Urteil des OLG Köln vom 27.04.1999
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Oberlandesgericht Köln, Ss 118/99 - 60 -
Datum:
27.04.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 118/99 - 60 -
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den dazugehörigen Fest-stellungen
aufgehoben, soweit es den Schuldspruch wegen Abgabe unrichtiger
Angaben (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG), die hierfür festgesetzte
Einzelgeldstrafe sowie den Gesamt-geldstrafenausspruch betrifft. In
diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen. Die
weitergehende Revision wird verworfen.
G r ü n d e :
1
Das Amtsgericht hat die Angeklagte "wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz in
zwei Fällen" zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt
(angewendete Vorschriften: § 92 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 AuslG, § 53 StGB). Das
Landgericht hat die Berufung der Angeklagten verworfen. Es hat zum Schuldspruch
festgestellt:
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"Im Sommer 1997 beantragte die Angeklagte bei der deutschen Botschaft in Belgrad die
Erteilung eines Visums für die Bundesrepublik Deutschland. Unter Nr. 8 des
Antragsformulars kreuzte sie wahrheitswidrig die Rubrik "verheiratet" an und gab als
Ehegatten einen jugoslawischen Staatsangehörigen, nämlich A.P. als ihren Ehegatten
an. Sie machte diese falschen Angaben, um bei der visumserteilenden Behörde den
Eindruck zu erwecken, ihre Rückkehr nach Jugoslawien sei mit Rücksicht auf den dort
verbleibenden Ehegatten so gut wie sicher. Aufgrund der Falschangabe erhielt die
Angeklagte ein Visum, das vom 12.08. bis 05.09.1997 gültig war. Zu einem nicht genau
feststellbaren Zeitpunkt, nach ihren Angaben Ende August 1997, reiste sie in die
Bundesrepublik Deutschland ein. Hier hielt sich die Angeklagte zunächst in der Nähe
von F. auf, bis sie Aufnahme bei der Familie G. fand, die in B. eine Bar im Rotlichtmilieu
betreibt.
3
Unter dem 15.09.1997 wurde das Visum der Angeklagten von der Kreisverwaltung B.
antragsgemäß um einen Monat bis zum 4. Oktober 1997 verlängert. Gleichwohl hielt
sich die Angeklagte noch am 16.11.1997 in Deutschland auf, wo sie an diesem Tage in
dem Animierbetrieb der Familie G. in B. angetroffen wurde."
4
Zur rechtlichen Würdigung heißt es im Berufungsurteil:
5
"Die Angeklagte hat sich somit gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG strafbar gemacht, indem
sie unrichtige Angaben machte, um für sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu
beschaffen. Tatmehrheitlich hat sie sich auch nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG strafbar
gemacht, weil sie sich nach dem 04.11.1997 ohne Aufenthaltsgenehmigung im
Bundesgebiet aufgehalten hat."
6
Die Revision der Angeklagten rügt Verletzung materiellen Rechts.
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Die Revision führt zum Teilerfolg.
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Soweit es den Schuldspruch wegen Aufenthalts ohne Aufenthaltsgenehmigung (§ 92
Abs. 1 Nr. 1 AuslG) und die für diese Tat festgesetzte Einzelgeldstrafe von 25
Tagessätzen zu je 50,00 DM angeht, ist die Revision dem Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft entsprechend gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich
unbegründet zu verwerfen, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund
der Sachrüge in dieser Hinsicht keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten
ergeben hat.
9
Dagegen führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, soweit es den Schuldspruch wegen
Abgabe unrichtiger Angaben (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG), die hierfür festgesetzte
Einzelgeldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 50,00 DM sowie den
Gesamtgeldstrafenausspruch betrifft.
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Der Schuldspruch wegen Verstoßes gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
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Auf die Sachrüge hin hat der Senat von Amts wegen die Verfahrensvoraussetzung der
Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zu prüfen (OLG Köln, 3. Strafsenat, NJW 1982,
2740 m.N.). Diese Prüfung führt hier zu dem Ergebnis, dass auf den dem Schuldspruch
zugrundeliegenden Sachverhalt - Abgabe einer unrichtigen Angabe gegenüber der
deutschen Botschaft in Belgrad bei der Beantragung des Visums - das deutsche
Strafrecht und damit § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG nicht anwendbar ist.
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Grundsätzlich gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland
begangen werden (vgl. OLG Köln a.a.O.). Ob eine Tat im Inland begangen ist, bestimmt
sich nach § 9 StGB. Nach dieser Bestimmung ist eine Tat an jedem Ort begangen, an
dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder
an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung
des Täters eintreten sollte.
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Für den Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG kommt als Begehungsort der
Tätigkeitsort (§ 9 Abs. 1 Alternative 1 StGB) bzw. der Ort, an dem der Täter hätte
handeln müssen (§ 9 Abs. 1 Alternative 2 StGB) in Betracht. Der Erfolgsort (§ 9 Abs. 1
Alternative 3 StGB) scheidet als Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen
Strafrechts aus, weil der Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG keinen "zum
Tatbestand gehörenden Erfolg" verlangt; dass die unrichtigen Angaben zur Ausstellung
einer entsprechenden Urkunde geführt haben, ist nicht Tatbestandsmerkmal (vgl. OLG
Karlsruhe NStZ-RR 1998, 378; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze,
§ 92 Rn. 37).
14
Der Tätigkeitsort ist überall dort gegeben, wo der Täter gehandelt, d.h. eine auf die
Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat (Eser in Schönke/Schröder,
StGB, 25. Aufl., § 9 Rn. 4 m.N.).
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Hier hat das Landgericht die Angeklagte nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 (Alternative 1) AuslG
verurteilt, weil sie gegenüber der deutschen Botschaft in Belgrad unrichtige Angaben
gemacht habe, um für sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen. Hinsichtlich
dieser - mit der Abgabe der Angaben im Übrigen auch sogleich beendeten - Handlung
der Angeklagten ist Begehungsort daher die deutsche Botschaft in Belgrad.
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Die deutschen Botschaften im Ausland gehören indes nicht zum Inland im Sinne des § 3
StGB. Zum Inland gehört nur, was als Land-, Meeres- und Luftgebiet der deutschen
Gebietshoheit unterworfen ist (vgl. Gribbohm in Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl.,
vor § 3 Rn. 228). Die deutschen Botschaften im Ausland sind zwar - wie eine
ausländische Botschaft in Deutschland (§§ 18 - 20 GVG) - zwar exterritorial, sie gehören
aber nicht zum deutschen Hoheitsgebiet (Lutz in InfAuslR 1997, 384, 388; Senge in
Erbs/Kohlhaas a.a.O., AuslG § 92 Rn. 36), sondern sind Ausland (vgl. Gribbohm in
Leipziger Kommentar a.a.O., vor § 3 Rn. 292).
17
Für Taten, die nicht im Inland begangen sind, können die deutschen Strafnormen nur
unter ganz bestimmten, in §§ 4 - 7 StGB bezeichneten Voraussetzungen angewendet
werden (Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 3 Rn. 1), die hier indes nicht vorliegen.
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Von einer Verfahrenseinstellung gemäß §§ 354 Abs. 1, 206 a Abs. 1 StPO statt der
Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz hat der
Senat abgesehen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Angeklagte bei der
Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und/oder bei der Beantragung der
Verlängerung des Visums nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG strafbar gemacht hat. Auf solche
Taten erstreckt sich aber hier die Kognitionspflicht des Tatgerichts (§ 264 StPO)
ebenfalls. -
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Die Kostenbeschwerde ist damit gegenstandslos.
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