Urteil des OLG Oldenburg vom 05.05.2009
OLG Oldenburg: verjährungsfrist, nachlass, erbrecht, erfüllung, verfügung, zukunft, berechtigung, beschränkung, berechnungsgrundlage, pflichtteilsberechtigter
Gericht:
OLG Oldenburg, 12. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 12 U 3/09
Datum:
05.05.2009
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Kein Leitsatz eingetragen
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
12 U 3/09
1 O 2396/08 Landgericht Oldenburg Verkündet am 05.05.2009
…, JS´in
In dem Rechtsstreit
K...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen
W...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ….,
den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Landgericht … auf die mündliche Verhandlung vom
28.04.2009 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des
Landgerichts Oldenburg geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.232,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.07.2007 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über den Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich eines nach erfolgter Nachlassverteilung
erhobenen Pflichtteilsanspruchs.
Die Parteien sind Geschwister und je zu 1/4 Miterben ihrer am …1998 verstorbenen Großmutter O... V.... Weitere
Miterbin zu 1/2 ist die Tante der Parteien, Frau H.... Der Kläger, der seit 1996 Betreuer der Erblasserin war, hat nach
deren Tod die Verteilung des Nachlasses übernommen und in diesem Zusammenhang im Jahre 1999 einen Betrag
von 193.884,04 DM an die Beklagte ausgezahlt. Im Jahre 2000 wurde der Kläger von dem bei der
Nachlassverteilung unberücksichtigt gebliebenen weiteren Sohn der Erblasserin, Herrn I... V..., auf Zahlung des
Pflichtteils in Anspruch genommen. Durch TeilAnerkenntnisurteil vom 18.05.2004 wurde der Kläger als
Gesamtschuldner mit der Beklagten und Frau H... verurteilt, an Herrn V... 66.327,57 € zu zahlen. Ferner hat sich der
Kläger in einem Vergleich vom 11.01.2005 verpflichtet, weitere 25.000, € an Herrn V... zu zahlen.
Ausgehend von einem Nachlass von 761.972,75 DM und dem sich daraus ergebenden Pflichtteilsanspruch des
Herrn V... von 126.995,46 DM verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung eines Betrages in Höhe von 1/4
des Pflichtteilsbetrages, d.h. 31.748,87 DM bzw. 16.232,94 €. Die Beklagte hat erstinstanzlich gegenüber dem
geltend gemachten Zahlungsanspruch u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass etwaige Ausgleichsansprüche
des Klägers aus dem mit der Beklagten bestehenden Gesamtschuldverhältnis verjährt seien. Gegen diese
Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Oldenburg abzuändern und die Beklagte zur verurteilen, an den Kläger
16.232,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte tritt der Berufung nach Maßgabe seiner Erwiderung entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug
genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 16.232,94 € verlangen.
Der Anspruch folgt aus §§ 2058, 426 Abs. 1 BGB. Ihm steht nicht entgegen, dass der Nachlass der Erblasserin
bereits im Jahre 1999 unter den Erben verteilt worden ist. Die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für eine
nicht schon vorab getilgte Nachlassverbindlichkeit bleibt auch nach der Teilung bestehen (vgl. BGH NJW 1998, 682,
Palandt/Edenhofer aaO., § 2060, Rn. 1).
Er ist weiterhin auch nicht verjährt.
Bei dem Ausgleichsanspruch eines Miterben aus §§ 2058, 426 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen erbrechtlich
begründeten Anspruch, der gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB der 30jährigen Verjährungsfrist unterliegt. § 197 Abs. 1
Nr. 2 BGB ist dahin zu verstehen, dass mit ´erbrechtlichen Ansprüchen´ alle Ansprüche gemeint sind, die sich ´aus´
dem mit ´Erbrecht´ überschriebenen Buch 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches ergeben (vgl. BGH NJW 2007, 2174).
Die Vorschrift gilt dabei für den Regelungsbereich uneingeschränkt, also auch für Ansprüche der Erben untereinander
(vgl. jurisPKLakkis, 4. Aufl. 2008, § 197 Rn. 15) und damit für die durch § 2058 BGB erbrechtlich begründeten
Ansprüche aus dem Gesamtschuldverhältnis der Miterben. Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Intention bei
der Neuregelung des Verjährungsrechts zum 01. Januar 2002. Die Aufrechterhaltung der nach § 195 BGB a. F.
geltenden dreißigjährigen Verjährungsfrist für familien und erbrechtliche Ansprüche in § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist
insbesondere damit begründet worden, ´dass sich die maßgeblichen Verhältnisse mitunter erst lange Zeit nach der
Anspruchsentstehung klären lassen (z.B. im Erbrecht infolge späten Auffindens eines Testamentes)´ (vgl.
BTDrucks. 14/6040, S. 106). Diese Ausführungen sind dahin zu verstehen, dass den Parteien anders als in anderen
Rechtsbereichen auf den Gebieten des Erb und Familienrechts die ihnen bisher im Verjährungsrecht zugebilligte Zeit
zur gerichtlichen Geltendmachung grundsätzlich auch in Zukunft zur Verfügung stehen soll, und zwar selbst dann,
wenn die maßgeblichen Verhältnisse schneller hätten geklärt werden können (vgl. BGH aaO.). Gerade für die aus §
2058 BGB folgenden Ansprüche aus dem Gesamtschuldverhältnis der Miterben gilt dabei, dass die ´maßgeblichen´
erbrechtlichen Verhältnisse möglicherweise erst geraume Zeit nach dem Erbfall - und damit nach Ablauf einer
dreijährigen Verjährungsfrist aus § 195 BGB - abschließend geklärt werden können. Erlangt beispielsweise ein
Pflichtteilsberechtigter erst mehr als drei Jahre nach dem Erbfall und nach Verteilung des Nachlasses Kenntnis von
seiner Berechtigung und macht er seinen nach § 2332 Abs. 1 BGB noch unverjährten Pflichtteilsanspruch lediglich
gegen einen der Erben geltend, so sind die erbrechtlichen Verhältnisse entgegen der Annahme der Erben bei
Verteilung des Nachlasses noch nicht geklärt. Dem in Anspruch genommenen Miterben muss auch in diesem Falle
die Möglichkeit offen stehen, von den weiteren nach § 2058 BGB gesamtschuldnerisch mithaftenden Erben einen
Ausgleich zu erlangen.
Unterstellt man mit der Beklagten, dass der Lauf der Verjährungsfrist für den Ausgleichsanspruch mit der
Begründung des Gesamtschuldverhältnisses (vgl. BGH NJWRR 2008, 256. 2006, 1718) entstanden ist, war er im
Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung noch nicht verjährt.
Auch mit ihren übrigen Einwendungen gegen die Klageforderung dringt die Beklagte nicht durch.
Berechnungsgrundlage für die Höhe ist der vom Kläger angegebene Nachlasswert von 761.972,75 DM. Auf ein
bloßes Bestreiten kann sich die Beklagte insoweit nicht beschränken, weil sie als Miterbin gehalten ist, einen
möglicherweise abweichenden Nachlasswert selbst zu ermitteln und konkret anzugeben. Einen Auskunftsanspruch
hinsichtlich des Nachlasswertes hat die Beklagten gegenüber dem Kläger nicht (vgl. BGH MDR 1989, 431. Palandt/
Edenhofer, BGB, 68. Aufl. § 2038, Rn. 14.). Ohne Erfolg zieht die Beklagte weiter in Zweifel, dass der Kläger den
sich aufgrund des Nachlasswertes ergebenden Pflichtteilsanspruch des Herrn V... in Höhe von 1/6 des Nachlasses,
also 126.995,45 DM (64.931,74 €) ausgeglichen hat. In Anbetracht der Tatsache, dass der Pflichtteilsanspruch
bereits seit ca. 5 Jahren tituliert ist, wäre es erforderlich gewesen, die näheren Einzelheiten mitzuteilen, die der
Beklagten Anlass geben, am Vortrag des Klägers zu zweifeln. Abgesehen hiervon würde sich für die Verpflichtung
der Beklagten nichts anderes ergeben, wenn der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten tatsächlich noch nicht
befriedigt worden wäre. Der Kläger hat aufgrund seiner eigenen Verurteilung zur Zahlung des gesamten
Pflichtteilsbetrages einen Anspruch auf Freistellung gegen die Beklagte in Höhe des auf sie entfallenden Anteils (vgl.
BGH NJW 1986, 978, 979). Da die Beklagte die Erfüllung verweigert, kann der Kläger Zahlung des erforderlichen
Geldbetrags beanspruchen (§ 250 S. 2 BGB). Eine Fristsetzung ist entbehrlich, weil die Beklagte die Erfüllung
endgültig verweigert hat.
Letztlich war der Beklagten auch nicht - wie sie es in der mündlichen Verhandlung beantragt hat - die Beschränkung
ihrer Haftung auf den Nachlass vorzubehalten (§§ 1990 BGB, 780 ZPO). Der geschuldete Betrag ist nicht aus dem
eigenen, sondern dem ererbten Vermögen zu zahlen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
… … …