Urteil des OLG Zweibrücken vom 21.01.2005

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Sonstiges
OLG
Zweibrücken
21.01.2005
3 W 198/04
Wohnungseigentumsrecht: Schuldrechtliches Sondernutzungsrecht und Sonderrechtsnachfolge
Aktenzeichen:
3 W 198/04
2 T 284/04
Landgericht Koblenz
2 UR II 5/03.WEG
Amtsgericht Mayen
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage O.......................,
an dem beteiligt sind:
1. A.... S.....,........................................,
2. B............. S.................., .................,
zu 1) und 2): Antragsgegner und Beschwerdeführer, auch hinsichtlich der sofortigen weiteren
Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..................,
3. H.............. B............, ......................................,
4. A................ B............, ..................,
zu 3) und 4): Antragsteller und Beschwerdegegner, auch hinsichtlich der sofortigen weiteren Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt ..............................,
wegen (jetzt noch) Mitbenutzung einer Garage,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Petry und die
Richterin am Oberlandesgericht Stutz
auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 23./26. August 2004
gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 13. August 2004 zugestellten Beschluss der 2.
Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 5. August 2004
ohne mündliche Verhandlung
am 21. Januar 2005
beschlossen:
I.
II.
weiteren Beschwerde zu tragen und die den Beteiligten zu 3) und 4) im Rechtsbeschwerdeverfahren
entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten zu 1) bis 4), zwei Ehepaare, sind die Wohnungseigentümer der im Beschlusseingang
genannten Wohnanlage. In dem vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren bekämpfen die Beteiligten zu
1) und 2) ihre vom Landgericht bestätigte Verurteilung durch das Amtsgericht, den Beteiligten zu 3) und 4)
die gleichberechtigte Mitbenutzung einer bisher von ihnen allein innegehaltenen Garage samt
Nebenräumen einzuräumen. Dazu nehmen sie den Standpunkt ein, dass ihnen ein schuldrechtliches
Sondernutzungsrecht an den streitbefangenen Räumlichkeiten zustehe. Im einzelnen rügen sie
behauptete Fehler des Landgerichts bei der Würdigung der im zweiten Rechtszug erhobenen Beweise.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, §§ 27 Abs. 1, 29
FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, mit
welcher der den Beteiligten zu 3) und 4) vom Amtsgericht zugesprochene Anspruch auf gleichberechtigte
Mitbenutzung der streitbefangenen Garage bestätigt worden ist, beruht nicht auf einer Verletzung des
Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
1. In rechtlicher Hinsicht führt die Zivilkammer zunächst zutreffend aus, dass das in Rede stehende
Garagen- und Nebengebäude im gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) aller
Wohnungseigentümer steht und nicht etwa im alleinigen Eigentum der Beteiligten zu 1) und 2). Denn für
die Begründung von Sondereigentum hieran im Sinne von § 1 Abs. 3 WEG fehlt es jedenfalls an der
Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 WEG.
Richtig ist weiter auch, dass eine schuldrechtliche Sondernutzungsvereinbarung, wie sie nach den
Feststellungen des Landgerichts zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) und den Voreigentümern der
Beteiligten zu 3) und 4) getroffen wurde, gegen die letztgenannten als Sonderrechtsnachfolger der
ausgeschlossenen Eigentümer nach § 10 Abs. 2 WEG nur wirken würde, wenn die entsprechende
Vereinbarung – wie tatsächlich nicht – im Grundbuch eingetragen und damit „verdinglicht“ worden wäre.
Diese Rechtsfolge gilt unbeschadet der behaupteten Kenntnis der Beteiligten zu 3) und 4) von der
schuldrechtlichen Vereinbarung mit ihren Voreigentümern im Zeitpunkt ihres Erwerbs (OLG Hamm, ZMR
1996, 671, 673 f m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 2. August 1989 – BReg 2 Z 39/89 -, zitiert nach Juris).
2 a) Das Landgericht hat im Weiteren nicht verkannt, dass von der fehlenden Bindungswirkung nach § 10
Abs. 2 WEG unberührt bleibt die Möglichkeit eines rechtsgeschäftlichen Eintritts der
Sonderrechtsnachfolger in die mit ihren Vorgängern getroffene schuldrechtliche
Sondernutzungsvereinbarung (vgl. Wenzel, ZWE 2000, 550, 553; OLG Köln, DNotZ 2002, 223, 225 f). Es
hat ferner richtig angenommen, dass eine derartige Schuldübernahme die positive Kenntnis des
Erwerbers vom Bestehen einer Vereinbarung betreffend die Alleinnutzung voraussetzt und die
Feststellung seines rechtsgeschäftlichen Willens, in diese Vereinbarung eintreten zu wollen (OLG Hamm,
ZMR 1996, 671, 674 und NJW-RR 1993, 1295, 1296).
b) Den von den Beteiligten zu 1) und 2) zum Vorliegen dieser Voraussetzungen angebotenen
Zeugenbeweis hat die Zivilkammer erhoben. Sie hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch
nicht die Überzeugung von einer rechtsgeschäftlich erklärten Schuldübernahme der Beteiligten zu 3) und
4) zu gewinnen vermocht und deshalb die Beteiligten zu 1) und 2) als beweisfällig angesehen.
Das hält der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein möglichen Rechtskontrolle stand.
c) Die Würdigung erhobener Beweise ist Aufgabe des Tatrichters. Dessen freie Beweiswürdigung
unterliegt im revisionsähnlichen Verfahren der Rechtsbeschwerde nur einer eingeschränkten
Nachprüfung dahin, ob er den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht, bei der Erörterung des
Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche
Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehenden
Erfahrungssätze verstoßen hat; insbesondere obliegt die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen
und der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen allein dem Tatrichter (Senat, OLGR Zweibrücken, 2004, 87,
88 f; BayObLG NJW-RR 2004, 939, 940; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rdnrn. 42, 43 m.w.N.).
Derartige Rechtsfehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen. Es hat nicht versäumt, die Aussagen der
Zeugen E........, G............... und P...........in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zu würdigen. Die
von der Kammer aus deren Bekundungen gezogenen Schlüsse sind gedanklich nachvollziehbar;
Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze sind nicht erkennbar; zwingend sein
müssen die Schlussfolgerungen nicht.
Die gegen die richterliche Überzeugungsbildung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde stellen
lediglich den Versuch dar, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen durch das Tatgericht zu
setzen. Das kann dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen.
d) Soweit die Rechtsbeschwerdebegründung im Übrigen neuen Beweisantritt durch förmlichen Antrag auf
Parteivernehmung der Beteiligten zu 4) und 1) enthält, kann dieser vom Gericht der weiteren Beschwerde
gemäß § 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 559 ZPO nicht berücksichtigt werden, da der Senat nur nachzuprüfen hat,
ob die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; eine weitere
Tatsacheninstanz ist mithin nicht eröffnet.
Darin, dass nicht schon das Landgericht eine förmliche Vernehmung von Beteiligten nach den
Grundsätzen der Parteivernehmung ( vgl. § 15 FGG i.V.m. §§ 445 ff ZPO) vorgenommen hat, ist – auch
unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 12 FGG – kein Rechtsfehler zu sehen. Im
WEG-Verfahren als echter Streitigkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit darf das Gericht davon ausgehen,
dass die Beteiligten regelmäßig von sich aus alle ihnen vorteilhaften Umstände vorbringen und dafür auch
Beweis antreten ( BGHZ 146, 241, 249 f ). Einen Antrag auf Vernehmung eines der gegnerischen
Beteiligten als Partei entsprechend § 445 ZPO haben die anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 1) und 2)
indes in den Tatsacheninstanzen nicht gestellt.
Die Zivilkammer musste den Beteiligten zu 1) auch nicht wegen des aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden
Prinzips der prozessualen Waffengleichheit von Amts wegen entsprechend § 448 ZPO als Partei
vernehmen. Behauptet war eine mündlich erklärte Schuldübernahme durch die Beteiligten zu 3) und 4) in
einem Telefonat mit den Beteiligten zu 1) und 2) im Vorfeld des Wohnungskaufs. Damit handelte es sich
schon nicht um den klassischen Fall eines sog. „Vier-Augen-Gesprächs“, bei welchem der einen Partei
ein Zeuge zur Seite steht, während die Gegenseite, die selbst die Verhandlungen geführt hat, sich auf
keinen Zeugen stützen kann (vgl. dazu EGMR NJW 1995, 1413 und BVerfG NJW 2001, 2531); selbst bei
einer solchen Konstellation ist eine Parteivernehmung im übrigen dann nicht geboten, wenn die Partei,
die für ein Gespräch keinen Zeugen hat, nach § 141 ZPO angehört wird ( BGH ZIP 2003, 594, 595
m.w.N.).
Im vorliegenden Fall waren die Beteiligten zu 1) und 2) bei der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht am 20. Juli 2004 persönlich erschienen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie
hinreichend Gelegenheit hatten, ihre Sicht der Dinge gegenüber der Kammer zu Gehör zu bringen.
Gegenteiliges wird auch von der weiteren Beschwerde nicht behauptet.
Die Entscheidung über eine Vernehmung eines oder mehrerer der Verfahrensbeteiligten entsprechend §
448 ZPO lag danach im Ermessen der Tatrichter. Dieses ist rechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die
rechtlichen Voraussetzungen verkannt oder das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt worden ist. Die
Parteivernehmung von Amts wegen darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer
vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Prozesstoffes bereits eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache (hier: Schuldbeitritt der Beteiligten zu 3) und 4))
spricht ( std. Rspr.; vgl BGH NJW 1999, 363, 364 m.w.N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die
Zivilkammer stillschweigend verneint. Angesichts des in den landgerichtlichen Beschlussgründen
mitgeteilten Beweisergebnisses ist dagegen im vorliegenden Fall aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
Einer schriftlichen Darlegung der Gründe, die das Landgericht bewogen haben, von der Möglichkeit einer
Parteivernehmung von Amts wegen keinen Gebrauch zu machen, bedurfte es nach Lage der Dinge hier
nicht ( vgl. BGH LM Nr. 2 zu § 448 ZPO; BGH NJW 1983, 2033, 2034).
3. Rechtlich bedenkenfrei ist schließlich auch die Auffassung des Landgerichts, dass die Berufung der
Beteiligten zu 3) und 4) auf die fehlende Bindung an die mit ihren Vorgängern im Eigentum vereinbarte
Alleinnutzung der Garage durch die Beteiligten zu 1) und 2) nicht gegen Treu und Glauben verstößt. Denn
die Beteiligten zu 3) und 4) nehmen insoweit nur eine Rechtsfolge für sich in Anspruch, die § 10 Abs. 2
WEG gerade zum Schutz des Sonderrechtsnachfolgers vorgesehen hat. Der Erwerber eines im
Grundbuch eingetragenen dinglichen (hier: Wohnungseigentums-) Rechts kann sich regelmäßig darauf
verlassen, dass Umfang und Grenzen seines Rechts aus dem Grundbuch ersichtlich sind. Das Verhalten
der Beteiligten zu 3) und 4) ist deshalb weder als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) noch als schikanös (§
226 BGB) zu bewerten ( vgl auch KG ZMR 2005, 75,76 f ).
4. Damit erweist sich die weitere Beschwerde als unbegründet.
Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten beruht auf § 47 Satz 1 und Satz 2 WEG.
Abweichend von dem allgemeinen Grundsatz, dass die Beteiligten in Verfahren nach dem WEG ihre
außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben, ist es hier aus besonderen Gründen für die dritte
Instanz gerechtfertigt, die Auslagen der Beteiligten zu 3) und 4) den Beschwerdeführern aufzuerlegen,
weil aufgrund des in den Tatsacheninstanzen geklärten Sachverhaltes sich die Rechtslage zweifelsfrei
darstellte und das Rechtsmittel damit offensichtlich chancenlos war.
Den Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs.
3 WEG entsprechend der Wertfestsetzung durch das Landgericht bestimmt.
Dury Petry Stutz