Urteil des OLG Köln vom 22.08.2008

OLG Köln: verfahrensablauf, rechtswidrigkeit, grundrechtseingriff, befristung, rechtsschutz, beruf, hoheitsakt, datum, belastung, verfügungsgewalt

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 149/08
Datum:
22.08.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 149/08
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3.
Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 29.05.2008 - 3 T 88/08 - wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Betroffene, von Beruf Rechtsanwältin, war vom Amtsgericht in etlichen
Betreuungsverfahren als Berufsbetreuerin bestellt worden. Nachdem die Betroffene im
Januar und Februar 2008 mehrfach wegen schwerer Erkrankung um Entpflichtung in
verschiedenen Betreuungsverfahren gebeten hatte und das Vormundschaftsgericht dem
zum Teil nachkam, ordnete dieses im März 2008 durch einstweilige Anordnung für die
Betroffene eine Betreuung bis zum 03.09.2008 an und bestellte eine weitere
Berufsbetreuerin zur Betreuerin für den Aufgabenkreis der Abwicklung der
Betreuertätigkeit einschließlich Verfügungsgewalt über Fremdgelder. Dem war eine
Mitteilung dieser Berufsbetreuerin über den stationären Krankenhausaufenthalt der
Betroffenen vorangegangen. Die Berufsbetreuerin wurde auf ihren Antrag nach wenigen
Tagen entbunden und durch den Beteiligten zu 2. ersetzt. Inzwischen hatte sich die
Betroffene mit einer Beschwerde am 09.03.2008 gegen die Anordnung der Betreuung
gewandt. Das Amtsgericht hob am 19.03.2008 die Betreuung wegen fehlender
Erforderlichkeit auf, da am 14.03.2008 durch die Rechtsanwaltskammer für die
Betroffene eine Vertreterin bestellt worden war. Die Beschwerde der Betroffenen, die
nach Aufhebung der Betreuung Feststellung der Rechtswidrigkeit verlangt, hat das
Landgericht als unzulässig angesehen. Dagegen richtet sich das Rechtsmittel der
Betroffenen.
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II.
4
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche weitere Beschwerde ist in der Sache nicht
begründet. Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen, die allein
Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können (§ 27 FGG i. V. m. 546
ZPO), nicht zu beanstanden.
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Zu Recht hat das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen, weil die
Betreuung sich durch den Aufhebungsbeschluss vom 19.03.2008 in der Sache erledigt
hat. Für die beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit fehlt der Betroffenen das
Rechtsschutzbedürfnis.
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Die Erledigung der angefochtenen Maßnahme führt im Regelfall zur Unzulässigkeit des
Rechtsmittels. Anders beurteilt sich nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Zulässigkeit der Beschwerde, wenn durch die
Maßnahme ein tiefgreifender Grundrechtseingriff erfolgt ist und "die direkte Belastung
durch den Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne
beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der
Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann" (so st. Rechtsprechung des
BVerfG, NJW 1997, 2163; 1998, 2131; NJW 1998, 2432; NJW 2002,206; BGH FamRZ
2008, 628).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zwar kann nach der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 02.08.2001 (NJW 2002,206) auch die gerichtliche
Bestellung eines Betreuers einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellen, was hier
offen bleiben kann. Die weitere Anforderungen zur Zulässigkeit eines
Feststellungsantrag sind indes nicht erfüllt. Es liegt keine Verkürzung der vorgegebenen
Rechtsmittel wegen der zeitlichen Befristung der Maßnahme bei einem typischen
Verfahrenslauf vor. Vielmehr hat die Betroffene mit ihrem Rechtsmittel der Beschwerde,
dessen Ziel die Aufhebung der Betreuung war, dieses Ziel bereits durch den
Aufhebungsbeschluss vom 19.03.2008 erreicht. Dieser erging nach Einreichung des
Rechtsmittels und aufgrund nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch
das Vormundschaftsgericht, weil für eine Betreuung keine Erforderlichkeit mehr bestand.
Somit hat die Betroffene noch während der Dauer ihrer Betreuung die von ihr
gewünschte Entscheidung und damit effektiven Rechtsschutz erlangt. Ein Fall des
ineffektiven Rechtsschutzes bzw. eines "Leerlaufen Lassens" des Rechtsmittels (dazu
BVerfG, NJW 2002,2456) liegt hier gerade nicht vor (ebenso in einem ähnlich
gelagerten Fall: BayObLG, FamRZ 2005,477).
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Dass das Vormundschaftsgericht in seiner Entscheidung vom 19.03.2008 die Betreuung
allein wegen fehlender Erforderlichkeit aufgehoben und sich nicht mit den Gründen der
Beschwerde auseinandergesetzt hat, ändert daran nichts. Es besteht kein Anspruch des
Rechtsmittelführers darauf, dass das Gericht, das in seinem Sinne entschieden hat, sich
zugleich zu sämtlichen rechtlichen Fragen äußert.
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Offen bleiben kann im übrigen die Frage, ob nicht bei einer Betreuungsanordnung, die
sich üblicherweise über einen längeren Zeitraum erstreckt und selbst hier als vorläufige
Anordnung immerhin sechs Monate andauern sollte, der "typische Verfahrensablauf" die
Durchführung eines Rechtsmittels durch alle Instanzen zulässt ( a.A. wohl OLG Rostock,
FamRZ 2007,302).
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