Urteil des OLG Oldenburg vom 16.11.1995
OLG Oldenburg: faires verfahren, reisekosten, bewilligungsverfahren, korrespondenz, gefahr, dolmetscher, datum, fremder
Gericht:
OLG Oldenburg, 14. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluß, 14 WF 147/95
Datum:
16.11.1995
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Zu den aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen gehören die von dem beigeordneten Anwalt zur
Verständigung mit einer ausländischen Partei aufgewandten Kosten.
Volltext:
...
Die gegen den Beschluß vom 19.10.1995 gerichtete, nach § 128 Abs.
4 S. 1 BRAGO zulässige Beschwerde ist begründet und muß zur Ände-
rung der genannten Beschlüsse führen. Denn die von dem Prozeßbe-
vollmächtigten der Klägerin geltend gemachten Übersetzungskosten
sind als Auslagen i.S. von § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO aus der Staats-
kasse zu vergüten.
Der Senat folgt der überwiegend in der Rechtsprechung und Litera-
tur vertretenen Auffassung, daß zu den aus der Staatskasse zu er-
stattenden Auslagen die von dem beigeordneten Anwalt zur Verstän-
digung mit einer ausländischen Partei aufgewandten Übersetzungsko-
sten gehören, sofern die Partei die deutsche Sprache nicht be-
herrscht (vgl. OLG Bamberg JurBüro 1971, 263; OLG Hamburg MDR
1972, 710; OLG Stuttgart JurBüro 1973, 751; OLG Frankfurt NJW
1974, 2095; VGH Kassel NJW 1985, 218; LG Bochum Rpfleger 1986,
155; OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 1374; OLG Celle FamRZ 1991, 215;
Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/BRAGO, 12. Aufl., Rz. 10 zu § 126
BRAGO; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 18. Aufl., Stichwort "Dolmetscher"
Ziff. 2.2). Dies folgt daraus, daß die Prozeßkostenhilfe als Gebot
des sozialen Rechtsstaats und als Ausfluß des Anspruchs auf recht-
liches Gehör gewährleisten soll, daß die arme Partei sich mit Hil-
fe eines Anwalts am Rechtsstreit beteiligen und sich verteidigen
kann. Wenn sie die deutsche Sprache nicht beherrscht, würden ihre
Rechte erheblich verletzt, wenn ihre Information in fremder Spra-
che dem Anwalt unverständlich bleibt. Deshalb sind bei der armen
Partei, die die Übersetzung nicht bezahlen kann, die Kosten des
Dolmetschers aus der Staatskasse zu tragen, und zwar auch die Ko-
sten von Informationsschreiben an den Anwalt, damit dieser das
Vorbringen der Partei dem Gericht überhaupt zu Gehör bringen kann
und ein faires Verfahren gewährleistet ist (vgl. OLG Celle, aaO.).
Die von dem LAG Hamm (AnwBl 1985, 275 ff.) vertretene Auffassung,
Dolmetscherkosten seien stets als Auslagen der bedürftigen Partei
selbst zu behandeln und könnten nur bei ausdrücklicher Bewilligung
im Rahmen der Prozeßkostenhilfeentscheidung geltend gemacht wer-
den, kann aus dogmatischen Gründen und Zweckmäßigkeitserwägungen
nicht gefolgt werden. Denn in § 126 Abs. 2 BRAGO hat der Gesetzge-
ber eine Vorabentscheidung nur hinsichtlich der Reisekosten zuge-
lassen. Da bei der Neufassung der Vorschrift im Jahre 1980 die
hier fragliche Rechtsproblematik bereits bekannt war, muß davon
ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber bewußt eine Vorabentschei-
dung nur hinsichtlich der Reisekosten zulassen wollte (vgl. VGH
Kassel, aaO.; LG Bochum aaO.). Bei einer Vorabentscheidung über
die Erstattungsfähigkeit von Dolmetscherkosten ist der Fiskus auch
nicht besser geschützt als wenn darüber im Festsetzungsverfahren
entscheiden wird. Denn in beiden Fällen ist dieselbe Frage zu be-
urteilen. Es bestünde zudem die Gefahr, daß der bedürftige Rechts-
suchende erst nach einem langwierigen Bewilligungsverfahren an-
waltliche Hilfe in Anspruch nehmen könnte (vgl. LG Bochum, aaO.).
Im vorliegenden Verfahren hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläge-
rin glaubhaft gemacht, daß die geltend gemachten Kosten zur Über-
setzung von eigenen Informationsschreiben an die Mutter der min-
derjährigen Klägerin und von Informationsschreiben der Mutter der
Klägerin selber im Rahmen des Unterhaltsrechtsstreits aufgewandt
worden sind. Dafür, daß die Mutter der Klägerin genügend Deutsch-
kenntnisse hat, um die Korrespondenz mit dem beigeordneten Anwalt
in deutscher Sprach zu führen, ist nichts ersichtlich. Da die von
dem beigordneten Anwalt aufgewandten Übersetzungskosten somit zur
zweckentsprechenden Rechtsvertretung der Klägerin notwendig waren,
sind sie dem Grunde nach erstattungsfähig.
Der Höhe nach ist nicht ersichtlich, daß das geltend gemachte Zei-
lenhonorar überhöht ist. Die Übersetzungskosten von insgesamt
418,60 DM sind daher aus der Staatskasse zu vergüten.