Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: gerichtsstand des erfüllungsortes, negativer kompetenzkonflikt, anschrift, tod, willkür, unterbrechung, erbschein, ausstellung, vergütung, verfügung

1
Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 W 142/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 Abs 1 Nr 6 ZPO, § 37
ZPO, § 239 Abs 1 ZPO, § 249
ZPO, § 329 Abs 2 S 1 ZPO
Negativer Kompetenzkonflikt: Zuständigkeitsbestimmung
bei Verfahrensunterbrechung durch den Tod einer Partei;
Zulässigkeit der Vorlage
Leitsatz
1. Der Vorlage zur Bestimmung des zuständigen Gerichts im Rahmen eines negativen
Kompetenzkonfliktes nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO steht die Unterbrechung des
Rechtsstreits durch den Tod einer Partei nicht entgegen.
2. Die Vorlage ist unzulässig, wenn es an einer rechtskräftigen Erklärung der
Unzuständigkeit eines beteiligten Gerichts fehlt, weil der entsprechende Beschluss einer
Partei nicht nach § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO mitgeteilt worden ist.
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO wird
abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin hat gemäß Mahnbescheid vom 30.08.2005 eine Vergütung für die
Bereitstellung und Nutzung eines Mobilfunkanschlusses gemäß Vertrag vom
30.09.2004 in Höhe von 285,77 Euro nebst Zinsen gegen den Schuldner E. R. L.,
zur Zeit des Vertragsschlusses wohnhaft in 23879 Mölln, geltend gemacht. Der
Mahnbescheid wurde dem Schuldner am 1.09.2005 unter der angegebenen
Anschrift zugestellt. Er verstarb nach Einlegung des Widerspruchs am 16.03.2006
an seinem letzten Wohnsitz in Ratzeburg. Gemäß Erbschein vom 25.04.2006 ist
sein Alleinerbe J. U. L., zur Zeit der Ausstellung des Erbscheins wohnhaft in 28327
Bremen. Das Mahngericht gab die Akten an das im Mahnbescheid angegebene
Prozessgericht - das Amtsgericht Mölln - ab, wo diese am 18.12.2006 eingingen.
Das Amtsgericht Mölln wies die Parteien gemäß Verfügung vom 17.04.2007 darauf
hin, dass es sich für örtlich unzuständig halte, örtlich zuständig dürfte das
Amtsgericht Bremen sein. Das Schreiben konnte dem Erben (künftig: Beklagter)
nicht zugestellt werden. In der Zustellungsurkunde vom 25.04.2007 heißt es, der
Adressat sei unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln, die Recherche
sei negativ verlaufen. Seine zutreffende Anschrift geht aus den Akten nicht hervor.
Auf Antrag der Klägerin hat sich das Amtsgericht Mölln durch Beschluss vom
2.05.2007 (Bl. 47 d. A.) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das
Amtsgericht Bremen verwiesen. Dieser Beschluss ist jedenfalls nicht dem
Beklagten mitgeteilt worden. Ob eine Mitteilung des Beschlusses an die Klägerin
hinausgegangen ist, ist unklar (Bl. 47, 47 R d.A.). Das Amtsgericht Bremen hat
sich durch Beschluss vom 20.06.2007 (Bl. 54/55 d. A.) unter Hinweis auf § 29 ZPO
ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Schleswig-
Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig zur Bestimmung des zuständigen
Gerichts vorgelegt.
II.
1. Der Vorlage im Rahmen eines negativen Kompetenzkonfliktes nach §§ 36 Abs. 1
2
4
5
1. Der Vorlage im Rahmen eines negativen Kompetenzkonfliktes nach §§ 36 Abs. 1
Nr. 6, Abs. 2 ZPO steht die Unterbrechung des Rechtsstreits durch den Tod des
früheren Antragsgegners am 16.03.2006 nach §§ 239, 249 ZPO nicht entgegen,
weil dem Bestimmungsverfahren nur vorbereitende Bedeutung zukommt und ein
Interesse an der Klärung besteht, welches Gericht für den Fortgang des Verfahrens
- etwa gemäß § 250 ZPO - zuständig ist (vgl. zum Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO
BayObLGZ 1985, 314).
2. Die Vorlage ist jedoch unzulässig. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO liegen nicht vor, weil es an einer "rechtskräftigen" Unzuständigkeitserklärung
verschiedener Gerichte fehlt. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Mölln
vom 2.05.2007 stellt keine Unzuständigkeitserklärung dar, weil er
jedenfalls nicht dem Beklagten nach § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO mitgeteilt worden ist
(BGH NJW-RR 1995, 641; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 329 Rn. 22).
Entsprechendes gilt für den Beschluss des Amtsgerichts Bremen (Vgl. Bl. 56 d. A.).
Es ist auch nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts als bestimmenden Gerichts, die
Anschrift des Beklagten zu ermitteln und die unterbliebenen Mitteilungen
nachzuholen (BGH a.a.O.).
3. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass im Falle einer zulässigen Vorlage
viel dafür gesprochen hätte, das Amtsgericht Mölln zum zuständigen Gericht zu
bestimmen. Sein Verweisungsbeschluss hätte dieser Bestimmung nicht entgegen
gestanden, weil er als offensichtlich gesetzeswidrig zu werten gewesen und ihm
deshalb nicht die grundsätzlich bindende Wirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO
zugekommen wäre. Das Amtsgericht Mölln hätte den Rechtsstreit nicht wegen
örtlicher Unzuständigkeit nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO verweisen dürfen, weil es
örtlich zuständig war. Diese Zuständigkeit bestand und besteht jedenfalls aus dem
Gesichtspunkt des besonderen Gerichtsstandes des Erfüllungsortes nach §§ 29
ZPO, 269 Abs. 1 BGB, worauf schon das Amtsgericht Bremen zutreffend
hingewiesen hat. Da ein anderer Ort für die Leistung - hier die Zahlung des
Schuldners - weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, hat die
Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner
seinen Wohnsitz hatte. Das war unzweifelhaft
im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Mölln. Dieser Gerichtsstand ist durch den Tod
des Schuldners nicht geändert worden, weil das Vermögen des Verstorbenen als
Ganzes, also die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse (vgl. Palandt/Greger, BGB, 56.
Aufl., § 1922 Rn. 12), nach § 1922 BGB auf den Erben übergegangen ist. Das
Mahngericht hat das Verfahren auch bestimmungsgemäß an das Amtsgericht
Mölln abgegeben. Die bis zu diesem Zeitpunkt noch zulässige Abgabe an ein
anderes Gericht hatten die Parteien zuvor nicht verlangt (§ 696 Abs. 1 Satz 1
ZPO). Mit dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes hat sich das
Amtsgericht Mölln nicht auseinandergesetzt. Ob dieser Fehler allein ausgereicht
hätte, Willkür zu begründen, kann offenbleiben. Jedenfalls wäre hier Willkür in
Verbindung mit weiteren Umständen anzunehmen gewesen. So hat das
Amtsgericht Mölln das Gebot rechtlichen Gehörs verletzt, weil es vor der
Verweisung den Beklagten nicht angehört hat (Zöller/Vollkommer a.a.O. § 36 Rn.
28 m.w.Nw.). Ferner ist unklar, ob überhaupt Bremen als gesetzlicher
Gerichtsstand des Beklagten zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim
Amtsgericht Mölln am 18.12.2006, der nach seiner Auffassung als maßgeblicher
Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit gelten soll, in Betracht kommt.
Denn es steht nicht fest, dass der Beklagte zu dieser Zeit im Bezirk des
Amtsgerichts Bremen seinen Wohnsitz hatte (§§ 12, 13 ZPO). Zwar weist der
Erbschein vom 25.04.2006 eine auf Bremen lautende Anschrift aus. Indessen
konnte am 25.04.2007 unter dieser Anschrift keine Zustellung mehr erfolgen, so
dass nicht ausgeschlossen ist, dass der Beklagte bereits vor dem 18.12.2006
seinen Wohnsitz in einen anderen Gerichtsbezirk hatte.
4. Nach allem waren die Akten an das Amtsgerichts Mölln zurückzugeben.