Urteil des OLG Stuttgart vom 17.02.2005
OLG Stuttgart: recht der europäischen union, neue tatsache, im bewusstsein, wirtschaftliche tätigkeit, eugh, unternehmen, abrechnung, ausschluss, billigkeit, wettbewerbsbeschränkung
OLG Stuttgart Urteil vom 17.2.2005, 2 U 84/04
Stromdurchleitung durch das Netz eines ehemaligen Gebietsmonopolisten: Ablehnung einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle eines
geforderten Netznutzungsentgelts
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der 41. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 10.02.2004 wird
zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 10.000,00 EUR.
Gründe
1
I.
2
Die Berufung ist zulässig, sie hat der Sache nach jedoch keinen Erfolg.
A.
3
Zum einen wird auf die Feststellungen in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
4
Zusammenfassend und ergänzend:
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Die Klägerin verfügt über eine Genehmigung nach § 3 EnWG für das gesamte Bundesgebiet und bietet elektrische Energie, insbesondere für
Privatverbraucher und Gewerbekunden, an. Die Beklagte war bis zur Liberalisierung des Strommarktes im Jahre 1998 Gebietsmonopolistin auf
dem Gebiet des Vertriebs und der Verteilung elektrischer Energie in ihrem Netzbereich. Zu Beginn des Jahres 2002 unterbreitete die Beklagte
der Klägerin ein Angebot über Preise und Regelungen für die Netznutzung (K 1). Die Klägerin nahm die Netznutzung auf und meldete u.a. der
Beklagten ihre Kunden an. Einen ihr unterbreiteten Lieferantenrahmenvertrag unterzeichnete die Klägerin nicht. Vielmehr schrieb sie der
Beklagten am 24.06.2002 u.a. (K 5):
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„... als Stromversorger (Händler) nutzen wir Ihr Stromnetz zur Versorgung unserer Kunden im Wege der Durchleitung nach der
Verbändevereinbarung "II Plus". In diesem Rahmen werden uns Entgelte für die Netznutzung in Rechnung gestellt. Da uns nach
bisherigem Kenntnisstand keine Darlegung der Kostenkalkulation Ihrerseits vorliegt, können wir die Angemessenheit der verlangten
Entgelte derzeit nicht abschließend beurteilen. Auf Anraten unserer Anwaltskanzlei ... werden wir daher 30 % der geforderten Entgelte
nach Preisblatt zunächst einbehalten, bis ein Nachweis der Angemessenheit vorliegt ...".
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Die Beklagte hat der Klägerin entsprechend der ihr eingangs unterbreiteten Preise und Regelungen ein Entgelt für die Netznutzung in Höhe von
6,15 ct/kWh netto in Rechnung gestellt, für sog. Mess- und Verrechnungsleistungen, also Kosten für die Erfassung, Wartung und Abrechnung der
Energielieferung an den jeweiligen Kunden (sog. Metering-Kosten), ein Entgelt von 28,00 EUR/Jahr netto für Eintarifzähler von Kunden ohne
registrierende Leistungsmessung. Entsprechend ihrer Ankündigung hatte die Klägerin anfänglich nur 70 % der Rechnungsbeträge beglichen.
Zwischenzeitlich sind keine Rechnungsbeträge mehr offen, da die Klägerin, allerdings unter Vorbehalt, die Differenz bezahlt hat (Bl. 105, 204).
8
Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgebracht,
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die von der Beklagten in Rechnung gestellten Entgelte seien überhöht und weiterhin Folge eines auf dem Strommarkt nicht bestehenden
Wettbewerbs. Da sie zur Ausübung ihres Geschäftes auf den Zugang zum von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gehaltenen Stromnetz
angewiesen sei, könne sie gemäß § 315 BGB die gerichtliche Festsetzung der angemessenen Vergütung begehren. Für die Angemessenheit
der erhobenen Entgelte träfe ohnehin die Beklagte die Beweislast, die, um dieser zu genügen, wie von der Klägerin mehrfach gefordert, auch
ihre Kalkulation offen legen müsse. Dieser Anspruch auf gerichtliche Bestimmung stehe ihr neben einer kartellrechtlichen Billigkeitskontrolle
gemäß §§ 19, 20 GWB und einer Überprüfungsmöglichkeit nach § 6 EnWG zu. Auch letztere führten zu dem Ergebnis, dass die Beklagte
unvertretbar übersetzte Entgelte in Fortwirkung ihrer monopolartigen Stellung erhebe. Soweit sich die Beklagte auf die aktuellste
Verbändevereinbarung (VV II plus) berufe und darauf, dass dieser nach § 6 Abs. 1 S. 5 EnWG die Vermutung guter fachlicher Praxis zukomme,
sei nicht nur die im Gesetz für diese Vermutungswirkung bestimmte Frist zum 31.12.2003 längst abgelaufen, vielmehr stelle diese Vereinbarung,
die unter Ausschluss etwa von Verbrauchern einzig unter der Federführung von Netzbetreibern zu Stande gekommen sei, eine ihrerseits
unzulässige Kartellabsprache eines Lobbyistenverbandes dar, deren Beachtlichkeit auch die Unwirksamkeitsfolge des Art. 81 EGV
entgegenstünde. Bei einer solchermaßen zusammengesetzten Entgeltfindungskommission sei unausbleiblich, dass die in dieser Vereinbarung
niedergelegten Bemessungsgrundlagen einseitig und damit falsch seien und plangemäß zu unvertretbar übersetzten Entgelten führten. Die
Preise einiger anderer Netzbetreiber belegten auch, dass die marktgerechten Preise weit niedriger lägen. Diese bildeten jedenfalls die
Höchstgrenze für eine Entgelterhebung der Beklagten.
10 Die Klägerin hat deshalb beantragt, für Recht zu erkennen:
11
1. Das Gericht möge das billige Netznutzungsentgelt für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die Klägerin zur
Energieversorgung ihrer Kunden, die sie in dem Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt bzw. versorgt hat, einschließlich der
Nutzung der vorgelagerten Netze bis zu dem örtlich zuständigen Regelzonenbetreiber bestimmen,
12
hilfsweise feststellen, dass der Beklagten kein Anspruch auf Netznutzungsentgelt für Kunden ohne registrierende
Leistungsmessung in Höhe eines Arbeitspreises von derzeit 6,15 ct/kWh (netto) zusteht, soweit er 50 % der geltend gemachten
Beträge übersteigt.
13
2. Das Gericht möge das billige Entgelt für die Mess- und Verrechnungsleistungen für Eintarifzähler im Rahmen der Netznutzung des
Stromverteilungsnetzes der Beklagten durch die Klägerin zur Belieferung ihrer an das Niederspannungsnetz der Beklagten
angeschlossenen Lastprofilkunden, die sie in dem Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt bzw. versorgt hat, bestimmen,
14
hilfsweise festzustellen, daß der Beklagten kein Anspruch auf Netznutzungsentgelt für Kunden ohne registrierende Leistungsmessung
in Höhe eine Meß- und Verrechnungspreises von derzeit EURO 28,00 pro Jahr (netto) (Verrechnungspreis für Eintarifzähler) zusteht,
soweit dieser den Betrag von
EURO 15,33 pro
15 Die Beklagte hat beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17 Sie hat hauptsächlich eingewandt, dem Begehren nach § 315 BGB stehe schon entgegen, dass es an einer vertraglichen Grundlage fehle,
welche einer Partei, hier angeblich der Beklagten, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugewiesen habe. Die im Weiteren bemühte
kartellrechtliche Kontrolle sei der Klägerin schon im Hinblick auf den Vorrang des § 6 EnWG verwehrt. Durch die Einhaltung der VV II plus streite
eine Vermutung für die von der Beklagten gehandhabte Praxis, welche die Klägerin nicht widerlegt habe. Da der Gesetzgeber der ihm im
Einzelnen bekannten Verbändevereinbarung kraft Gesetzes die Vermutungswirkung beigelegt habe, verfingen die umfänglichen Angriffe der
Klägerin gegen einzelne Bewertungsmerkmale dieses Regelwerkes nicht. Angesichts der Gesetzesqualität dieser Vereinbarung sei auch dem
Rückgriff auf Art. 81 EGV kein Erfolg beschieden. Ungeachtet dessen seien die von der Beklagten verlangten Preise auch angemessen und das
Ergebnis eines auf diesem Energiemarkt bereits herrschenden Wettbewerbs. Verweise auf vereinzelt günstigere Entgelte ließen die jeweiligen
Tarifbedingungen und zuschnitte außer Acht und auch, dass die Beklagte etwa hinsichtlich der Netznutzungsentgelte zu den günstigsten
Anbietern in der Bundesrepublik gehöre.
18 Das
Landgericht
Netznutzungsentgelt und das Entgelt für die Mess- und Verrechnungsdienstleistungen unzulässig und unzutreffend auf der Grundlage der
Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Netznutzungsentgelten für elektrische Energie und über Prinzipien der Netznutzung
vom 13.12.2001". Inhaltsgleich findet sich in den Entscheidungsgründen (Bl. 478 = US 7 unten): „Die Beklagte hat nach ihren Angaben und auch
nach dem Vorbringen der Klägerin die von der Klägerin" - hier muss es ersichtlich heißen: „der Beklagten", da die Klägerin keine
Netznutzungsentgelte erhebt - „geforderten Benutzungsentgelte und die Entgelte für die Mess- und Verrechnungsdienstleistungen auf der
Grundlage der Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung ermittelt. Es ist deshalb unbeachtlich, dass die Klägerin nunmehr nach
Schluss der mündlichen Verhandlung ihren Vortrag relativiert". Im Kern folgte das Landgericht der Verteidigungslinie der Beklagten, indem es die
Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechtes verneinte und durch die Einhaltung der VV II plus der angegriffenen Tarife der
Beklagten die Vermutung guter fachlicher Praxis nach § 6 Abs. 1 S. 5 EnWG zukommen ließ. Da die von der Beklagten geforderten Entgelte sich
im mittleren Rahmen der von den inländischen Netzbetreibern geforderten Entgelte bewegten, gingen auch die kartellrechtlichen Angriffe der
Klägerin ins Leere.
19 Dagegen wendet sich die
Berufung der Klägerin,
20 welche nunmehr entschieden in Abrede stellt, dass die Beklagte sich bei der Ermittlung der erhobenen Tarife überhaupt an die Vorgaben der VV
II plus hielte. Im Übrigen führt sie unter wiederholender Vertiefung ihre bereits erstinstanzlich vorgebrachten Angriffe ins Feld.
21 Die Klägerin beantragt:
22
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Februar 2004 (Az: 41 O 37/03 KfH) wird abgeändert;
23
2. a) das Gericht möge das billige Netznutzungsentgelt für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die Klägerin
zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie in dem Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt bzw. versorgt hat, einschließlich
der Nutzung der vorgelagerten Netze bis zu dem örtlich zuständigen Regelzonenbetreiber für die Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31.
Dezember 2004 bestimmen,
24
b) hilfsweise festzustellen, dass der Beklagten kein Anspruch auf Netznutzungsentgelt für Kunden ohne registrierende
Leistungsmessung in Höhe eines Arbeitspreises von 6,15 ct/kWh (netto) bis zum 31. Dezember 2003 und in Höhe eines Arbeitspreises
von 6,02 ct/kWh (netto) ab dem 1. Januar 2004 zusteht, soweit er jeweils 50 % der geltend gemachten Beträge übersteigt;
25
3. a) das Gericht möge das billige Entgelt für die Mess- und Verrechnungsleistungen für Eintarifzähler im Rahmen der Netznutzung des
Stromverteilungsnetzes der Beklagten durch die Klägerin zur Belieferung ihrer an das Niederspannungsnetz der Beklagten
angeschlossenen Lastprofilkunden, die sie in dem Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt bzw. versorgt hat, für die Zeit vom
1. August 2002 bis zum 31. Dezember 2004 bestimmen;
26
b) hilfsweise festzustellen, dass der Beklagten kein Anspruch auf Netznutzungsentgelt für Kunden ohne registrierende
Leistungsmessung in Höhe eines Mess- und Verrechnungspreises von 28,00 EUR/a (netto) (Verrechnungspreis für Eintarifzähler)
zusteht, soweit dieser den Betrag von 15,33 EUR/Jahr übersteigt.
27
4. für den Fall, dass das Berufungsgericht eine weitere Verhandlung nach § 538 Abs. 2 für erforderlich hält, eine Zurückverweisung.
28 Die Beklagte beantragt:
29
Die Berufung wird zurückgewiesen.
30 Sie rügt das Bestreiten der Klägerin, dass die Beklagte bei der Erhebung ihrer Tarife sich von den Vorgaben der VV II plus leiten lasse, als
verspätet und verteidigt im Übrigen die angefochtene Entscheidung als richtig.
31 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.
B.
1.
32 Klageantrag Ziff. 1 (Netznutzungsentgelt)
33 a) Hauptantrag
34 aa) Ein Anspruch gemäß § 315 Abs. 3 BGB steht der Klägerin nicht zu.
(1)
35 (α) Zwar mag der Klägerin darin beizutreten sein, dass die Unbilligkeit einer Leistungsbestimmung durch den Vertragsgegner auch durch Klage
geltend gemacht werden kann (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 315, 17; Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 315, 11); diese ist
Gestaltungsklage (Gottwald in MüKo, BGB, 4. Aufl., § 315, 47; Rieble in Staudinger, BGB [2001], § 315, 75, 233). Der Bestimmungsberechtigte ist,
sofern die andere Seite substantiierte Einwendungen erhebt, auch für die Billigkeit der getroffenen Bestimmung grundsätzlich beweisbelastet
(BGH NJW 2003, 1449, 1450; 1992, 171, 174; Gehrlein a.a.O. § 315, 13; Gottwald a.a.O. § 315, 53; Rieble a.a.O. § 315, 229; krit.
Palandt/Heinrichs a.a.O. § 315, 19); der Gegner kann unter Umständen zur Offenlegung seiner Kalkulation verpflichtet sein (BGH a.a.O. 174;
Palandt/Heinrichs a.a.O. 19).
36 (β) Diese Beweislastverteilung erlaubt der Klägerin grundsätzlich die Erhebung der Bestimmungsklage, so wie auch bei umgekehrter Parteirolle
die bloße Einrede der Unbilligkeit (Palandt/Heinrichs a.a.O. 16), ohne dass sie im Einzelnen den billigen Betrag herleitend darstellen müsste.
Der Mangel einer solchen Darlegung - ungeachtet der Frage, ob damit ein Zulässigkeits- oder Begründetheitsdefizit betroffen wäre - macht
danach die Klage in jedem Fall nicht unzulässig, was aber die Beklagte rügt.
(2)
37 (α) Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB setzt aber voraus, dass eine Vereinbarung gemäß § 315 Abs. 1 BGB getroffen worden ist, wonach
einer Partei ausdrücklich oder stillschweigend ein Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll. Ist die Leistung im Vertrag bereits - stillschweigend
- bestimmt, was bei Verweis auf übliche Preise oder beim Bestehen von Tarifen oder Honorarwerken der Fall ist, ist der Anwendungsbereich des
§ 315 Abs. 3 BGB nicht eröffnet (Palandt/Heinrichs a.a.O. § 315, 4; Erman/Battes, BGB, 10. Aufl., § 315, 3; RGRK/Ballhaus, BGB, 12. Aufl., vor §
315, 4 und § 315, 1; Hk-BGB/Schulze, § 315, 3). § 315 Abs. 3 BGB ist nicht für eine allgemeine richterliche Vertragshilfe nutzbar zu machen. Die
Vertragshilfe des § 315 BGB greift nur dort, wo die Parteien das vereinbart haben, sich also autonom der richterlichen Schlichtung durch
Ersatzleistungsbestimmung unterworfen haben (Rieble in Staudinger a.a.O. 23).
38 (β) Vorliegend haben die Parteien kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart. Vielmehr hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom
24.06.2002 (K 5) nur festgestellt, wonach die Beklagte abrechnet, und dieser Art der Abrechnung sogleich die Berechtigung abgesprochen,
weshalb sie auch einen Teil der in Rechnung gestellten Vergütung nicht leistete und auch die spätere Erfüllung dieser Deckungslücke unter
Vorbehalt stellte.
(3)
39 (α) Eine Überprüfung nach § 315 BGB ist auch nicht deshalb eröffnet, weil vorliegend Tarife eines Energieversorgungsunternehmens betroffen
sind. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass die Tarife von Unternehmen, die - im Rahmen eines
privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses - Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere
Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (BGH NJW 1992, 171,
173; Erman/Battes a.a.O. § 315, 2; Hk-BGB/Schulze a.a.O. § 315, 1; abl. Rieble in Staudinger a.a.O. § 315, 48). Diese Grundsätze, die auf die
besondere Situation des für sein Dasein auf bestimmte Leistungen und Waren angewiesenen Einzelnen Bedacht nehmen, sind wegen der nicht
vergleichbaren Interessenlage nicht auf den Streit von zwei Handelsgesellschaften über die Angemessenheit der zwischen ihnen jedenfalls im
Ansatz ausgehandelten Preise übertragbar (so auch OLG Karlsruhe Urteil vom 27.10.2004 - 6 U 22/04 - US. 6 = BB 7 = Bl. 538).
40 (β) Danach gilt, was Rieble in Staudinger a.a.O. 48 mit seiner Kritik an der bezeichneten Rechtsprechung ganz allgemein feststellt, im Ergebnis
auch bei der vorliegenden Konstellation: Auch die Vertragsbedingungen von Monopolisten, auf deren Leistungen der Kunde angewiesen ist,
sind nicht nach § 315 auf ihre Billigkeit hin zu kontrollieren, weil der Monopolist kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausübt und sich
auch keiner richterlichen Ersatzleistungsbestimmung unterworfen hat. Die Marktmacht von Monopolisten und Oligopolisten wird nach dem GWB
kontrolliert. Der Preismissbrauch kann nach den §§ 19 Abs. 4 Nr. 2 und 3, 20 Abs. 1 bis 3 GWB vom Kartellamt (§ 32 GWB) wie vom Opfer (§ 33
GWB) angegriffen werden. Der Zugang zu wesentlichen Einrichtungen zu angemessenen Entgelten ist in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB geregelt. § 315
Abs. 3 ist kein Ansatzpunkt für eine kartellähnliche Preismissbrauchskontrolle. § 8 AGBG [a.F.] spricht ebenso gegen eine Preiskontrolle auch
von Monopolisten.
41 bb) Auch § 6 EnWG ist der Klägerin vorliegend nicht behilflich.
42 (1) § 6 Abs. 1 S. 5 EnWG stellt die widerlegliche Regel auf, dass bei Einhaltung der Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von
Netznutzungsentgelten für elektrische Energie und über Prinzipien der Netznutzung vom 13. Dezember 2001 (BAnz Nr. 0/85 b vom 08.05.2002)
die Erfüllung „guter fachlicher Praxis“ vermutet wird. Die im Gesetz genannte Befristung für die Vermutung (31. Dezember 2003) ist allerdings
zwischenzeitlich abgelaufen.
43 (2) Gleichwohl - auch darin folgt der Senat den Ausführungen im Urteil des OLG Karlsruhe a.a.O., dort US. 7 - ergibt sich daraus nicht nur, dass
bis zu jenem Zeitpunkt bei Einhaltung dieser Vereinbarung zugleich vermutet wird, dass diese Preisgestaltung keinen Verstoß gegen
Angemessenheits- oder Billigkeitsmerkmale darstellt. Diese Vermutung zielte darauf ab, in einer Übergangszeit, insbesondere bis zur Schaffung
einer Regulierungsbehörde, der Praxis eine Leitlinie an die Hand zu geben, um Rechtsfrieden zu schaffen. Zwar ist die Zeitschranke mittlerweile
überschritten. Damit ist aber nicht am 31.12.2003 der nämliche Sachverhalt und Rechtszustand angemessen und billig und am 01.01.2004
rechtlich untragbar geworden. Nimmt der Gesetzgeber keine Fristverlängerung vor oder installiert er die Regelungsbehörde (noch) nicht, so hat
sich zwar diese Rechtslage formal verändert. Die vormalige Wertung hat an ihrem Aussagegehalt in der Sache aber nichts verloren. Deshalb ist
auch nach dem 31.12.2003 davon auszugehen, dass Entgelte, welche dieser Vereinbarung, die der Gesetzgeber immerhin im Bundesanzeiger
veröffentlicht hat, folgen, im Ansatz nicht beanstandungswürdig erscheinen.
44 (3) Im Übrigen ist der von Beklagtenseite verlangte Tarif insgesamt gemäß § 12 BTOElt genehmigt (vgl. LOrdner = LO - B 10 - B 13). Zwar mag
die Tarifgenehmigung nach dieser Vorschrift für sich keinen allgemeinen Billigkeitsnachweis erbringen (offen gelassen in BGH NJW 2003, 1449,
1450). Ihr kommt jedoch gleichwohl Indizwirkung für die Angemessenheit und Billigkeit der Tarife zu (KG ZNER 2002, 209, 210; m. krit. Anm.
Säcker 211). Eine solche Genehmigung stellt zugleich ein Indiz dafür dar, dass sich die Tarife der Beklagten schon vor VV II plus im Rahmen
üblicher Berechnungsstrukturen bewegt haben.
45 (4) Dass die Beklagte bei ihrer Tariferhebung den Vorgaben der VV II plus folgt, ist der auch im Berufungsrechtszug zu Grunde zu legende
Sachstand.
46 (α)
47 [1] Dafür, welche Tatsachen in erster Instanz vorgetragen, welche bestritten worden und welche unbestritten geblieben sind, erbringt der
Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, zu welchem auch die Wiedergabe von Tatsachenvortrag in den Entscheidungsgründen gehört, gemäß
§ 314 ZPO Beweis, der nur durch das Sitzungsprotokoll, soweit dieses Tatsachenvortrag konkret wiedergibt, entkräftet werden kann. Das gilt
auch für unrichtig wiedergegebenen Tatsachenvortrag. Die Unrichtigkeit des Tatbestandes einschließlich der Wiedergabe von Tatsachenvortrag
in den Entscheidungsgründen kann nur mit Hilfe eines beim Gericht des ersten Rechtszuges anzubringenden Antrags nach § 320 ZPO auf
Berichtigung des Tatbestandes geltend gemacht werden. Ist dies versäumt worden, so muss das Berufungsgericht wegen der Beweiskraft des
Tatbestandes von dem dort wiedergegebenen Tatsachenvortrag als richtig ausgehen. Daraus folgt für § 529 Abs. 1 Nr. 1, dass eine Partei im
Berufungsverfahren nicht mit Erfolg unter Hinweis auf erstinstanzliche Schriftsätze geltend machen kann, der Tatbestand des angefochtenen
Urteils gebe den Sachvortrag unrichtig wieder und begründe deshalb Zweifel an einer Tatsachenfeststellung des Erstrichters (Ball in Musielak,
ZPO, 4. Aufl., § 529,6 m.N.). Dabei wird auch nicht der Gehalt der Beweiswirkung des § 314 ZPO überdehnt, indem aus der Nichterwähnung von
Vortrag im Tatbestand oder dem Tatbestand gleichkommenden Urteilspassagen geschlussfolgert würde, er sei gar nicht gehalten worden (vgl.
hierzu BGHZ 158, 269 = NJW 2004, 1876, 1879). Denn vorliegend gibt der Tatbestand den hierzu gehaltenen Vortrag der Klägerin positiv
wieder.
48 [2] Da das Landgericht, wie aufgezeigt, als Tatsachenvortrag auch der Klägerin wiedergegeben hat, dass die Beklagte ihre Entgelte nach den
Regeln der VV II plus erhebe, und ein Tatbestandsberichtigungsantrag nicht gestellt worden ist, ist dies für das Berufungsgericht als Sachstand
bindend festgestellt, soweit die Klägerin nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ihr Bestreiten im Berufungsrechtszug als neue
Tatsache zulässigermaßen einführen darf. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn es ist nicht ersichtlich noch nachvollziehbar gemacht, dass die
Klägerin anderes als Nachlässigkeit an einem entsprechenden Vorbringen in erster Instanz gehindert hat.
49 [3] Gleiches gilt für ein Vorbringen in erster Instanz nach Schluss der dortigen mündlichen Verhandlung in einem nicht nachgelassenen
Schriftsatz. Solches Vorbringen kann dann in der Berufungsinstanz nur unter den Voraussetzungen der §§ 531 Abs. 2, 532 ZPO wiederholt
werden (Huber in Musielak a.a.O. § 296 a, 5 m.w.N.). Auch soweit die Klägerin, worauf das Landgericht in seinen angeführten Urteilspassagen
auch abhebt, nach Schluss der mündlichen Verhandlung diese Übereinstimmung der Entgeltberechnung mit den Regeln der VV II plus bestritten
hat (etwa 417, 432, 454), unterliegt auch dieses im zweiten Rechtszug wieder belebte Bestreiten dem Ausschluss nach den vorgenannten
Berufungsvorschriften, da anderes als Nachlässigkeit für diese Art der Verfahrensteilhabe weder vorgetragen noch ersichtlich ist.
50 [4] Nach diesen Verfahrensregeln ist und bleibt unstreitiger Sachstand, dass die Tariferhebung der Beklagten dem Regelwerk der VV II plus folgt
und entspricht.
51 (β) Jenseits dieser formalen prozessualen Schranke kann auch bei Würdigung des umfangreichen Vortrages der Klägerin in erster Instanz
gemessen an § 138 Abs. 3 ZPO der Inbegriff ihres Vorbringens hierzu auch nur so verstanden werden, wie es die wiedergegebenen
landgerichtlichen Urteilspassagen ausweisen: die Tariferhebung nach VV II plus war unstreitig.
52 [1] Die Beklagte hat erstinstanzlich - wie ungebrochen auch zweitinstanzlich - immer wieder vorgetragen und stets bekräftigt, dass sie sich in ihrer
Tarifkalkulation streng an die Vorgaben der VV II plus halte. Dies hat sie ferner noch näher zu belegen versucht, indem sie ein Testat eines
Wirtschaftsprüfers vorgelegt hat (vgl. Bl. 117 = B 15 = Bl. 340 - Anl.), welches die Einhaltung der Kalkulationsgesichtspunkte der
Verbändevereinbarung bestätigte. Zwar war das Klägervorbringen hierzu nicht durchgängig einheitlich, wie bereits etwa in der Klage aufscheint.
So findet sich dort auf Bl. 8 oben etwa, dass die Beklagte angemessene Entgelte verlange, „dieses ergibt sich aus der Anwendung der
Entgeltbemessungsmaßstäbe in der Verbändevereinbarung II, bzw. der Verbändevereinbarung II". Alsdann liest sich: „... selbst bei einer
Anwendung der Regelungen der VV II plus ...". Erstinstanzlich lässt sich zwar auch finden, dass die Klägerin bestreite, dass die Beklagte die VV II
plus einhalte. Geschah dies nicht ohnehin erst in nach Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. Bl. 408) eingereichten, nicht nachgelassenen
Schriftsätzen (etwa Bl. 417, 432, 454), was - wie oben ausgeführt - schon verfahrensrechtlich keine Beachtung finden konnte, so ist ein solches
Vorbringen stets vereinzelt geblieben und abgelöst worden von einem nahezu durchgängig gegenläufigen Vortrag. Auch hat die Beklagte
wieder und wieder (vgl. etwa Bl. 327) als Vorbringen der Klägerin zusammenfassend festgestellt, dass nun die Einhaltung der Vorgaben der VV II
plus unstreitig sei. Der Senat verkennt nicht, dass die Verfahrensordnung einer Partei nicht in die Hand gibt, durch solche einseitigen
Feststellungen verfahrensrechtlich eine Gestaltungswirkung auszuüben. Bleibt jedoch, wie vorliegend, ein direkter Widerspruch der Klägerin auf
diese wertende Betrachtung aus, so wirft dies doch ein bezeichnendes Licht darauf, wie die Klägerin ihr nicht immer eindeutiges Vorbringen
ersichtlich selbst verstanden wissen wollte. Wiederholt hat denn auch die Klägerin nicht nur vorgebracht, „die Überhöhung der
Netznutzungsentgelte ergibt sich aus der branchenweiten Anwendung einer zwischen den Verbänden der Verbraucher und der
Elektrizitätserzeugung unter Ausschluss der privaten Verbraucher und netzunabhängigen Händler getroffenen Verbändevereinbarung II vom
13.12.1999 bzw. der Verbändevereinbarung II plus vom 13.12.2001" (Bl. 27, vgl. auch 266), sondern auch: „auch der Beklagten dient diese
Verbändevereinbarung ... bis zum heutigen Tage als Berechnungsgrundlage bezüglich des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin" (Bl. 29, 31,
278, 259, 357, 358, 359, 373). Diese Positionierung im Rechtsstreit deckt sich auch vollkommen mit der weiteren Angriffslinie der Klägerin, dass
„unter Berücksichtigung dessen ... festzustellen [ist], daß die Ansätze des Kalkulationsleitfadens (Anlage 3) zur Verbändevereinbarung II plus
dazu führen, daß die Beklagte überhöhte Kosten festgesetzt hat, die zu weit überhöhten Gewinnen führen" (Bl. 232), dass erst eine Anwendung
der VV II plus eine „systematische Überhöhung" der Tarife der Beklagten ermögliche (Bl. 29, 46, 205, 303, 417), denn „die Überhöhung der
Entgelte [ergibt sich] unter anderem unmittelbar aus den Berechnungsmaßstäben der Verbändevereinbarungen" (Bl. 25). Danach musste nach
dem Vorbringen der Klägerin die Beklagte geradezu zwingend das Regelwerk der VV II plus einhalten, um in den Genuss der durch
Lobbyistenarbeit festgeschriebenen einseitigen Berücksichtigung der Interessen der Monopolisten zu kommen. Zwar war auch mehrfach die
Offenlegung der Kalkulation der Beklagten gefordert. Darin war aber noch kein Bestreiten zu sehen, dass die Beklagte sich an die
Kalkulationsgrundlage der VV II plus halte. Denn die Klägerin hat die Rechtsverbindlichkeit dieser Verbändevereinbarung stets bekämpft, sie
mithin auszuräumen versucht, um dann auf der Grundlage einer originären Beklagtenkalkulation diese der Fehlsamkeit und Unangemessenheit
zu überführen. Danach hat das Landgericht zu Recht in seinem Urteil als unstreitig behandelt, dass die Beklagte ihre von der Klägerin
geforderten Tarife nach der VV II plus berechne.
53 Darauf hat der Senat in seiner mündlichen Verhandlung auch hingewiesen.
54 [2] Ein Schriftsatzrecht zu diesem gerichtlichen Hinweis hat die Klägerin nicht erbeten. Ihr stand jedoch frei, wovon sie auch mit ihrem Schriftsatz
vom 31.1.2005 Gebrauch gemacht hat, zur Wertung ihres erstinstanzlichen Vorbringens Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme gibt jedoch
keinen Anlass, von der schon in der mündlichen Verhandlung verlautbarten Sicht des Senates abzuweichen. Die Darstellung unter aa) leistet
eine Gesamtschau des klägerischen Vorbringens, welche bereits Teile im Klägervortrag aufnimmt, die als Bestreiten der Übereinstimmung der
Tarifherleitung der Beklagten mit dem Regelwerk in der VV II plus ausgelegt werden können. Der nachgereichte Schriftsatz greift demgegenüber
nur zwei Passagen im eigenen Vortrag in ihrer Vereinzelung auf und lässt sie isoliert stehen, ohne den auch nach § 138 Abs. 3 ZPO gebotenen
Gesamtzusammenhang herzustellen.
55 (5) Soweit die Klägerin im Rahmen ihres umfänglichen Vorbringens der VV II plus abspricht, überhaupt taugliches Preisbildungssystem zu sein
und dies durch eine Reihe von Stellungnahmen und privatgutachterlichen Äußerungen (vgl. etwa K 31, 34, 45 und K 68 bis 76 = Bl. 560 bis 566)
zu belegen sucht, ist dieser Versuch bereits im Ansatz verfehlt. Denn der Gesetzgeber hat in Kenntnis der heftigen Auseinandersetzung um die
Tauglichkeit des Preisfindungssystems schon bei VV II und im Bewusstsein, dass diese Verbändevereinbarung durch ein nicht ausgeglichen
besetztes Gremium zu Stande gekommen ist, diesem Regelwerk durch Gesetz seine Angemessenheit bescheinigt und dieses
verfahrensrechtlich mit großem Beweisvorsprung ausgestattet. Bei einer nicht geringer gewordenen rechtlichen und politischen Kontroverse hat
der Gesetzgeber dieser im Verbändewerk VV II plus fortgeschriebenen Ausgangsvereinbarung erneut durch Gesetz das nämliche
Richtigkeitstestat - jedenfalls für eine Übergangsphase - ausgestellt und es verfahrensrechtlich in gleicher Weise abgesichert.
56 cc) Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht bei Rückgriff auf die §§ 19, 20 GWB finden.
57 Dabei mag zu Grunde gelegt werden, wofür auch § 6 Abs. 1 S. 6 EnWG einen Anhalt bietet, dass die kartellrechtlichen Normen eigenständig
nicht nur neben § 315 BGB, sondern auch neben der Spezialnorm des § 6 EnWG stehen und damit geprüft werden können. Dabei ist ergänzend
zu beachten, dass im Rahmen dieser kartellrechtlichen Vorschriften nicht jede Preisüberhöhung Ausdruck einer missbräuchlichen Ausnutzung
einer marktbeherrschenden Stellung ist. Erforderlich ist vielmehr in diesem Regelungsbereich ein deutlicher Abstand zwischen dem zur
kartellrechtlichen Überprüfung stehenden Preis und dem als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden (wirklichen oder fiktiven) Wettbewerbspreis
(OLG Düsseldorf B. v. 17.03.2004 - Kart. 18./03 [V] = K 55). Entspricht aber, wie hergeleitet, das angegriffene Tarifwerk der Beklagten guter
fachlicher Praxis, so kann sich darin nicht zugleich eine Preisüberhöhung verkörpern, die Ausdruck einer missbräuchlichen Ausnutzung einer
marktbeherrschenden Stellung ist. Da danach die Vermutungswirkung bei der gegebenen Einhaltung der VV II plus eingreift (vgl. allgemein
hierzu OLG Karlsruhe a.a.O. US 6; OLG Düsseldorf a.a.O. BS 26), und zwar auch jenseits der gesetzlichen Vermutungsschranke des 31.12.2003,
ist vorliegend auch die nur schlüssige Darlegung eines kartellrechtlich missbräuchlichen Verhaltens gescheitert.
58 dd) Eine andere Sicht ist auch nicht mit Blick auf Art. 81 EGV geboten.
59 (1) Art. 81 Abs. 1 EGV verbietet alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen, welche im Handel zwischen den Mitgliedsstaaten eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken.
Adressaten des Kartellverbotes sind danach Unternehmen. Auch der EuGH versteht in ständiger Rechtsprechung unter „Unternehmen" jede eine
wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (Stockenhuber in Grabitz/Hilf, Das
Recht der Europäischen Union, Art. 81 EGV, 51; Geiger, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 81 EGV, 6 bis 9; vgl. auch Grill in Lenz/Borchardt, EU - und EG -
Vertrag, 3. Aufl. [2003], Art. 81 EGV, 1 bis 4, je m.N.). Vorliegend verkennt die Klägerin, worauf bereits die Beklagte und ergänzend auch der
Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen haben, dass es vorliegend nicht um die Prüfung der Verbändevereinbarung an sich geht, die
für sich betrachtet wohl unter diese Vorschrift zu fassen wäre. Vorliegend ist sie aber einem Wandel unterlegen, indem ihr der Gesetzgeber
Gesetzesqualität beigemessen hat. Damit aber ist die VV II plus aus dem Anwendungsbereich des Art. 81 EGV und im Übrigen auch dem des Art.
82 EGV (vgl. hierzu etwa Jung in Grabitz/Hilf a.a.O. Art. 82, 21) herausgetreten.
60 (2) Selbst wenn auch der nationale Gesetzgeber unmittelbar Art. 81 EGV unterworfen wäre oder sich aus dieser Norm für ihn zumindest eine
bindende Leitentscheidung ergäbe, so könnte gleichwohl ein Verstoß nicht erkannt werden. Denn weitere Voraussetzung wäre, dass eine
Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt würde (vgl. hierzu etwa Geiger a.a.O. Art. 81 EGV, 22 bis 24). Solches ist ebenso wenig der
Fall. Denn die Erhebung der Verbändevereinbarung zu einem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal diente ausschließlich dem Zweck, in einer
schwierigen Anfangsphase der Findung und Schaffung von Wettbewerbsregeln auf diesem Energiemarkt, für den es angesichts seiner bisher
monopolistischen Prägung keine unter dem Druck eines Wettbewerbs sich ausbildende Preise gab, einen möglichst störungsfreien, an der
Sicherung des Rechtsfriedens und der Schaffung von Wettbewerb ausgerichteten Übergang zu ermöglichen. Diese gerade auf
Wettbewerbsbegünstigung und Wettbewerbsschaffung ausgerichtete gesetzgeberische Vorgehensweise verhält sich entgegengesetzt zu der
durch Art. 81 EGV inkriminierten Zweckbestimmung oder auch nur (objektiven) Auswirkung. So hat denn auch der EuGH zu Art. 85 Abs. 1 EWG -
Vertrag [dem Vorläufer von Art. 81 Abs. 1 EGV] entschieden, dass, damit eine Vereinbarung vom Verbot erfasst werde, Voraussetzungen
vorliegen müssten, aus denen sich insgesamt ergebe, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden
sei. Hierbei sei auf den Wettbewerb abzustellen, wie er ohne die streitige Vereinbarung bestehen würde. Das Vorliegen einer
Wettbewerbsstörung könne vor allem dann zweifelhaft erscheinen, wenn sich die Vereinbarung gerade für das Eindringen eines Unternehmens
in ein Gebiet als notwendig erweist (EuGH GRUR Ausl. 1966, 586, 587 - Société Technique Minière; vgl. auch allg. EuGH NJW 1986, 1415, 1416
- Pronuptia [Tz. 15 und 27(2)]). Nichts anderes muss gelten, worauf bereits die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, wenn erst eine Regelung
Wettbewerb auf den Weg bringen soll.
61 b) Hilfsantrag
62 Da die von der Beklagten in Ansatz gebrachten und erhobenen Tarife den Angriffen der Klägerin standhalten, kann auch nicht dem
Hilfsbegehren entsprochen werden, die Entgelte - und sei es auch nur in gewissen zeitlichen Rahmen - mit Höchstbetragskappungen zu
versehen.
2.
63 Klagantrag 2 (Metering-Entgelte)
64 a) Hauptantrag
65 aa) Im Bereich dieses Streitgegenstandes Mess- und Verrechnungsdienstleistungen stellen sich nahezu die nämlichen Fragen wie beim
Klageantrag Ziff. 1 (Netznutzungsentgelte), welche durchgängig die nämlichen Antworten erfahren müssen. Dies gilt schon für die Eingangsfrage
nach der Anwendbarkeit des § 315 BGB.
66 bb) Auch § 6 Abs. 1 EnWG ist in gleicher Weise abzuhandeln hinsichtlich der Überprüfung der beanstandeten Netznutzungsentgelte. So ist auch
hier als unstreitig zu behandelnder Sachstand, dass die Beklagte auch insoweit ihre geforderten Entgelte nach dem Regelwerk der VV II plus
berechnet. Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass die VV II plus in Ziff. 2.2.2 hinsichtlich Kosten für die Messung und Abrechnung erklärt,
diese würden „separat vom Netznutzungsentgelt in Rechnung gestellt"; Ähnliches für eine abschichtende Handhabung findet sich in Anlage 3
zur Verbändevereinbarung (dort S. 4: „Die Entgelte verstehen sich ohne Messung ..."). Damit wird der hier betroffene Bereich der Metering-
Kosten aber nicht außerhalb der VV II plus gestellt und von ihr ausgegrenzt, er wird vielmehr nur als neben der Netznutzungsfrage stehender
eigenständiger Erhebungsbereich angesprochen. Damit aber gilt auch für ihn, was Ziff. 7 der VV II plus als „zusätzlichen Bestandteil der
Vereinbarung“ benennt, nämlich etwa die Anlage 1, welche die technischen Rahmenbedingungen auch dem Metering-Code unterwirft und damit
auch dem „Metering-Code 2000 - Abrechnungszählung und Datenbereitstellung“ (LO - B 17). Eine andere Sicht verkennt auch die
Entstehungsgeschichte und den notwendigen Kontext der Verbändevereinbarung. Denn VV II plus schreibt die VV II fort. VV II legte bereits die
Grundlage zur Entgeltberechnung. Zu diesem Regelwerk gab es aber bereits einen Kommentarband, der als autorisierter Deutungskatalog
gewertet werden muss. Setzt dann der Kommentarband die Umsetzung nun der VV II plus fort (LO - B 14), so wird darin das gemeinsame
Verständnis des Regelwerkes niedergelegt und ist autorisierte Auslegungshilfe für die Verbändevereinbarung. Sie zieht die bundesweit
anerkannte VDEW-Richtlinie heran und macht sie zum Bestandteil des Abrechnungsregelwerkes. Ist dem aber so, so gilt auch hier die
Privilegierung der aktuellsten Verbändevereinbarung durch den Gesetzgeber mit den schon zum Klageantrag Ziff. 1 im Einzelnen aufgeführten
Folgen im Rahmen des § 6 Abs. 1 EnWG.
67 cc) Nicht minder übertragbar auf den vorliegend zu entscheidenden Streitpunkt sind die zuvor angestellten Erwägungen zu §§ 19,20 GWB und
Art. 81 EGV, welche insoweit das nämliche Verfahrensergebnis vorgeben.
68 b) Hilfsantrag
69 Auch insoweit gilt: Scheitert - wie vorliegend - der Angriff der Klägerin gegen die Angemessenheit der in Rechnung gestellten Metering-Kosten,
so ist auch kein Raum, diese weit unterhalb der geforderten Tarife, und sei es auch nur zeitlich eingeschränkt, auf von der Klägerin
vorgegebenen Höchstsätze einzufrieren.
70
II.
71 Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.
72 Den Gegenstandswert hatte die Klägerin bereits so vorgegeben (Bl. 81), ihn hat das Landgericht übernommen (Bl. 82, 473), er ist auf keinen
Widerspruch der Parteien gestoßen, weshalb der Senat auch keine Bedenken sieht, ihn gelten zu lassen.
73 Der Senat schließt sich in maßgeblichen Punkten der Entscheidung des OLG Karlsruhe (U. v. 27.10.2004 - 6 U 22/04) an, welche ihrerseits die
Revision zugelassen hat. Folgerichtig ist dann nur, auch den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens die identische Überprüfungsmöglichkeit zu
eröffnen.