Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 11.06.2009
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 11.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 11 S 36.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 4 AufenthG, § 31 Abs 1
AufenthG, § 31 Abs 2 AufenthG
Ausländerrecht - Visum als eigenständiger Aufenthaltstitel
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 11. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, türkische Staatsangehörige, ist mit bis zum 5. August 2008
befristetem Visum am 26. Mai 2008 zu ihrem deutschen Ehemann, türkischer Herkunft,
den sie am 24. Oktober 2007 in der Türkei geheiratet hatte, nach Berlin eingereist. Die
Eheleute haben sich nach Vortrag der Antragstellerin am 9. Juli 2008 getrennt. Den
Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 2. Juni 2008 hat die
Ausländerbehörde mit Bescheid vom 13. November 2008 nach § 28 Abs. 1 und § 31
Abs. 1, 2 AufenthG abgewiesen sowie zugleich die Abschiebung angedroht. Den
hiergegen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag hat das Verwaltungsgericht
abgewiesen, weil eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr beabsichtigt sei und
unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin zu einer besonderen
Härtesituation die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrechts gemäß §
31 Abs. 1, 2 AufenthG nicht vorliegen würden.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hat
auf der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Grundlage der
Beschwerdebegründung im Ergebnis keinen Erfolg.
Die Antragstellerin wendet sich wegen der unstreitigen Aufgabe der ehelichen
Lebensgemeinschaft nicht gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28
AufenthG, sondern verfolgt ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG.
Zur vom Vertreter der Antragstellerin erstinstanzlich ausdrücklich angesprochenen
Problematik der Qualifizierung eines Visums als Aufenthaltserlaubnis hier als
Voraussetzung für das Eingreifen von § 31 AufenthG hat der Senat in dem vom
Verwaltungsgericht zitiertem Urteil vom 4. Februar 2008 - 11 B 4.07 - (in Juris) zu § 30
Abs. 3 AufenthG ausgeführt:
„….Hier steht die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der
Familienzusammenführung in Rede. Das der Klägerin ….erteilte nationale Visum zur
Einreise ist keine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 30 Abs. 3 AufenthG, die verlängert
werden könnte (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 7. Dezember 2007 - 17 B
2167/06 -, in Juris; zum AuslG vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2004 - 3 N
124.04 -). Aufenthaltserlaubnis und Visum sind nach der Konzeption des
Aufenthaltsgesetzes jeweils eigenständige Aufenthaltstitel. Nach § 4 Abs. 1 S. 2
AufenthG werden die Aufenthaltstitel als Visum (§ 6 AufenthG), Aufenthaltserlaubnis (§ 7
AufenthG), Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-
EG (§ 9a AufenthG) erteilt. Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten gewesen, dass der
Gesetzgeber das Visum als Tatbestandsvoraussetzung ausdrücklich in § 30 Abs. 3
AufenthG erwähnt hätte, wenn er die erleichterten Erteilungsvoraussetzungen auch auf
diese Fallgestaltung hätte erstrecken wollen, zumal sich die Frage der Verlängerung bei
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diese Fallgestaltung hätte erstrecken wollen, zumal sich die Frage der Verlängerung bei
den (unbefristeten) Aufenthaltstiteln nach §§ 9, 9a AufenthG nicht stellt. Dieses
Verständnis entspricht auch dem Zweck der Norm, nach dem der Gesetzgeber dem
Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft, die
rechtmäßig im Bundesgebiet geführt wird, ein besonderes Gewicht beimessen wollte
(vgl. BT-Drs. 15/420, S. 82 zu § 30) und noch nicht nach Einreise mit einem für drei
Monate gültigen Einreisevisum in Rede steht, während die Aufenthaltserlaubnis nach §
27 Abs. 4 S. 4 AufenthG für mindestens ein Jahr zu erteilen ist.“
Das Urteil des Senats ist durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 30. April 2009
- 1 C 3/08 -, in Juris) bestätigt worden, das sich zu der Frage des Visums als
eigenständigem Aufenthaltstitel zwar nicht ausdrücklich verhält, jedoch - wie der Senat -
in dem entschiedenen Fall nach Visumserteilung ebenfalls von der Rechtsgrundlage § 30
Abs. 1 AufenthG für die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis und nicht von der
Verlängerungsregelung § 30 Abs. 3 AufenthG ausging, die bei einem anderen
Verständnis des Visums einschlägig gewesen wäre. An diesem Verständnis des Visums
als eigenständigem Aufenthaltstitel nach dem AufenthG hält der Senat fest (vgl. auch
OVG Bln.-Bbg, Beschluss vom 21. Juli 2008 - 12 S 51.08 -, n. v.) und für eine
abweichende Beurteilung im Rahmen des § 31 Abs. 1 AufenthG, welche Norm eine
weitere Verfestigung des Aufenthaltsrechts ermöglichen will, besteht keine Grundlage.
Entgegen der erstinstanzlich geäußerten Auffassung der Antragstellerin ist das
Verständnis von § 31 Abs. 1 AufenthG auch für den von ihr mit der Beschwerde weiterhin
in Anspruch genommenen Anwendungsbereich von § 31 Abs. 2 AufenthG maßgeblich.
Diese Regelung knüpft systematisch sowie seinem Wortlaut nach gerade an Abs. 1 an
und befreit in Fällen besonderer Härte lediglich von dem Erfordernis, dass grundsätzlich
für den Erwerb eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach Ehegattennachzug die
eheliche Lebensgemeinschaft für zwei Jahre bestanden haben muss. Das weitergehende
Verständnis des Vertreters der Antragstellerin einer völlig eigenständigen Härteregelung
führt zu einem Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen, das gerade im 5. Abschnitt
des AufenthG eine spezielle Normierung gefunden hat.
Das Eingreifen letzterer Regelungen war im vorliegenden Verfahren auch nicht zu prüfen.
Bei einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt sowie der nach § 31 AufenthG
handelt es sich jeweils um unterschiedliche Streitgegenstände, da mit dem
Aufenthaltsgesetz für verschiedene Lebenssachverhalte jeweils eigenständige
Aufenthaltsansprüche geregelt sind (vgl. zum AuslG bereits BVerwG, Beschluss vom 21.
Oktober - 1 B 116.83 -, DVBl 1984, 93; VGH Mannheim, Beschluss vom 12. September
2002 - 11 S 636/02 -, NVwZ-RR 2003,236 f. m. w N; sowie zum AufenthG Beschlüsse des
Senats vom 25. April 2006 - 11 S 18.06 - und 7. August 2007 - 11 S 34.07 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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