Urteil des OLG Stuttgart vom 04.07.2006

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OLG Stuttgart Beschluß vom 4.7.2006, 1 Ws 182/06
Strafverfahren: Erforderlicher Inhalt eines Klageerzwingungsantrags
Leitsätze
Auf Anlagen zu einem Klageerzwingungsantrag kann nicht wirksam Bezug genommen werden, wenn erst durch die
Kenntnisnahme vom Inhalt dieser Anlagen die erforderliche geschlossene Sachverhaltsdarstellung erreicht wird.
Tenor
Der Antrag des Anzeigeerstatters auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschwerdebescheid der
verworfen.
Gründe
I.
1 Der Anzeigeerstatter wirft dem Beschuldigten vor, als Verwaltungsrat des schweizerischen Unternehmens ...
ihm gegenüber einen Anlagebetrug begangen zu haben.
II.
2 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung entspricht nicht der nach § 172 Abs. 3 S. 1 StPO erforderlichen Form
und ist daher unzulässig.
3 Nach dieser Bestimmung muss der Antrag die Tatsachen angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage
begründen sollen. Nach allgemeiner Auffassung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 172 Rdn. 27;
Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 34) ist hierzu eine in sich geschlossene, aus sich selbst
heraus verständliche Darstellung des Sachverhalts erforderlich, der bei Unterstellung des hinreichenden
Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in formeller und materieller Hinsicht rechtfertigen würde.
Dadurch soll das Oberlandesgericht in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten und
etwaige Beiakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf StV 1983, 498). Die
Sachverhaltsschilderung kann dabei nicht ganz oder teilweise durch eine Bezugnahme auf dem Antrag
beigefügte Anlagen ersetzt werden. Eine solche Bezugnahme ist nur insoweit zulässig, als die in Bezug
genommenen Anlagen lediglich der näheren Erläuterung des für sich allein bereits uneingeschränkt
verständlichen Antragsvorbringens dienen sollen (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 37
m. w. N.). Eine Bezugnahme ist jedoch dann nicht zulässig, wenn erst durch Kenntnisnahme vom Inhalt der in
Bezug genommenen Anlagen oder sonstigen Schriftstücke die erforderliche geschlossen
Sachverhaltsdarstellung erreicht wird (vgl. BerlVerfGH NJW 2004, 2728; KG NStE Nr. 28 zu § 172 StPO; OLG
Celle NStZ 1997, 406; OLG Saarbrücken wistra 1995, 36; Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 172 Rdn. 30).
Denn eine solche Art der Darstellung würde zu einer Umgehung der Formvorschrift des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO
führen. Im Klageerzwingungsverfahren ist es nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, aus den der Antragsschrift
beigefügten Anlagen den Sachverhalt zusammen zu stellen, der der Begründung des Antrags dienen könnte.
Dies ist vielmehr Aufgabe des Rechtsanwalts, der nach § 172 Abs. 3 S. 2 StPO den Antrag abfassen und
unterzeichnen muss (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 331).
4 Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Antrag nicht. Weder die Verweisung auf den Beschwerdebescheid
der Generalstaatsanwaltschaft noch die Bezugnahme auf die Beschwerdebegründung des Anzeigeerstatters
reichen als Ersatz für eine eigene Sachverhaltsdarstellung im Hinblick auf den Straftatbestand des Betruges (§
263 Abs. 1 StGB) aus. Denn gerade der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft, in dem ein
hinreichender Betrugsverdacht verneint wird, soll mit dem Klageerzwingungsantrag angegriffen und zu Fall
gebracht werden; die Beschwerdebegründung des Anzeigeerstatters richtet sich gegen den
Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 5. Januar 2006, der inhaltlich nicht mitgeteilt wird,
so dass die hiergegen gerichteten Angriffe des Anzeigeerstatters für sich allein nicht verständlich sind.
5 Der schwerwiegende Formmangel macht den Klageerzwingungsantrag unzulässig.