Urteil des HessVGH vom 15.11.1993
VGH Kassel: örtliche zuständigkeit, auflage, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, quelle, gerichtsstand, dokumentation, asylbewerber
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
13. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 Z 2131/93
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 52 Nr 2 S 3 VwGO, § 53
Abs 1 Nr 3 VwGO, § 53 Abs
2 VwGO
(Bestimmung des zuständigen Gerichtes durch das
nächsthöhere Gericht nicht in den Fällen verschiedener
Auslegungsmöglichkeiten der Zuständigkeitsnorm)
Gründe
Der Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 6. September
1993, mit dem dieses die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts durch den
Hessischen Verwaltungsgerichtshof gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO begehrt, ist
unzulässig. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen
Verwaltungsgerichts durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof liegen nicht
vor.
Gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann u.a. jedes mit dem Rechtsstreit befaßte
Gericht das nächsthöhere Gericht anrufen, wenn die Bestimmung der
Zuständigkeit gemäß § 53 Abs. 1 VwGO durch dieses erfolgen muß. § 53 Abs. 1
Nr. 3 VwGO sieht vor, daß das zuständige Gericht innerhalb der
Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das nächst höhere Gericht bestimmt wird, wenn
sich der Gerichtsstand nach § 52 VwGO richtet und verschiedene Gerichte in
Betracht kommen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ist im Verhältnis zu den
nach Auffassung des vorlegenden Gerichts in Betracht kommenden
Verwaltungsgerichten Darmstadt und Wiesbaden das gemeinsame nächsthöhere
Gericht im Sinne der genannten Vorschrift. Die örtliche Zuständigkeit des
Verwaltungsgerichts bestimmt sich im vorliegenden Verfahren nach § 52 VwGO
und zwar nach Nr. 2 Satz 3 der Vorschrift in der Fassung, die er durch Art. 3 des
Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1126)
erhalten hat. Nach der genannten Vorschrift kommt jedoch nur ein
Verwaltungsgericht als örtlich zuständig in Betracht und nicht beide im
Vorlagebeschluß genannten Gerichte, so daß die Voraussetzungen von § 53 Abs. 1
Nr. 3 VwGO nicht gegeben sind.
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat in seinem Beschluß vom 6. September
1993 ausgeführt, der Wortlaut des § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO lasse in Verbindung mit
den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes und den landesrechtlichen
Bestimmungen über die Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende verschiedene
Auslegungsmöglichkeiten zu, die beide vertretbar und mit guten Argumenten
begründbar seien. Die eine Lösungsmöglichkeit führe im zu entscheidenden
Rechtsstreit zur örtlichen Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, die andere
Möglichkeit zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, weil der
betreffende Asylbewerber in eine Unterkunft eingewiesen ist, die im
Gerichtssprengel des Verwaltungsgerichts Darmstadt liegt, jedoch organisatorisch
einer dem Gerichtssprengel des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zugehörigen
Erstaufnahmeeinrichtung zugeordnet ist. Da somit nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO
die Zuständigkeit beider Verwaltungsgerichte gegeben sei, müsse die
Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO erfolgen.
Der beschließende Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Das
Verwaltungsgericht Darmstadt hat in seinem Vorlagebeschluß selbst zwei
verschiedene Auslegungsmöglichkeiten des § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO unter
verschiedene Auslegungsmöglichkeiten des § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO unter
ausführlicher Darlegung der unterschiedlichen Argumente dargestellt. Da die eine
Variante zur Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, die andere zu der des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden führt, hängt die Bestimmung der örtlichen
Zuständigkeit allein davon ab, welcher Auslegung der Vorzug gegeben wird. Die
gleichzeitige Zuständigkeit beider Gerichte kann sich aber unter keinem
Gesichtspunkt ergeben. Die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit erweist sich
im vorliegenden Fall als reine Rechtsfrage über den Regelungsgehalt und die
Tragweite des § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO im Zusammenhang mit den Bestimmungen
des Asylverfahrensgesetzes. Welcher Auslegung des § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO der
Vorzug gebührt, hat aber das Verwaltungsgericht bei der ihm obliegenden Prüfung,
ob seine örtliche Zuständigkeit gegeben ist oder nicht, selbst zu entscheiden. Ist
das örtlich zuständige Gericht unter Anwendung des § 52 VwGO bestimmbar, wenn
auch unter Klärung offener und schwieriger Rechtsfragen bezüglich der Anwendung
der genannten Norm, kommt die Anrufung des nächsthöheren Gerichts gemäß §
53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO nicht in Betracht. Für die Anwendung dieser Vorschrift reicht
es nämlich nicht aus, daß rechtliche Zweifel über die Auslegung und Anwendung
der Zuständigkeitsvorschriften bestehen, die das Verwaltungsgericht durch
Auslegung beseitigen kann (vgl. Kopp, VwGO, 9. Auflage, § 53, Rdnr. 2, 6;
Redeker/von Oertzen, VwGO, 10. Auflage, § 53 Rdnr. 1; Eyermann/Fröhler, VwGO,
9. Auflage, § 53 Rdnr. 8; BVerwG, Beschluß vom 19. Januar 1959 - BVerwG IV ER
401.58 -, BVerwGE 8, 109, 110; Beschluß vom 19. Juli 1979 - BVerwG 6 ER 400.79 -
, BVerwGE 58, 225, 228 Beschluß vom 9. September 1980 - BVerwG 9 ER 402.80 -,
DVBl 1981, Seite 189). § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ermöglicht nicht die Einholung einer
Art Vorabentscheidung des nächsthöheren Gerichts über die Auslegung der
Zuständigkeitsvorschriften (BVerwG, Beschluß vom 22. September 1987) -
BVerwG 3 ER 401.87 -), sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit der
Zuständigkeitsbestimmung durch Richterspruch, wenn die gesetzlichen
Gerichtsstandsregelungen zur Zuständigkeit mindestens zweier Gerichte führen.
Eine im Wege der Auslegung nicht herbeiführbare Zuständigkeitsbestimmung ist
nicht bereits dann anzunehmen, wenn sich das Verwaltungsgericht wegen
plausibler Argumente für die eine oder andere Möglichkeit nicht zu einer
Entscheidung durchringen mag. § 53 VwGO bietet keine Handhabe, die Lösung
schwieriger rechtlicher Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Zuständigkeit
auf das nächsthöhere Gericht zu übertragen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.