Urteil des OLG Zweibrücken vom 19.12.2005
OLG Zweibrücken: persönliches erscheinen, reisekosten, ehescheidungsverfahren, ausnahmefall, missbrauch, antritt, quelle, barauszahlung, erwerb, ausgabe
Sonstiges
OLG
Zweibrücken
19.12.2005
5 WF 140/05
Aktenzeichen:
5 WF 140/05
3 F 199/05
Amtsgericht Pirmasens
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
in dem Rechtsstreit
T... ... T...
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
- RAe ... -
./.
V... T...
Antragsgegner
- RAe ... -
wegen Ehescheidung und Folgesachen,
hier:
hat der 5. Senat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert
und Kratz
auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 21. November 2005, eingegangen am 23. November 2005,
gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Pirmasens vom 25. Oktober 2005, der Antragstellerin
zugestellt am 16. November 2005,
ohne mündliche Verhandlung
am 19. Dezember 2005
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht – Pirmasens vom
25. Oktober 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin vom 12./14. September 2005 auf
Erstattung von Reisekosten im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Senats an das Familiengericht Pirmasens zurückverwiesen.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erstattung von Reisekosten im Rahmen
bewilligter Prozesskostenhilfe ist nach § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 122
Rdnr. 27 m.w.N.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 122 Rdnr. 16 m.w.N.;
OLG Rostock, FamRZ 2003, 1396) und begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken.
In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg.
Nach inzwischen ganz vorherrschender und vom Senat geteilter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind
der bedürftigen Partei entstandene Reisekosten im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe grundsätzlich auch
dann zu erstatten, wenn die Partei dies erst verlangt, nachdem sie die Kosten zunächst verauslagt hat. Die Partei
braucht sich die Ausgabe nicht etwa vorher „genehmigen“ zu lassen. Entscheidend ist allein, ob sie den
verauslagten Betrag entbehren kann, ohne über das Maß des § 115 ZPO hinaus belastet zu werden. Beantragt
sie die Kostenerstattung – anders als vorliegend – nicht alsbald nach dem Termin, zu welchem ihr persönliches
Erscheinen angeordnet war, mag dies lediglich gegen ihre Mittellosigkeit sprechen (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O.,
§ 122 Rdnr. 27 m.w.N.; Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 122 Rdnr. 16 m.w.N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs,
Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdnr. 622 m.w.N.; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in
Familiensachen, 2. Aufl., Rdnr. 549; OLG Rostock, FamRZ 2003, 1396; OLG Brandenburg, JurBüro 1996, 142; s.
auch OLG Zweibrücken, JurBüro 1989. 233).
Die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz vom 1. August 1977 – JBl. Rheinland-
Pfalz 1977, Seite 205 sowie 2003, Seite 199, 200 – steht dem nicht entgegen (vgl. Zimmermann,
Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rdnr. 550; a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Mai
1993 – 12 A 11766/92 –, zitiert nach juris). Einmal ist sie für die Gerichte nicht bindend; zum andern besagt sie
keineswegs, dass die Gewährung der Reisekostenentschädigung zwingend vor Reiseantritt beantragt werden
müsste. Wenn denn in Abschnitt I unter 1.c) bestimmt ist, dass regelmäßig Fahrtausweise oder Gutscheine der
Deutschen Bundesbahn für den kostenlosen Erwerb von Fahrtausweisen zur Verfügung zu stellen sind und eine
Barauszahlung nur im Ausnahmefall in Betracht kommt, so mag damit einem künftigen Missbrauch überlassener
Geldmittel vor Antritt der Reise vorgebeugt werden. Bei nachträglich begehrter Reisekostenerstattung sind
dahingehende Bedenken durch den Nachweis der verauslagten Kosten ausgeräumt.
Der begehrten Kostenerstattung steht auch nicht entgegen, dass die Parteien ausweislich der
Sitzungsniederschrift im Ehescheidungsverfahren am 08. September 2005 „freiwillig erschienen“ sind, die Sache
vor Reiseantritt also gar nicht terminiert gewesen ist. Auf diesen Tag terminiert war indes das einstweilige
Anordnungsverfahren betreffend den Umgang der Antragstellerin mit den beiden ehegemeinsamen und beim
Antragsgegner lebenden Kindern. Zwar war lediglich das persönliche Erscheinen des Antragsgegners zum
Termin angeordnet, allerdings verbunden mit der Anfrage, ob – auch – die Antragstellerin zum Termin erscheinen
könne. Damit war erkennbar auch deren Erscheinen von Seiten des Gerichts erwünscht (wenn auch nicht förmlich
angeordnet). Hiervon abgesehen durfte die Antragstellerin angesichts aller Umstände ihr Erscheinen als für eine
effektive Rechtsverfolgung notwendig erachten. Auch wenn erst im Laufe des Termins die der Antragstellerin
bereits zuvor im Ehescheidungsverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe auch auf das einstweilige
Anordnungsverfahren ausgedehnt wurde, sind davon auch die bereits zuvor angefallenen Reisekosten erfasst.
Dies deshalb, weil jedenfalls schon bei Antragstellung im einstweiligen Anordnungsverfahren um die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe nachgesucht worden war und das Familiengericht gehalten gewesen wäre, rechtzeitig vor
dem anberaumten Termin bei gegebener Entscheidungsreife hierüber zu befinden. Die dem nicht entsprechende
Verfahrensweise kann nicht zum Nachteil der Antragstellerin gehen (vgl. zum für die PKH-Bewilligung
maßgebenden Zeitpunkt Zöller/Philippi, a.a.O., § 119 Rdnrn. 44 ff m.w.N.).
Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
Hoffmann Geisert Kratz