Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 05.04.2007
OVG Berlin-Brandenburg: konzept, grundstück, befreiung, abschreibung, vorbescheid, verwirkung, original, verdacht, grundbuchamt, anfang
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 10.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 10 S 9.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 19 Abs 2 BauGB, § 17 Abs 1
SOG BE, § 7 Abs 1 SOG BE
Bauplanungsrecht, -ordnungsrecht: Verpflichtung zur
Wiedervereinigung neu gebildeter Flurstücke zwecks
Beseitigung eines bauplanungsrechtlich rechtswidrigen
Zustandes, der eine verdichtete Bebauung nach sich ziehen
könnte
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 5. April 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des
Antragsgegners vom 17. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.
November 2006, mit dem ihr unter Androhung eines Zwangsgelds aufgegeben wird, „die
grundbuchliche Abschreibung des Flurstücks 416 aus dem Bestand des
Grundbuchblattes 2651 von L. wieder rückabzuwickeln und die Flurstücke wieder auf
einem Grundbuchblatt im Bestandsverzeichnis unter einer laufenden Nummer zu
vereinigen“. Ihren Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihrer Klage (VG 13 A 11.07) hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5.
April 2007 abgelehnt.
Die dagegen erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die von der
Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht
beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des
angefochtenen Beschlusses.
Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe das überwiegende
öffentliche Interesse damit begründet, dass durch einen Weiterverkauf der neu
gebildeten Grundstücke an Dritte die Durchsetzung der bauaufsichtlichen Anordnung
faktisch erschwert werde, ohne diesen Gesichtspunkt weiter zu erläutern und ohne sich
mit den schriftsätzlich vorgetragenen Einwänden der Antragstellerin
auseinanderzusetzen, genügt es nicht, darauf zu verweisen, dass die Folgen eines
möglichen Verkaufs des neuen Grundstücks – wie es in der in Bezug genommenen
Antragsschrift heißt - „im eigenen Verantwortungsbereich und Risiko“ der Antragstellerin
lägen und sie daher „sinnvollerweise vertragliche Regelungen mit dem Erwerber… treffen
sollte“ (Beschwerdeschrift S. 2). Denn es liegt auf der Hand und bedurfte daher auch
keiner weiteren Erläuterung, dass im Falle des jederzeit möglichen Weiterverkaufs des
neu gebildeten Grundstücks an einen Dritten seitens des Antragsgegners weitere
Schritte ergriffen werden müssten, um sicher zu stellen, dass insgesamt wieder
baurechtmäßige Zustände hergestellt werden. Dabei spielt unter dem Gesichtspunkt der
faktischen Erschwerung auch der Zeitfaktor eine Rolle, weil es nahe liegt, dass die
weiteren Verfügungen, die im Falle eines Weiterverkaufs notwendig würden, ihrerseits
entsprechende Rechtsschutzverfahren nach sich ziehen dürften.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen nach der im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren zugrunde zu legenden summarischen Prüfung an der
Rechtsmäßigkeit der mit dem Widerspruchsbescheid konkretisierten Anordnung keine
ernstlichen Zweifel.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht als Rechtsgrundlage für die angefochtene
Anordnung auf § 17 Abs. 1 ASOG i.V.m. § 7 Abs. 1 BauO Bln (2005) und § 19 Abs. 2
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Anordnung auf § 17 Abs. 1 ASOG i.V.m. § 7 Abs. 1 BauO Bln (2005) und § 19 Abs. 2
BauGB verwiesen. Aus dem Umstand, dass § 7 Abs. 1 BauO Bln 2005 - anders als die
frühere Regelung - keine ausdrückliche Eingriffsbefugnis für die vorliegenden
Fallkonstellation (mehr) enthält, kann nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber
nunmehr auf Sanktionsmöglichkeiten verzichten und einen Rückgriff auf die allgemeinen
ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse sowie die Vorschriften über die besonderen
bauaufsichtlichen Maßnahmen oder auf das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht
ausschließen wollte. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, ist der Gesetzgeber
davon ausgegangen, dass die allgemeinen Eingriffsbefugnisse ausreichen (Drs. 15/3926,
S. 71). Die Neufassung des § 7 BauO Bln erklärt sich allein aus dem Anliegen des
Gesetzgebers, die Konzeption der so genannten Musterbauordnung auf die Berliner
Bauordnung zu übertragen und zielt nicht darauf, die Handlungsmöglichkeiten der
Bauaufsichtsbehörde einzuschränken. Dazu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen
Regelung bedurft (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Oktober 2005 -
OVG 2 N 149.05 -).
Dass auf dem vorderen Grundstück baurechtswidrige Zustände bestehen, weil die GFZ
auf diesem Grundstück nach der grundbuchlichen Abschreibung 0,521 beträgt und
damit über der bauplanungsrechtlich zulässigen GFZ von 0,4 liegt, hat die
Antragstellerin nicht in Abrede gestellt; die Tatbestandsvoraussetzungen für ein
Einschreiten sind also gegeben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sie
keinen Anspruch auf eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dürfte die Erteilung einer Befreiung
städtebaulich nicht vertretbar sein.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, „(d)ie Annahme, dass in der Vergangenheit eine
verdichtete Bebauung Am Springebruch nur deshalb genehmigt wurde, weil das
nunmehr abgetrennte Flurstück Nr. 416 als freie Ausgleichsfläche zur Verfügung
gestanden habe, … (gehe) an den Tatsachen vorbei“, und meint, das
Verwaltungsgericht arbeite „hier auch eher mit Vermutungen“, wird nicht beachtet, dass
sich aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ein nachvollziehbares, hinreichend
konkretes städtebauliches Konzept zur Frage der Verdichtung des Baugebiets ergibt.
Wie sich beispielsweise aus der im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens eingeholten
Stellungnahme der Stadtplanung vom Januar 2002 ergibt (VV Bd. I Bl. 114), zielt das
Konzept auf eine Abstufung der Bebauung, um damit einer weiteren (zu) hohen
Bebauungsdichte entgegen zu steuern. Angesichts dessen ist es nicht lediglich eine
„Vermutung“ des Verwaltungsgerichts, sondern - wie das Gericht zu Recht anmerkt -
nachvollziehbar, „dass die dichte Bebauung am Z.-K.-D. seinerzeit zugelassen wurde,
weil im hinteren Grundstücksbereich eine Freifläche gewissermaßen zum Ausgleich
dieser Verdichtung vorhanden war“ (UA S. 6). Dem steht auch nicht entgegen, dass der
Antragsgegner mit Vorbescheid vom 7. Dezember 2005 hinsichtlich des Maßes der
baulichen Nutzung auf dem (hinteren) Teilstück eine GFZ von 0,4 sowie eine GRZ von
0,2 als zulässig erachtet hat. Denn der Antragsgegner hat sich in dem Vorbescheid
zugleich vorbehalten, die Herstellung baurechtmäßiger Zustände anzuordnen, sobald
dem Grundbuchamt der Antrag vorliegt, das hintere Flurstück grundbuchlich
abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen. Dieser Vorbehalt deckt
sich wiederum mit dem aufgezeigten städtebaulichen Konzept. Denn es liegt auf der
Hand, dass bei einer solchen „Verselbständigung“ des Grundstücks das Baugebiet in
diesem Bereich in ganz erheblicher Weise verdichtet würde, weil auf dem vorderen
Grundstück dadurch die GFZ um ca. 30 % auf 0,521 ansteigt bzw. angestiegen ist. Eine
solche Verdichtungssituation verträgt sich nicht mit dem nachvollziehbar begründeten
städtebaulichen Konzept der abgestuften Verdichtung.
Soweit die Antragstellerin meint, die vom Verwaltungsgericht angenommene
Präzedenzwirkung, die das Gericht auch nicht begründet habe, greife nicht, „weil es
keine unmittelbaren städtebaulichen Wechselwirkungen zwischen den (bestehenden und
geplanten) Gebäuden am Ende der S.-Straße am S. und der umgebenden kleinteiligeren
Wohnbebauung geben würde“ (Klammerzusätze im Original), verkennt sie, dass die
begehrte Befreiungsentscheidung – ohne dass dies einer ausdrücklichen Begründung
bedurft hätte – im Fall einer Neubebauung, die unabhängig von einer „bestehenden oder
geplanten“ Bebauung jedenfalls grundsätzlich möglich ist, durchaus Präzedenzwirkung
entfalten könnte.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass – selbst wenn die
Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung vorlägen - kein Fall der
Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Soweit die Antragstellerin in diesem
Zusammenhang rügt, dass „angesichts der bereits seit 9 Jahren andauernden
Auseinandersetzungen der Verdacht nahe (liege), dass die Ermessensentscheidung hier
in sachfremder Weise dazu missbraucht wird, um ein Neubauvorhaben … weiter zu
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in sachfremder Weise dazu missbraucht wird, um ein Neubauvorhaben … weiter zu
blockieren“, verkennt sie, dass der „sachliche“ Grund für die in der Vergangenheit
ausgetragenen Konflikte in dem vom Antragsgegner verfolgten städtebaulichen Konzept
der abgestuften Verdichtung lag bzw. liegt. Ob das von dem Antragsgegner eingeleitete,
aber nicht weiter geführte Verfahren zum Bebauungsplanentwurf – wie die
Antragstellerin in dem in Bezug genommenen Verfahren VG 13 A 247.02 u.a. vorträgt –
auf eine „Verhinderungsplanung“ zielte, kann dahin gestellt bleiben. Denn auch das
würde nichts an der Tatsache ändern, dass die Antragstellerin – nunmehr, durch die
grundbuchliche Abschreibung - (auf dem vorderen Grundstück) einen nicht etwa nur als
geringfügig zu erachtenden bauplanungsrechtlich rechtswidrigen Zustand herbeigeführt
hat. Vor diesem Hintergrund sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich die von
der Antragstellerin letztlich nur behauptete Ermessensreduzierung auf Null ergeben
könnten.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass kein
Fall der Verwirkung vorliegt. Zum einen ist schon nicht ersichtlich, dass die vom
Antragsgegner wahrzunehmende Befugnis zum ordnungsbehördlichen Einschreiten
überhaupt der Verwirkung unterliegt. Ferner genügt es nicht, schlicht auf den zeitlichen
Ablauf zu verweisen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juni 2007 - OVG 10 N
116.05 -). Zum anderen hat der Antragsgegner im Zuge der von der Antragstellerin
genannten langjährigen Auseinandersetzungen von Anfang an die Gefahr, dass bei einer
Bebauung des hinteren Grundstücks baurechtswidrige Zustände eintreten, deutlich
gemacht. Ein Vertrauensmoment ist auch nicht dadurch entstanden, dass der
Antragsgegner darauf verzichtet hat, das Negativzeugnis vom 19. November 1998 zu
widerrufen. Da es - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - einer Aufhebung
des Negativzeugnisses nicht bedurfte, wirkt das Zeugnis auch nicht vertrauensstiftend.
Hinzu kommt, dass – wie sich aus dem Gesprächsvermerk vom 8. Juni 1998 ergibt (VV
Bd. I Bl. 14) - der Antragstellerin noch vor Erteilung des Negativzeugnisses bekannt war,
dass der Antragsgegner die Bebauung des hinteren Grundstücksteils und die Erteilung
einer (weiteren) Befreiung auf dem vorderen Grundstücksteil mit Blick auf die
Überschreitung der GFZ ablehnte. Wie das Verwaltungsgericht angemerkt hat, hat der
Antragsgegner darüber hinaus bereits mit Schreiben vom 10. Januar 2000 auf eine
mögliche Anordnung mit Blick auf die Veränderung der Grenzen hingewiesen (VV Bd. I
Bl. 54). Insofern durfte die Antragstellerin keinesfalls darauf vertrauen, dass ihren Plänen
zur künftigen Bebauung nach Grundstücksteilung und (späterer) Abschreibung keine
rechtlichen Hindernisse mehr entgegenstehen würden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt insoweit der
erstinstanzlichen Festsetzung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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