Urteil des OLG Stuttgart vom 21.08.2008
OLG Stuttgart (einstweilige verfügung, zpo, vorläufiger rechtsschutz, uwg, verfügung, aug, zustellung, ergebnis, bezug, gläubiger)
OLG Stuttgart Urteil vom 21.8.2008, 2 U 13/08
Einstweilige Verfügung: Fristgerechte Vollziehung einer mit Ordnungsmittelandrohung versehenen
Urteilsverfügung
Leitsätze
Auch bei einer mit Ordnungsmittel-Androhung versehenen Urteilsverfügung wird die Vollziehungsfrist des § 929 II
ZPO nur gewahrt, wenn das Urteil im Parteibetrieb zugestellt wird. Seine frühere abweichende, noch vielfach in
UWG- und ZPO-Kommentaren zitierte Ansicht, dass die Amtszustellung eines solchen Urteils genüge (vgl. z.B.
Senat NJW-RR 1998, 622, WRP 1981, 291), hat der Senat bereits vor geraumer Zeit aufgegeben.
Der Senat folgt auch der ganz h. M., dass ein Verfügungsurteil, das auf Widerspruch gegen einen mit
Ordnungsmittel-Androhung versehenen, durch Parteizustellung fristgerecht vollzogenen Verfügungsbeschluss
ergeht, nur dann der nochmaligen Vollziehung durch Parteizustellung bedarf, wenn es diesen inhaltlich ändert, gar
erweitert, nicht aber, wenn es ihn vollinhaltlich bestätigt oder ihn unter seiner Aufhebung im Übrigen einschränkt.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom
28.12.2008 wird mit der Maßgabe
z u r ü c k g e w i e s e n ,
dass der Tenor Ziff. 1 insgesamt (nur) lautet:
Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu behaupten
und/oder behaupten zu lassen, die Kragplattenanschlüsse „H.-ElementT“ seien mit den Kragplattenanschlüssen
„I.“ der Verfügungsklägerin hinsichtlich der Wärmedämmleistung gleichwertig.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 125.000,00 EUR
Gründe
I.
1
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat der Sache nach im Ergebnis keinen Erfolg.
A
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Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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Kurz zusammenfassend:
4
Die Verfügungsklägerin [im Folgenden kurz: Klägerin] und die Verfügungsbeklagte [im Folgenden kurz:
Beklagte] sind Wettbewerber auf dem Gebiet von Wärmedämmprodukten wie z.B. Balkonanschluss-Elemente.
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Nach antragsgemäßem Erlass des Verfügungsbeschlusses vom 31.10.2007 (Bl. 36 bis 37), der
einschränkungslos jegliche Gleichwertigkeitsbehauptung hinsichtlich der
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Beklagtenkragplattenanschlüsse „H.-ElementT“
und den
Klägerkragplattenanschlüssen „I.“
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verboten hatte, hat das
Landgericht
es solche Gleichwertigkeitsberühmungen verbiete,
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ohne dass gleichzeitig auf eine u. U. unterschiedliche Wärmedämmleistung der Produkte hingewiesen wird,
wenn und so lange diese vorliegt.“,
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da die mündliche Verhandlung ergeben habe, dass es der Klägerin „in erster Linie darum [gehe], eine
Irreführung des Inhalts zu verhindern, dass die jeweiligen Kragplattenanschlüsse speziell in Bezug auf die
Wärmedämmleistung gleichwertig seien“. Diesen Eindruck erwecke das Standard-Erläuterungsschreiben der
Beklagten (ASt 2) auf Ausschreibungen mit Klägerelementen als Referenzprodukt mit einer Öffnungsklausel für
gleichwertige Fabrikate, woran trotz einer auf die Klägerabmahnung hin erfolgten Beschränkung (ASt 8)
festzuhalten sei.
10 Dies greift die
Berufung der Beklagten
Produktes bestätige, nicht aber eine Gleichwertigkeitsbehauptung in Bezug auf die Wärmedämmleistung
enthalte, auf welche es einem Ausschreibenden, wenn nicht besonders nachgefragt werde, bei seiner
Gleichwertigkeitsanforderung nicht ankomme. Jedenfalls sei die Klägerin ihrer Glaubhaftmachungslast nicht
nachgekommen, dass die Beklagte mit ihren Produkten die Gleichwertigkeit der Wärmedämmleistung verfehle.
11 Die Beklagte beantragt,
12
unter Abänderung das Urteils des Landgerichts Heilbronn vom 27.12.2007 (23 O 146/07 KfH) und
Aufhebung der Beschlussverfügung vom 31.10.2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurückzuweisen.
13 Die Klägerin beantragt,
14
die Berufung zurückzuweisen.
15 Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.
16 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften
verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
B
17 1. a) Soweit die Beklagte die von Amts wegen zu beachtende, aber nicht zu ermittelnde (Pfälz. OLG
Zweibrücken MDR 1998, 123; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. [2007], § 929, 2) Einhaltung der
Vollziehungsfrist gemäß §§ 928, 929 Abs. 2, 936 ZPO rügt, vermag sie damit im Ergebnis nicht
durchzudringen. Allerdings hat der Senat, obgleich er mit der in NJW-RR 1998, 622, 623 veröffentlichten
Entscheidung noch verbreitet zitiert wird (vgl. etwa Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren,
9. Aufl. [2007], Kap. 55, 38 FN 128; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. [2007], § 929, 12; Köhler in
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. [2008], § 12, 3.62; Berneke in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess,
5. Aufl. [2005], Kap. 57, 11 [FN 16]; Retzer in Harte/Henning, UWG [2004], § 12, 521), wofür der Senat zum
Teil auch sehr heftige Kritik erfahren hat (Teplitzky WRP 1998, 935, 936) und in der er zur Vollziehung einer mit
Ordnungsmittelandrohung versehenen Urteilsverfügung die Amtszustellung hat genügen lassen, nicht zuletzt
aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit diese Rechtsmeinung schon seit geraumer Zeit aufgegeben. Er hält
danach mit der herrschenden Meinung dafür, dass die Manifestation des Vollziehungswillens die -
gegebenenfalls zur amtswegigen Zustellung zusätzliche - Parteizustellung erfordert (so schon BGHZ 120, 73,
78; vgl. auch OLG Köln WRP 2003, 738; OLG Schleswig MDR 2001, 231; Vollkommer in Zöller a.a.O. § 929,
12; Büscher in Fezer, UWG [2005], § 12, 129; Piper in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. [2006], § 12, 136; Retzer
a.a.O. § 12, 520; Huber in Musielak, ZPO, 6. Aufl. [2008], § 936, 5).
18 b) Auf dieser Grundlage entspricht es auch einer ganz herrschenden und vom Senat geteilten
Rechtsauffassung, dass, wird ein Verfügungsbeschluss, der seinerseits mit einer Ordnungsmittelandrohung
versehen und fristgerecht vollzogen worden ist, im Verfügungsurteil vollinhaltlich bestätigt, dieses nicht
wiederum durch Parteizustellung vollzogen werden muss (Karlsruhe OLG-Report 2003, 410, 412; OLG
Frankfurt WRP 2001, 66, 67; KG NJWE-WettbR 2000, 197; Teplitzky a.a.O. Kap. 55, 48; Melullis, Handbuch
der Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. [2000], Rdn. 229; Huber in Musielak a.a.O. § 929, 5; Piper a.a.O. § 12,
168; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. [2003], Rdn. 300; Reichold in
Thomas/Putzo a.a.O. § 929, 3; Schuschke in Schuschke/ Walker, Vollstreckung und Vorläufiger
Rechtsschutz, 3. Aufl. [2005], § 929, 11).
19 c) Ferner hält der Senat dafür, dass eine neue Parteizustellung jedoch dann erforderlich ist, wenn der
vollzogene Verfügungsbeschluss im Verfügungsurteil inhaltlich geändert oder gar erweitert worden ist (OLG
Köln WRP 2003, 738; KG a.a.O. 197; OLG Hamm RPfl 1995, 467, 468; Köhler a.a.O. § 12, 3.66; Büscher
a.a.O. § 12, 133; Piper a.a.O. § 12, 168; Retzer a.a.O. § 12, 514; Berneke in Ahrens a.a.O. Kap. 57, 24;
Vollkommer in Zöller a.a.O. § 929, 15; Reichold in Thomas/Putzo a.a.O. § 929, 3).
20 d) Zudem teilt der Senat die Ansicht, dass eine bereits vollzogene einstweilige Verfügung nicht erneut
vollzogen zu werden braucht, wenn sie nur teilweise bestätigt, im Übrigen aber aufgehoben worden ist, die
getroffene Anordnung inhaltlich mithin nur eingeschränkt worden ist (Berneke in Ahrens a.a.O. Kap. 57, 22 und
derselbe a.a.O. Rdn. 300; Schuschke a.a.O. § 929, 11; einschränkend Melullis a.a.O. 229) oder präzisiert
worden ist (Karlsruhe OLG-Report 2003, 410, 412; Köhler a.a.O. § 12, 3.66; Teplitzky a.a.O. Kap. 55, 48 und
FN 187; Berneke in Ahrens a.a.O. 25 und derselbe a.a.O. Rdn. 301; Piper a.a.O. 168; Retzer a.a.O. § 12, 514;
Schuschke a.a.O. § 929, 11). In der Regel bedarf es mithin keiner erneuten Zustellung, wenn der
Verfügungsbeschluss im Verfügungsurteil etwa nur auf ein Gebot beschränkt wird und sich danach als reines
Minus darstellt (Karlsruhe a.a.O. 412; OLG Köln WRP 2003, 738; Berneke in Ahrens a.a.O. 24; Teplitzky
a.a.O. 49, FN 196). Denn in diesem Falle hat der Gläubiger seinen Vollziehungswillen bereits mit der
Parteizustellung des weiterreichenden Verfügungsbeschlusses manifestiert. Bleibt das Verfügungsurteil im
Wege eines klar abgrenzbaren Minus’ dahinter zurück, kann aus der Sicht des Schuldners verständlicherweise
nicht angenommen werden, der Gläubiger habe an dem Verfügungsrest, den er im Verfügungsurteil noch zu
retten vermochte, kein Interesse mehr. Das Gegenteil ist der Fall. Der Gläubiger wird in der Regel auf dem
beharren, was er im Ergebnis als Minus wenigstens noch zugesprochen erhalten hat. Eine erneute Zustellung
liefe danach auf eine bloße Förmelei hinaus und ist nach dem Zweck des § 929 Abs. 2 ZPO (vgl. hierzu etwa
OLG Karlsruhe a.a.O. 412) nicht mehr geboten.
21 e) So liegt der Fall hier, wie sogleich im Zusammenhang mit der Erfassung des Streitgegenstandes und der
Prüfung der Bestimmtheit des Antrages und des Tenors gleichgerichtet darzustellen ist.
22 Es folgen einzelfallbezogene Ausführungen zur Festlegung des Streitgegenstandes, zum Werbecharakter der
beanstandeten Äußerung und zu Fragen deren Unlauterkeit nach §§ 3, 5, 6 UWG.