisse Vorsortierung stattfinden, in welchen Fällen ein Asylhauptverfahren
durchgeführt werden soll, weil dem Eilantrag stattgegeben wird und die
Entscheidungen der Ausländerbehörde unwirksam werden (§ 10 Abs. 4 Satz 2
AsylVfG), und in welchen Fällen die Asylfrage nur inzident im Hauptverfahren
gegen die Abschiebungsandrohung zu prüfen ist. Will man wie das
Bundesverwaltungsgericht in dem oben zitierten Urteil eine Pflicht zur
Weiterleitung des Asylantrags nur anerkennen, wenn der Eilantrag wegen
Beachtlichkeit des Folgeantrags erfolgreich war, so verkennt man, daß es im
Eilverfahren in einer Vielzahl der Fälle überhaupt keine Aussage über die
Beachtlichkeit des Asylfolgeantrags geben wird, weil der Eilantrag bereits aus
anderen Gründen (Tätigwerden einer örtlich unzuständigen Behörde, keine
Ermessensbetätigung bei der Ausreisefristsetzung, unterbliebene Überprüfung
eines Abschiebungshindernisses nach § 14 AuslG etc.) erfolgreich ist und das
Gericht die Frage der Unbeachtlichkeit des Folgeantrags dahingestellt sein lassen
kann. Darüber hinaus gibt es die Fälle, in denen im Rahmen des Eilverfahrens eine
eindeutige Aussage zur Beachtlichkeit bzw. Unbeachtlichkeit des Folgeantrags
gerade nicht möglich ist und das Gericht allein im Rahmen der
Interessenabwägung zur positiven Bescheidung des Eilantrags gelangt und nach
allgemein anerkannter Praxis im summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
auch gelangen darf (vgl. dazu Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl., 1986, Rdnr. 648). In all diesen Fällen wäre eine
Entscheidung über die Beachtlichkeit des Asylantrags gerade nicht getroffen und
daher die Rechtsfolge (Weiterleitung des Asylfolgeantrags oder nicht) offen, d.h. es
würde sich ein weiterer Rechtsstreit über diese Frage anschließen; gegebenenfalls
müßte in diesen Fällen auch ein zusätzliches Eilverfahren entsprechend § 10 Abs.
5 AsylVfG als zulässig angesehen werden, womit eine Verfahrensbeschleunigung
der Asylverfahren gerade nicht erreicht würde.
Der Gesetzgeber hat - auch wenn er den Rechtsschutz bei unbeachtlichen
Asylanträgen ebenso wie bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen erheblich
eingeschränkt hat - durch die Vorschriften des § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG und § 11
Abs. 3 AsylVfG sichergestellt, daß immer dann, wenn Zweifel an der Zulässigkeit
der Abschiebung des Asylbewerbers bestehen, das Asylhauptverfahren
durchzuführen ist, dem Ausländer somit das ordnungsgemäße vollständige
Asylverfahren zur Verfügung stehen soll. Dem dient die Verlängerung der
Ausreisefrist in § 11 Abs. 3 AsylVfG, die unabhängig davon eintritt, aus welchem
Grund das Gericht einem Eilantrag gegen eine infolge offensichtlich
unbegründeten Asylantrags ausgesprochene Ausreiseaufforderung und
Abschiebungsandrohung gemäß §§ 11, 10 AsylVfG stattgegeben hat; dem dient
ebenso die Anordnung in § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG, den Asylantrag unverzüglich
dem Bundesamt zuzuleiten und damit die Entscheidung der dafür zuständigen
Behörde über den Asylantrag herbeizuführen (OVG Nordrhein-Westfalen,
25.04.1986 - 18 B 20665/85 -; OVG Bremen, 01.02.1984 - 2 B 2/84 -, InAuslR 1984,
247 ff.). Sinn und Zweck des § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG allein darin zu sehen, daß
bei einem Streit über die Beachtlichkeit des Folgeantrags die Ausländerbehörde
bereits zur Weiterleitung des Antrags verpflichtet sein soll, wenn das Gericht im
Eilverfahren zu der Erkenntnis gelangt ist, der Folgeantrag sei beachtlich (so
BVerwG in dem zitierten Urteil vom 25.10.1988), wird den - oben aufgezeigten -
praktischen Gegebenheiten nicht gerecht, führt zu einer Handlungsunsicherheit
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praktischen Gegebenheiten nicht gerecht, führt zu einer Handlungsunsicherheit
bei den Ausländerbehörden und ist auch mit der Forderung nach Beschleunigung
der Asylverfahren nicht zu begründen. Der Senat sieht sich daher nicht in der
Lage, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und sich der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzuschließen, dem das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen nunmehr mit Beschluß
vom 19. Mai 1989 - 18 B 20066/89 - allerdings ohne weitere Begründung folgt.
Die Entscheidungen über die Kosten des gesamten Verfahrens und den Streitwert
des Beschwerdeverfahrens folgen aus
§ 154 Abs. 1 VwG0 und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.