Urteil des OLG Köln vom 28.04.2006
OLG Köln: stadt, zivilrechtliche ansprüche, werbung, ermächtigung, sondernutzung, öffentlich, gemeingebrauch, stufenklage, geschäftstätigkeit, eigentum
Oberlandesgericht Köln, 6 U 2/06
Datum:
28.04.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 2/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 33 O 152/05
Normen:
UWG § 4 Nr. 11, StrWG NRW § 18; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004
Tenor:
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.11.2005 verkündete Urteil
der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 152/05 - wird
zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
B E G R Ü N D U N G
1
I.
2
Die Klägerin, ein Unternehmen der Außenwerbung, ist mit der Stadt L. durch mehrere
Verträge verbunden, welche ihr im einzelnen bezeichnete alleinige Werberechte im
Stadtgebiet L. einräumen, so insbesondere das Recht, im Eigentum der Stadt stehende
bestimmte Flächen zu Werbezwecken exklusiv zu nutzen.
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Die Beklagte betreibt Werbung unter Einsatz von Fahrzeugen, die mittels auf den
Ladeflächen montierter Werbetafeln zur mobilen Außenwerbung genutzt werden, so
auch auf öffentlichen Straßen im L.er Stadtgebiet.
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Die Klägerin sieht hierin einen Verstoß gegen § 18 Straßen- und Wegegesetz
Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) bzw. eine Verletzung ihres Rechts am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Sie hat die Beklagte aus eigenem
Recht unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten bzw. wegen unerlaubter
Handlung im Wege der Stufenklage auf Unterlassung und Auskunftserteilung sowie
Zahlung von Schadensersatz, hilfsweise Herausgabe der aus der mobilen Werbung der
Beklagten ab Juli 2003 erzielten Einnahmen in Anspruch genommen. Daneben hat die
Klägerin sich auf ein Prozessführungsrecht für die Stadt L. berufen, welches sie aus
vertraglichen Absprachen mit der Stadt herleitet. Hinsichtlich der Fassung der
Klageanträge sowie der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs.
1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts vom
29.11.2005 Bezug genommen, mit welchem die Stufenklage insgesamt abgewiesen
worden ist. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass die Klägerin sich mangels
Ermächtigung der Stadt L. nicht auf eine entsprechende Prozessführungsbefugnis
berufen könne, eigene zivilrechtliche Ansprüche bzw. solche aus Vorschriften des UWG
- diese mangels Wettbewerbsbezuges des § 18 StrWG NW - indes unbegründet seien.
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Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihrer
Klageanträge. Die Beklagte verteidigt das Urteil.
6
II.
7
Die zulässige Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Zu Recht und mit
zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass Ansprüche der Klägerin
aus eigenem Recht unbegründet sind, wohingegen die Klage sich bereits als
unzulässig darstellt, soweit die Klägerin sich auf eine Ermächtigung der Stadt L. zur
Prozessführung beruft.
8
1.
9
Der Unterlassungsanspruch rechtfertigt sich nicht unter wettbewerbsrechtlichen
Gesichtspunkten. Der Senat hat hierbei ebenso wie die Kammer keine Veranlassung,
das Geschäftsmodell der Beklagten, nämlich auf städtischen Straßen Außenwerbung
mittels mobiler Gerätschaften zu betreiben, auf seine Vereinbarkeit mit den Vorschriften
des StrWG NRW zu überprüfen. Das Begehren der Klägerin stellt sich nämlich schon
deshalb als unbegründet dar, weil die in Frage kommende Vorschrift des § 18 StrWG
NRW keinen Marktbezug i.S. der - als Anspruchsgrundlage allein in Betracht
kommenden - §§ 3, 4 Nr. 11 UWG aufweist.
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Ein Anspruch aus § 4 Nr. 11 UWG kommt nur dann in Betracht, wenn ein Verstoß gegen
eine Vorschrift gerügt wird, welche zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. BGH MD 2006, 1, 3 - Betonstahl;
BGH MD 2006, 7, 11 - Schulfotoaktion; BGH GRUR 2005, 875 - Diabetesteststreifen;
GRUR 2005, 960 - Friedhofsruhe). Ob dies der Fall ist, ist anhand einer am Normzweck
der Vorschrift orientierten Auslegung zu beurteilen. § 18 Abs. 1 StrWG NRW ist keine
Marktverhaltensregelung in diesem Sinne.
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Gemäß § 18 Abs. 1 StrWG NRW bedarf es im Fall einer Sondernutzung öffentlicher
Straßen einer hierauf gerichteten Erlaubnis, ohne welche sich die fragliche, über den
Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung als unzulässig darstellt. Zu der
korrespondierenden Norm des hessischen Straßenrechts, § 16 HessStrG, hat das OLG
Frankfurt festgestellt, dass die Vorschrift folglich dazu dient, eine geregelte Nutzung des
öffentlichen Verkehrsraums zu gewährleisten und insbesondere eine übermäßige
Inanspruchnahme dieses Raums durch Einzelne zu Lasten der anderen
Verkehrsteilnehmer zu verhindern, wobei mit der Notwendigkeit einer Sondererlaubnis
allenfalls reflexhafte Auswirkungen auf das Marktverhalten der Betroffenen verbunden
sind (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2004, 56; vgl. auch - zu Vorschriften der StVO - LG Kiel,
GRUR 2005, 446 - Frühstücksaktion). Diesen gleichermaßen für § 18 StrWG NRW
geltenden Erwägungen, welche in der Literatur durchgehend Zustimmung erfahren
haben (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 4 Rn. 11.41;
Fezer-Götting, UWG, Lauterkeitsrecht, § 4-11 Rn. 58), schließt der Senat sich, wie schon
die Kammer, an.
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Die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des OLG Oldenburg vom
10.06.2004 - Az. 1 U 14/04 - rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Der
Entscheidung lag ein Fall des sog. Wildplakatierens, d.h. des unberechtigten Anklebens
von Plakaten auf festen Flächen, zugrunde, wobei das Oberlandesgericht einen
Vorsprung durch Rechtsbruch i.S. des § 1 UWG a.F. aus dem Gesichtspunkt der
Verletzung fremder Nutzungsrechte, nämlich der vertraglichen exklusiven
Nutzungsrechte der dortigen Klägerin, hergeleitet hatte. Hier geht es indes um die
Nutzung öffentlichen Straßenraums, an welchem die Klägerin unstreitig kein alleiniges
Nutzungsrecht hat und aus Rechtsgründen auch nicht haben kann.
13
2.
14
Die Klägerin vermag sich auch nicht mit Erfolg auf Ansprüche aus § 823 Abs. 1 i.V. mit §
1004 BGB zu berufen.
15
a)
16
Mit der Kammer ist der Senat der Auffassung, dass Störungen der Geschäftstätigkeit
eines Unternehmers durch konkurrierende werbliche Aktivitäten eines Mitbewerbers wie
im Streitfall keinen zielgerichteten, betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbetrieb des
betroffenen Unternehmers i.S. des § 823 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. auch OLG
Hamburg MD 1999, 389). Mit den beanstandeten mobilen Außenwerbemaßnahmen
handelt die Beklagte nämlich nicht in der Absicht, die Klägerin zu schädigen, sondern
ausschließlich mit dem Ziel eigener Geschäftstätigkeit und Gewinnerzielung. Dies gilt
unabhängig davon, ob sich die fragliche Außenwerbung überhaupt als
erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt oder ob der Unterlassungskläger
gegebenenfalls sogar über eine solche verfügt, weil sich die Aktivitäten des als
Verletzer in Anspruch Genommenen auch in diesen Fällen nicht unmittelbar gegen den
fremden Gewerbebetrieb richten.
17
b)
18
Eine Verletzung sonstiger absoluter (Nutzungs-)Recht der Klägerin, welche eine
entsprechende Anwendung des § 823 Abs.1 BGB rechtfertigen würde, ist nicht
19
ersichtlich.
Aus ihrem eigenen Vorbringen ergibt sich schon nicht, dass ihr eine ausdrückliche
behördliche Erlaubnis gemäß § 18 StrWG NRW zur Sondernutzung der öffentlichen
Straßen auf dem Gebiet der Stadt L. zum Zweck mobiler Außenwerbung erteilt worden
wäre. Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob eine derartige Rechtseinräumung ihrer
Natur nach überhaupt als ausschließliches Nutzungsrecht in der Art der bestehenden
privatrechtlichen Verträge gewährt werden könnte.
20
Entsprechende Rechte ergeben sich auch nicht aus den genannten Verträgen mit der
Stadt L. § 1 des als Anlage K 1 vorgelegten "Werbenutzungsvertrags" vom 09.02.1995
verhält sich ausschließlich über Nutzungsrechte an öffentlichen Verkehrsflächen "zum
Bau und Betrieb von Werbeeinrichtungen", wozu etwa Litfasssäulen und Plakatwände
zählen, bzw. die Berechtigung zur Nutzung "der sonstigen stadteigenen Grundstücke
und Bauwerke". Mobile Werbung auf öffentlichen Straßen im Stadtgebiet fällt nicht
hierunter und wird im Übrigen auch nicht von der Vereinbarung vom
23.12.1997/12.01.1998 (Anlage K 2) erfasst, welche sich über Rechte im
Zusammenhang mit Werbung durch Plakatieren befasst.
21
3.
22
In gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemachte Ansprüche der Stadt L. scheitern
demgegenüber bereits daran, dass es an einer wirksamen Ermächtigung der Stadt zur
Prozessführung fehlt.
23
a)
24
Eine derartige Ermächtigung resultiert insbesondere nicht aus § 9 Abs. 2 des Vertrags
der Klägerin mit der Stadt L. vom 23.12.1997/12.01.1998.
25
Der Vertrag verhält sich über aus dem Eigentum der Stadt an Grundstücken und
Bauwerken resultierende privatrechtliche Nutzungsrechte. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2
ermächtigt die Stadt insoweit die Klägerin, "Unterlassungsansprüche und
gegebenenfalls nicht abtretbare Beseitigungsansprüche gegenüber den
Wildplakatierern im eigenen Namen geltend zu machen". Um unerlaubte Werbung in
Form des Wildplakatierens geht es vorliegend indes, wie ausgeführt, nicht.
26
b)
27
Eine Ermächtigung zur Prozessführung lässt sich auch nicht aus der als Anlage K 3
vorgelegten "Gemeinsamen Erklärung zu den Werbenutzungsverträgen" vom
07./16.3.2005 ableiten.
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Ausweislich Ziffer 4 verleihen die Erklärenden, zu welchen unter anderem die Klägerin
sowie die Stadt L. gehören, ihrer Auffassung Ausdruck, dass mobile Außenwerbung der
fraglichen Art in die der Klägerin vertraglich gewährten ausschließlichen
Nutzungsrechte eingreife, weshalb sie auf der Grundlage "der ihr zustehenden
vertraglichen Position berechtigt" sein soll, "gegen diese Art von Außenwerbung
vorzugehen." Nach dem eindeutigen Wortlaut sollten der Klägerin mit dieser Erklärung
keine Rechte erstmals eingeräumt werden, die ihr zuvor nicht schon gewährt worden
wären, sondern die Parteien haben allein einer Rechtsansicht über den Inhalt
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bestehender Verträge Ausdruck verliehen. Diese ist indes irrig, da die vorhandenen
Verträge sich, wie dargestellt, nicht über ein (privatrechtliches) Recht zur Nutzung
öffentlicher Straßen durch mobile Außenwerbung der angegriffenen Art verhalten, sei es
ausdrücklich oder konkludent.
c)
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Der Klägerin verhilft auch nicht der erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte "Zusatz
zur gemeinsamen Erklärung vom 7./16.03.2005 zu den Werbenutzungsverträgen" vom
10./23.01.2006 (Anlage BK 3) zum Erfolg.
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In Ziffer 2 des Zusatzes ermächtigt unter anderem die Stadt L. die Klägerin nunmehr
ausdrücklich, "Ansprüche der Stadt L. ... wegen illegaler Werbung, insbesondere
mobiler Werbung, im eigenen Namen auch rückwirkend geltend zu machen". Bei den
fraglichen "Ansprüchen" der Stadt kann es sich indes nur um solche öffentlich-
rechtlicher Art handeln, nämlich die aus § 18 StrWG NRW fließenden hoheitlichen
Befugnisse, den Gebrauch an öffentlichen Straßen, so er den zulassungsfreien
Gemeingebrauch überschreitet, zu reglementieren und solcherart auch zu beschränken
sowie unzulässigen Sondergebrauch zu verfolgen und zu ahnden. Diese aus der
Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften resultierenden hoheitlichen Befugnisse
sind der Übertragung auf einen privaten Unternehmer indes nicht zugänglich, und
etwaige Unterlassungsansprüche der Stadt in Zusammenhang mit einer Verletzung von
Vorschriften des Straßen- und Wegegesetzes werden auch nicht zu solchen
privatrechtlicher Natur, nur weil diese auf eine Privatperson übertragen worden wären.
32
4.
33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
ZPO liegen nicht vor.
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