Urteil des OLG Köln vom 14.05.2002

OLG Köln: treuhänder, rechtskräftiges urteil, grobe fahrlässigkeit, versicherungsnehmer, bindungswirkung, avb, strafurteil, anleger, wissentlich, form

Oberlandesgericht Köln, 9 U 185/98
Datum:
14.05.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 185/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 75/96
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 12.11.1998 verkündete Urteil der
24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 75/96 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 5.000,-- EUR abzuwenden, wenn nicht die Be-klagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die jeweiligen Sicherheitsleistungen dürfen auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft eine deutschen Großbank oder
öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
1
Die Kläger nehmen die Beklagte als Drittschuldner in Anspruch. Diese war als
Versicherergemeinschaft Haftpflichtversicherer des Wirtschaftsprüfers und
Steuerberaters W.. Auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des
Amtsgerichts Augsburg vom 24.01.1995 - 2 M 00550/95 -
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machen die Kläger mit der vorliegenden Klage den Anspruch des Zeugen W. gegen die
Beklagte aus dem Haftpflichtversicherungsverhältnis geltend. Dem
Versicherungsvertrag zwischen dem Zeugen W. und der Beklagten lagen u.a. die
Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von
Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe
(WT 1 (0/04V) zugrunde. Darin heißt es in § 4 :
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" Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche ...
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6. wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift,
Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche
Pflichtverletzung ..."
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein vom 28.07.1987
nebst Nachträgen (Bl. 320 ff) sowie das Bedingungswerk (Bl. 336 ff) Bezug genommen.
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Im Jahre 1989 traten die Kläger auf Vermittlung der W. C. Investment in F. der "MFP -
M.-F. P." bei, die sich mit hochspekulativen Termin-Anlagen an amerikanischen Börsen
beschäftigte. Die Beitrittserklärung enthielt unter anderem die Erklärung einer
Beteiligung an dem Fonds MFP - 12 (Laufzeit 12 Jahre) mit 122.000,-- DM und die
Annahme des Angebots, durch den Zeugen W. als Treuhänder vertreten zu werden. Am
01.04.1991 stellten die Kläger auf den MFP- 6 Fonds um. Dieser hatte eine Laufzeit von
6 Jahren. Die Kläger reduzierten ihre Beteiligung auf 78.322,01 DM. Die Differenz zu
der ursprünglich geleisteten Beteiligung wurde ihnen ausgezahlt. Im Zusammenhang
mit dem Beitritt zum MFP - 6 Fond erhielten die Kläger verschiedene Unterlagen, u. a.
die Bedingungen des Treuhandvertrages .
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Darin heißt es u.a.:
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" R. Capital Management Ltd ist Initiator, Herausgeber der Emissionsunterlagen,
Vertriebskoordinator und Verwalter des MFP-6. Zur Sicherstellung einer unabhängigen
Mittelverwendung ist durch R. ein deutscher Wirtschaftsprüfer beauftragt, das
Treuhandmandat wahrzunehmen.. Mit Unterzeichnung der Beitrittserklärung zum MFP-6
anerkennen die beigetretenen Anleger rechtsverbindlich dieses
Treuhandmandatsverhältnis und beauftragen ihrerseits den Treuhänder, ihre Interessen
im MFP-6 zu den folgenden Treuhand-Vertragsbedingungen und zu den Bedingungen
der Beitrittserklärung und der Vertragsbedingungen zur vertreten ...
9
§ 2 Vertragspflichten
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Die Vertragspflichten des Treuhänders sind folgende: Annahme der Einzahlungen der
Treugeber, Weiterleitung der Gelder gemäß den Regelungen in den MFP-6-
Vertragsbedingungen, Empfang und Aufbewahrung der Garantieerklärung gemäß den
MFP-6-Vertragsbedingungen, Empfang von Rückzahlungen aus den Brokerkonten und
Verwendung gemäß den MFP-6-Vertragsbedingungen, Auszahlung der nach den
Vertragsbedingungen den Treugebern zustehenden Beträge an diese. ...
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Bezüglich von Anlagekapital mit Kapitalabsicherung ist der Treuhänder insbesondere
verpflichtet, die entsprechenden monatlichen Zeichnungsvolumina erst dann für den
Börsenhandel freizugeben, wenn die entsprechende Kapitalsicherheit gestellt ist...."
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Die Vertragsbedingungen des MFP enthielten unter anderem folgende Bestimmungen: "
...
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§ 8 Stellung von Kapitalsicherheiten
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Die R. wird in Abhängigkeit des monatlichen Neuzeichnungsvolumens verschiedene
renommierte Banken mit der Stellung und Beschaffung von Kapitalsicherheiten
beauftragen. ...
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§ 9 Form der Kapitalsicherheiten
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Die Kapitalsicherheiten können in Form von Bank-Avalen, Bankschuldscheinen,
Certificates of Deposit, Inhaberschuldverschreibungen von Banken, Letters of Credit
oder anderen gleichwertigen Dokumenten gestellt werden. ...
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§ 13 Trading-Freigabe
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Der Treuhänder wird die wirtschaftliche Verfügung über das abzusichernde Anlage
kapital zulassen und der R. eine Trading -Freigabe erteilen, wenn im Gegenzug die
Kapitalsicherheiten in der alleinigen Verfügung des Treuhänders sind. ..."
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In der Folgezeit war der Zeuge W. im Besitz von 5 Urkunden, bezeichnet als "L. of c.",
auf denen als Aussteller eine "H.F. Group" angegeben war. Hierbei handelte es sich
nicht um eine Bank oder Tochtergesellschaft einer Bank, so dass die Sicherheiten nicht
den vertraglichen Vereinbarungen entsprachen. Gleichwohl gab der Zeuge W. das
Kapital zur Anlage frei. Am 21. 04. 1992 erhielten die Kläger ein Schreiben, dass von R.
kein Geld eingegangen sei. Der Broker habe negative Salden des Hauptanteilseigners,
der R., verrechnet und "den MFP auf Null" gestellt. Die Anlagebeträge waren verloren.
Die Kläger erhielten - wie auch zahlreiche andere Anleger - keine Zahlungen aus dem
Pool.
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Daraufhin nahmen die Kläger den Zeugen W. auf Zahlung von Schadensersatz wegen
Verletzung des Treuhandvertrages in Anspruch.
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Das Landgericht Augsburg verurteilte den Zeugen W. durch rechtskräftiges Urteil vom
27.01.1994 - 8 O 5831/92 -, an die Kläger 78.322,-- DM nebst 11,5 % Zinsen hieraus seit
dem 08.01.1993 zu zahlen. In dem Urteil des Landgerichts Augsburg heißt es u.a., den
Klägern stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe der von ihnen bezahlten Einlage
aus positiver Vertragsverletzung des Treuhandvertrages zu. Die Pflichtverletzung des
Treuhänders W. liege in dem Unterlassen, den Einlagenbetrag der Kläger
vertragsgemäß abzusichern. Es habe zu den Vertragspflichten des Beklagten gehört,
die ihm überlassenen Sicherheiten auf ihre Vereinbarkeit mit den Vertragsbedingungen
MFP-6 zu überprüfen. Ein "L. of c." der H.F. Group habe den vertraglichen
Anforderungen an eine Sicherheit nicht genügt. Der Zeuge W. habe grob fahrlässig
gegen die ihm obliegende Kapitalabsicherungspflicht verstoßen. Der Schaden der
Kläger liege darin, dass ihre Einlage ohne ausreichende Sicherheit der R. zur
Verfügung gestellt worden sei. Hätte sich der Zeuge vertragsgemäß verhalten, so wäre
der Anlagebetrag noch auf dem Treuhandkonto verblieben und hätte ausgezahlt werden
können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf den Inhalt der
beigezogenen Akte LG Augsburg - 8 O 5831/92 - Bezug genommen.
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Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.07.1994 - 6 Kls 19/94 - 167 Js 59075/90
- wurde der Zeuge W. u. a. im Zusammenhang mit der genannten Tätigkeit als
Treuhänder wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten
rechtskräftig verurteilt. Die Strafe ist verbüßt. Der Mitangeklagte W.-F. wurde wegen
Betruges zu einer Freiheitstrafe in derselben Höhe verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts
hat der Zeuge W. als Treuhänder erkannt, dass nach Prospekt und Statuten die
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Voraussetzungen für irgendwelche Zahlungen von den MFP-Treuhandkonten an die
Broker nicht gegeben waren, da die erforderlichen Sicherheiten nicht vorgelegen hätten.
Er habe sich entschlossen, gleichwohl die Gelder zur Verwendung an der Börse
freizugeben. In der in dem Strafurteil befindlichen Liste der Geschädigten, die mit dem
03.09.1990 beginnt, sind die Kläger nicht erwähnt. Das Gericht führte aus, dass es die
strafbaren Handlungen erst ab September 1990 ansetze, weil es zugunsten des Zeugen
davon ausgehe, dass sich bei den Verträgen bis August 1990 um umgewandelte
Verträge gehandelt habe und die Anleger ihr Geld im Zeitpunkt der Annahme des
Umwandlungsangebots möglicherweise bereits verloren hätten. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Im vorliegenden Rechtsstreit machen die Kläger im Wege der Einziehungsklage gegen
die Beklagte den im Urteil des Landgerichts Augsburg vom 27.01.1994 zugesprochenen
Betrag, den im Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Augsburg vom
27.06.1994 - 8 O 5831/92 - festgesetzten Betrag von 8.107,27 DM nebst 4 % Zinsen seit
25.05.1994 sowie Kosten des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des
Amtsgerichts Augsburg vom 24.01.1995 - 2 M 00550/95 - in Höhe von 1.135,52 DM
geltend. Die Kläger tragen vor, der Treuhänder W. habe, wie sich - für den vorliegenden
Rechtsstreit bindend - aus dem Urteil des Landgerichts Augsburg im Haftpflichtprozess
ergebe, nur grob fahrlässig gegen seine Treuhandpflichten verstoßen.
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Die Klägerin haben beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 87.564,79 DM zuzüglich 11,5 %
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Zinsen aus dem Betrag von 78.322,00 DM seit dem 08.01.1993 sowie
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4 % Zinsen aus dem Betrag von 8.107,27 DM seit dem 25.05.1994 und
29
4 % Zinsen aus dem Betrag von 1.135,52 DM seit dem 13.01.1995
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zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich auf Leistungsfreiheit nach § 4 Nr. 6 AVB Vermögen berufen, weil der
Treuhänder wissentlich gegen seine Pflichten verstoßen habe.
34
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die
Feststellungen im Urteil des Landgerichts Augsburg im Haftpflichtprozess schlössen
nicht aus, dass ein vorsätzliches Handeln des Wirtschaftsprüfers W. vorliege. Wie
insbesondere aus dem strafgerichtlichen Urteil des Landgerichts Stuttgart und dem
Urteil im Haftpflichtprozess hervorgehe, habe der Treuhänder wissentlich gegen seine
Pflichten verstoßen. Er habe entweder die Sicherheiten nicht überprüft oder das Kapital
freigegeben, obwohl seine Prüfung ergeben habe, dass die Bedingungen für die
Freigabe nicht vorgelegen hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil und seine
Verweisungen Bezug genommen.
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Gegen das ihnen am 25.11.1998 zugestellte Urteil haben die Kläger am
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28.12.1998 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis
15.03.1999 mit an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, die rechtskräftigen Feststellungen im
Haftpflichtprozess vor dem Landgericht Augsburg seien für den Deckungsprozess
bindend, so dass vorliegend von einem grob fahrlässigen Pflichtenverstoß durch den
Treuhänder auszugehen sei. Jedenfalls habe das Landgericht sich nicht den Inhalt des
Strafurteils zueigen machen dürfen, ohne selbst Beweis zu erheben. Außerdem beziehe
sich das Strafurteil nur auf Sachverhalte ab September 1990 und nicht auf die hier
maßgeblichen Vorgänge. Der Treuhänder W. habe die "L. of c." gar nicht zu Gesicht
bekommen und auf eine vertragsgemäße Absicherung der Einlagen vertraut.
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Die Kläger beantragen,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 12.11.1998
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24 O 75/96 - nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu
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erkennen,
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hilfsweise nachzulassen, Sicherheitsleistung auch in Form einer
selbstschuldnerischen Bankbürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie trägt vor, aus dem Strafurteil des Landgerichts Stuttgart ergebe sich zweifelsfrei,
auch auf Grund eines Geständnisses, dass der Zeuge W. wissentlich seine Pflichten
aus dem Treuhandvertrag verletzt habe. Das Landgericht Stuttgart habe sich nur
deshalb auf Kapitaleinzahlungen ab dem 03.09.1990 beschränkt, weil das Geld der
früheren Anleger bei der Umstellung auf den MFP-6 Fonds möglicherweise bereits
verloren gewesen sei. Davon ausgehend wäre durch eine Pflichtverletzung des
Treuhänders schon kein Schaden entstanden. Jedenfalls sei die Kapitaleinlage der
Kläger in der vom Strafgericht behandelten Zeit ohne Sicherheit ausgezahlt worden.
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Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Der Senat hat durch Zwischenurteil vom 11.09.2001 - 9 U 185/98 - festgestellt, dass der
Zeuge W. wegen der Strafsache 515 Js 20857/92 StA Augsburg zur
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Zeugnisverweigerung nicht berechtigt ist. Diese Strafsache ist durch Beschluss des
Landgerichts Augsburg vom 28.08.2000 im Hinblick auf das rechtskräftige
Straferkenntnis im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.07.1994 - 6 KLs 19/94 - 167
Js 59075/90 - eingestellt worden.
Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W., Auf die
Sitzungsniederschrift vom 09.04.2002 (Bl. 456 ff) wird Bezug genommen.
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Die beigezogenen Akten 8 O 5831/92 Landgericht Augsburg, 515 Js 20857/ 92 StA
Augsburg und 6 KLs 19/94 LG Stuttgart - 167 Js 59075/90 StA Stuttgart sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
52
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
53
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist unbegründet.
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Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
55
I. Die Einziehungsklage ist nicht begründet, weil ein Anspruch des Schuldners und
Versicherungsnehmers W. gegen die Beklage als Drittschuldnerin aus dem Haftpflicht-
Versicherungsverhältnis nicht bestanden hat.
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1. Nachdem die Beklagte die Vertragsunterlagen zur Haftpflicht-Vermögensschaden-
Versicherung des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters W. vorgelegt hat, besteht über
den Inhalt der Bedingungen kein Streit mehr. Danach gelten die Allgemeinen
Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Angehörigen der
wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe - WT 1 (0/04 V) -,
entsprechend AVB Vermögen - WB.
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2. Die Beklagte kann sich mit Erfolg auf den Leistungsausschluss nach § 4 Nr. 6 der
Bedingungen berufen.
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a) Nach dieser Klausel bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf
Haftpflichtansprüche wegen Schadensverursachung durch wissentliches Abweichen
von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch
sonstige wissentliche Pflichtverletzung. Die Bestimmung enthält einen subjektiven
Risikoausschluss, der in zweifacher Weise von der dispositiven Vorschrift des § 152
VVG abweicht. Sie stellt auf näher beschrieben Verstöße gegen konkrete
Berufspflichten ab und lässt insoweit nicht bedingten Vorsatz genügen, sondern fordert
direkten Vorsatz. Außerdem muss der Versicherungsnehmer nicht den schädigenden
Erfolg als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, r+s
2001, 408 zur entsprechenden Klausel in AVB-RA; r+s 1991, 45; r+s 1987, 99; Voit in
Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 4, AVB - Vermögen - WB Rn 5, 6 ).
59
Ein solcher Risikoausschluss in Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist wirksam
(vgl. BGH, r+s,2001, 408).
60
b) Der Beklagten ist es auf Grund der Bindungswirkung des Haftpflichturteils vorliegend
nicht verwehrt, sich auf eine wissentliche Pflichtverletzung des Treuhandvertrages durch
den Versicherungsnehmer zu berufen. Der Senat ist durch die Bindungswirkung nicht
gehindert, eigene Feststellungen zur Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des
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Treuhandvertrages zu treffen.
Grundsätzlich gilt in der Haftpflichtversicherung das Trennungsprinzip. Das
Haftpflichtverhältnis zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherungsnehmer
ist von dem Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und
Haftpflichtversicherer zu trennen. Im Haftpflichtprozess ist zu entscheiden, ob und in
welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber haftet. Ob der
Versicherer dafür eintrittspflichtig ist, wird im Deckungsprozess geklärt. Die
Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden
Deckungsrechtsstreit ist die notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips. Die
Bindungswirkung folgt hierbei nicht aus dem Gesichtspunkt der Rechtskraft des
Haftpflichturteils, da der Versicherer am Haftpflichtprozess als Partei nicht beteiligt ist.
Vielmehr ist sie dem Leistungsversprechen, das der Haftpflichtversicherer dem
Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat, zu entnehmen (vgl. BGHZ
119, 276 = r+s 92, 406). Das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses ist
damit für die Deckungsfrage verbindlich. Damit wird eine erneute Überprüfung der im
Haftpflichtprozess getroffenen Feststellungen im späteren Deckungsprozess verhindert.
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Gleichwohl bleiben dem Versicherer im Deckungsprozess etwaige
versicherungsrechtliche Einwendungen erhalten. Das trifft unter anderem auf
Risikoausschlüsse zu. Ist eine für den Deckungsanspruch im Hinblick auf einen
Risikoausschluss wesentliche Tatsache oder Rechtsfrage im Haftpflichtrechtsstreit offen
geblieben, so ist sie im Deckungsprozess zu entscheiden (vgl. BGH, r+s 2001, 233, 408;
Voit in Prölss/Martin, a.a.O., § 149 Rn 31). So liegt der Fall hier.
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Allerdings entfaltet das Haftpflichturteil im nachfolgenden Deckungsprozess
Bindungswirkung jedenfalls insoweit, als es um den Haftungstatbestand geht (vgl.
Senat, r+s 1999, 234). Dieser umfasst die tatsächlichen Elemente, die der Tatrichter des
Haftpflichtverfahrens der Haftung des Versicherungsnehmers zu Grunde gelegt hat.
Damit ist bindend festgestellt, dass der Zeuge W. eine Pflichtverletzung des zwischen
den Klägern und ihm bestehenden Treuhandvertrages dadurch begangen hat, dass er
es unterlassen hat, den Einlagenbetrag der Kläger vertragsgemäß abzusichern. Zum
Umfang der Vertragspflichten des Zeugen gehörte es, die ihm überlassenen
Sicherheiten auf ihre Vereinbarkeit mit den Vertragsbedingungen zu überprüfen. Aus § 2
des Treuhandvertrages ergibt sich die Verpflichtung des Treuhänders, die
Anlagebeträge erst dann für den Börsenhandel freizugeben, wenn die entsprechende
Kapitalsicherheit gestellt ist. Das setzt die Prüfungspflicht voraus, ob die Sicherheit den
vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Die dem Zeugen vorliegenden "L. of C." der
H.F. Group haben nicht den Anforderungen des Vertrages zu dem MFP - 6 entsprochen.
Wie aus § 8 des Vertrages hervorgeht, waren Sicherheiten "renommierter Banken" zu
stellen. Eine Erweiterung der möglichen Sicherungsgeber ist nach den Vereinbarungen
nicht gestattet. Die Sicherheiten sollten nach den übrigen Vereinbarungen nur durch
Banken oder bankähnliche Institutionen gestellt werden dürfen. Die Person des
Sicherungsgebers entsprach hier nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Denn bei der
H.F. Group handelt es sich nicht um eine Bank oder bankähnliche Institution. Die
Absicherung durch eine Bank war aber für den Vertrag wesentlich.
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Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts Augsburg im Haftpflicht- prozess
ist durch die Pflichtverletzung des Zeugen W. auch ein Schaden der Kläger in Höhe von
78.322,-- DM verursacht worden. Bei einem vertragsgemäßen Verhalten des
Treuhänders wäre das Geld auf dem Treuhandkonto verblieben und hätte zurückgezahlt
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werden können, wie das Landgericht ausgeführt hat.
Offen geblieben ist im Haftpflichtprozess hingegen, ob der Zeuge wissentlich gegen
Pflichten verstoßen hat. Das Landgericht Augsburg hat Feststellungen zum Vorsatz
nicht getroffen. Es hat grobe Fahrlässigkeit angenommen und damit die Frage des
bewussten Pflichtverstoßes offen gelassen. Feststellungen dazu waren auch nicht
erforderlich. Ist aber im Haftpflichtprozess Fahrlässigkeit festgestellt worden und die
Vorsatzfrage offen geblieben, so kann der Versicherer im Deckungsprozess einwenden,
es liege Vorsatz vor (vgl. Bruck/Möller/Johannsen, VVG, 8. Aufl., Anm. B 63 mit weiteren
Nachweisen).
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Der nach § 4 Nr. 6 AVB - Vermögen notwendige direkte Vorsatz erfordert das Wissen
und Wollen der Pflichtverletzung. Der Versicherungsnehmer muss die von ihm verletzte
Pflicht positiv gekannt und subjektiv das Bewusstsein gehabt haben, pflichtwidrig zu
handeln (vgl. BGH, r+s 2001, 408 (409); r+s 1991, 45).
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Dass dies so war, ergibt sich aus der Vernehmung des Zeugen W. vor dem Senat.
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Der Senat konnte insoweit offen lassen, ob das Landgericht Köln -angesichts des
streitigen Vortrages der Parteien- zu Recht Feststellungen zu Art und Umfang der
Pflichtverletzung des Treuhänders aus dem Strafurteil des Landgerichts Stuttgart hat
übernehmen dürfen.
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Der Zeuge W. hat vor dem Senat bekundet, dass Herr W.-F., der ehemalige
Mitangeklagte, zu ihm gekommen sei und ihm bedeutet habe, man werde die
Anlagenstrategie ändern. Dies sei in der Weise geschehen, dass er erklärt habe, er
besorge Bankbürgschaften zur Absicherung der eingezahlten Gelder. Es habe sich
hierbei um L. of C. der H.F. Group gehandelt. Der Zeuge W. hat dann nach seiner
Bekundung über dieses Institut Nachforschungen angestellt. Ihm sei die
Organisationsstruktur, Kapitalausstattung etc. vermittelt worden und er habe alles "o.K."
gefunden. Sodann hat der Zeuge eingeräumt, eine Bank im Sinne des deutschen
Rechts sei es nicht gewesen. Dies habe er gewusst.
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Damit war dem Zeugen klar, dass die Sicherheit nicht der vertraglich vereinbarten
entsprach. Dass er - wie er angegeben hat - jedenfalls versucht hat, die Bonität der H.F.
Group anhand von Handelsregisterauszügen und testierten Bilanzen zu überprüfen,
steht dem nicht entgegen. Er wusste jedenfalls genau, dass er nach dem Vertrag mit den
Anlegern auf Grund einer solchen Sicherheit keine Freigabe der Anlagegelder erklären
durfte. Dies hat der Zeuge auch im Laufe der Beweisaufnahme vor dem Senat
klargestellt. Wenn er gleichwohl die Anlagebeträge freigegeben hat, dass mit den
Geldern an den Börsen von New York und Chicago spekuliert wurde, hat er sich
bewusst über seine Treuhandpflichten hinweggesetzt. Er hat bewusst auf jeden Fall
gegen die §§ 8, 13 der Vertragsbestimmungen verstoßen, wenn er eine Trading -
Freigabe erteilt hat, obwohl eine von einer Bank gestellte Sicherheit nicht vorgelegen
hat.
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Demnach hat sich die Beklagte zu Recht auf Leistungsfreiheit wegen des
Risikoausschlusses berufen. Ein Anspruch im Deckungsverhältnis hat nicht bestanden.
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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO n. F.
liegen nicht vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die für den
vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind
höchstrichterlich geklärt.
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Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 44.771,17 EUR (87.564,79 DM)
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