Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: verwaltungsrecht, versicherungsrecht, umweltrecht, strafrecht, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, quelle, link, mutwilligkeit, körperverletzung

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 U 124/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 119 Abs 1 S 2 ZPO, § 522
Abs 2 ZPO
Prozesskostenhilfe: Bewilligung im Berufungsverfahren vor
Entscheidung über eine Zurückweisung der Berufung durch
Beschluss
Leitsatz
Dem erstinstanzlich obsiegenden Berufungsbeklagten kann die beantragte
Prozesskostenhilfe nicht allein mit der Begründung versagt werden, dass noch nicht
über die Möglichkeit eines Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO entschieden worden sei
und deshalb eine Notwendigkeit für die Rechtsverteidigung nicht bestehe (Aufgabe der
gegenteiligen Senatsrechtsprechung in OLGReport 2006,190).
Tenor
Den Beklagten zu 1) und 3) wird Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren
bewilligt.
Gründe
I.
Der Kläger hat die Beklagten im ersten Rechtszug auf Zahlung eines
Schmerzensgeldes wegen einer im Rahmen einer Prügelei erfolgten
Körperverletzung auf Zahlung von 18.000,-- € in Anspruch genommen. Durch das
angefochtene Urteil ist die Klage abgewiesen worden.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30.09.2005 Berufung eingelegt und
diese gleichzeitig begründet. Mit seiner Berufung hat der Kläger sein
erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Die
Berufungsbegründung ist den Beklagten am 06.10.2005 ohne
Terminsanberaumung oder Aufforderung zur Fertigung einer Berufungserwiderung
zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 10.10.2005 hat der Beklagte zu 1) für das
Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt und mit Schriftsatz vom
15.11.2005 einen Zurückweisungsantrag angekündigt. Der Beklagte zu 3) hat mit
Schriftsatz vom 13.12.2005 für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe
beantragt und einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung angekündigt.
Mit Beschluss vom 10.05.2006 hat der Senat nach entsprechender Ankündigung
die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückgewiesen.
II.
Die von den Beklagten zu 1) und 3) beantragte Prozesskostenhilfe ist gemäß
§ 119 Abs. 1 S. 2 ZPO zu gewähren. Nach dieser Norm ist dem
Berufungsbeklagten Prozesskostenhilfe ohne die Prüfung der Erfolgsaussichten
oder der Mutwilligkeit zu gewähren. Das Rechtsmittelgericht kann aber die
Gewährung von Prozesskostenhilfe verweigern, wenn die Verteidigung gegen das
Rechtsmittel nicht notwendig ist. Ob die Rechtsverteidigung schon dann notwendig
ist, wenn lediglich die Berufungsbegründung eingegangen, nicht aber klar ist, ob
das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden, d.h. die Berufung durch
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das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden, d.h. die Berufung durch
einstimmigen Beschluss zurückweisen wird, ist streitig. Der Senat hat in seinem
Beschluss vom 30.11.2005 (OLGR 2006, 190) unter Berufung auf OLG Düsseldorf
(MDR 2003, 658) und OLG Celle (MDR 2004, 598) entschieden, dass es trotz
vorliegender Berufungsbegründung solange keines anwaltlichen Beistandes
bedarf, wie nicht sicher sei, dass das Berufungsgericht von der Möglichkeit der
Zurückweisung durch einstimmigen Beschluss keinen Gebrauch mache.
An dieser Auffassung hält der Senat nach erneuter Prüfung nicht mehr fest. In
Übereinstimmung mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock (OLGR
2005, 840) und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 09.10.2003; NJW 2004, 73) zur Frage der
Notwendigkeit der Gerichtskosten in einem solchen Fall, ist der Senat nunmehr der
Auffassung, dass dem erstinstanzlich obsiegenden Berufungsbeklagten die
beantragte Prozesskostenhilfe nicht allein deshalb versagt werden kann, weil noch
nicht über die Möglichkeit eines Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO entschieden
worden sei und deshalb eine Notwendigkeit für die Rechtsverteidigung nicht
bestehe. Der BGH hat in der o.a. Entscheidung ausgeführt, dass zu den
notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung (§ 91 ZPO) auch die Anwaltsgebühren
gehören, die dadurch entstehen, dass der Berufungsbeklagte nach Begründung
des Rechtsmittels und vor einer Entscheidung des Gerichts über dessen mögliche
Zurückweisung durch Beschluss einen Sachantrag stellt.
Die Gründe, die der Entscheidung des BGH zugrunde liegen und auf die der Senat
Bezug nimmt, sind auch für die Frage der Notwendigkeit der Rechtsverteidigung
übertragbar. Nach Begründung des Rechtsmittel hat der Berufungsbeklagte ein
berechtigtes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu
erwidern und eine vom Berufungsgericht beabsichtigte Zurückweisung der
Berufung im Beschlusswege anzuregen und durch eigene zusätzliche Argumente
zu fördern. Ob der Berufungsbeklagte bereits eine materielle Berufungserwiderung
eingereicht hat oder sich der Berufungsbeklagte auf die Ankündigung eines
Zurückweisungsantrages beschränkt, ist zumindest für die grundsätzliche Frage
der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht von entscheidender Bedeutung.
Entscheidend bleibt vielmehr, dass die verständige Partei die Beauftragung eines
Anwaltes im Rechtsmittelverfahren für erforderlich halten durfte. Ob die konkrete
Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in kostenrechtlichem Sinne notwendig war,
ist im Kostenerstattungsverfahren im Einzelfall zu prüfen. Die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe kann durch solche Erwägungen indes nicht in Frage gestellt
sein (vgl. OLG Rostock, a.a.O.).
Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe lagen bei den Beklagten zu 1) und 3) vor.