Urteil des HessVGH vom 18.02.1991

VGH Kassel: stellenausschreibung, beförderung, fürsorgepflicht, quelle, bankrecht, arbeitsrecht, rechtsgrundlage, amt, gleichbehandlungsgebot, zugang

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 85/91
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8 BG HE, § 92 BG HE, Art
19 Abs 4 GG, Art 33 Abs 2
GG
(Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch
einstweilige Anordnung - Pflicht zur Stellenausschreibung -
Einbeziehung von potentiellen Bewerbern auch ohne
Ausschreibung)
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO), jedoch nicht begründet. Das
Verwaltungsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 122 Abs. 2
Satz 3 VwGO Bezug genommen wird, die begehrte einstweilige Anordnung
erlassen. Allerdings hätte es sachgerechterweise unter Berücksichtigung des
gesamten Vorbringens des Antragstellers zur Erreichung des mit dem
Rechtsschutzbegehren verfolgten Zwecks den Antragsgegner verpflichten sollen,
nicht lediglich eine Stelle für den Antragsteller freizuhalten, sondern keinen der
Beigeladenen bis zum Abschluß eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens
zu befördern (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO). Dem Antragsteller
geht es mit dem vorliegenden Verfahren zwar letztlich nur darum, auf einer der
freien Planstellen befördert zu werden. Er macht seinen sog.
Bewerbungsverfahrensanspruch jedoch im Konkurrenzverhältnis zu jedem der
Beigeladenen geltend. Da er indessen die erstinstanzliche Entscheidung nicht
angefochten hat, ist es dem Beschwerdegericht verwehrt, den Beschluß zu seinen
Gunsten abzuändern.
Der Antragsgegner war verpflichtet, die streitbefangenen Beförderungsplanstellen
auszuschreiben. Hieran vermag auch sein Beschwerdevorbringen nichts zu
ändern, daß der Hauptpersonalrat angeregt habe, wegen der besonderen
Situation infolge der Stellenanhebungen auf eine Ausschreibung der Planstellen zu
verzichten. Die Verpflichtung zur Ausschreibung beruht auf dem Erlaß des
Hessischen Ministers des Innern vom 11.9.1980 (StAnz. 1981, 586) i. d. F. vom
30.11.1981 (StAnz. S. 2366), und der infolge der gleichmäßigen Anwendung dieses
Erlasses in den zurückliegenden Jahren geschaffenen Selbstbindung der
Verwaltung. Der Hessische Minister des Innern kann zwar durch eine allgemeine
Neuregelung diese Selbstbindung generell für die Zukunft aufheben bzw. ändern,
es widerspricht jedoch dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG, in einem
einzelnen Fall hiervon abzuweichen. Da der Erlaß des Hessischen Ministers des
Innern vom 11.9.1980 das verfassungsrechtliche Gebot des Art. 33 Abs. 2 GG
konkretisiert, wonach jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und
fachlichen Leistung ein gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleistet
ist (BVerwG, Beschluß vom 8.3.1988 -- VI P 32.85 --, BVerwGE 79, 101 = DÖV
1988, 155 = DVBl. 1988, 695 = PersR 1988, 183 = ZBR 1988, 256 = PersV 1989,
73 = NVwZ 1989, 563), konnte der Hauptpersonalrat auch nicht einseitig -- zu
Lasten der Beschäftigten -- auf eine Ausschreibung der Beförderungsplanstellen
verzichten. Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn die Verpflichtung der
Dienststelle zur dienststelleninternen Ausschreibung von zu besetzenden Stellen
(Dienstposten) sich allein aus einem entsprechenden Mitbestimmungstatbestand
des Personalvertretungsgesetzes ableitete (vgl. hierzu den vorstehend zitierten
Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts). Es kann dahingestellt bleiben, ob sich
überhaupt aus dem Hessischen Personalvertretungsgesetz eine Verpflichtung zur
Stellenausschreibung herleiten läßt, denn der Erlaß des Hessischen Ministers des
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Stellenausschreibung herleiten läßt, denn der Erlaß des Hessischen Ministers des
Innern vom 11.9.1980 hat jedenfalls seine Rechtsgrundlage nicht in dem
Personalvertretungsgesetz, auch wenn er nach Beteiligung des Hauptpersonalrats
erging (vgl. § 57 a HPVG a.F.).
Das bisherige Stellenbesetzungsverfahren leidet noch an weiteren Mängeln. Der
Antragsgegner war unabhängig von der unterlassenen Stellenausschreibung
verpflichtet, den Antragsteller mit in das Auswahlverfahren einzubeziehen. Diese
Verpflichtung folgt aus dem sog. Bewerbungsverfahrensanspruch. Auch wenn der
Beamte aus Art. 33 Abs. 2 GG und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn
grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung oder Übertragung eines
höherwertigen Dienstpostens herleiten kann, so hat er doch das Recht, sich zu
bewerben, und einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Bescheidung seines Gesuchs
unter Beachtung des Leistungsprinzips. Sein Bewerbungsverfahrensanspruch
umfaßt das Recht auf eine faire und chancengleiche Behandlung unter Einhaltung
des eventuell gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger
Anhörungs- und Beteiligungsrechte sowie der Pflicht des Dienstherrn, den
Beamten nicht aus unsachlichen Erwägungen in seinem beruflichen Aufstieg zu
behindern.
Der Bewerbungsverfahrensanspruch setzt regelmäßig einen Antrag des Beamten
im Zusammenhang mit einem Stellenbesetzungs- bzw. Beförderungsverfahren
voraus. Im allgemeinen beruht dieser Antrag auf einer Stellenausschreibung. Die
Stellenausschreibung gibt dem Beamten die Möglichkeit zu entscheiden, ob er den
ihm durch Art. 33 Abs. 2 GG garantierten Anspruch geltend machen will oder nicht.
Schreibt der Dienstherr eine Stelle nicht aus, nimmt er regelmäßig potentiellen
Bewerbern die Möglichkeit, ihren Bewerbungsverfahrensanspruch geltend zu
machen. Da dies Art. 33 Abs. 2 GG und insbesondere auch der Fürsorgepflicht
widerspräche, ist er in diesen Fällen gehalten, alle für die Betrauung mit dem
höherwertigen Dienstposten bzw. für die Beförderung in Betracht kommenden
Beamten -- zumindest der Dienststelle -- von Amts wegen mit in das
Auswahlverfahren einzubeziehen. Diese Verpflichtung gewährleistet, daß Beamte
nicht aus unsachlichen Erwägungen in ihrem beruflichen Aufstieg behindert
werden. Denn unsachlich ist eine Auswahlentscheidung, die einen Beamten oder
einzelne Beamte ohne nähere Prüfung am Maßstab des Leistungsprinzips, also
ohne nähere Prüfung ihrer fachlichen und persönlichen Eignung, von einem
Auswahlverfahren ausschließt. Eine Ausnahme von der Verpflichtung, alle für die
Stellenbesetzung in Betracht kommenden Beamten miteinzubeziehen, besteht
nur dann, wenn angesichts der Organisations- und Personalhoheit des Dienstherrn
die Maßnahme von ihrem sachlichen Anlaß her darauf ausgelegt ist, einzelne oder
mehrere bestimmte Beschäftigte mit anderen Aufgaben zu betrauen bzw. ihre
Aufgaben zu erweitern oder zu beschränken.
Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen war das bisherige Verfahren zur
Besetzung der fraglichen Beförderungsplanstellen fehlerhaft. Ein
ordnungsgemäßes Auswahlverfahren, in das der Antragsteller hätte einbezogen
werden müssen, fand nicht statt. Dabei ist zunächst festzustellen, daß -- entgegen
dem Vorbringen des Antragsgegners -- die nach A 13 BBesO angehobenen
Beförderungsstellen beim Polizeipräsidenten in F a.M. den Dienstposten nicht nach
der Wertigkeit ihrer Funktionen zugeteilt wurden. Dies folgt zweifelsfrei aus dem
vom Antragsgegner vorgelegten Vermerk des Leiters der Abteilung K vom
20.6.1990. Dort wird ausgeführt, daß der Antragsteller nicht in den Vorschlag der
Kriminalabteilung für die zu befördernden Beamten aufgenommen wurde, weil er
die nach § 8 HBG geforderten (Beförderungs-)Voraussetzungen nicht in
ausreichendem Maße erfülle. Beim Polizeipräsidenten in F a.M. wurde also
zunächst entschieden, welche Beamten befördert werden sollten, und sodann
wurden den von diesen Beamten wahrgenommenen Dienstposten die
angehobenen Planstellen zugewiesen. Ein derartiges Verfahren ist fehlerhaft, wenn
-- wie hier -- die Auswahl unter den für eine Beförderung in Betracht kommenden
Beamten nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren
(Beiziehung der Personalakten, Berücksichtigung aktueller Beurteilungen und
Begründung der Auswahlentscheidung) genügt (vgl. Senatsbeschluß vom
4.11.1988 -- 1 TG 3796/88 --, Schütz, ES/A II 1.4 Nr. 28).
Aber selbst wenn der Antragsgegner auf Grund einer sachgerechten
Dienstpostenbewertung die angehobenen Planstellen den einzelnen Dienstposten
zugewiesen hätte, hätte ihn dies nicht davon entbunden, ein ordnungsgemäßes
Auswahlverfahren durchzuführen. Er war und ist weder berechtigt noch verpflichtet,
die Dienstposteninhaber allein deshalb zu befördern, weil sie die Obliegenheiten
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die Dienstposteninhaber allein deshalb zu befördern, weil sie die Obliegenheiten
des nunmehr höherwertigen Aufgabenbereiches bereits wahrnehmen (BVerwG,
Urteil vom 20.12.1988 -- 2 B 69.88 DokBer. B 1989, 71-72 = Quelle 1989, 618).
Ohne daß es für die Entscheidung des Rechtsstreits noch darauf ankommt, weist
der Senat auf folgendes hin: Der Antragsgegner war nicht berechtigt, vor Abschluß
des vorliegenden Verfahrens neun Beamte auf Planstellen zu befördern, die nach
A 13 BBesO angehoben waren. Dies widersprach dem Anspruch des Antragstellers
auf Gewährleistung ausreichenden Rechtsschutzes, wie ihn das
Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 19.9.1989 -- 2 BvR 1576/88 --
(DVBl. 89, 1247 = NJW 90, 501 = BayVwBl. 1990, 110) konkretisiert hat. Danach ist
der Dienstherr verpflichtet, vor der Besetzung einer Beförderungsstelle die
unterlegenen Bewerber vom Ausgang des Auswahlverfahrens zu informieren,
damit diese vor der Schaffung endgültiger Verhältnisse zur Sicherung ihrer Rechte
gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Dies bedeutet, daß der
Dienstherr in den Fällen, in denen der übergangene Bewerber einen Antrag auf
Erlaß einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht stellt, vor
Aushändigung der Ernennungsurkunde an den ausgewählten Mitbewerber den
rechtskräftigen Abschluß des Gerichtsverfahrens abwarten muß. Diese
Verpflichtung des Dienstherrn folgt unmittelbar aus dem Grundgesetz (Art. 33
Abs. 2, Art. 19 Abs. 4) und ist deshalb unabhängig von einer richterlichen
Aufforderung bzw. einem richterlichen Hinweis zu beachten. Da die Verpflichtung
bis zum rechtskräftigen Abschluß des Auswahlverfahrens besteht, kann der
Dienstherr von ihr auch nicht durch richterliches Einverständnis entbunden werden.
Zu Unrecht ging der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren davon aus, daß er
zugunsten des Antragstellers lediglich eine Planstelle freizuhalten habe. Wie
bereits oben ausgeführt, hat der Antragsteller seinen
Bewerbungsverfahrensanspruch im Konkurrenzverhältnis zu jedem der für eine
Beförderung ausgewählten Beamten geltend gemacht, auch wenn er letztlich nur
einmal auf einer Stelle befördert werden will.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.