Urteil des OLG Köln vom 20.06.2000

OLG Köln: ablauf der frist, grobe fahrlässigkeit, fahrzeug, ware, verkäuferin, gefahr, unterlassen, zustellung, leichtsinn, polizei

Oberlandesgericht Köln, 9 U 5/00
Datum:
20.06.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 5/00
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 15 0 181/99
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.10.1999 verkündete Urteil
der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 15 0 181/99 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem
Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet.
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Das Landgericht hat zu Recht die Feststellungsklage abgewiesen.
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Dem Kläger steht wegen des Schadenereignisses vom 24.06.1998 in Polen, Parkbucht
B.straße in P. W., gegen die Beklagte kein Ersatzanspruch auf Grund der
Kaskoversicherung für den Mercedes E 290 TT (amtliches Kennzeichen: ....) nach § 12
Nr. 1 I b) AKB zu.
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1. Allerdings ist die Klagefrist nach den §§ 12 Abs. 3 VVG, 8 Abs. 1 AKB eingehalten.
Das Ablehnungsschreiben der Beklagten ist dem Kläger am 04.12.1998 zugegangen.
Demnach war Fristablauf am 04.06.1999. Die Frist ist jedoch gewahrt durch den
Eingang der Klage bei Gericht am 21.04.1999. Die Klage ist nämlich "demnächst"
zugestellt im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO.
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Dem steht nicht entgegen, dass die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erst am
31.05.1999, nach Eingang der Anforderung am 07.05.1999, erfolgt ist. Grundsätzlich
liegt die kritische Grenze bei Anforderung eines Vorschusses zwar bei zwei Wochen
(vgl. zuletzt etwa OLG Celle, r + s 1998,6). Solche Verzögerungen schaden aber nur,
wenn sie nach Fristablauf eingetreten sind (vgl. OLG Hamm r + s 1993, 451, 452).
Maßgebend ist der Zeitraum zwischen Ablauf der Frist und Zustellung (vgl. BGH, NJW
1993, 2320; 1995, 2230; Thomas - Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 270, Rn 9). Die Frist lief aber
hier noch bis zum 04.06.1999, so dass die Zustellung am 17.06.1999 "demnächst"
geschehen ist.
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2. Die Beklagte ist jedoch leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall grob fahrlässig
herbeigeführt hat, § 61 VVG.
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Herbeiführen in diesem Sinne liegt vor, wenn die dringende Gefahr des Diebstahls
entsteht. Der als vertragsgemäß vorausgesetzte Standard an Sicherheit muss
gegenüber der Diebstahlsgefahr deutlich durch das Verhalten des
Versicherungsnehmers unterschritten sein (vgl. Senat, r + s 1999, 189 mit weiteren
Nachweisen). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat den
Zündschlüssel im Lenkradschloss stecken lassen und ist ausgestiegen, ohne die
Fahrertür abzuschließen, um in Richtung des Obststandes mit Kirschenverkauf zu
gehen. In dem Unterlassen jeglicher Sicherungsmaßnahme gegen unbefugten
Gebrauch des Fahrzeugs liegt eine deutliche Unterschreitung des vertraglich
vorausgesetzten Sicherheitsstandards gegenüber der versicherten Gefahr.
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Grobe Fahrlässigkeit setzt ferner voraus, dass der Versicherungsnehmer die
verkehrserforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer acht lässt und das Nächstliegende,
das jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet (vgl. BGH, r+s 1989,
62). In subjektiver Hinsicht muss ein erheblich gesteigertes Verschulden hinzukommen
(vgl. BGH, r+s 1989, 469, 470; OLG Düsseldorf, r + s 1999, 229; Senat r + s 1999, 229;
Knappmannn in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 12 AKB, Rn 68, 100 mit weiteren
Nachweisen).
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Im vorliegenden Fall ist von einem grob fehlerhaften Verhalten auszugehen, das auch in
subjektiver Hinsicht von besonderem Leichtsinn gekennzeichnet ist.
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Ein Unterlassen jeglicher Sicherungen des Fahrzeugs durch unverschlossenes
Abstellen mit steckendem Zündschlüssel auch bei beabsichtigtem kurzzeitigen
Verlassen stellt in der Regel einen groben Pflichtenverstoß dar (vgl. OLG Hamm, NZV
1991, 195). Dies gilt insbesondere, wenn der Schlüssel bewußt und nicht aus Versehen
steckengelassen wird. Die hier gegebenen Umstände führen nicht zu einer anderen
Bewertung. Der Kläger hat in unverständlichem Leichtsinn den Autodieben die
Entwendung leicht gemacht. Selbst wenn der Kläger keine Kirschen gekauft hat, so hat
die Verkäuferin ihm jedoch Kirschen angeboten, worauf er sich in Richtung des Standes
gewandt und mit der Verkäuferin "verhandelt" hat, wie er selbst in der
Berufungsbegründung vorträgt. Wer Ware ansehen oder nach dem Kaufpreis fragen will,
muss sich, wie allgemein bekannt ist, auf den Verkäufer konzentrieren. In diesem
Moment des Ansehens und Aussuchens der Ware kann der Käufer nicht mit der nötigen
Aufmerksamkeit auf sein Fahrzeug achten und gegebenenfalls rechtzeitig eingreifen.
Dies gilt umsomehr, wenn - wie der Kläger selbst in der Schadenanzeige angibt - er um
sein Fahrzeug herum gegangen ist, mag auch der Obstverkaufsstand nur drei Meter
entfernt gewesen sein. Ein direkter Zugriff des Klägers zur Fahrertür war jedenfalls nicht
möglich. Ob er den Wagen im Blickfeld hatte, ist nicht entscheidend. Es kommt auf die
Eingriffsmöglichkeit an, die hier nicht vorhanden war.
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Schließlich ist dem Kläger auch in subjektiver Hinsicht sein unaufmerksames Verhalten
besonders vorzuwerfen, da er durch einen Vorfall auf dem Hinweg gewarnt worden war.
Nach seinen eigenen Angaben ist ihm unterwegs ein Fahrzeug gefolgt. Es hat ihn
überholt und zur Seite gedrängt. Selbst wenn dieses Verfolgen schon einige Zeit zurück
gelegen hat, so mußte der Kläger verstärkt damit rechnen, dass ein
Fahrzeugentwendungsversuch unternommen würde.
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Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Kläger den Versicherungsfall grob
fahrlässig herbeigeführt hat.
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Letzlich konnte der Senat offen lassen, ob eine zur Leistungsfreiheit führende
Verletzung der Aufklärungsobliegenheit durch den Kläger vorgelegen hat ( §§ 7 I Nr. 2
S. 3 AKB, 6 Abs. 3 VVG). Der Kläger hat nämlich unterschiedliche Darstellungen zum
Hergang, insbesondere zum Angriff auf seine Person, gegeben. Bei der polnischen
Polizei hat er lediglich berichtet, dass ein Mann "in mein Fahrzeug eingesprungen ist
und in Richtung W. weggefahren" sei. Bei der deutschen Polizei hat er angegeben, dass
eine Person vorhanden war, "die auf mich zukam und mich mit beiden Händen zur Seite
drückte". In der Schadenanzeige erklärt der Kläger gegenüber der Beklagten, er sei um
sein Fahrzeug gegangen und "im gleichen Augenblick raste ein PKW Marke BMW mit
zwei Personen besetzt heran. Eine der Personen stürzte aus dem Fahrzeug, riss mich
zu Boden, stieg in mein Fahrzeug ein ..." Diese Darstellungen unterscheiden sich
insbesondere im Hinblick auf die Beschreibung des Tathergangs und die
Gewaltanwendung. Im Ergebnis kam es - wie ausgeführt - auf diese Diskrepanzen aber
nicht an.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert der
Beschwer ist nach § 546
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Abs. 2 ZPO festzusetzen.
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Streitwert für das Berufungsverfahren
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und Wert der Beschwer des Klägers: bis DM 58.000,-- DM
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(80 % von 72.000,-- DM; Abschlag für Feststellungsklage).
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