Urteil des OLG Zweibrücken vom 15.11.2004

OLG Zweibrücken: unterbrechung, wechsel, einfluss, prozessführungsbefugnis, anhörung, quelle, zufall, bedenkzeit, kontradiktorisch, leasingvertrag

OLG
Zweibrücken
15.11.2004
4 W 155/04
Keine Unterbrechung des Prozesskostenhilfeverfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Aktenzeichen:
4 W 155/04
7 O 296/04 Landgericht Frankenthal (Pfalz)
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Rechtsstreit
M... B...
-
Beschwerdeführer, Antragsteller und Beklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Sch..., ..., ...,
gegen
J…-L... GmbH und Co. KG
Geschäftsführer H... M..., ..., ...,
-
Klägerin
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt D... O..., ..., ...,
wegen Schadensersatzes
hier: Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz
hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht
Reichling und Friemel auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 13./15.Oktober 2004 gegen den
ihm nicht förmlich zugestellten Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29.
September 2004
ohne mündliche Verhandlung am 15. November 2004
b e s c h l o s s e n :
I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des
Beklagten an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Leasingvertrag geltend.
Der Beklagte hat zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe beantragt. Danach ist durch
Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 23. August 2004 – 3 a IK 245/04 SP über sein
Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Beschluss vom 29. September 2004 hat die
Zivilkammer festgestellt, das Verfahren sei gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Im Hinblick darauf könne über
den Prozesskostenhilfeantrag derzeit nicht entschieden werden. Gegen diesen Beschluss wendet sich der
Beklagte mit seiner Beschwerde, der die Zivilkammer nicht abgeholfen hat.
II.
1.
v. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO keine ausdrückliche Sachentscheidung vor. Das Landgericht hat durch den
angefochtenen Beschluss aber deutlich gemacht, dass es beim derzeitigen Stand des Verfahrens nicht
beabsichtigt, über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden. Im Hinblick darauf ist das Rechtsmittel
des Beklagten jedenfalls als Untätigkeitsbeschwerde statthaft, weil die Sachentscheidung über einen
unzumutbaren Zeitraum hinaus verzögert wird und dies bei objektiver Betrachtung einer Ablehnung gleich
zu achten ist (vgl. Senat Beschluss vom 10. September 2002 – 4 W 65/02 = OLGR Zweibrücken 2003,
102, 103 m.w.N.). Im Übrigen unterliegt die sofortige Beschwerde keinen förmlichen Bedenken. Eine
Beschwerdefrist ist nicht in Lauf gesetzt worden, weil der angefochtene Beschluss nicht förmlich zugestellt
worden ist.
2.
Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten nicht wegen der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ablehnen dürfen.
Die Frage, ob die gemäß § 240 ZPO bei Insolvenzeröffnung eintretende Unterbrechung des Prozesses
auch ein Prozesskostenhilfeverfahren erfasst, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich
beantwortet. Zum Teil wird eine solche Erstreckung der Unterbrechungswirkung bejaht (vgl. OLG
Düsseldorf OLGReport 1999, 166; OLG Köln MDR 2003 ,526; OLG Bamberg OLGReport 2004, 181; wohl
auch Feiber in MüKo zur ZPO, 2. Aufl. § 249 Rdn. 23). Nach wohl herrschender Auffassung soll allerdings
durch die Insolvenzeröffnung keine Unterbrechung des Verfahrens auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe
stattfinden (vgl. OLG Koblenz AnwBl 1989, 178; OLG Köln NJW-RR 1999, 276; OLG Düsseldorf MDR
2003, 1018; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 796; OLG Rostock OLGReport 2004, 151; OLG Stuttgart
OLGReport 2004, 313; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Auflage § 249 Rdn. 8;
Musielak/Stadler, ZPO 4. Aufl. § 249 Rdn. 5; Stein-Jonas/Roth, ZPO 21 Aufl. § 249 Rdn. 25; Zöller/Greger,
24. Aufl. vor § 239 Rdn. 8; für die Unterbrechung nach § 244 ZPO auch BGH NJW 1966, 1126, jeweils
m.w.N.). Jedenfalls für den hier vorliegenden Fall folgt der Senat der letztgenannten Ansicht.
Gegen eine Unterbrechung des Prozesskostenverfahrens gemäß § 240 ZPO spricht bereits der Umstand,
dass dieses Verfahren nicht kontradiktorisch geführt wird. Im Prozesskostenhilfeverfahren stehen sich
nicht die Parteien des Rechtsstreits, sondern der Antragsteller und die Staatskasse gegenüber (vgl. etwa
OLG Karlsruhe, OLG Düsseldorf, OLG Köln NJW-RR 1999 aaO).
Im vorliegenden Fall spricht auch die Interessenlage des Antragstellers gegen eine Unterbrechung.
Antragsteller ist der Beklagte. Er hatte vor der Insolvenzeröffnung über sein Vermögen den
Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Das Prozesskostenhilfeverfahren war im Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung entscheidungsreif. Würde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das
Prozesskostenhilfeverfahren unterbrechen, so bliebe es - selbst wenn die Rechtsverteidigung des
Beklagten bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Aussicht auf Erfolg gehabt hätte – im Ergebnis dem
Zufall überlassen, ob er seine außergerichtlichen Auslagen selbst tragen muss oder ob sie gegen die
Staatskasse geltend zu machen sind. Die Antwort würde allein vom Zeitpunkt der Entscheidung über das
Prozesskostenhilfegesuch abhängen. Auf diesen Zeitpunkt kann der Beklagte keinen Einfluss nehmen
(vgl. dazu auch OLG Rostock aaO).
Sinn und Zweck des § 240 ZPO gebieten ebenfalls keine Unterbrechung des
Prozesskostenhilfeverfahrens. Die Regelung soll dem Wechsel in der Prozessführungsbefugnis
Rechnung tragen und dem Insolvenzverwalter ausreichend Bedenkzeit geben, über die Fortführung des
Prozesses zu entscheiden (vgl. etwa Zöller/Greger aaO § 240 Rdn. 1 m.w.N.). Diese gesetzliche Funktion
wird nicht beeinträchtigt, wenn dem Beklagten für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Prozesskostenhilfe bewilligt wird.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist eine andere Beurteilung auch nicht deshalb geboten, weil die
der Klägerin gesetzte Stellungnahmefrist zum Prozesskostenhilfegesuch bei Eröffnung des
Insolvenzverfahrens noch nicht abgelaufen war. Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann von einer
Anhörung des Prozessgegners in begründeten Fällen Abstand genommen werden. Ein solcher Fall ist
hier gegeben.
3.
gemäß § 572 Abs. 3 ZPO vom Landgericht nachzuholen sein. Maßgebend für die Erfolgsaussicht ist dabei
der Sach- und Streitstand bis zur Unterbrechung des Hauptsacheprozesses durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens (vgl. OLG Rostock aaO).
4.
Staab Reichling Friemel